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Zins

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Zins (von lat. census, Abgabe) ist das Entgelt für ein über einen bestimmten Zeitraum zur Nutzung überlassenes Sach- oder Finanzgut (Geld), das der Empfangende (Schuldner) dem Überlasser (Gläubiger) zahlt. Rechtliche Grundlage dazu sind Verträge (z.B. Darlehensvertrag, Mietvertrag). Die Höhe des Zinses bestimmt sich in einer Marktwirtschaft nach Angebot und Nachfrage.

Das Wort Zins steht einmal für den Zinssatz, angegeben in Prozent pro Intervall, z.B. pro Jahr (häufig lateinisch p.a. oder per annum). Davon zu unterscheiden ist der Zinsbetrag, also der konkrete Geldbetrag der sich bei Kreditzinsen aus der Höhe des Kapitals und dem vereinbarten Zinssatz ergibt.

Zinseszins ist die Mitverzinsung desjenigen Zinses, der auf die Schuld aufgeschlagen wird. Als Zinsstruktur bezeichnet man die Abhängigkeit des Zinssatzes von der Dauer einer Geldanlage.

Die Funktionen des Zinses sind Entgelt für geliehene oder gemietete Sachen oder Geld als Darlehen bzw. Kredit, Absicherung des Rückgabe- oder Rückzahlungsrisikos (Risikoprämie) oder Pauschalierung von Schadenersatz (Verzugszins).

Nominalzins und Realzins

Nominalzins ist der für einen Kredit vereinbarte oder bezahlte Zinssatz, Realzins der Zinssatz nach Abzug der Inflationsrate. Der Realzins kann negativ sein, wenn die Inflationsrate höher ist als der Nominalzins.

Siehe auch Hauptartikel Reale Größe.

Arten von Zinsen

Zinsen auf Geldkapital

Geldmarktzinssatz ist der Zinssatz für kurzfristige Kredite auf dem Geldmarkt, besonders im Verkehr von Kreditinstituten untereinander oder zwischen Kreditinstituten und Zentralbank, wo er speziell Leitzins genannt wird.

Kapitalmarktzinssatz ist der Zinssatz für langfristige Kredite auf dem Kapitalmarkt.

Zinsähnlich im weiteren Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches sind auch Renten, Renditen und Wertsteigerungen von Aktien, ein Teil der Erfolgsprovisionen bei Investitionen, und allgemein das Konzept der Kapitaleinkommen.

Zinsen auf Sachkapital

Miete oder Mietzins ist das Entgelt für die Überlassung von Immobilien wie Wohnungen, Büroräume, Häuser, Ferienhäuser, Garagen usw. Der Begriff Miete wird aber auch als Bezahlung für die zeitlich begrenzte Überlassung anderer Objekte und Dienstleistungen wie Autos, Werkzeug, Bagger, Mietwagen, verwendet.

Pacht oder Pachtzins ist der Zins für die Überlassung von Grundstücken und Immobilien, die der Pächter nicht nur nutzen, sondern auch bewirtschaften kann.

Erbbaurechtszins ist die regelmäßige Abgabe für im Erbbaurecht überlassene Grundstücke, in der Schweiz entsprechend "Baurechtszins" genannt.

Wichtige Zinssätze

Zentralbankzinssätze

Die Zentralbanken steuern über verschiedene Finanzinstrumente die Geldpolitik ihres Währungsraumes. Volkswirtschaftliche Ziele, die durch Beeinflussung des Zinsniveaus erreicht werden sollen, sind z.B. Preisniveaustabilität (Ziel der EZB) oder auch Wirtschaftswachstum/Wirtschaftabkühlung.

Zentralbankzinssätze sind unter anderem:

Marktzinssätze

Bankzinssätze

Recht

Im deutschen Zivilrecht ordnet § 248 Abs. 1 BGB an, dass eine im Voraus getroffene Vereinbarung, wonach Zinsen wieder Zinsen tragen sollen, nichtig ist. Die Vorschrift bezweckt einen Schutz des Schuldners vor der Kumulation von Zinsen. Gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift gilt eine Ausnahme für Sparkassen, Kreditanstalten und Inhaber von Bankgeschäften. Diese können wirksam die Zahlung von Zinseszinsen versprechen. Auch beim handelsrechtlichen Kontokorrent können gem. § 355 HGB Zinseszinsen vereinbart werden. In § 289 BGB ist für den gesetzlichen Anspruch auf Zinsen als Ersatz des Verzugsschadens geregelt, dass von Zinsen keine Verzugszinsen zu entrichten sind.

Werden Steuerforderungen gestundet, so werden Stundungszinsen gem. § 234 AO berechnet.

Zinstheorien

Bei der Erklärung von Kreditzinsen spielen folgende Begriffe eine Rolle:

  • Liquiditätsprämie: Durch einen Kredit wird der Kreditschuldner in die Lage versetzt, über Zahlungsmittel zu verfügen und sie auszugeben. Die Liquiditätsprämie ist der Preis, den er für diesen Vorteil zu zahlen bereit ist. Es handelt sich also um den Preis, den der Geldnehmer für den vorgezogenen Konsum bzw. für die vorgezogene Investition zahlt.
  • Zeitpräferenz: Ein gegenwärtig verfügbarer Vermögenswert wird höher bewertet als ein erst in der Zukunft verfügbarer, auch bei geringer Inflation und geringem Risiko. Zins resultiert also aus dem Wertabschlag, den Menschen für Güter vornehmen, über die sie erst in der Zukunft verfügen können..
  • Inflationsausgleich: Ausgleich für den Kaufkraftverlust des Kreditbetrags bei Inflation.
  • Risikoprämie: Ausgleich für das Risiko, dass der Kredit nicht vollständig zurückbezahlt wird oder werden kann.
  • Opportunitätskosten: Der Gläubiger könnte mit dem verliehenen Kapital selbst wirtschaftlich tätig werden und Gewinne erzielen, für die er sich durch Zins entschädigen lässt. Die entgangenen Gewinne werden als Kosten verstanden. Opportunitätskosten können auch durch einen Konsumverzicht entstehen.

Der theoretischen Begründung des Zinses widmen sich Zinstheorien. An Zinstheorien seien hier genannt:

  • Fruktifikationstheorie („Boden-Fruchtbarkeits-Theorie“): Zins als Ersatz für Bodenfruchtbarkeit (A. R. J. Turgot, Frankreich, 1727–1781),
  • Abstinenztheorie („Enthaltsamkeitstheorie“): Zins als Entschädigung für Konsumverzicht (N. W. Senior, England, 1790–1864),
  • Ausbeutungstheorie (Produktions-Mehrwerttheorie): Zins als dem Arbeitnehmer vorenthaltener Mehrwert seines Arbeitsprodukts (K. Marx, Deutschland, 1818–1883),
  • Agiotheorie („Aufschlag-Theorie“): Zins aus Höherbewertung von Gegenwartsgütern gegenüber Zukunftsgütern (E. von Böhm-Bawerk Österreich, 1851–1914),
  • Grenzproduktivitätstheorie: Zins entspricht der Grenzproduktivität des Kapitals (J. B. Clark, USA, 1847–1938),
  • Urzinstheorie (Geld-Mehrwerttheorie): Zins auf Grund der höheren Begehrtheit flüssiger Zahlungsmittel (S. Gesell, 1862–1930),
  • Gegenwartspräferenz-Theorie: Zins aus der Höherbewertung von Gegenwartsgütern gegenüber Zukunftsgütern (L. von Mises, Österreich, 1881–1973)
  • Liquiditätspräferenztheorie („Zahlungsmittel-Vorliebe-Theorie“): Zins auf Grund der höheren Begehrtheit flüssiger Zahlungsmittel (J. M. Keynes, England, 1883–1946),
  • Dynamische Zinstheorie: Zins entspricht variablen Unternehmensgewinnen (J. A. Schumpeter, Österreich, 1883–1950),
  • Loanable-Fund-Theorie („Rentable-Anlage-Theorie“): Zins bestimmt sich nach Kreditangebot und -nachfrage (B. G. Ohlin, Schweden, 1899–1979).


Anschließend werden einige ausgewählte Zinstheorien näher besprochen.

Begründung des Zinses nach Eugen von Böhm-Bawerk

Der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914) untersuchte als einer der ersten das Zinsphänomen systematisch. Bei der Untersuchung der Frage, weswegen man überhaupt Zinsen verlangt, stellte er fest, dass das Einkommen im Lauf des Lebens ansteigt und man daher für heute verliehenes Geld in Zukunft auch mehr zurück erwartet, da man sonst nicht bereit wäre, durch das Verleihen von Geld sparsamer sein zu müssen.

Zweitens beobachtete Böhm-Bawerk, dass Menschen ihre zukünftigen Bedürfnisse meist unterschätzen und Geld lieber sofort ausgeben („Gegenwartspräferenz“). Um sie dennoch zum Verleihen zu bewegen, müsse man ihnen als Ausgleich Zinsen anbieten.

Der dritte Grund für das Verlangen von Zinsen ist nach Böhm-Bawerk darin zu sehen, dass Arbeit bei der Herstellung von Maschinen sehr nützlich eingesetzt wird, indem sie gewissermaßen in einen Produktionsumweg geleitet werden kann. Wenn Arbeiter eine Maschine produzieren, kann hinterher mehr damit hergestellt werden, als die Arbeiter vorher leisten konnten. Es entsteht eine "zusätzliche Ergiebigkeit", ein Produktivitätszuwachs, und ein Gläubiger kann vom Schuldner erwarten, ihn "angemessen" daran zu beteiligen. Zinsen lassen sich danach aus der zusätzlichen Ergiebigkeit der auf einen Produktionsumweg geleiteten Arbeit erklären. Um die Arbeiter im Voraus zu entlohnen, benötigt der Unternehmer Kapital, wofür er Zinsen zahlen muss und aus der zusätzlichen Ergiebigkeit der Arbeit auch zahlen kann. Böhm-Bawerk wollte so mit einer eigenen Erklärung des Zinses ein bedeutendes Argument des Marxismus entkräften, wonach der Zins Teil des Mehrwerts ist, der wiederum durch Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten gewonnen wird.

Der Zins ist - nach Böhm-Bawerk - nicht der Preis des Geldes, sondern der Preis für die Zeit und belohnt den Verleiher für eine hypothetische Verschiebung seines Konsums.

Begründung des Zinses nach Ludwig von Mises

Der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises erklärte den Zins aus den subjektiven Wertungen der Menschen. Sie ziehen die Behebung eines unmittelbaren Unbefriedigtseins (etwa Hunger) der Behebung eines künftigen Unbefriedigtseins vor, daher wird eine bestimmte Menge heutiger Güter einer größeren Menge künftiger gleichartiger Güter vorgezogen. Da man demnach eine Menge heutiger Güter mit einer größeren Menge künftiger Güter wertmäßig gleichsetzen kann, ergibt sich ein Mengenunterschied zwischen diesen Gütern, der Zins.

Zins ist nach von Mises kein Phänomen, das zwingend mit Geld in Zusammenhang steht, er kann vielmehr auf alle anderen Güter angewandt werden.

Begründung des Zinses nach John Maynard Keynes

Nach der Liquiditätspräferenztheorie von J. M. Keynes beruht Zins auf der besonderen Begehrtheit des Geldes. Nach ihm ist Zins die Belohnung für die Aufgabe von Liquidität über einen bestimmten Zeitraum oder – was das Gleiche ist – für die Nichthortung von Geld.

Der Vorteil des Geldbesitzes wird von Keynes Liquiditätsprämie des Geldes genannt. Sie besteht darin, dass man mit Geld überall und jederzeit problemlos zahlen kann, nicht aber mit anderen Dingen, beispielsweise mit einem Schuldschein aus einem Kreditvertrag. Außerdem hat ein Geldbesitzer Wahlfreiheit im Angebot von Waren und Dienstleistungen, die er für sein Geld erwerben kann.

Naturgemäß haben alle Wirtschaftsteilnehmer eine Vorliebe für den Besitz von Geld, eine Liquiditätspräferenz („liquidity-preference“), wie J. M. Keynes sich ausdrückt. Sie wollen zahlungsfähig sein und unter dem Marktangebot frei wählen können. Die Liquiditätspräferenz hängt nach Keynes ab von vier Beweggründen („Motiven“) zum Halten von Geld:

1. Einkommensmotiv („income-motive“) für die Überbrückung der Zeit zwischen Einnahme und Ausgabe des Einkommens,

2. Geschäftsmotiv („business-motive“) für die Überbrückung der Zeit zwischen Einkauf und Verkauf einer Ware,

3. Vorsorge- oder Vorsichtsmotiv („precautionary-motive“) aus Vorsorge für bevorstehende und unvorhersehbare Ausgaben,

4. Spekulationsmotiv („speculative-motive“) aus der Erwartung günstigerer Gelegenheiten zur Verwendung des Geldes.

Einkommensmotiv und Geschäftsmotiv zusammen nennt Keynes auch Umsatzmotiv („transactions-motive“).

Wer Geld weggibt, gibt – nach Keynes – die Verfügung über Geld als Universalzahlungsmittel auf. Der Vorteil des Geldbesitzes, die Liquiditätsprämie des Geldes, wird beim Kreditgeschäft vom Kreditgeber an den Kreditnehmer verliehen. Für den dabei entgangenen Vorteil lässt sich der Kreditgeber einen Zins bezahlen, welcher die Höhe der Liquiditätsprämie verkörpert. Dieser Zins ist der Preis dafür, dass er über das verliehene Geld während der Laufzeit des Kredits nicht verfügen kann. Umgekehrt ist der Kreditnehmer bereit, für den erworbenen Vorteil des Geldbesitzes diesen Zins zu bezahlen.

Die Tatsache, dass Geld beim Behalten praktisch keine Nachteile (Durchhaltekosten) verursacht, macht es Kreditanbietern risikolos, ihr Geld vom Angebot zurückzuhalten, zu horten, solange ihnen der Zins für Kredite nicht hoch genug erscheint oder sie sein Steigen erwarten. Damit wird dem Wirtschaftskreislauf Geld in spekulativer Absicht entzogen und in der "Spekulationskasse" gehalten. Es verschwindet in der so genannten Liquiditätsfalle ("liquidity trap"), wie Keynes sagt. Diese Zurückhaltung verhindert, dass der entsprechende Zinssatz gegen null sinkt. Keynes bemängelte, dass dadurch die Wirtschaft massiv gestört werden kann. Als Gegenmaßnahme schlug er eine ständige maßvolle Geldentwertung (Inflation) vor, welche gehortetes Geld entwertet und somit Geldhortung kostspielig macht. Dieser Idee entspricht sein Ausspruch Lieber ein Prozent mehr Inflation als ein Prozent mehr Arbeitslosigkeit.

Moralische Kritik am Zinssystem

Das Zinssystem ist nicht frei von Kritik. Einige Kritikpunkte in diesem Zusammenhang sind:

  • Möglichkeit zum Ausnutzen der Notlage des Leihers durch den Gläubiger;
  • Anwachsen des Vermögens des Gläubigers ohne dessen Zutun durch so genanntes „leistungsloses Einkommen“ aus dem Zins.

Bereits Aristoteles kritisiert das Zinswesen mit dem Hinweis auf den einzigartigen Charakter des Geldes, sich ohne Zutun des Gläubigers zu vermehren.

Kritik am Zins kommt auch aus verschiedenen Religionen. Im Alten Testament, in der Geschichte des Christentums sowie heute noch im Islam bestand bzw. besteht ein Zinsverbot. Hauptartikel hierzu: Zinsverbot

Einige Kritiker sind der Ansicht, dass (1) eine Kreditvergabe praktisch nie einen Konsumverzicht des Gläubigers zur Folge habe, weil er über genügend Mittel dazu verfüge, dass (2) Zinsen eine starke Umverteilung von Schuldnern zu Gläubigern erzeugten und dass (3) ein exponentielles Wachstum von Schulden und Guthaben entstehe, das sich aus Zins und Zinseszins ergäbe und das wegen zunehmender Verschuldung einer Gesellschaft auf lange Sicht als sehr problematisch zu betrachten sei, beispielsweise im Hinblick auf ständig zunehmende Staatsverschuldung. Weiter wird kritisiert, dass der Zins den Besitzern von Geld einen unberechtigten Vorteil gegenüber den Besitzern von Waren und Arbeitskraft einräume, da das Vermögen der Gläubiger sich dadurch exponentiell vermehre, während Waren entweder verderben oder gelagert werden müssen, was wiederum Lagerkosten (Durchhaltekosten) verursache.

Zinskritische Überlegungen sind auch Gegenstand der Freiwirtschaftslehre: Zinsen seien wesentliche Belastungen der Schuldner und ihrer Geschäftspartner zu Gunsten von nicht gerechtfertigtem leistungslosem Einkommen der Kreditgeber. Die sich daraus anhäufenden Vermögen der Kreditgeber führten zu immer stärker anwachsenden Zinsströmen. Zinsen seien deshalb eine wesentliche Ursache der immer schneller wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Die Freiwirtschaftslehre bemängelt außerdem, dass Zinsen sämtliche Produkte in beträchtlichem Umfang verteuern, weil sie von den Herstellern stets in die Preise eingerechnet werden. Aus der Verpflichtung zum Zahlen von Kreditzinsen ergebe sich zudem ein Zwang zu dauerndem Wirtschaftswachstum mit seinen fragwürdigen Auswirkungen auf die Umwelt.

Siehe auch

Literatur

Wiktionary: Zins – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Zins – Zitate