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Agobard

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Agobard († 6. Juni 840) war Erzbischof von Lyon.

Dem Namen nach fränkischer oder burgundischer Herkunft, wird Agobard, wenn wir von unsicheren Nachrichten absehen, zuerst 792 genannt; er kam damals nach Lyon, wo die Erzbischöfe Ado von Vienne und (seit 797) Leidrad von Lyon im Sinne Karls des Großen für Kirche und Schule wirkten und das wissenschaftliche Leben erneuerten. Unverkennbar ist der Einfluss Leidrads auf Agobard , der jenem erst als Chorbischof zur Seite stand und 816 als Erzbischof folgte. Wird auch Agobard in den Quellenschriften jener Zeit häufig genannt, so sind es doch noch mehr seine eigenen Schriften, welche uns ein Bild von seinem Leben und Wirken geben. Wie Agobard sein erzbischöfliches Regiment mit der Veröffentlichung eines Hirtenbriefes De modo regiminis ecclesiastici begann, so hat er auch in der Folge seine lebhafte und durchaus aus das Leben gerichtete Teilnahme an allen Staat oder Kirche damals bewegenden Fragen durch eine Reihe von Gelegenheitsschriften des mannigfaltigsten Inhalts bekundet. Diese Schriften, am besten von Baluze herausgegeben, zeichnen sich zumeist aus durch übersichtliche Anordnung des Stoffes, durch Klarheit des Gedankens und des Ausdrucks, durch lebendigen, nötigenfalls auch kräftigen und scharfen Ton, durch Korrektheit des Lateins, wie es damals geschrieben wurde. Sie zeugen von Belesenheit in der Bibel, den Kirchenvätern (namentlich Augustin), den Konzilakten und Kanones, und erheben sich doch über die Kompilation zu selbständiger Behandlung der Themen. Sie lassen uns endlich Agobard als einen vielseitig gebildeten, für seine Zeit recht aufgeklärten, von der Hoheit seines Berufs und seiner Stellung durchdrungenen, für seine Ueberzeugung und Sache mit Wärme, schließlich mit Leidenschaft eintretenden Mann erkennen. Agobard geißelt z. B. den Aberglauben, dass Menschen Unwetter heraufbeschwören können, verwirft die Ordalien als Trugwerk und Versuchung der Herrn, eifert, ohne dabei die Päpste zu schonen, gegen den Bilderkultus.

Als der nach Lyon verwiesene Felix von Urgel hier 818 starb, gab eine von ihm hinterlassene Schrift Agobard Anlass, nochmals die sogenannte adoptianischen Lehren zu bekämpfen. Seine heftigen Angriffe gegen die Juden galten nicht allein der Überhebung, der sie sich, aus ihren Reichtum und aus ihre Verbindungen mit dem Hofe gestützt, schuldig machten, eben so sehr ihrem Glauben, für den sie sogar Propaganda zu machen angeklagt wurden. Noch mehr ging Agobard auf dogmatische Fragen und gelegentlich auf philosophische Probleme ein in einer Diskussion mit Fredegisel, dem gegenüber er den Versuch machte, in freierer Auffassung des Inspirationsbegriffes in der heiligen Schrift das Werk Gottes und die Zutat der Menschen von einander zu scheiden. Noch weit schlagfertiger als bei derartigen Fragen, zugleich dann auch entschiedener und bis zum Fanatismus konsequent, zeigte er sich, als es sich unter Ludwig dem Frommen um die Stellung des Klerus zur Laienwelt und um die Beziehungen zwischen Staat und Kirche handelte, und da griff er nicht allein mit Rede und Schrift, sondern auch mit Taten in die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse ein. Als sich nämlich die Geistlichkeit schon mächtig genug fühlte, um eine allgemeine Restitution des säkularisierten Kirchenguts anzustreben, da war es Agobard, der solchen Forderungen auf einer Synode zu Attigny 822 Ausdruck gab. Diese Sache und überhaupt alle Ansprüche seines Standes hat er auch ferner auf Reichstagen und Synoden, so wie in den Schriften „De dispensatione rerum ecclesiasticarum. de iure et privilegio sacerdotii" u. a. verfochten, ohne der Verleumdungen und Anfeindungen zu achten, die er sich seitens der Laienwelt zuzog. Und ohne Zweifel hat er auf der Lyoner Reformsynode von 829 dasselbe Programm aufstellen lassen, wie das uns von der gleichzeitigen Pariser Synode bekannte, welches für die geistliche Gewalt den Vorrang vor der weltlichen beansprucht. Von dem Grundsatz ausgehend, dass, wer wider die Kirche handle, sich gegen Gott versündige, wobei ihm jedoch der Papst nur insoweit als Autorität in der Kirche gilt, als er sich in Einklang mit dem fränkischen Episkopat findet und diesem gleichsam als Organ dient, hat Agobard wesentlich dem gewaltigen Umschwung in dem Verhältnis der beiden Gewalten zu einander vorgearbeitet, der sich im Laufe des 9. Jahrhunderts vollzieht. Und in diesem Sinne hat er auch in die großen politischen Fragen seiner Zeit eingegriffen. In der Vorstellung aufgewachsen, dass es wie eine einheitliche Kirche, so auch einen einheitlichen Staat geben müsse, nahm er lebhaften Anteil an der die Reichseinheit bezweckenden Aachener Akte von 817. Er ging in dem ..Liber adversus legem Gundobadi" noch einen Schritt weiter und verlangte die Aufhebung des burgundischen Volksrechts, auf dass in dem Kaiserreiche fortan nur Ein Recht bestehe, wie ja auch nur das Eine Sittengesetz Christi Geltung habe. Folgerechter Weise widersetzte er sich dann den Plänen der Kaiserin Judith, die Akte von 817 zu Gunsten des nachgebornen Karls umzustoßen. Zwar erfahren wir nicht, ob Agobard schon 830 an der ersten Erhebung der älteren Söhne gegen den Vater persönlichen Anteil genommen hat; aber als in den nächsten Jahren das Treiben der Kaiserin das Reich immer mehr mit Verwirrung und Auflösung bedrohte, ergriff Agobard ebenso entschieden als offen Partei für den seit 817 zum Mitkaiser erhobenen Lothar. Noch einmal beschwor er 833 Ludwig in der „Epistola flebilis". die ihm einst von Gott eingegebene und von allen beschworene Ordnung nicht über den Haufen werfen zu lassen. Es war um die Zeit, da Gregor IV. von der Partei Lothars nach Gallien geführt worden war, um für die von seinen Vorgängern gutgeheißene Akte von 817 einzutreten. Dass der Papst eben nur dazu berechtigt und in diesem Falle noch vielmehr dazu verpflichtet sei, dass ihm also auch Gehorsam geschuldet werde, das suchte Agobard in einem weitern Schreiben „De comparatione utriusque regiminis" dem Kaiser darzulegen. All sein Trachten ging dabei auf Beilegung des Zwistes ohne Blutvergießen; aber ebenso von der Notwendigkeit der Reichseinheit überzeugt, wie davon, dass die geistliche Autorität in Stellvertretung Christi auch über die höchste weltliche Gewalt zu richten berufen sei, schreckte er nun auch vor den äußersten Folgerungen nicht mehr zurück. Nachdem auf dem Lügenfelde die Würfel gefallen, trachtete er, uneingedenk aller ihm von Ludwig erwiesenen Gnaden und ohne Begeisterung für Lothar, dahin, die Erhebung des Sohnes durch die Erniedrigung des Vaters zu sichern. Agobard hat neben Ebbo von Reims vorzüglich Anteil an der Ludwig zu Soissons auferlegten Buße, damit ihm die Rückkehr auf den Thron verschlossen bleibe. Darob angegriffen, wollte er sich in dem „Liber apologeticus" rechtfertigen. Noch einmal sucht er in diesem Pamphlet das Recht der Söhne, sich gegen den Vater zu empören, darzutun und möchte zugleich die eigene Schuld beschönigen durch die heftigste Anschuldigung der Kaiserin Judith, gegen die er in blindem Eifer noch immer den Vorwurf des Ehebruchs und andrer Schandthaten erhebt, von dem sie sich längst gereinigt hatte. Diese letzte politische Flugschrift des Agobard lässt ihn nicht mehr als redlichen und ruhigen Vertreter seiner Überzeugung, sondern als Fanatiker einer Parteisache erscheinen. Als schon nach kurzem Ludwig wieder an das Regiment kam, musste Agobard sich mit Lothar nach Italien flüchten. Wiederholt von dem alten Kaiser vorgeladen, stellte er sich nicht, scheint aber doch nicht förmlich abgesetzt worden zu sein. Nach zwei Jahren finden wir ihn schon wieder unangefochten in der Umgebung Ludwigs. Er begleitete denselben wahrscheinlich 839 auf dem Zuge nach Aquitanien und blieb dann nach des Kaisers Ausbruch im Gefolge Karls: so starb er in Saintonge am 6. Juni 840. Von seinem Wirken in dem eigenen Sprengel hören wir nichts mehr, seitdem er in das Treiben der politischen Parteien hineingerissen wurde, das letzte Mal 830. Aber die Lyoner Kirche hat ihn doch als Heiligen verehrt.

Agobard gehörte zusammen mit Erzbischof Ebbo von Reims zu den führenden Köpfen der Reichseinheitspartei und bewog Ludwig den Frommen, die Mission nördlich der Reichsgrenzen wieder aufzunehmen.



Dieser Artikel beruht auf dem gleichnamigen Artikel von Sickel in der Allgemeinen Deutschen Biographie, Band 1, S. 140. Die Urheberrechte sind abgelaufen.