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Gerda Rodel

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Gerda Rodel, geb. Neuwirth (*31. Oktober 1914 in Bisenz bzw. Bsenez, † 3. Februar 1998 in Arbon TG) war eine Schweizer Journalistin und Sozialistin österreichischer Herkunft, die als kommunistischer und jüdischer Flüchtling in die Schweiz gekommen war. Verheiratet mit dem sozialdemokratischen Politiker Ernst Rodel.

Jugend

Aufgewachsen in Bisenz (Bsenez, Mähren) in der späteren Tschechoslowakei als ältere von zwei Töchtern von Paul und Elfriede Neuwirth-Pollak. Der Vater betreibt in Bisenz eine Einlegerei für Sauerkraut und Gurken, ungefähr 1921 zieht die Familie nach Wien um, woher die Mutter stammt, und wohnt jetzt in der Wohnung der Schwiegereltern in der Leopoldstadt. Lehre als Bankangestellte in einem jüdischen Bankhaus. Aktivitäten bei der Sozialistischen Arbeiterjugend, später im Kommunistischen Jugend Verband. Gerda Neuwirth erlebt den Februaraufstand und seine Niederschlagung durch die austrofaschistische Diktatur als Flugblattverteilerin im Februar 1934. Danach arbeitet sie illegal in der Kommunistischen Partei. Sie ist mit dem Kommunisten Franz Hreisemnou befreundet, der als Spanienkämpfer zu Tode kommt. Nach dem Anschluss Österreichs ans nationalsozialistische Deutsche Reich emigriert sie im März 1938 nach Paris. Die Bank, für die sie gearbeitet hat, ist inzwischen auch von den Nazis übernommen worden.

Exil

In Frankreich findet die 24-jährige Kommunistin diverse Jobs, etwa auch als Hilfskraft und Redaktionssekretärin für die exilierte «Weltbühne» (unter Hermann Budzislawski), für die «Nouvelles d'Autriche» oder als «Femme de ménage» und medizinische Masseuse. Nach dem Fall von Paris flieht sie nach Südfrankreich und kommt mit einer kleinen kommunistischen Gruppe in der Nähe von Grisolles bei Montauban unter. Im Herbst 1940 wird sie von der Kommunistischen Partei, bzw. vom KP-Funktionär Alfred Klahr in die Schweiz geschickt: Sie soll eine Fluchtroute auskundschaften. Den Grenzübertritt schafft sie nach einer Rückweisung und lebt ein Jahr illegal in Zürich, bis sie verhaftet wird. Danach ein Jahr in Schweizer Gefängnissen. Flüchtlingslager Sumiswald und Langenbruck. Haushaltskraft in Murten und in Arbon, wo sie Ernst Rodel kennenlernt, einen sozialistischen Politiker und Redaktor der «Thurgauer Arbeiterzeitung».

Rückkehr

1945 kehrt Gerda Neuwirth nach Wien zurück, um ein sozialistisches Österreich aufzubauen. Praktisch ihre ganze Familie – Vater, Mutter, Schwester Johanna und Schwager Julius Meisel sowie einige Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen – sind von den Nazis zuerst in die Tschechoslowakei zurückgeschickt und dann von dort deportiert und vernichtet worden. Gerda Neuwirth arbeitet zunächst bei der kommunistischen «Volksstimme». 1948 heiratet sie jedoch Ernst Rodel aus Arbon und kehrt in die Schweiz zurück.

Journalismus

Gerda Rodel-Neuwirth lebt den Rest ihres Lebens als Journalistin in Arbon TG. Sie wird insbesondere als Kolumnistin («So leben wir alle Tage») der «Thurgauer Arbeiterzeitung» und als vermutlich erste regelmässige, sicher jedoch profilierteste Gerichtsreporterin der Ostschweiz bekannt. Darüber hinaus engagiert sie sich in allen Themen, ist aktives Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, sucht jedoch nie ein Amt. Mit zunehmendem eigenem Alter thematisiert sie immer wieder die Behandlung von alten Menschen. Nach der Einstellung der «Thurgauer Arbeiterzeitung» schreibt sie für andere Regionalblätter und gelegentlich für die linke Wochenzeitung WOZ.

Siehe auch

Literatur

  • Mathias Knauer, Jürg Frischknecht: «Die unterbrochene Spur. Antifaschistische Emigration in der Schweiz von 1933 bis 1945». Zürich 1983.
  • Stefan Keller: Grüningers Fall. Geschichen von Flucht und Hilfe. Zürich 1993.
  • Verein Frauenstadtrundgang Zürich (Hrsg.): Chratz & Quer. Sieben Frauenstadtrundgänge in Zürich. Zürich 1995.
  • Verein Thurgauerinnen gestern – heute – morgen (Hrsg.): «bodenständig und grenzenlos. 200 Jahre Thurgauer Frauengeschichte(n)», Frauenfeld 1998.
  • Stefan Keller: Die Zeit der Fabriken. Von Arbeitern und einer roten Stadt. Zürich 2001.
  • Markus Schär: «O Thurgau. Ein Kantonsführer für Fortgeschrittene». Weinfelden 2002.