Hugenotten
Hugenotten ist die seit etwa 1560 gebräuchliche Bezeichnung für die französischen Protestanten. Ihr Glaube ist stark von der Lehre Johannes Calvins beeinflusst.
Die Hugenotten wurden in Frankreich insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert stark verfolgt. Besonders die Verfolgungen unter Ludwig XIV. (Frankreich) ab 1685 lösten eine Fluchtwelle von einer viertel Million Hugenotten in die umliegenden protestantischen Länder aus.
Nach dem Ende der Verfolgung und dem Inkrafttreten der französichen Verfassung 1791 setzte sich immer mehr die Bezeichnung Protestanten durch. Die Bezeichnung Hugenotten ist also eigentlich nur für calvinistische Gläubige für die Zeit ihrer Verfolgung in Frankreich gerechtfertigt.
Die französischen Protestanten stellen im vorwiegend katholischen Frankreich heute eine kleine Minderheit dar.
Etymologie
Der Ursprung des Wortes "Hugenotten" ist vermutlich eine Anspielung auf das französische Wort aignos (Eidgenossen), das die Verbindungen zum calvinistischen Zentrum Schweiz aufzeigt. Möglicherweise stand auch der Genfer Freiheitskämpfer Besancon Hugues bei der Namengsbebung Pate, doch genau lässt sich die Herkunft des Wortes nicht herleiten. Sicher ist, dass der Name nicht als Eigenbezeichnung der Gläubigen, sondern als Spottbegriff entstand.
Das Hugenottenkreuz
Die Ursprünge des Hugenottenkreuzes, auch Saint Esprit genannt, sind nicht vollständig geklärt. Sicher ist jedoch, dass Kreuze dieser Art vor 1688 in Nîmes (Südfrankreich) gefertigt wurden.
Das Kreuz entspricht in etwa dem Malteserkreuz. Die vier Dreiecke der Kreuzarme (die auch den vier Evangelien entsprechen) enden in jeweils zwei kleinen Kugeln, die sich auf die acht Seligpreisungen der Bibel (Matthäus 5, 3-10) beziehen. In der Tradition gelten die Kugeln jedoch auch als Symbole der Tränen, die während der Verfolgung geweint wurden.
Der freie Platz zwischen den Kreuzarmen wird durch vier Lilien (Fleur de Lis) ausgefüllt, dem Wappen des bourbonischen Hochadels. Diese bekunden einerseits die Verbundenheit der Hugenotten mit ihrem Vaterland. Da die vier Blüten jedoch aus jeweils drei Blättern bestehen, stehen sie symbolisch auch für die zwölf Apostel.
Das Kreuz wurde bald nach seiner Entstehung um einen Anhänger erweitert. Dabei finden sowohl ein tropfenförmiger Gegenstand wie auch eine Taube an einem goldenen Ring Verwendung.
Die herabfliegende Taube ist Symbol des heiligen Geistes.
Der tropfenförmige Gegenstand wird einerseits als "tisson" (Stößel) betrachtet, und so interpretiert, dass die Reformation in Frankreich wie das Salz in einem Mörser zerstoßen worden war, ohne an Geschmack verloren zu haben. Andererseits kann er auch als "Feuerzungen", dem Symbol für die Ausgießung des Heiligen Geistes (Pfingsten) gesehen werden, was der Taube entsprechen würde.
Geschichte
Anfänge der Reformation in Frankreich
Um die Zeit, als in Deutschland durch die Thesen Luthers die Reformation begonnen hatte (1517), gibt es in Frankreich eine Situation, in der das Luthersche Gedankengut auf fruchtbaren Boden fallen konnte:
Franz I., der Frankreich seit 1515 regierte, hatte zu dieser Zeit die
katholische Kirche zunehmend zu einem Verwaltungsorgan des Staates
aus- und umgebaut: Seit dem Konkordat von Bologna 1516 hatte er das
Recht, die hohen Ämter der französischen Kirche nach eigenem Willen zu
besetzen. Er nutzte dies geschickt, um den französischen Hochadel in den
entsprechenden Positionen unterzubringen, und ihn sich auf diese Weise zu
verpflichten. Die Infrastruktur der Kirche war für Franz ebenfalls von Bedeutung:
Ihre Präsenz in allen Städten und Dörfern, die hohe Reichweite, die
die Pfarrer in ihren Gemeinden erzielen konnten, und die Familienregister,
die die Pfarreien führten, waren Elemente, die er für verwaltungstechnische
Aufgaben, zum Beispiel der Veröffentlichung von Edikten, einspannen konnte.
Insbesondere in Paris führte diese Verweltlichung zu Widerspruch von humanistischen Kreisen, insbesondere um Erasmus von Rotterdamm (Didier Érasme) und Jacques Lefèvre d'Étaples (Jakob Faber). Um 1520 beginnt man, in diesen Zirkeln die Thesen Luthers diskutieren, die die heilige Schrift zum Maßstab des Glaubens machen und die Trennung von Staat und Kirche einfordern. Die theologischen Thesen Luthers werden zunächst auch vom Königshaus eher positiv aufgenommen: So waren die Schwester des Königs, Margarete von Navarra, und der Bischof von Bayonne, Jean du Bellay, sowie dessen Bruder Guillaume Mitglieder der Gruppe um Lefèvre.
Franz I., ohnehin sehr aufgeklärt und aufgeschlossen, zudem wohl noch durch seine Schwester beeinflusst, zeigt sich ebenfalls gegenüber den theologischen Aspekten der beginnenden Reformationsbewegung nicht abgeneigt. So hält er zum Beispiel über Lefèvre seine schützende Hand, als gegen diesen nach einer Abhandlung über Maria Magdalena ein Prozess wegen Ketzerei angestrengt worden war. Die Reform einer Kirche von innen heraus ist, zumindest was die theologischen Deutungen angeht, nichts, was Franz I. fürchten müsste.
Zunächst einmal darf also um 1520 herum der reformatorische Gedanke auch in Frankreich Fuß fassen. Von den Humanisten findet er auch rasch seinen Weg ins gehobene Bürgertum, wo die vorhandenen weitreichenden Handelsbeziehungen nicht nur Waren, sondern auch Ideen schnell verbreiteten helfen.
Beginnende Verfolgung
Sehr schnell setzt jedoch eine katholische Gegenbewegung ein: Die Amtsträger der Kirche beginnen, sich um ihre Pfründe sorgen zu machen: 1521 wird Luther vom Papst exkommuniziert, die Pariser Universität Sorbonne verdammt seine Lehren.
Franz I. gerät dadurch zunehmend unter Druck, und zwar aus zwei Gründen:
Der erste ist innenpolitischer Natur: Nach 1520 wird schnell deutlich, dass die Reformation eben nicht nur eine theologische Geschichte ist, die sich in den Studierzimmern der Gelehrten breitmacht, sondern dass die Thesen die bestehende klerikale (und eng damit verbunden auch die weltliche) Machtstruktur anzugreifen beginnen. Franz kann kein Interesse daran haben, dass die Reformer jetzt am Stuhl derjenigen Adeligen sägen, denen er gerade kirchliche Ämter, Würden und Einnahmequellen verschafft hatte, und die eine wesentliche Stütze seiner Kontrolle über Frankreich darstellen.
Zum zweiten befindet sich Franz I. zu dieser Zeit mit den Habsburgern, genauer gesagt, dem deutschem Kaiser Karl V. in einem schweren Konflikt. Frankreich ist über die Niederlande, Deutschland und Spanien von den den Habsburgern in die Zange genommen, in Norditalien befindet sich Frankreich im offenen Krieg mit den Habsburgern. Würde Franz der Reformation in Frankreich freien Lauf lassen, so hätte er auch noch Rom gegen sich, und Karl V., der 1521 über Luther die Reichsacht verhängt hatte, wäre - dann von Rom unterstützt - von einer Invasion Frankreichs nicht mehr abzuhalten gewesen. Auch diese außenpolitische Überlegung zwingt Franz dazu, sich mehr und mehr vom Protestantismus zu distanzieren.
So kommt es zunehmend zu Repressalien gegen die Protestanten, die sich zu einer Verfolgung zumindest des öffentlichen Protestantismus ausweiten: Die Erste Hinrichtung eines französischen Protestanten ist für den 8. August 1523 belegt, als der Augustinermönch Jean Valliére in Paris am Pfahl verbrannt wird.
Untergrundkirche
Der Protestantismus wird bis etwa 1530 zunehmend in den Untergrund gedrängt. Ein Teil der Protestanten flieht, unter anderem in die Schweiz, wo Zwingli gerade dabei ist, die katholische Kirche komplett zu entmachten. Ins politische Aus gedrängt, treten die Protestanten aus dem Untergrund jedoch zunehmend provokativer auf: Auf Plakaten wird die Messe der Katholiken als Götzendienst bezeichnet (1534), Marienstatuen werden verunstaltet.
Etwa um 1533 schließt sich Johannes Calvin in Paris dem Protestantismus an. Bis zu dieser Zeit wäre auch er eher als katholischer Humanist denn als Reformierter zu bezeichnen. Nach einer protestantisch gefärbten Rede von Nicolaus Cop, des Rektors der Universität Paris, die höchstwahrscheinlich unter Beteiligung Calvins entstand, müssen beide aus Paris fliehen.
Doch trotz der Unterdrückung erhält die Bewegung noch immer Zulauf: 1546 bildet sich in Meaux die erste protestantische Gemeinde in Frankreich. 1559 findet in Paris die erste Nationalsynode der reformierten Christen Frankreichs statt. 15 Gemeinden schickten ihre Abgesandten, zu der nächsten, die zwei Jahre später stattfinet sind auf einmal um die 2.000 Gemeinden vertreten. Zu Beginn der 1560er Jahre haben die reformierten Untergrundkirchen etwa zwei Millionen Anhänger, was in etwa zehn Prozent der französischen Gesamtbevölkerung entspricht.
Diese reformierten Gemeinden sind jedoch nicht mehr lutherisch geprägt: Die Verfolgung hat enge Bande der französischen Reformierten zu dem in Genf lebenden Calvin entstehen lassen. Zwischen 1535 und 1560 durchdringt zunehmend der Calvinismus das französische Protestantentum, und der Calvinismus ist es, der den Dissidenten Zulauf verschafft. Jetzt kommt auch der Name "Hugenotten" auf.
Die Hugenottenkriege
1547 stirbt Franz I., und sein Sohn Heinrich II. besteigt den Thron Frankreichs. Er setzt die Repression gegenüber den Hugenotten unvermindert fort. Etwa um diese Zeit beginnt das Habsburgerreich in eine Vielzahl von Kleinstaaten zu zerbröseln: Kaiser Karl V. (HRR) bekommt die Refomation nicht mehr unter Kontolle, und der Kompromiss des "cuius regio, eius religio" tat ein übriges zur Spaltung des Kaiserreiches.
Heinrich II. möchte ähnliche Zustände wie in Deutschland in jedem Fall verhindern. Zunehmend haben sich nämlich jetzt auch Adelige den Hugenotten angeschlossen, und eine Übereinkunft nach dem Augsburger Prinzip für Frankreich hätte die unter Franz I. erfolgreich verlaufende Zentralisierung Frankreichs schwer beschädigt. Damit beginnt endgültig die politische Diskriminierung des Protestantismus in Frankreich.
Die geschieht mittels der chambre ardente in Paris, einer Kammer, die
die Hugenottischen Parlamentsabgeordeten verfolgt und dreier Edikte.
Die Kammer richtet
Heinrich bereits im ersten Jahr seiner Regentschaft ein.
Im Juni 1551 wird
dieses Prinzip im Edikt von Châteaubriant auf die Provinzparlamente
ausgedehnt.
Gemäß dem Edikt von Compiègne im Juli 1557 unterstehen
"die Ordnung in irgendeiner Weise störende" Protestanten der weltliche
Gerichtsbarkeit (vorläufig lässt Heinrich die Verurteilung wegen Häresie
noch in den Händen der Kirche).
Den Schlußpunkt bildet
am 2. Juni 1559 das Edikt von Écouen: Von nun an dürfen die Gerichte
für Häresie nur noch die Todesstrafe verhängen.
Heinrich wird 28 Tage später bei einem Turnier verletzt und sirbt am 10. Juli an dieser Verletzung.
Unter Heinrichs Sohn Franz II. hält die begonnene Vertreibung an. Die Bartholomäusnacht 1572 löst erneute zahlreiche Flüchtlingsströme aus, bis das Edikt von Nantes eine zeitweilige Beruhigung der Lage bringt, die jedoch nur bis zur Eroberung von La Rochelle (1628) anhält. Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernimmt Ludwig XIV. 1661 die Regierung und leitet eine groß angelegte mit Bekehrungs- und Missionierungsaktionen verbundene systematische Verfolgung der Protestanten ein, die er aufgrund der einsetzenden Flüchtlingswellen 1669 mit einem Emigrationsverbot verbinden muss, und die schließlich in den berüchtigten Dragonaden 1681 ihren Höhepunkt finden. Trotz Verbotes verlassen 500.000 Refugies ihre Heimat.
Im Edikt von Fontainebleau 1685 widerruft Ludwig das Edikt von Nantes, wer nunmehr als Protestant erkennbar ist, wird mit Haft oder Galeerenstrafe belegt, woraufhin sich viele in eine Untergrundkirche begeben und teilweise in den Cevennen Widerstand leisten (Camisarden).
In den Nachbarländern fanden die besitzlos gewordenen Hugenotten, die zur leistungsfähigsten Schicht der Gesellschaft zählten, bei den Herrschern bereitwillige Aufnahme, Privilegien und Kredite, was in der übrigen Bevölkerung wiederum Unverständnis, Neid und Anfeindungen auslöste. Zumal stießen sie als Reformierte auf Lutheraner, so dass sie wiederum eine religiöse Minderheit verkörperten.
Zu den Ländern die den Hugenotten eine neue Heimat wurden zählen die Schweiz, die Niederlande, England, Deutschland und Amerika.
Indessen sorgten sie für eine Blüte der Wirtschaft und Landwirtschaft, brachten die Seidenraupenzucht mit öffneten für das kulturelle und Geistesleben weite Horizonte. Erst unter Ludwig XVI. schuf das Toleranzedikt 1787 eine neue Möglichkeit protestanischen Lebens in Frankreich.