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Wasserstoffperoxid

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Strukturformel
Datei:H2O2.jpg
Allgemeines
Name Wasserstoffperoxid
Andere Namen Perhydrol, Wasserstoffhyperoxid, Wasserstoffsuperoxid
Summenformel H2O2
CAS-Nummer 7722-84-1 (wässrige Lösung)
Kurzbeschreibung farblose Flüssigkeit
Eigenschaften
Molmasse 34,02 g/mol
Aggregatzustand flüssig
Dichte 1,45 g/cm3 (20 °C, rein)
1,11 g/cm3 (20 °C, 30 %ig)
Schmelzpunkt -0,41 °C (rein)
-33 °C (35 %ig)
-11 °C (90 %ig)
Siedepunkt 150,2 °C (rein)
108 °C (35 %ig)
142 °C (90 %ig, unter Zersetzung)
Dampfdruck 1,9 hPa (20 °C)
Löslichkeit vollständig mischbar mit Wasser
Sicherheitshinweise
Brandfördernd Ätzend
Brand-
fördernd
Ätzend
(O) (C)
R- und S-Sätze R: 5-8-20/22-35
S: (1/2)-17-26-28-36/37/39-45
MAK 0,5 ml/m3 bzw. 0,71 mg/m3
Vorlage:SI-Chemikalien

Wasserstoffperoxid H2O2 (früher auch Wasserstoffsuperoxid) ist eine farblose, flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff. Wasserstoffperoxid reagiert (heftig) mit vielen verschiedenen Stoffen wie z. B. Kupfer, Messing, Kaliumiodid.

Physikalische Eigenschaften

Das H2O2-Molekül ist gewinkelt (Diederwinkel = 111 °). Wegen der starken Vernetzung durch Wasserstoffbrücken ist reines Wasserstoffperoxid sehr viskos. Da reines (= wasserfreies) H2O2 instabil ist und spontan explodieren kann, wenn es mit Metallen in Berührung kommt, gelangt es normalerweise als maximal siebzigprozentige Lösung in Wasser in den Handel, die frei verkäuflich ist.

Bei Berührung mit über zwanzigprozentiger Wasserstoffperoxydlösung können Verätzungen auftreten. Beim Umgang sind daher Schutzhandschuhe zu tragen.

Herstellung

Früher wurde Wasserstoffperoxid hauptsächlich durch Elektrolyse von Schwefelsäure hergestellt. Dabei bildet sich Peroxodischwefelsäure, die dann wieder zu Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid hydrolysiert wird.

Heute wird Wasserstoffperoxid durch das Anthrachinon-Verfahren hergestellt. Dazu wird Anthrahydrochinon mit Luftsauerstoff unter Druck zu Wasserstoffperoxid und Anthrachinon umgesetzt.

Chemische Eigenschaften

Wasserstoffperoxid neigt dazu, in Wasser und Sauerstoff zu zerfallen:

Disproportionierung zweier Moleküle Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff.

Dabei wird eine Energie von 196,2 kJ/mol freigesetzt. Diese Zersetzungsreaktion wird unter anderem durch Mn2+- (siehe Nachweis) oder andere Schwermetallionen, I-- und OH--Ionen katalysiert. Daher werden H2O2-Lösungen im Handel mit Stabilisatoren (unter anderem Phosphorsäure) versetzt. Es ist ein starkes Oxidationsmittel. Unter Verminderung der Oxidationsstufe von -I auf -II entsteht als Reaktionsprodukt nur Wasser. Schwer abzutrennende oder störende Nebenprodukte fallen nicht an, was seine Anwendung im Labor vereinfacht.

Gegenüber stärkeren Oxidationsmitteln (beispielsweise Kaliumpermanganat) kann es auch als Reduktionsmittel wirken.

Wasserstoffperoxid ist eine sehr schwache Säure; seine anorganischen Salze und organischen Ester sind die Hydroperoxide und Peroxide.

Nachweis

Zum qualitativen Nachweis werden zur neutralen Probelösung Mn2+-Ionen (beispielsweise MnSO4) zugegeben. Entwickelt sich Gas, wird mit der Glimmspanprobe auf Sauerstoff geprüft. Fällt diese positiv aus, indem der Glimmspan aufglüht, war H2O2 zugegen.

Nachweis als Chromperoxid (CrO(O2)2)

Aus der Festprobe machen. Chromtrioxid CrO3 ergibt mit Wasserstoffperoxid im stark sauren Bereich (pH <0) das intensiv blau gefärbte Chromperoxid, welches sich in Ether löst. Hierzu Kaliumdichromat mit verd. H2SO4 ansäuern und 1 cm hoch mit Ether überschichten (Abzug!), Probe dazu geben und schütteln. Die Ether-Phase färbt sich bläulich.

Nachweis als Peroxotitanyl(IV)-Ion ([Ti(O2)OH+])

Der Nachweis mit Titangelb ist ein sehr empfindlicher. (Farblose) Titan(IV)-Ionen ergeben schon mit Spuren von Wasserstoffperoxid das intensiv orangegelb gefärbte Peroxotitanyl-Ion. Umgekehrt kann man daher auch mit Wasserstoffperoxid eine Substanz auf Titan(IV) prüfen.

Verwendung

Wasserstoffperoxid ist ein Bleichmittel, daher wird es in der Kosmetik zum Blondieren von Haaren und zum Bleichen von Zähnen benutzt. Häufig wird es dabei als an Carbamid gebundenes Peroxid eingesetzt. Außerdem wirkt es desinfizierend und wird als dreiprozentige Lösung im Mund- und Rachenraum eingesetzt; auch zur Desinfektion von Kontaktlinsen in Kontaktlinsenreinigern und zur Entkeimung von Packstoffen wird es benutzt.

Weltweit ist die größte Anwendung in der umweltfreundlichen Bleiche von Zellstoff zu sehen. Zellstoff wird aus Holz gewonnen und das darin enthaltene Lignin mit H2O2 gebleicht. Hauptverwendung von Zellstoff ist die Herstellung von Papier, Servietten, Taschentüchern etc.

Wasserstoffperoxid bzw. wasserstoffperoxidhaltige Bleichmittel, wie etwa ein Peroxyessigsäure-Wasserstoffperoxid-Gemisch, werden in der Werbesprache auch mit dem Kunstwort Aktiv-Sauerstoff bezeichnet.

In der Mikroelektronik nutzt man das Gemisch von Schwefelsäure und Wasserstoffperoxid - "Piranha" genannt - zur Reinigung der Oberfläche von Wafern und zur Erzeugung einer dünnen, ca. 3-4 nm dicken hydrophilen Oxidschicht auf den Wafern.

H2O2 wird bei häufig bei der Reinigung von industriellen Abwässern eingesetzt.

Bei der Herstellung von gedruckten Leiterplatten (Platinen) werden Kupferchloridätzbäder zum Entfernen des Kupfers verwendet:

.
Elementares Kupfer reagiert mit Kupfer(II)-chlorid zu Kupfer(I)-chlorid. Es handelt sich hierbei um eine Komproportionierung.

Zur Regeneration der Kupferchloridätzbäder wird Wasserstoffperoxid zusammen mit Salzsäure eingesetzt:

.
Durch Reaktion des Kupfer(I)-chlorid mit Wasserstoffperoxid und Salzsäure wird das Kupfer(II)-chlorid regeneriert. Das Kupferatom wird dabei oxidiert.

Dabei werden die Wasserstoffperoxid- und Salzsäurezugabe über das Redoxpotential gesteuert.

In der Landwirtschaft wird Wasserstoffperoxid zur Desinfektion von Gewächshäusern und zur Sauerstoffanreicherung in Nährlösungen von Hydrokulturen benutzt.

Wasserstoffperoxid reagiert in Anwesenheit eines Katalysators mit Aceton zu Acetonperoxid. Acetonperoxid ist ein sehr explosiver Sprengstoff. Heutzutage wird er nicht mehr verwendet, da er sehr flüchtig ist.

Als Energie- beziehungsweise Sauerstofflieferant (Zersetzung etwa über Braunstein) kam es in konzentrierter Form bei Raketenantrieben (etwa: Max Valier, Messerschmitt Me 163) und U-Boot-Antrieben (Walter-U-Boot) zum Einsatz. Auch wurde Wasserstoffperoxid, das mit Hilfe von Kaliumpermanganat zersetzt wurde, als Treibstoff für die Treibstoffpumpen der A4 verwendet. Unzersetztes Wasserstoffperoxid wurde als bei Normaltemperatur flüssiger Sauerstoffträger in britischen Raketen (z. B. Black Arrow) benutzt und verbrannte dort mit Kerosin.

Wasserstoffperoxid neigt zu unkontrollierter Zersetzung. So starben am 16. Juli 1934 Dr. Kurt Wahmke und zwei Techniker in Kummersdorf bei der Explosion eines mit Wasserstoffperoxid betriebenen Triebwerkes. Aufgrund der Gefährlichkeit in Einsatz und Handhabung (Ätzwirkung, unkontrollierte Zersetzung, Explosion bei Verunreinigungen in Tank und Leitungssystem) ist der Gebrauch heute auf Kleinraketentriebwerke (Rekordversuche, Steuertriebwerke) beschränkt.

Der Untergang des russischen Atom-U-Boots Kursk im Jahre 2000 wurde Gerüchten zufolge durch Auslaufen von Wasserstoffperoxid aus einem Tank in einem Torpedo und die anschließende Reaktion mit Kupferteilen, die zum Zerbersten des Torpedos führte, verursacht.

Wasserstoffperoxid kann in Aquarien zum Zuführen von Sauerstoff benutzt werden. Dies Sauerstofferzeugung geschieht in einem Oxidator.

In der Kriminalistik kann es als Nachweis für beispielsweise herausgewaschenes Blut genutzt werden. Beim Kontakt mit Blut(spuren) kommt es zu starker Schaumbildung.

In der Zahnmedizin wird H2O2 zur lokalen Desinfektion des Zahngewebes und zur Blutstillung bei kleineren Eingriffen verwendet.

In der Schwimmbadetechnik findet H2O2 Anwendung bei der Desinfektion des Wassers.

Im Handwerk wird Wasserstoffperoxid zum Bleichen - also zur Aufhellung - von Hölzern benutzt. Etwa bei der Restaurierung oder der Renovierung. Weiterhin kann es bei der Innenrenovierung dazu verwendet werden Schimmelbefall zu bekämpfen. Wasserstoffperoxid ist dabei Alkohol oder Chlorbleichlauge vorzuziehen, da diese Stoffe Nebenprodukte, wie z.B. Salze im Untergrund, erzeugen können.

Physiologie

Wasserstoffperoxid wirkt stark ätzend, besonders als Dampf. Falls man Wasserstoffperoxid auf die Haut bekommt, sollte man die Stelle mit Wasser gut spülen (Verdünnung), oder zumindest sofort von der Haut entfernen. Denn es tötet die Hautzellen schnell ab, diese färben sich dann weiß.

Es entsteht bei zahlreichen biochemischen Prozessen, ist jedoch ein Zellgift. Deswegen baut in Zellen das Enzym Katalase H2O2 ab.

Auf viele prokaryontische Kleinstlebewesen wirkt H2O2 stark toxisch (daher auch die desinfizierende Wirkung).

In der Biologie wird es experimentell zur Herbeiführung des programmierten Zelltodes von isolierten eukaryontischen Zellen genutzt.

Mikrobiologische Bedeutung

Für die Bestimmung von Bakterienkulturen wird der Katalase-Test mit dreiprozentiger Wasserstoffperoxidlösung durchgeführt. Die meisten aeroben und fakulativ anaeroben Bakterien haben das Enzym Katalase, welches imstande ist, für die Zellen das giftige H2O2 zu spalten. Sowohl Katalase wie auch Peroxidase vermögen H2O2 zu spalten.

Biologische Bedeutung

Die weibliche Eizelle produziert nach der Befruchtung durch ein Spermium kurzzeitig Wasserstoffperoxid in geringer Konzentration, um andere Spermien abzutöten. Im biologischen Kreislauf entsteht Wasserstoffperoxid durch die oxidative Metabolisierung von Zucker. Dieses wird mit Hilfe von Enzymen wieder zum ungiftigen O2 und H2O zersetzt.

Literatur

  • Werner R. Thiel: Neue Wege zu Wasserstoffperoxid: Alternativen zu etablierten Prozessen? Angewandte Chemie 111(21), S. 3349–3351 (1999)
  • Heribert Offermanns, Gunther Dittrich, Norbert Steiner: Wasserstoffperoxid in Umweltschutz und Synthese. Chemie in unserer Zeit 34(3), S. 150–159 (2000), ISSN 0009-2851