Kroatische Sprache
Kroatisch (hrvatski) | ||
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Gesprochen in |
Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Vojvodina (Serbien) | |
Sprecher | ca. 7 Millionen (davon 4 Mio. in Kroatien) | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Vojvodina (Serbien), Österreichisches Burgenland | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
hr | |
ISO 639-2 | (B) scr | (T) hrv |
Die Kroatische Sprache (kroat. Hrvatski jezik) gehört zum (süd-)slawischen Zweig der indogermanischen Sprachen.
Die Wissenschaften, welche sich mit der kroatischen Sprache und Kultur befassen, sind die Kroatistik, die Serbokroatistik und (im weiteren Sinne) die Slawistik.
Verbreitung und Dialekte
Die kroatische Standardsprache basiert (wie auch das Serbische, Bosnische, Montenegrinische und Serbokroatische) auf dem neuštokavischen Dialekt, bezieht aber auch Einflüsse aus den kajkavischen und čakavischen Dialekten. Das Kroatische wird mit dem lateinischen Alphabet geschrieben.
Da das Kroatische dem Bosnischen, Montenegrinischen und Serbischen sehr ähnlich ist (so dass sich Sprecher dieser Standardsprachen problemlos miteinander verständigen können), vertreten viele Slawisten und Soziolinguisten vor allem außerhalb des ehemaligen Jugoslawien die Meinung, diese Sprachen könnten als Varietäten einer gemeinsamen plurizentrischen Sprache angesehen werden: vgl. Serbokroatische Sprache. Deutlich stärker vom Standardkroatischen unterscheiden sich das Burgenlandkroatische und das Moliseslawische (die nicht nur auf dem Štokavischen basieren); diese werden jedoch aus historischen Gründen vor allem in Kroatien meist als Varietäten des Kroatischen angesehen.
Kroatisch wird von ca. 7 Millionen Menschen, davon laut der kroatischen Volkszählung von 2001 4,3 Millionen in Kroatien[1], als Muttersprache angegeben; es ist die Amtssprache Kroatiens, eine (der drei) Amtssprachen in Bosnien und Herzegowina sowie eine der sechs offiziellen Minderheitensprachen in der Vojvodina in Serbien. Ferner ist das Burgenlandkroatische als regionale Amtssprache im österreichischen Bundesland Burgenland anerkannt. Burgenlandkroatisch besitzt jedoch eine eigene schriftsprachliche Norm, die im Gegensatz zum Standardkroatisch vorwiegend auf dem čakavischen Dialekt aufbaut und auch eine eigene Fachterminologie entwickelt hat.
Die Dialekte des Kroatischen werden in drei Großgruppen eingeteilt, die nach der jeweiligen Form des Fragewortes was (ča, kaj, što) benannt sind: Čakavisch (Kroatisches Küstenland, Istrien, Küstengebiete Nord-und Mitteldalmatiens sowie die meisten Inseln, Burgenland), Kajkavisch (nördlich von Kupa und der oberen Save) und Štokavisch (südliches Dalmatien, Bosnien und Herzegowina und Slawonien). Das Štokavische wird auch von den Bosniaken und der Mehrheit der Serben gesprochen und bildet die Grundlage der kroatischen und ebenso der bosnischen und serbischen Standardsprache.
Alphabet und Aussprache
Die Sprache wird mit dem lateinischen Alphabet mit einigen Sonderzeichen geschrieben.
Das kroatische Alphabet hat 30 Buchstaben:
a, b, c, č, ć, d, dž, đ, e, f, g, h, i, j, k, l, lj, m, n, nj, o, p, r, s, š, t, u, v, z, ž.
Die Buchstaben q, w, x, y kommen nur in fremdsprachigen Eigennamen vor. Die Digraphen dž, lj und nj werden in der alphabetischen Ordnung jeweils als ein einziger Buchstabe behandelt. Es gibt nur eine sehr geringe Anzahl von Wörtern, in denen diese Zeichengruppen zwei getrennte Laute bezeichnen und deshalb als zwei Buchstaben behandelt werden müssen.
Die Sonderzeichen können mit den folgenden Entities erstellt werden (Achtung, das Đ nicht mit dem isländischen Ð verwechseln):
Č: | Č | č: | č | ||
Ć: | Ć | ć: | ć | ||
Đ: | Đ | đ: | đ | ||
Š: | Š | š: | š | ||
Ž: | Ž | ž: | ž |
Die Mehrzahl der Buchstaben wird im Großen und ganzen wie im Deutschen ausgesprochen.
Buchstabe | Lautschrift | Beschreibung | Beispiel |
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a | / | /ungerundeter offener Vorderzungenvokal, wie deutsches a | akademija „Akademie“ |
b | / | /stimmhafter bilabialer Plosiv, wie deutsches b | broj „Zahl“ |
c | / | /stimmlose Affrikate, immer /ts/, wie dt. tz; z in „Katze“; „Zucker“ | majica „Pullover“ |
č | / | /stimmlose Affrikate, wie dt. tsch in „Matsch“, „tschüs“ | čempres „Zypresse“ |
ć | / | /stimmlose Affrikate, ähnlich wie tch in Brötchen oder tj bei tja; oft schwer von č zu unterscheiden | kraljević „Prinz“ |
d | / | /Stimmhafter alveolarer Plosiv, wie deutsches d | daska „Brett“ |
dž | / | /stimmhafte Affrikate, stimmhafte Entsprechung zu č, wie engl. j in John | džep „Tasche“ |
đ | / | /stimmhafte Affrikate, sehr weiches dj; oft schwer vom dž zu unterscheiden | đavao „Teufel“ |
e | / | /ungerundeter halboffener Vorderzungenvokal, sehr offenes e, fast ä; [ ] mit Tendenz zu [ ] | meso „Fleisch“ |
f | / | /stimmloser labiodentaler Frikativ, wie deutsches f | fonetika „Phonetik“ |
g | / | /stimmhafter velarer Plosiv, wie deutsches g | grad „Stadt“ |
h | / | /stimmloser velarer Frikativ, recht schwache Friktion, wie dt. ch in ach, intervokalisch deutlich artikuliert | himna „Hymne“, rekoh „ich sagte“ |
i | / | /ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal, wie deutsches i | igla „Nadel“ |
j | / | /stimmhafter palataler Approximant, wie dt. j in Jagd | jastreb „Habicht“ |
k | / | /stimmloser velarer Plosiv, weniger aspiriert als im Deutschen | koza „Ziege“ |
l | / | /stimmhafter lateraler alveolarer Approximant, dumpfer (velarer) als im Deutschen | magla „Nebel“ |
lj | / | /stimmhafter lateraler palataler Approximant, zu einem Laut verschmolzen, wie ital. gli in figlio | kralj „König“ |
m | / | /stimmhafter bilabialer Nasal, wie deutsches m | molitva „Gebet“ |
n | / | /stimmhafter alveolarer Nasal, wie deutsches n | novine „Zeitung“ |
nj | / | /stimmhafter palataler Nasal, wie frz. oder it. gn in Champagne oder Bologna; span. ñ in señor | konj „Pferd“ |
o | / | /gerundeter halboffener Hinterzungenvokal, (im Vergleich zum Deutschen) immer offen, wie o in dt. Bob, Boxen, Tonne | konoba „Weinschenke“ |
p | / | /stimmloser bilabialer Plosiv, weniger aspiriert als im Deutschen | diploma „Diplom“ |
r | / | /stimmhafter alveolarer Vibrant, Zungenspitzen-r (mit mehr Schlägen als das süddeutsche Zungen-r), kann auch als vokalisches (silbisches) R eine Silbe bilden und dabei lang oder kurz, betont oder unbetont sein. | mornar „Matrose“ mrkva „Karotte“ / / (Krk) |
s | / | /stimmloser alveolarer Frikativ, wie dt. ss in „Klasse“ | sol „Salz“ |
š | / | /stimmloser postalveolarer Frikativ, wie dt. sch in „Schule“ | šibica „Streichholz“ |
t | / | /stimmloser alveolarer Plosiv, weniger aspiriert als im Deutschen | šator „Zelt“ |
u | / | /gerundeter geschlossener Hinterzungenvokal, wie deutsches u | kruna „Krone“ |
v | / | /stimmhafter labiodentaler Frikativ, wie dt. w in wild, nie wie [ ] | voda „Wasser“ |
z | / | /stimmhafter alveolarer Frikativ, wie s in „Rose“ | zakon „Gesetz“ |
ž | / | /stimmhafter postalveolarer Frikativ, wie frz. j in „Journal“, toujours | žarulja „Glühbirne“ |
Wortakzent
Kroatisch verfügt über einen melodischen Wortakzent (engl. pitch accent) und zählt damit zu den Tonsprachen. Dies bedeutet, dass die Tonhöhe der betonten Silbe eine Rolle spielt, und auch zur Bedeutung eines Wortes beiträgt. In der Standardsprache werden ein hoher und ein tiefer Ton unterschieden.
Neben der Tonhöhe stellt auch die Länge der Silbe ein phonologisches Merkmal dar. Die Tonhöhe in Kombination mit der Länge bilden damit in der kroatischen Standardsprache ein System von vier unterschiedlichen Wortakzenten.
Die Akzentstelle im Kroatischen ist nicht allgemein festgelegt (wie zum Beispiel im Tschechischen, wo grundsätzlich die erste Silbe eines Wortes akzentuiert wird). Zur Kennzeichnung der Akzentstelle und der Akzentart in der Schrift werden in der Slawistik und der kroatischen (linguistischen) Literatur folgende Diakritika verwendet (am Beispiel des Vokals a):
kroatische Schreibweise |
Lautschrift | Beschreibung | Beispiel |
---|---|---|---|
a | [a] | unbetonter kurzer Vokal | |
ā | [aː] | unbetonter langer Vokal | |
à | [ǎ] | kurz-steigender Akzent | |
á | [ǎː] | lang-steigender Akzent | |
ȁ | [â] | kurz-fallender Akzent | |
ȃ | [âː] | lang-fallender Akzent |
Anmerkung: Da im Kroatischen auch das /r̩/ einen silbischen Laut darstellt, kann der Wortakzent auch auf diesen Laut fallen. Dadurch können die oben angegebenen Akzentzeichen nicht nur auf den Vokalen sondern auch auf dem Buchstaben r geschrieben werden.
Der Wortakzent in den unterschiedlichen Dialekten des Kroatischen unterscheidet sich teilweise sehr vom Akzentsystem der Standardsprache. Dadurch kommt es zu regionalen Unterschieden, auch in der Realisierung der Standardsprache.
Grammatik
Das Kroatische besitzt sieben Fälle (Kasus): neben den auch im Deutschen bekannten Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ sind dies: Vokativ, Lokativ und Instrumental.
Geschichte
Mittelalter

Eine kroatische Schriftsprache begann sich im 9. Jahrhundert parallel zur altkirchenslawischen Sprache, in der die Liturgie gehalten wurde, zunächst auf der Grundlage des Čakavischen zu entwickeln.
Eines der bedeutendsten Schriftzeugnisse aus dieser Zeit ist die Tafel von Baška aus dem Jahr 1100. Diese in der romanischen St. Lucija-Kapelle nahe der Stadt Baška auf der Insel Krk entdeckte beschriftete Steinplatte trägt eine glagolitische Inschrift. Beschrieben wird die Stiftung der Kapelle durch den kroatischen König Zvonimir.

Die mittelalterlichen kroatischen Texte sind in drei verschiedenen Schriften verfasst: in der Glagoliza, der Kyrilliza (deren früher in Teilen Kroatiens und in Bosnien übliche Form als Bosančica bezeichnet wird) und der lateinischen Schrift. Ab dem 16. Jahrhundert setzt sich immer mehr die lateinische Schrift durch.
Die ältesten Dokumente in kroatischer Sprache sind im čakavischen Dialekt verfasst, z. B. der Istarski Razvod (Istrisches Gesetzbuch) aus dem Jahr 1275 und der Vinodolski zakonik (Gesetzbuch von Vinodol), der 1288 verfasst wurde.
Das erste gänzlich im štokavischen Dialekt geschriebene Buch ist der Vatikanski hrvatski molitvenik (Vatikanisches kroatisches Gebetbuch), der in Dubrovnik um das Jahr 1400 entstand.
Das kroatisch-glagolitische Missale Misal kneza Novaka wurde im Jahr 1483 gedruckt und ist somit das erste gedruckte südslawische Buch überhaupt.
Die Entwicklung der Hochsprache in der Renaissance und im Barock
Im Zeitalter der Renaissance wurden in Städten wie Split, Dubrovnik, oder Zadar Schriftstücke in lokalen Dialekten verfasst.
Die ersten Ansätze der Bildung einer Hochsprache schuf Faust Vrančić in seinem Wörterbuch „Dictionarium quinque nobilissimarum Europae linguarum—Latinae, Italicae, Germanicae, Dalmati[c]ae et Ungaricae“ im Jahr 1595. Das erste die Grammatik vereinheitlichende Werk schuf Bartol Kašić: „Institutionum linguae illyricae libri duo“, im Jahr 1604.
Der Jesuit Bartol Kašić übersetzte in den Jahren 1622- 1636 die Bibel in die kroatische Sprache (in den štokavisch-ijekavischen Dialekt). Die Werke von Kašić hatten einen besonders großen Einfluss auf die Entwicklung der kroatischen Hochsprache.
Die bedeutendsten literarischen Vertreter des Barock sind Ivan Gundulić (1589-1638), Ivan Bunić und Junij Palmotić (1607 –1657), die ihre Werke im in Dubrovnik gebräuchlichen ijekavisch-štokavischen Dialekt verfassten. Deren Sprache ist in ihren Grundlagen, ebenso wie die Sprache Kašićs, mit der heutigen kroatischen Standardsprache vergleichbar.
Die Illyrische Bewegung

Nachdem sich vom 17. Jahrhundert bis in die 1830er Jahre im nördlichen Kroatien um Zagreb zunächst eine selbständige kajkavische Schriftsprache entwickelt hatte, wurde seit der Zeit der Illyrischen Bewegung (Illyrismus) unter Führung von Ljudevit Gaj (1809—1872) in den 1830er und 1840er Jahren auch hier das Štokavische zur Grundlage der Schriftsprache. Gleichzeitig legte Gaj die Grundlagen für die heutige kroatische Orthographie.
In seiner im Jahre 1830 veröffentlichten Broschüre „Kratka osnova horvatsko-slavenskog pravopisanja poleg mudroljubneh, narodneh i prigospodarneh temelov i zrokov“ (Kurze Basis der kroatisch-slawischen Rechtschreibung auf philosophischen, nationalen und wirtschaftlichen Grundlagen) schlug Gaj (zunächst noch auf Kajkavisch) vor, wie in der Tschechischen Sprache die Buchstaben č, ž, š, ľ, ň, ď, ǧ zu verwenden, so dass es für jeden Laut einen separaten Buchstaben gäbe. Akzeptiert wurden das č, ž und š; für die anderen Laute wurden die Digraphen lj (statt ľ), nj (statt ň), dj oder gj (beide statt ď; heute đ) sowie dž (statt ǧ) eingeführt, und aus dem Polnischen wurde das ć übernommen. Diese Zeichen traten an die Stelle der bis dahin in Kroatien verwendeten Buchstabenkombinationen, die sich teilweise an der ungarischen, teilweise an der italienischen Rechtschreibung orientiert hatten.
Die Illyristen strebten danach, das Štokavische, das sie in Anknüpfung an eine seit der Renaissance bestehende Tradition als Illyrisch bezeichneten, zur gemeinsamen Schriftsprache aller Südslawen zu machen. Gaj und die Illyrische Bewegung stießen im kajkavisch sprechenden Zagreb bei der „Auswahl“ des neoštokavischen Dialektes zur Hochsprache auf nur wenig Widerstand, weil dies nach seinerzeit herrschender linguistischer Meinung lediglich eine Fortsetzung der sprachlichen Tradition aus Dubrovnik und Slawonien bedeutete.
Gaj war seit 1835 in Zagreb Herausgeber der Zeitung „Novine Horvatzke“ (Kroatische Zeitung), durch die er seine sprachlichen Vorstellungen verbreiten konnte. Im Jahr 1842 wurde der bedeutendste kroatische Kulturverein Matica Hrvatska gegründet.
Das Wiener Abkommen
Im Jahre 1850 arrangierte der slowenische Linguist Franc Miklošič in Wien ein Treffen zweier serbischer (Vuk Karadžić und Đuro Daničić) und fünf kroatischer Linguisten: Ivan Mažuranić, Dimitrija Demetar, Stjepan Pejaković, Ivan Kukuljević und Vinko Pacel. Alle acht Teilnehmer (einschließlich Miklošič) unterzeichneten dort ein Positionspapier, in dem sie erklärten, dass der štokavisch-ijekavische Dialekt die Grundlage der gemeinsamen Schriftsprache der Serben und Kroaten sein solle und dass die Orthographien des Serbischen und Kroatischen in lateinischer und kyrillischer Schrift so aneinander angepasst werden sollten, dass man direkt aus der einen in die andere transliterieren könne.
Dieses sogenannte „Wiener Abkommen“ wurde zur Zeit des Staates Jugoslawien in offiziellen Geschichtsdarstellungen als Gründungsdokument der Serbokroatischen Sprache angeführt. Diese Behauptung ist jedoch in dieser Form kaum haltbar.
Tatsächlich hatte das „Abkommen“ zunächst keine unmittelbaren Folgen. Alle kroatischen und serbischen Teilnehmer hatten schon vorher das Štokavisch-Ijekavische verwendet, das seit der Revolution von 1848 in Kroatien bereits als Amtssprache verwendet wurde. Im Königreich Serbien und in der Vojvodina jedoch wurde das Ijekavische niemals offiziell eingeführt, da sich Karadžić und Daničić dort zwar mit ihren Vorstellungen einer auf der Volkssprache basierenden Schriftsprache schließlich durchsetzen konnten, man aber den dortigen štokavisch-ekavischen Dialekt als Grundlage beibehielt. Die im „Wiener Abkommen“ vorgeschlagene Angleichung der Rechtschreibregeln wurde zwar schließlich verwirklicht, setzte sich jedoch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts vollständig durch.
Das „Abkommen“ als solches hatte ohnehin keine bindende Wirkung, da es lediglich von Privatpersonen unterzeichnet war und eine Ratifizierung durch staatliche Institutionen nicht stattfand. Es ist deshalb als einer von vielen Diskussionsbeiträgen zu der damals in allen südslawischen Ländern rege geführten Debatte um die künftige Gestaltung der südslawischen Schriftsprache(n) zu betrachten.
Entwicklung des Kroatischen zur Zeit des jugoslawischen Staates
In dieser Zeit wurden die kroatische, die serbische, und die bosnische Sprache oft unter dem Begriff „Serbokroatisch“ zusammengefasst. Dies ist auf das Abkommen von Novi Sad (Serbien) zurückzuführen, in dem 1954 durch die internationalistischen Bestrebungen der kommunistischen Partei hin beschlossen wurde, dass die kroatische, serbische und montenegrinische Sprache nurmehr eine Sprache sind. Dabei wurden zwei Aussprachemöglichkeiten anerkannt, die ijekavische und die ekavische Aussprache, außerdem wurde der Gebrauch unterschiedlicher Schriften gestattet, der lateinischen, wie auch der kyrillischen Schrift. Wegen der größeren linguistischen Unterschiede schloss diese Standardisierung die ebenfalls in Jugoslawien verbreitete slowenische und mazedonische Sprache nicht ein.
Seit der staatlichen Unabhängigkeit Kroatiens wurde die kroatische Standardsprache auch im Ausland weitgehend anerkannt.
Die Gründung des Staates Jugoslawien war ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der kroatischen Sprache. Das Königreich Jugoslawien (1918 – 1941) bezeichnete seine Amtssprache offiziell als Serbokroatische Sprache, veröffentlichte jedoch sämtliche Gesetze, Vorschriften und staatlichen Verordnungen in der serbischen Variante des Serbokroatischen, das heißt auf serbisch.
In allen öffentlichen und staatlichen Bereichen (Verwaltung, Schulwesen, Militär) wurde plötzlich die kroatische sprachliche Tradition unterbrochen. Dadurch wurde jedoch keine sprachliche Einheit oder gar ein Normierungsprozess geschaffen.
Zu Beginn des zweiten, sozialistischen Jugoslawien wurde eine Gleichberechtigung aller südslawischen Sprachen eingeführt. Die Gleichberechtigung der kroatischen, slowenischen, makedonischen und serbischen Sprache wurde gesetzlich verankert.
Dennoch überwog im öffentlichen Leben z. B. bei der Eisenbahn, Post, staatl. Verwaltung, Tanjug (ehemalige jugoslawische Presseagentur) sowie Teilen der Presse das Serbische innerhalb des Serbokroatischen: Kroatische Wörter wie z. B. povijest (serb. istorija), zemljopis (serb. geografija), tisuća (serb. hiljada), siječanj (serb. januar), općina (serb. opština) usw. wurden aus der öffentlichen Verwaltung verdrängt.
Im Frühjahr 1967 verstärkte sich der Widerstand zahlreicher Intellektueller, Schriftsteller (u. a. Miroslav Krleža, Radoslav Katičić) und kultureller Organisationen gegen die, wie sie es empfanden, Degradierung der kroatischen Sprache innerhalb Kroatiens. Diese Bewegung wurde von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens als „nationalistisch“ bezeichnet.
Nach dem „Kroatischen Frühling“ im Jahr 1974 wurde in Kroatien Kroatisch als Unterrichtsfach in den Schulen eingeführt.
Entwicklung seit der Unabhängigkeit 1991
Nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 wurde das Kroatische in Kroatien endgültig als eigenständige Sprache anerkannt. Der Begriff Serbokroatisch gilt in Kroatien als Relikt aufgezwungener sprachlicher Vereinigungsbestrebungen. In Kroatien wird nicht nur auf dem Gebiet des Wortschatzes die Distanz zum Serbischen betont, sondern auch auf kulturelle und historische Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen hingewiesen. So wurde u.a. eine größere Zahl von Wörtern aus der Zeit vor 1918 wieder in den offiziellen und normativen Sprachgebrauch eingeführt. Kroatische Sprachwissenschaftler weisen hierbei darauf hin, dass die natürliche Entwicklung der kroatischen Sprache zu Zeiten des Kommunismus oft unter dubiosen Sprachabkommen zu leiden hatte und dass dadurch die Reichhaltigkeit des ursprünglichen Wortschatzes in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die kroatische Bevölkerung zeigt reges Interesse an jeglichen Themen, welche die kroatische Sprache betreffen. Dies ist u.a. auch darauf zurückzuführen, dass Sprache und Indentität in diesem Raum eng miteinander verknüpft sind. Es besteht auch breites Interesse daran, die Grammatik zu vereinfachen und zwischenzeitlich-entstandene Zweideutigkeiten aus dem Weg zu räumen.
Am 14. April 2005 wurde vom kroatischen Ministerium für Wissenschaft, Bildung und Sport der „Rat zur Normierung der kroatischen Standardsprache“ (Vijeće za normu hrvatskoga standardnog jezika) gegründet. Zum Vorsitzenden wurde Radoslav Katičić ernannt. Zu den Aufgaben des Rates sollen laut Beschluss des Ministeriums (PDF, kroat.)
- die systematische fachliche Betreuung der kroatischen Standardsprache
- die Auseinandersetzung mit aktuellen Zweifelsfällen und offenen Fragen der kroat. Standardsprache
- das Hinweisen auf Fälle der Nichteinhaltung der verfassungsmäßigen Bestimmung zum Kroatischen als Amtssprache in der Republik Kroatien
- die Förderung der Kultur der kroatischen Standardsprache in schriftlicher und mündlicher Kommunikation
- die Sorge für die Stellung der kroatischen Standardsprache im Hinblick auf den Integrationsprozess der Republik Kroatien in der EU
- die Verabschiedung von Beschlüssen im weiteren Prozess der Normierung der kroat. Standardsprache
und
- die Verfolgung sprachlicher Probleme und die Festlegung der Grundsätze der orthographischen Norm
gehören.
Die Bekanntmachungen (und der Beschluss des Ministeriums) sind auf der Internetseite des Instituts für Kroatische Sprache und Linguistik in Zagreb (in kroatischer Sprache) zu finden.
Unterschiede zu anderen südslawischen Sprachen
Hauptartikel: Unterschiede zwischen den serbokroatischen Standardvarietäten
Quellen
Literatur
Sprachwissenschaftliche Veröffentlichungen
- Auburger, Leopold: Verbmorphologie der kroatischen Standardsprache. Julius Groos Verlag, Heidelberg 1988. ISBN 3-87276-610-4
- Auburger, Leopold: Die kroatische Sprache und der Serbokroatismus. Hess, Ulm 1999, ISBN 3-873-36009-8
- Grčević, Mario: Die Entstehung der kroatischen Literatursprache. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 1997, ISBN 3-412-16196-9
- Greenberg, Robert D. Language and Identity in the Balkans: Serbo-Croatian and its Disintegration. Oxford u.a. 2004. ISBN 0-19-925815-5.
- Katičić, Radoslav. "Undoing a 'Unified Language': Bosnian, Croatian, Serbian", in Michael Clyne, ed. Undoing and Redoing Corpus Planning. Mouton de Gruyter, Berlin 1997. ISBN 3-11-012855-1. S. 165–191
- Moguš, Milan: Die Geschichte der kroatischen Literatursprache. Übersetzt von Nicole Emmerich unter Mitarbeit von Mario Grčević. Globus, Zagreb 2001, ISBN 953-167-125-7
- Okuka, Miloš. Eine Sprache – viele Erben: Sprachpolitik als Nationalisierungsinstrument in Ex-Jugoslawien. Klagenfurt 1998. ISBN 3-85129-249-9.
- Škiljan, Dubravko. "From Croato-Serbian to Croatian: Croatian linguistic identity." In: Multilingua 19, 2000, S. 3-20.
Wörterbücher, Grammatiken und Lehrbücher
- Višnja Barac-Kostrenčić, Učimo hrvatski, Školska knjiga, Zagreb 1999, ISBN 953-0-40011-X
- Kunzmann-Müller, Barbara: Grammatikhandbuch des Kroatischen unter Einschluss des Serbischen. Lang, Frankfurt a.M./Berlin/Bern/Wien 2002. ISBN 3-631-39687-2
Weblinks
Sprachwissenschaft
- Mario Grčević: Die Entstehung der kroatischen Literatursprache, 1997 (PDF)
- Mario Grčević: Über die kroatischen Sprachveränderungen der 90-er Jahre (PDF)
Institute
- Institut für Kroatische Sprache und Linguistik, Zagreb (kroat.)
- Universität Zagreb, Fachbereich Kroatistik (kroat.)