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Täuschkörper

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Täuschkörper sind ausstoßbare Verlustkörper, die fast ausschließlich von militärischen Plattformen wie Landfahrzeugen, Luftfahrzeugen und Schiffen eingesetzt werden, meist um anfliegende Lenkwaffen auf den wertlosen Täuschkörper zu ziehen und sich selbst zu schützen. Täuschkörper können vorbeugend (präventiv, engl. preemptive) oder reaktiv eingesetzt werden.

Im Falle des präventiven Einsatzes besteht die Hauptaufgabe eines Täuschkörpers darin, den für die Zielerfassung und Zielverfolgung erforderlichen Kontrast der Szene auf ein für den jeweiligen Waffensystemsensor nicht mehr verwertbares Maß herabzusenken.

Beim reaktiven Einsatz soll der Täuschkörpers die elektromagnetische Signatur des bereits ausgewählten, beleuchteten (engl: painted) Zielobjekts imitieren, um den Waffensystemsensor vom Ziel auf den Täuschkörper zu lenken (engl: Break lock). Der Täuschkörper soll in diesem Fall das "attraktivere" Ziel darstellen.

Täuschkörper-Behälter der Transall C-160

Luftfahrt

Grundsätzlich ist bei Luftfahrzeugen zwischen Infrarot- und Radartäuschkörpern zu unterscheiden.

IR-Täuschkörper

IR-Täuschkörper (engl. Decoy Flares) dienen der Abwehr infrarot-gesteuerter Boden-Luft-Raketen bzw. Luft-Luft-Raketen und werden je nach antizipierter Bedrohung in voreingestellten Sequenzen ausgestoßen. Als Infrarotbereich wird der Wellenlängenbereich zwischen 0.8 - 5 µm verstanden.

IR-Täuschkörper enthalten als Energiespeicher entweder pyrotechnische Sätze, pyrophore Feststoffe oder Flüssigkeiten bzw. leicht entzündliche Feststoffe. Wird der Täuschkörper angezündet, so wird eine stark exotherme Reaktion ausgelöst, die in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung des Energiespeichers mit einer mehr oder minder starken sichtbaren Flammen- und Rauchentwicklung einhergeht[1].

Pyrotechnische Wirkladungen

Bestimmte pyrotechnische Zusammensetzungen wie z.B. Magnesium/Teflon/Viton liefern beim Abbrand eine temperaturabhängige Signatur und können als Graue Körper hoher Emissivität beschrieben werden können. Diese Täuschkörper nennt man Schwarzkörperwirkladungen (engl.: blackbody payload). Andere Zusammensetzungen wie z.B. Eisen/Kaliumperchlorat Tabletten liefern eine nur geringe Flammenentwicklung und zeigen ebenfalls eine temperaturabhängige Signatur [2]. Allerdings wird bei diesen Reaktionen aufgrund der erheblich niedrigeren Temperatur weniger Energie im kurzwelligen Infrarotbereich emittiert als vergleichsweise bei einer Magnesium/Teflon/Viton Formulierung. Andere Wirkladungen schließlich erzeugen beim Abbrand große Mengen heißes Kohlendioxid und liefern daher eine überwiegend temperaturunabhängige, selektive Ausstrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 3 - 5 µm. Typische Wirkladungen dieses Typs ähneln pyrotechnischen Pfeiffsätzen und enthalten meist Kaliumperchlorat und wasserstoffarme organische Brennstoffe [3].

Pyrophore Wirkladungen

Im Gegensatz zu pyrotechnischen Wirkladungen entnehmen pyrophore Stoffe den für die Verbrennung erforderlichen Sauerstoff der Luft. Daher ist die Leistung pyrophorer Scheinziele grundsätzlich von der Einsatzhöhe, also dem Sauerstoffpartialdruck abhängig. Ein typisches flüssiges pyrophores Medium für Scheinziele ist z.B. Triethylaluminium (TEA). Beim Abbrand liefert dieses ein selektives Infrarotspektrum, das wesentlich durch Kohlendioxid und Wasser dominiert wird. Die Verbrennungsprodukte des Aluminiums sind in diesem Bereich nicht IR-aktiv [4] .

Feste pyrophore Wirkladungen beruhen auf Eisenfolien die mit einer sehr porösen Aluminumschicht versehen sind. Aufgrund der sehr hohen spezifischen Oberfläche des Aluminiums oxidieren diese Folien spontan bei Kontakt mit der Luft und liefern im Gegensatz zu dem pyrophoren TEA eine temperaturabhängige Strahlung.

Leicht entzündliche Wirkladungen

Diese Gruppe von Wirkladungen schließlich enthält meist Roten Phosphor als energetischen Brennstoff. Der Rote Phosphor wird dazu mit organischen Bindemitteln zu Pasten verarbeitet und auf dünne Kunststofffolien aufgetragen. Der Abbrand dieser Streifchen liefert, aufgrund der Abwesenheit IR-aktiver Moden für die Verbrennungsprodukte des Phosphors im 0.8 - 5 µm Bereich, eine im wesentlichen temperaturabhängige Intensitätsverteilung, welche durch den Zusatz inerter Additive, wie z.B. hochdisperse Kieselsäure noch weiter modifiziert werden kann [5].


Radar-Täuschkörper

Zur Abwehr von radargelenkten Flugkörpern verwenden Luftfahrzeuge sogenannte Düppeln. Düppel (engl. = chaff) sind z.B. Aluminium-beschichtete Glasfäden bzw. Silber-beschichtete Nylonfäden mit Längen, die der halben Wellenlänge der erwarteten Radarwellenlänge entsprechen. Luftwaffenradarsysteme arbeiten zwischen 3 - 30 GHz (entsprechend Wellenlängen 100 - 10 mm). Eine Gegenmaßnahmen dazu ist das MTI-System, eine sogenannte "Festzeichen-Unterdrückung", die die quasi-statischen, langsam zu Boden taumelnden Düppel- in der Zielauswertung ausblendet und das bewegte, eigentliche Ziel als nunmehr einziges präzise weiter darstellt.

Schifffahrt

Zur Abwehr von zielsuchenden feindlichen Torpedos dienen ihrerseits zieldarstellende Gegen-Torpedos, die ein oder mehrere Schein-Ziele simulieren, meist mit sehr starkem elektromagnetischen und/oder einem abgestimmten akustischen Frequenzspektrum (zur Schraubengeräusch-Darstellung). Fast immer schalten angreifende Torpedos dann auf das stärkere Schein-Ziel auf (sogenanntes "Lock On") - und ermöglichen dem Angegriffenen ein zwischenzeitliches Absetzen aus der bedrohlichen Lage.

Es gibt auch rein akustische Täuschkörper für U-Boote, welche durch die Müll-Luke ausgestoßen werden und große Mengen von Gas freisetzen. So entsteht für Sonargeräte eine "Gasblase", in der sie nicht orten können.

Interkontinentalraketen

Auch bei den Gefechtsköpfen von modernen Interkontinentalraketen, häufig mit Mehrfachsprengköpfen, werden Täuschkörper eingesetzt, um Abwehrwaffen von den wirksamen Gefechtsköpfen abzulenken oder auch nur die Abwehr so zu sättigen, dass statistisch eine ausreichende Anzahl wirksamer Flugkörper durch ein Abwehrschild dringen kann.

Literatur

  1. [1]E.-C. Koch, Pyrotechnic Countermeasures: II. Advanced Aerial Infrared Countermeasures, Prop.,Expl.,Pyrotech. 31 2006, 3
  2. J. Callaway, Expendable Infrared Radiating means, GB Patent 2 387 430, 2003, GB.
  3. J. Callaway, T. D. Sutlief, Infrared Emitting Decoy Flare, US Patent Application 2004/0011235 A1, 2004, GB.
  4. [2]D. B. Ebeoglu, C. W. Martin, The Infrared Signature of Pyrophorics, AD921319, National Technical Information Service, May 1974.
  5. H. Bannasch, M. Wegscheider, M. Fegg, H. Büsel, Spektrale Scheinzielanpassung und dazu verwendbare Flarewirkmasse, WO 95/05572, 1995, D.