Aschenputtel
Das Aschenputtel, bei Ludwig Bechstein Aschenbrödel genannt, im englischen Sprachraum als Cinderella bekannt, im französischen als Cendrillon, im spanischen als Cenicienta, im italienischen als La Cenerentola, im russischen als Soluschka ist eine im europäischen Kulturraum weit verbreitete Märchenfigur, die unter anderem auch in der Märchensammlung der Brüder Grimm auftaucht.
Inhaltsangabe nach den Brüdern Grimm
Ein junges Mädchen wächst wohlbehütet im Haus eines reichen Kaufmanns auf. Etwa ein halbes Jahr nach dem Tod der Mutter heiratet der Vater eine Witwe, die zwei Töchter mit ins Haus bringt. Stiefmutter und Stiefschwestern machen dem Mädchen auf alle erdenkliche Weise das Leben schwer. Weil es nicht nur gröbste Schmutzarbeit leisten, sondern fortan auch in der Asche neben dem Herd schlafen muss, wird das Mädchen Aschenputtel genannt. Als der Vater einmal zu einer Messe reist, fragt er die drei Mädchen, was er ihnen mitbringen soll. Während die Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine verlangen, wünscht sich Aschenputtel nur ein Reis, das dem Vater auf der Rückseite an den Hut stößt. Dieses Haselreis pflanzt Aschenputtel auf das Grab der Mutter, und es wächst zu einem Strauch (im Märchen schöner Baum), dem Aschenputtels sein Leid klagen kann. Wenn Aschenputtel dort weint und betet, erscheint ein weißer Vogel auf dem Bäumchen, der ihm manchen Wunsch erfüllt.
Der König des Landes lässt bald darauf ein dreitägiges Fest ausrichten, zu dem alle schönen Jungfrauen eingeladen werden, damit der Sohn eine Gemahlin wählen kann. Die Stiefmutter und die eitlen Stiefschwestern wollen verhindern, dass Aschenputtel am Fest teilnimmt, obwohl es darum bittet. Die Stiefmutter gibt ihr stattdessen auf, Linsen aus der Asche zu lesen. Dies gelingt Aschenputtel mit Hilfe der von ihr herbeigerufenen Tauben - die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Trotzdem verneint die Stiefmutter mit der Begründung, dass Aschenputtel keine Kleider hat und eilt mit ihren Töchtern davon. Nun eilt Aschenputtel zum Grab der Mutter. Wieder ist es der weiße Vogel, der Aschenputtel ein prächtiges Kleid und mit Seide und Silber gestickte Pantoffeln herunterwirft. Aschenputtel schlüpft in diese Kleidung und mischt sich unter die Gäste. Der Königssohn verliebt sich in sie und möchte wissen, wer die schöne Unbekannte ist, doch zweimal gelingt es Aschenputtel, ihm zu entspringen. Beim dritten Mal verliert sie ihren goldenen Pantoffel auf der Schlosstreppe, und der Verliebte lässt nach der Jungfrau suchen, der der Pantoffel passt, damit er sie als Braut heimführen kann. Er fragt auch Aschenputtels Vater, der jedoch seine eigene Tochter nicht wiederkannt hat, obwohl er sich nach jedem Tanzabend fragte, ob es Aschenputtel gewesen sein könnte. Als erstes lässt der Königsohn im Haus des Vaters nachforschen. Die beiden Stiefschwestern versuchen vergebens, den zierlichen Schuh über ihre Füße zu ziehen. Auf den Rat der Mutter schneidet sich die erste den großen Zeh ab und die zweite die Ferse. Beim Vorbeiritt am Grab wird der Betrug jodch beide Male durch zwei Tauben vom Haselbäumchen aufgedeckt: (Rucke di guck, rucke di guck, Blut ist im Schuck, der Schuck ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim).
Aschenputtel, dem als einziger der Schuh passt, wird schließlich als wahre Braut erkannt, und die Stiefschwestern erhalten ihre gerechte Strafe. Über das Schicksal der bösen Stiefmutter wird nichts im Märchen gesagt, auch nicht in der Sammlung von Ludwig Bechstein, wo das Märchen in verkürzter Form ohne gravierende Abweichungen zur Fassung der Brüder Grimm wiedergegeben wird.
Ursprung des Märchens
Wie auch andere der Märchen, hat Aschenputtel eine lange Geschichte hinter sich. So stammen die ersten Aufzeichnungen dieses Märchens aus dem Kaiserreich China des 9. Jahrhunderts, dem alten Ägypten, von den Römern und nordamerikanischen Ureinwohnern. Nach Ulf Diederichs gibt es nicht weniger als 400 zirkulierende Aschenputtel-Märchen. Die bekannteste neben der Variante der Brüder Grimm ist die von Charles Perrault verfasste, die den Namen Cendrillon ou La petite pantoufle de verre trägt und 1697 aufgeschrieben wurde. Diese Märchenvariante mit den sich in Schimmel verwandelten Mäusen und dem Kürbis, der mit Hilfe der Fee zur Kutsche wird, hat maßgeblich Walt Disneys Zeichentrickfilm Cinderella geprägt, der 1950 entstand.
Andere Versionen des Märchens haben einen Ring, der nur Aschenputtel genau passt. In vielen Versionen, unter anderem Perraults, hilft Aschenputtel keine gute Fee, sondern ihre verstorbene Mutter, die als Ziege oder Kuh erscheint. Auch der Ball dauert mehrere Tage lang und am ersten Tag ist Aschenputtel noch pünktlich wieder zu Hause.
Die Pantoffeln aus Glas wurden in die Geschichte eingebracht, weil Glas kostbarer und schwerer zu formen war als Gold. Die Gebrüder Grimm nahmen wieder die Goldversion, da Glas zu ihrer Zeit schon gewöhnlich und zu zerbrechlich war.
Alle Versionen des Märchens haben gemeinsam, dass eine in ihrem Leben unglücklich gestellte Heldin auf die Liebe eines Prinzen hofft. Die Moral dieser Geschichte lässt sich ganz einfach mit den Worten zusammenfassen: Das Gute wird immer belohnt.
Redewendungen
- Ein im Volksmund häufig zitierter Satz aus dem Märchen ist Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.
- Als Aschenputtel wird umgangssprachlich auch ein unauffälliges, farbloses junges Mädchen bezeichnet, siehe auch Mauerblümchen
Kulturgeschichtliche Einflüsse
Die Geschichte des Aschenputtels hat zahlreiche Dramen, Opern, eine Reihe von Werken der Bildenden Kunst und Filme inspiriert, unter anderem:
- Carlo Goldoni, Buona figliuola (Oper), 1760
- Gioacchino Rossini, La Cenerentola (Oper), 1817
- Moritz von Schwind, Bilderzyklus zu Aschenbrödel, 1852/1854
- Jules Massenet, Cendrillon (Oper), 1899
- Erich Kühn, Aschenputtel (Theaterstück)
- Johann Strauß, Aschenbrödel, (Ballett), 1901
- Sergej Prokofjew, Soluschka, auch Cinderella, (Ballett), 1945
- Walt Disney, Cinderella, (Zeichentrickfilm), 1950
- Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, Märchenfilm CSSR/DDR, 1974
- Cindarella, Lied der Erste Allgemeine Verunsicherung, AT 1994
- Auf immer und ewig, Spielfilm USA, 1998
- Gavin Millar: Aschenputtels Geheimnis. Buchverfilmung USA, 2002
Literatur
- Ulf Diederichs: Who’s who im Märchen. Dtv 2002 ISBN 3423325372
- Marian Roalfe Cox: Cinderella: 345 Variants of Cinderella, Catskin and Cap o’Rushes. Kraus Reprint 1967 (Referenzwerk, ohne die Varianten aus dem asiatischen Sprachraum)
Weblinks
- Das Märchen nach den Gebrüdern Grimm als Volltext in drei Fassungen beim Gutenbergprojekt:
- http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschenpu.htm
- http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschenpt.htm
- http://gutenberg.spiegel.de/grimm/maerchen/aschen.htm
- Das Märchen nach Ludwig Bechstein als Volltext beim Gutenbergprojekt:
- Aschenputtel begibt sich zum königlichen Ball (ein lyrisches Schauspiel, von Peter Yang nach dem Märchen der Gebrüder Grimm neu verarbeitet):
- (Auch Kurioses): http://www.aschenputtel.de/index.html
- Sächsisches Aschenputtel als König
- clevelandopera.org: Versionen von Aschenputtel rund um die Welt (Englisch)
- Aschenputtels Pelzschuh
- Perrault Einfluss auf Disneys Version (Englisch)
- Aschenputtel neu in Verse gebracht von Siegfried Carl
- als mp3-Hörbuch auf LibriVox