Tiergestützte Therapie
Tiergestützte Therapieverfahren sind alternativmedizinische Behandlungsverfahren gegen psychiatrische und neurologische Erkrankungen und Behinderungen, bei denen Tiere eingesetzt werden. Je nach Tierart wird tiergestützte Therapie in verschiedenen Einsatzgebieten praktiziert. Es gibt z.B. Angebote mit Delfinen, Hunden, Pferden und Lamas.
Hundetherapie

Bei der hundegestützten Therapie/Hundetherapie wird der ausgebildete Therapiehund als Medium verwendet, um gezielt diagnostische Ideen zu erlangen, oder Verhaltensweisen zu trainieren. Die hundegestützte Psychodiagnostik ist besonders in den Bereichen, in denen verbale Diagnoseverfahren scheitern, angezeigt. In Bereichen, in denen keine oder nur minimale Verbalkommunikation möglich ist (Sprachstörungen, Sprachbarrieren, Gehörlosigkeit) gilt die hundegestützte Psychodiagnostik bei ihren Anwendern als besonders effektiv. Sie versuchen zu belegen, dass verschiedene autistische bzw. psychotische Störungen nur über die hundegestützte Psychodiagnostik unterschieden werden können.
An einer Sitzung nimmt der Patient, der Therapeut, sowie der Hund (oder die Hunde) und der Hundeführer teil. Um Gewissenskonflikte des Therapeuten und ein Burnout des Hundes zu verhindern, darf der Therapeut niemals gleichzeitig auch der Hundeführer sein. Die Einzelsitzung dauert 30-45 Minuten. Hundegestützte Therapie ist auch in der Gruppentherapie und Familientherapie möglich. Videoaufzeichnungen dienen der Veranschaulichung.
Hunde wirken einerseits beruhigend und als Sicherheitssignal, andererseits funktioniert ihre Kommunikation anders, als die zwischenmenschliche Kommunikation. Diese Verschiebung der Kommunikationsweise bewirkt, dass zwischen Hund und Patient verletzungsfreier und offener interagiert wird. Hunde besitzen einen hohen Aufforderungscharakter. Die dadurch ansteigende Therapieakzeptanz der Patienten führt zu schnellerer Krankheitseinsicht, was die Therapieerfolge erheblich steigert. Die Befindlichkeit aller Beteiligten steigert sich bei Anwesenheit eines Hundes.
Da der Einsatz von Hunden in der Therapie nach größtmöglicher Sicherheit verlangt, verbieten sich Hunde mit ungewisser Herkunft (Mischlinge, Tierheimhunde). Die meisten Therapiehunde stammen aus stringenten Gebrauchshundezuchten, vorrangig aus den Rassen Magyar Vizsla, Irish Setter, Golden Retriever, Labrador und verschiedenen Hütehundrassen. Der Trend geht heute zu gezielter Zucht und Auswahl geeigneter Hunde.
Therapeutisches Reiten
Das therapeutische oder heilpädagogische Reiten umfasst pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative und sozial-integrative Maßnahmen, die über das Medium Pferd umgesetzt werden. Zielgruppe sind Kinder, Jugendliche oder Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen, Störungen oder Entwicklungsverzögerungen und ähnlichen Problematiken. Im Mittelpunkt des heilpädagogischen Reitens steht die Entwicklungsförderung bzw. günstige Einflussnahme auf den allgemeinen Verlauf. Die Ausbildung reiterlicher Fähigkeiten tritt in den Hintergrund.
Durch die Arbeit mit dem Medium Pferd und beim Reiten an sich wird der Mensch ganzheitlich angesprochen. Alle Sinne sind gefordert, der Mensch wird körperlich, emotional, geistig und sozial angesprochen. Der Aufbau einer Beziehung zum Pferd spielt im Heilpädagogischen Reiten die tragende Rolle. Der Pädagoge fördert den konstruktiven Umgang miteinander, vermittelt zwischen Pferd und Klient und gestaltet die heilpädagogischen Reitsequenzen so, dass eine möglichst gute Förderung der individuellen Ziele des Klienten möglich wird (im Beziehungsdreieck "Klient-Pferd-Reitpädagoge").
Die Umsetzung erfolgt durch den direkten Kontakt und Umgang mit dem Pferd, das Pflegen des Pferdes, Übungen am und auf dem geführten Pferd, Arbeit im Stall, mit einem Menschen oder in Gruppenarbeit. Auf dem geführten Pferd werden gymnastische Übungen und Geschicklichkeitsspiele ausgeführt. Der Bewegungsrhythmus des Pferdes hat eine lockernde, ausgleichende und angstlösende Wirkung, gleichzeitig spricht er auf vielfältige Art und Weise die Wahrnehmung des Reiters an. Durch individuelle Therapieplanung können die individuellen Problematiken gezielt und auf die Anforderungen der jeweiligen Behinderung oder Störung abgestimmt werden.
Hippotherapie
Die Hippotherapie setzt speziell ausgebildete Pferde zur Krankengymnastik ein. Bei dieser Form der Krankengymnastik wird das Reitpferd als Medium verwendet, um Bewegungsimpulse auf das Becken des Menschen zu übertragen. Dabei sitzt der Patient meist in der Gangart Schritt auf dem Pferderücken.
Ein heilender Effekt soll hier vor allem dadurch erreicht werden, dass sich der menschliche Körper auf die Impulse, die durch das sich bewegende Pferd verursacht werden, neu einpendeln muss. So könnten zum Beispiel halbseitig gelähmte Menschen ein Gefühl für ihre Körpermitte entwickeln. Zugleich werde die Muskelspannung positiv beeinflusst; schlaffe Muskeln spannten sich an, spastische, also zu stark gespannte Muskulatur, hingegen gäbe nach. Dadurch würde die gesamte Haltung vor allem des Oberkörpers geschult und das Balancegefühl verbessert.
Nicht angewendet werden soll die Hippotherapie bei Patienten mit Entzündungen der Wirbelsäule oder medikamentös nicht gut eingestellten Anfallsleiden, mit einem aktiven Schub Multipler Sklerose, Gefahr von Thrombosen oder Embolien, Bluterkrankheit oder Pferdehaar-Allergie.
Krankengymnasten, die Hippotherapie anbieten wollen, müssen hierzu eine Zusatzqualifikation erwerben, die unter anderem vom Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten in Warendorf angeboten wird. Für die Schweiz kann sie entweder in Basel oder bei der Deutschen Gruppe Hippotherapie in Süddeutschland erworben werden.
Der Hauptkritikpunkt an der Hippotherapie ist der hohe finanzielle Aufwand im Vergleich zu anderen therapeutischen Verfahren ohne nachgewiesenen höheren Nutzen. Obwohl in Deutschland schon 1982 bei einer Krankenkasse die Kostenübernahme einer Hippotherapie beantragt wurde erging erst 2002 ein Urteil des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.03.2002, Az B 1 KR 36/00 R), wonach die Therapie nicht von der Krankenkasse finanziert werden muss. Es stützte sich dabei vor allem auf eine fehlende Anerkennung durch den Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 20. Juni 2006 mitgeteilt, dass ein therapeutischer Nutzen der Hippotherapie nicht nachgewiesen ist und die Therapie daher als nicht verordnungsfähiges Heilmittel zu führen ist (vgl. BAnz. v. 26.09.2006, S. 6499).
Lamatherapie
Die Lamatherapie ist eine Form der tiergestützten Therapie bei der Lamas als Begleittiere in einen entwicklungsfördernden, pädagogischen oder therapeutischen Prozess eingebunden werden, um im Vorfeld festgelegte Ziele für den oder die Klienten zu erreichen. Diese Therapie wird von den Kostenträgern aus dem Sozial- und Gesundheitwesen nicht finanziert und muss von den Klienten bezahlt werden.
Die artspezifischen Eigenschaften der Lamas werden bei der Lamatherapie als motivierende Faktoren genutzt. Zu nennen sind hier besonders das zurückhaltende und gleichzeitig freundlich-neugierige Wesen von Lamas, ihre langsamen und gut zu beobachtenden Bewegungen und Körperhaltungen und die Tatsache, dass die meisten Klienten Lamas gegenüber sehr offen und wertfrei sind, da in der Regel noch keine schlechten Erfahrungen mit diesen Tieren gemacht wurden. Die Lamatherapie kann Anwendung finden bei Menschen mit einer Behinderung , bei denen eine psychische Erkrankung vorliegt, Suchterkranken, bei einer vorliegenden Traumatisierung oder Verhaltensauffälligkeit.
Es besteht derzeit keine formale Qualifikation für die Anbieter einer Lamatherapie. Eine Anerkennung der Lamatherapie wird angestrebt, ebenso die Festlegung von Qualitätsstandards und ein einheitliches Berufsbild durch die Möglichkeit einer beruflichen Zusatzqualifikation wie im Bereich der Hippotherapie.
Delfintherapie
Die Delfintherapie ist eine umstrittene Therapieform ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis[1]. Sie soll insbesondere Kindern mit mentalen und körperlichen Behinderungen helfen.
Sie wurde von dem Psychologen und Verhaltensforscher Dr. David E. Nathanson entwickelt. Er leitet die in Amerika durchgeführten Therapieprogramme der Dolphin-Human-Therapy. Grundlage des von Nathanson entwickelten Therapiekonzeptes ist, dass konservative Therapieformen verstärkt werden, indem die Begegnung mit dem Delfin als Belohnung für die Mitarbeit des Patienten und seiner Eltern ausgelegt ist. Die Patienten dürfen erst mit dem Delfin interagieren, wenn sie ihre (aus konservativen Verfahren stammenden) Therapieaufgaben erfüllt haben. Die Wirksamkeit seines Therapiekonzeptes hat Nathanson in eigenen Studien mehrmals belegt. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass keine unabhängigen Studien angefertigt wurden und in den bestehenden Studien die Begegnung mit dem Delfin nicht isoliert betrachtet wurde (Vergleichsgruppe, die am Gesamtkonzept der DHT teilnimmt, nur dass die Delfinbegegnung ersetzt wird).
Sowohl in Amerika als auch in Israel werden auch andere Delfintherapieprogramme angeboten, bei denen die Tiere in abgetrennten Meeresbuchten leben.
Diese Therapie ist mit erheblichen Kosten verbunden und wird in Deutschland innerhalb eines Forschungsprogrammes an der Universität Würzburg angeboten. Die Patienten dürfen dabei nicht mit ins Becken der Tiere, sondern agieren nur vom Beckenrand aus.
Es bestehen Bedenken in Deutschland seitens des Tierschutzes, da in Aquarien eine artgerechte Tierhaltung dieser großen Säugetiere nicht gewährleistet werden kann.
Quellennachweis
Literatur
- Ursula Künzle: „Hippotherapie auf den Grundlagen der funktionellen Bewegungslehre Klein-Vogelbach: Hippotherapie-K, Theorie, praktische Anwendung, Wirksamkeitsnachweis“. Springer, Berlin 2000. 412 S. ISBN 3-540-65220-5
- Ingrid Strauß: „Hippotherapie: neurophysiologische Behandlung mit und auf dem Pferd“. Beigefügtes Werk: Mit einem Beitr. zur Kinder-Hippotherapie von Emmy Tauffkirchen. 3., überarb. und erw. Aufl. Hippokrates Vlg., Stuttgart 2000. 185 S. ISBN 3-7773-1368-8
- Bettina Güntert: „Heilpädagogische Aspekte und Wirkung der Hippotherapie bei Kindern“. Innsbruck, Pädagogische Akademie, Diplomarbeit 2003. 88 S.
- Daniela Rasl: „Hippotherapie und der Körperabschnitt Becken: der Einfluss von Hippotherapie auf zentral-neurologisch bedingte Blasenfunktionsstörungen“. Wien, Akad. f. d. physiotherapeutischen Dienst am Kaiser Franz-Josef Spital d. Stadt Wien, Diplomarbeit 2003. 62 Bl.
Weblinks
- http://www.tiere-als-therapie.de
- Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten
- Deutsches Kuratorium für therapeutisches Reiten
- Vereins-Portal der Arbeitsgemeinschaft Hippotherapie für Schleswig-Holstein und Hamburg
- Lamatherapie
- http://www.tiergestuetzte-therapie.de
- Sind Delfine wirklich Wunderheiler? Beitrag zur Delphintherapie in sciencegarden