Zum Inhalt springen

Rheinwiesenlager

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Dezember 2006 um 00:07 Uhr durch Init (Diskussion | Beiträge) (Lagerbedingungen und Todesfälle: Bisher keine Quelle genannt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Rheinwiesenlager hieß eine Gruppe von etwa zwanzig US-amerikanischen Lagern für weit über eine Million deutsche Kriegsgefangene im Rheinland in der Zeit vom Frühjahr bis Spätsommer 1945.

Die Einrichtung der Lager

Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive waren 250.000 deutsche Soldaten und nach der Zerschlagung des Ruhrkessels weitere 325.000 in Kriegsgefangenschaft geraten, nach der Kapitulation waren 3,4 Millionen in US-amerikanischem Gewahrsam. Ursprüngliche hatten Amerikaner und Briten geplant, die Kriegsgefangenen bis zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation nach England zu bringen, wo sie versorgt werden konnten. Als sie nun derartige Massen von Gefangenen machten, schien es einfacher, die Gefangenen in Deutschland zu belassen. Etwa zwanzig Lager wurden längs des Rheins errichtet, auf der linken Flußseite, um den Fluchtweg zurück ins Reich zu erschweren. Die ersten Lager wurden im April 1945 angelegt, die letzten im Juni 1945. Die Lager wurden nach einem einheitlichen Schema eingerichtet. Am Rande eines Dorfes, das in der Regel einen Bahnanschluss hatte, wurde eine offene Ackerfläche abgegrenzt, die mittels Masten und Stacheldraht in 10 bis 20 Camps für jeweils 5.000 bis 10.000 Mann unterteilt wurde. Durchführende Wege wurden zu Lagerstraßen, angrenzende Gebäude für Verwaltung, Küchen und Krankenreviere genutzt. Die Kriegsgefangenen hatten ihre Feldausrüstung abgeben müssen, sodass ihnen nicht anderes übrig blieb, als sich Erdlöcher zu graben, in die sie sich nachts legen konnten.

Die Kriegsgefangenen

Die interne Verwaltung der Lager wurde von den Amerikanern den deutschen Gefangenen überlassen. Lagerleiter, Lagerpolizei, Ärzte, Köche, Arbeitskommandos, etc. waren von Deutschen besetzte Posten. Nach wenigen Wochen wurden diejenigen aus den Lagern entlassen, die politisch unverdächtig waren: Hitlerjungen und Frauen. Danach wurden bestimmte Berufsgruppen entlassen, die für den Wiederaufbau wichtig waren: landwirtschaftliche Arbeiter, LKW-Fahrer, Bergleute. Ende Juni 1945 wurden einige Lager bereits wieder aufgelöst: Remagen, Böhl-Iggelheim und Büderich. Diese erste Entlassungswelle wurde aber wieder gestoppt. Die SHAEF bot Frankreich, das an die USA mit der Forderung herangetreten war, 1,75 Millionen Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zu erhalten, die Übernahme der Rheinwiesenlager an. Bis zum 10. Juli 1945 wurden die Lager an die Franzosen übergeben, die Briten hatten die Lager in ihrer Zone bereits bis zum 12. Juni übernommen. Die Kriegsgefangenen wurden nach Frankreich transferiert, soweit sie nicht als arbeitsuntauglich an Ort und Stelle entlassen wurden. Bis ca. Ende September 1945 waren sowohl die britischen als auch die französischen Lager aufgelöst. Lediglich das Lager Bretzenheim bei Bad Kreuznach diente noch bis 1948 für die aus Frankreich heimkehrenden Kriegsgefangenen als Durchgangslager.

Lagerbedingungen und Todesfälle

Die Ernährung und die hygienischen Verhältnisse in diesen Lagern, eingezäunte verschlammte Wiesen unter freiem Himmel, auf denen die Gefangenen mangels Baracken in offenen Erdlöchern lebten, waren schlecht bis katastrophal. Reguläre Soldaten waren durch den Kriegsdienst meist abgehärtet und kamen mit den Bedingungen leichter zurecht. Viele Gefangenen waren aber Jugendliche, Angehörige des Volkssturm, Kriegsversehrte und Verwundete. Das schlimmste Lager soll Bretzenheim gewesen sein, in dem etwa 103.000 Kriegsgefangene waren. Hier wurden von den Amerikanern Soldaten der Waffen-SS gesammelt. Mit der Bewachung der Lager war die 106th Infantry Division der amerikanischen Armee beauftragt, die auf eine Divisionsstärke von 40.000 Mann aufgestockt worden war und zusätzliche Transporteinheiten erhalten hatte, um Nahrung in die Lager zu schaffen. Die Transportkapazität reichte nicht aus, mit der Organisation der Lager war die Division völlig überfordert, weshalb sie den deutschen Gefangenen überlassen wurde[1]. Dazu kam, dass die Lebensmittelrationen der deutschen Zivilbevölkerung im Frühjahr 1945 bei ungefähr 1.000 Kalorien lagen, nicht einmal die Hälfte der zum Leben notwendigen Menge. Im April und Anfang Mai 1945 war die Versorgung nur unregelmäßig und reichte nicht, danach besserte sie sich langsam. Erst im Juni gab es ausreichende Essensportionen. Im Verlaufe von Mai und Juni erhielten alle Lager Latrinen, Küchen und Krankenreviere. Dreck, Nässe, Unterernährung und unhygienische Umstände führten zu Krankheiten. Der Ausbruch von Seuchen wurde von den Amerikanern verhindert, indem sie das Trinkwasser chlorierten und alle Gefangenen mit DDT entlausten. Die Todeszahlen wurden so in Grenzen gehalten. 4.537 Tote wurden von umliegenden deutschen Gemeindeverwaltungen gemeldet, die US-Stellen gaben 3.053 Tote an. Die gründlichste Untersuchung über die Todeszahlen wurde von der nach ihrem Leiter Dr. Erich Maschke benannten Maschke-Kommission veröffentlicht, die im Auftrag des Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen wissenschaftlich untersuchte[2]. Die Lager mit der höchsten Sterblichkeit waren:

Auseinandersetzungen um die Zustände im Lager

Die Historiker Günter Bischof, Brigitte Bailer-Galanda und Eckehard Zimmermann weisen auf folgende Umstände hin : Um bei der Problematik der Versorgung so vieler Gefangener die Vorschriften des geltenden Kriegsvölkerrechts (Genfer Konventionen) umgehen zu können, demzufolge den Kriegsgefangenen völkerrechtlich garantierte Rechte zugestanden hätten, sei im Stab des Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower für alle Gefangenen der Begriff Disarmed Enemy Forces (DEF) geschaffen worden [3] [4] [5].

Rüdiger Overmans schreibt, über die Zahl der Todesfälle in den Rheinwiesenlagern sei eine Anzahl sensationell aufgebauschter[6] Berichte veröffentlicht worden; der kanadische Revisionist James Bacque spricht sogar von Hunderttausenden Toten. Grund hierfür sei nach Bacque die bewußt in Kauf genommene Mangelversorgung der Gefangenen gewesen. [7]. an.[8] Die Zahl der nicht registrierten Todesopfer konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. In der Veröffentlichung von Brigitte Bailer-Galanda wird als Obergrenze die Anzahl der nichtregistrierten Opfer mit 56.285 angegeben.

Literatur

  • Rüdger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München 1995, ISBN 3-492-12056-3.
  • Brigitte Bailer-Galanda: Eisenhower und die deutschen Kriegsgefangenen. Jahrbuch 1997. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1997, S. 111–117. (Mit kritischer Auseinandersetzung mit der umstrittenen Darstellung Bacques) Rezension.

Quellen

  1. Kurt W. Böhme, a.a.O., S. 105
  2. Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand, München 1972, S. 204)
  3. Günter Bischof "Is the Abuse of POW's Under American Control Unprecedented?"
  4. Brigitte Bailer-Galanda Eisenhower und die deutschen Kriegsgefangenen "Die Kriegsgefangenen"
  5. Eckehard Zimmermann "Internierungslager in der amerikanischen Besatzungszone", in: Franz W. Seidler/Alfred M. de Zayas (Hrsg.): Kriegsverbrechen in Europa und im Nahen Osten im 20. Jahrhundert, Mittler, Hamburg Berlin Bonn 2002, ISBN 3813207021
  6. Rüdiger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkrieges. Eine perspektivische Rückschau. herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, München 1995, ISBN 3-492-12056-3, S.277
  7. James Bacque, Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945, Pour le Mérite, Selent 2002, ISBN 3-932381-24-6.
  8. Deutsche (O) / Kriegsgefangene im Westen nach 1945. In: Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde, Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-22338-4.