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Galvanotechnik

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Unter Galvanotechnik versteht man die elektrochemische Abscheidung von metallischen Niederschlägen (Überzügen) auf Gegenständen. Dabei wird durch ein elektrolytisches Bad Strom geschickt. Am Pluspol (Anode) befindet sich das Metall, das aufgebracht werden soll (z.B. Kupfer oder Nickel), am Minuspol (Kathode) der zu veredelnde Gegenstand. Der elektrische Strom löst dabei Metallionen von der Verbrauchselektrode ab und lagert sie durch Reduktion auf der Ware ab. So wird der zu veredelnde Gegenstand allseitig gleichmäßig mit Kupfer oder einem anderen Metall beschichtet. Je länger sich der Gegenstand im Bad befindet und je höher der elektrische Strom ist, desto stärker wird die Metallschicht (z.B. Kupferschicht).

Galvanische Verkupferung eines Metalls (Me) im Kupfersulfatbad

Streng genommen wird noch zwischen der Galvanoplastik oder auch Galvanoformung, der elektrolytischen Herstellung von metallischen Gegenständen, und der Galvanostegie, der Herstellung metallischer Überzüge, unterschieden. Der Begriff Galvanostegie ist heute fast vollständig durch den allgemeinen Begriff Galvanotechnik ersetzt worden. Weil immer weniger Reiterstandbilder benötigt wurden, geriet auch die Galvanoplastik etwas in Vergessenheit, erlebte aber eine kleine Renaissance im Zusammenhang mit der Mikrosystemtechnik, und zwar als Mikrogalvanoformung, auch Lithografisch-galvanische Abformung (LIGA)-Technik genannt. Eine weitere Anwendung findet die Galvanoplastik beim Formenbau für das Spritzgiessen von Kunststoffen.

Galvanische Verfahren

Generell wird zwischen funktionaler und dekorativer Galvanotechnik unterschieden. Letztere dient vorwiegend der Verschönerung von Gegenständen und muss für diesen Zweck gewisse technische Mindesteigenschaften besitzen. Beispiele für die dekorative Galvanotechnik sind die Kunststoffgalvanisierung, die Verchromung von Stahlrohrmöbeln und Motorrädern und die Vergoldung von Schmuck und Essbesteck.

Die funktionale Galvanotechnik dient dem Korrosionsschutz, dem Verschleißschutz, der Katalyse oder der Verbesserung elektrischer Leitfähigkeit. Beispiele hierfür sind die Verzinkung von Schrauben, die Beschichtung von Maschinenteilen mit Hartchrom, die Herstellung von metallischen, meist nickel- oder platinhaltigen Katalysatoren für die chemische Industrie oder Brennstoffzellen sowie die Vergoldung und Versilberung von elektrischen Kontakten. Elektrische Kontakte - so genannte Pins - aus unterschiedlichen Kupferwerkstoffen werden zumeist galvanisch verzinnt. Um zu verhindern, dass Stoffe des Grundmaterials durch die Zinnschicht hindurchdiffundieren, wird vor der Verzinnung in der Regel eine Nickel- oder Kupfer-Sperrschicht aufgetragen.

Auch die Herstellung optischer Datenträger (CDs/DVDs) in einem Presswerk basiert auf Galvanotechnik.

Galvanik/Galvanotechnik in der Arbeitswelt

Galvanisiert wird in einer Galvanik, die entweder in den metallverarbeitenden Betrieb integriert ist (Betriebsgalvanik) oder aber als Dienstleister, als Lohngalvanik, fungiert. Im weiteren Sinne werden auch Eloxalanlagen und andere (meist stromgetriebene) Verfahren als Galvanik bezeichnet. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es schätzungsweise 1500 galvanische Betriebe.

Galvanische Anlagen sind in der Regel eine sehr lange Reihe von Wannen, in denen die verschiedenen Prozessschritte nacheinander erfolgen. Moderne Anlagen sind mehr oder weniger vollständig automatisch gesteuert. Sie werden von Galvaniseuren bedient.

Der Ausbildungsberuf der Galvanotechnik ist der/die Galvaniseur/Galvaniseurin. Galvaniseure bedienen die galvanischen Anlagen, die meist automatisch gesteuert werden; für die Beschickung der Anlagen (z.B. Aufhängen der Teile, einfache Wartungsarbeiten) wird angelerntes Personal eingesetzt. Weiterführende Berufe sind Galvanomeister/in oder Galvanotechniker/in, beide zielen auf eine Funktion als Abteilungs- oder sogar Betriebsleiter. Das Fachhochschul-Ingenieursstudium der Oberflächentechnik beinhaltet ebenfalls einiges an Galvanotechnik.

Fachschulen für Galvanotechnik gibt es in Schwäbisch Gmünd, in Nürnberg, in Zwickau und in Solingen.

Grundmaterial

Labortechnisch lassen sich heutzutage alle gängigen Grundwerkstoffe aus Metall sowie die meisten bekannten Nichtleiter/Kunststoffe beschichten. Bei der Kunststoffgalvanisierung / Beschichtung haben sich großtechnisch nur zwei gängige Verfahren der Polymerbeschichtung etabliert. Direktmetallisieren nach dem sog "Futuron Verfahren" sowie die konventionelle Prozessreihenfolge über Beizen-aktivieren - stromlose Metallisierung als erste metallische Prozessstufe- vornickel -glanzkupfer -glanznicke-chrom sind hier speziell im dekorativen Segment anzutreffen. Speziell in der Automobilbranche ist man durch hohe Qualitätsmerkmale und Forderungen der Hersteller gezwungen bis zu vier verschiedene Nickelschichten im Verbund abzuscheiden, um optimale Beständigkeit, Funktion und Aussehen zu errreichen.

Glanz

Die Qualität eines Werkstückes wird oft anhand des Glanzes bestimmt. Speziell bei dekorativen Anwendungen ist er von hoher Bedeutung. Für ein hohen Glanz werden in den verschiedenen Verfahren spezielle Glanzbildner eingesetzt. Es muss darauf geachtet werden, dass ein hoher Glanz die physikalischen Eigenschaften einer Schicht verändern kann. Es werden z.B. elektrische Leitfähigkeit, Härte, Lötfähigkeit verändert.

Einebnung

Ist ein Grundmaterial rauh, kann durch die geeignete Auswahl des galvanischen Verfahrens die Oberfläche geebnet werden. Diese Eigenschaft wird z.B. bei Lagern, Walzen oder dekorativen Anwendungen (siehe auch Glanz) genutzt.

Oberflächenhärte

Durch Einsatz von z.B Chrom kann die Oberfläche eines Stahlwerkstückes gehärtet werden. Die Abriebfestigkeit und Gleiteigenschaft verbessern sich erheblich. Einsatzgebiet: Kolben eines Hydraulik-, Druckluftzylinders

Schichtverteilung

Es muss Grundsätzlich zwischen elektrochemischen und chemischen Verfahren unterschieden werden. Bei dem elektrochemischen Verfahren werden die Grundwerkstoffe einem elektrischen Feld ausgesetzt. Da ein elektrisches Feld sich nicht gleichmäßig einstellt, sondern vielmehr mit höheren Feldstärken zu scharfkantigen Stellen oder Enden einstellt, werden die Schichtstärken sich zu diesen Stellen erhöhen. Saure Verfahren zeigen gegenüber dem alkalischen Verfahren in der Regel eine wesentlich ungleichmäßigere Schichtdickenverteilung auf. Beispiel: Ein sauer verzinktes Eisenrohr mit Durchmesser von 20 und einer Länge von 100 Millimetern wird bei einer Schichtdicke von 8 µm in der Mitte an den Enden bis zu 20 µm aufweisen. Ein alkalisch verzinktes Rohr dagegen maximal 10 µm.

galvanogerechtes Konstruieren

Unter galvanogerechter Konstruktion wird die optimale Beschaffenheit eines Grundwerkstoffes zur Beschichtung verstanden.

  • Sacklöcher: Verhindern das Eindringen und Auslaufen der Prozessflüssigkeiten. Entstehende Luftblasen verhindern eine chemische und elektrische Reaktion. Langsam auslaufende Löcher zerstören im Nachhinein die Reinigung und/oder die aufgebrachte Schicht.
  • Flächengeschweißte Werkstücke: Werden zwei Flächen nicht dicht verschweißt (z.B. Punktschweißen) werden die Flüssigkeiten mittels Kapillarwirkung in diesem Spalt "festgehalten". Die Schicht wird beim Trocknen durch diese Flüssigkeiten wieder zerstört.
  • Faradayischer Käfig: Bei einem rundherum geschlossenen Werkstück mit zu kleinen Öffnungen, kann in dem Werkstück kein elektrisches Feld entstehen. In diesem Bereich wirken nur rein chemische Verfahren. Bei einem elektro-chemischen Verfahren ist die Eindringtiefe normalerweise gleichzusetzen mit der Öffnung. D.h. bei einem Rohr mit einem Innendurchmesser von 2 cm, wird eine Beschichtung bis zu der Tiefe von 2cm in das Rohr erreicht.

Geschichte

Die Galvanotechnik ist nach dem Physiker Luigi Galvani benannt, dem Entdecker der galvanischen Elektrizität.

Qualitätssicherung

Die Qualitätssicherung nimmt in der Galvanotechnik einen sehr hohen Platz ein. Zu ihr gehören die ständige Analyse der Badparameter, wie Säure- und Metallgehalt, Kontrolle des Aussehens und Farbe der Schichten, Schichtdickenmessungen mittels Röntgenfluoreszenz, Ultraschall, Wirbelstromverfahren, Ablöseverfahren. Aber auch die Überprüfung des Rohmaterials.

Des Weiteren können noch überprüft werden: Oberflächenrauheit, Härte, Haftfestigkeit und Duktilität der Schicht, Oberflächenfehler (z.B. Poren, Risse) und Prüfung der Korrosionsbeständigkeit mittels Salzsprühversuch, Schwitzwasserklima, Corrodkote-Prüfung, CASS-Test (Essigsäure-Salzlösung).

Die Metallabscheidenden Eigenschaften der Elektrolyte werden mittels der Hull-Zelle gemessen.

Sonstiges

Weitere wichtige Punkte innerhalb der Galvanotechnik sind die Abwasseraufbereitung und der damit verbundene Umweltschutz, die Belehrung im Umgang mit gefährlichen Chemikalien und das Arbeiten im Labor.

Galvanisierverfahren (Überblick)

Galvanische Elektrolyte

Literatur

  • Praktische Galvanotechnik, ISBN 3-87480-108-X
  • Technologie der Galvanotechnik, ISBN 3-87480-114-4
  • Einführung in die Galvanotechnik, ISBN 3-87480-143-8
  • Galvanotechnik in Frage und Antwort, ISBN 3-87480-049-0
  • Wolfgang Autenrieth Techniken der Radierung und der Edeldruckverfahren - Tipps, Tricks, Rezepte und Anleitungen - ein alchemistisches Werkstattbuch. Davon knapp 100 Seiten online. Einige Hinweise zu galvanischen Radierverfahren und Rezepte zum Verstahlen von Kupfer
  • BGI 790-016: Galvanotechnik und Eloxieren: BG/BGIA-Empfehlungen für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung 10/2006. Download auf http://www.arbeitssicherheit.de