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Bhagavad Gita

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Schriften des
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Die Bhagavad-Gita (Sanskrit, f., भगवद्गीता, gīta – Lied, Gedicht; bhagavan - Herr, Gott), "der Gesang Gottes" ist eine der zentralen Schriften des Hinduismus, ein spirituelles Gedicht. Die achtzehn Kapitel sind Bestandteil des Epos Mahabharata.

Der vermutlich zwischen dem fünften und dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert entstandene Text ist eine Zusammenführung mehrerer verschiedener Denkschulen des damaligen Indien, auf Grundlage der Veden, orthodoxer Brahmanismus, Upanishaden, Yoga und noch weitere, steht aber den Upanischaden gedanklich am nächsten. Hindus betrachten die Lehren der Bhagavad-Gita als Quintessenz der Veden. Beim Studium ergeben sich oft Widersprüche: Während einige Stellen anscheinend einen Dualismus lehren, - die Zweiheit von Natur und Geist, von Gott und Mensch – lehren andere die Einheit. Durch diese unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten ist das Gedicht Mittelpunkt für die verschiedensten Glaubensrichtungen. Von Shankara, dem großen Kommentator der Upanishaden, stammt die älteste Auslegung. Für ihn vertritt auch die Lehre der Gita seine Ansicht, die ganze Welt sei Erscheinung, Maya (Religion).

Krishna, der Lehrer

Es handelt sich um eine Selbstoffenbarung Krishnas, der sich vor Beginn eines großen Krieges, welchen das Mahabharata ausführlich beschreibt, auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra dem Fürsten Arjuna als göttliches oder kosmisches Selbst zu erkennen gibt.

Entsprechend der hinduistischen Mythologie leben wir jetzt im Kali-Yuga dem "dunklen, schwarzen Zeitalter", das nach Krishnas Tod begann (3102 v. Chr.). Von Krishna heißt es, er sei gekommen, um den Menschen jene ethischen und philosophischen Unterweisungen zu geben, die für die Zeit dieses Yuga notwendig seien. In Kapitel IV, 7-8 verspricht Krishna, immer wieder zu inkarnieren:

"O Sohn des Bharata, so oft ein Niedergang des Dharma (Rechtschaffenheit, Tugend) und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma."

Krishna kommt in der Bhagavadgita, je nach Kontext, unterschiedliche Bedeutung zu: Einmal wird er als das kosmische Selbst angesehen, das alles Lebende durchdringt; ein anderer Aspekt ist die Bedeutung als innere Göttlichkeit, die eine Reflexion des kosmischen Selbstes in jedem Lebewesen ist. Eine dritte Funktion ist die des spirituellen Lehrers.

Hintergrund

Die Lehren der Bhagavad-Gita sind eingebettet in einen umfangreichen episch-dramatischen Kontext, in das Epos "Mahabharata" (Großes Indien). Die Söhne des Fürsten Pandu werden von ihrem als Onkel Dritarashtra aus dem Stamm der Kurus und von dessen Söhnen um ihren rechtmäßigen Thronanspruch betrogen und immer wieder Verfolgungen und Grausamkeiten ausgesetzt. Schließlich kommt es auf dem Schlachtfeld von Kurukshetra, der "Stätte der Kurus", zu einer großen Schlacht. Arjuna, der dritte der Söhne des Pandu, befindet sich in einem persönlichen Konflikt zwischen der Zuneigung zu seinen Verwandten auf der Gegenseite und der Pflicht als Fürst und ist "von Furcht überwältigt". Er weigert sich zu kämpfen. Auf seinem Streitwagen befindet sich Krishna als Wagenlenker und versucht, Arjuna durch religiös-philosophische Unterweisung aus seinem Dilemma zu befreien und ermuntert ihn zum Kampf.

Mag es auch einen historischen Hintergrund für diese Schlacht geben, der Text der Bhagavadgita ist nicht als geschichtlich zu betrachten. Viele Hindus sehen ihn als Allegorie. Eine mögliche und weit verbreitete Sichtweise ist, dass es sich um ein Zwiegespräch handelt zwischen der inneren Göttlichkeit, verkörpert durch Krishna, und der menschlichen Seele, die Arjuna darstellt: das Schlachtfeld sei das Leben, und die feindlichen Heerscharen, gegen die Arjuna antreten muss, verkörperten die menschlichen Schwächen, die besiegt und überwunden werden müssten. Neben dieser sich auf das Individuum beziehenden Deutung ist es möglich, der Bhagavadgita eine Deutung zu geben, die sich auf die Menschheit als Ganzes bezieht. In dieser evolutionären Anschauung ist die Schlacht ein Aufeinandertreffen der asurischen, egoistischen Kräfte mit denen der göttlichen Ordnung. Ardjuna und seine Mitstreiter werden in diesem Bemühen von Krishna, dem Avatar, angeführt und unterstützt.

Das Bild der Kutsche mit Krishna als Wagenlenker und dem verzweifelten Arjuna ist ein bekanntes und weit verbreitetes Motiv darstellender Kunst und als Wandschmuck in vielen Hindu-Haushalten zu finden. Eine populäre Deutung dieses geistigen Bildes enthält die Katha-Upanishade:

Erkenne den Atman als den Herrn der Kutsche. Der Körper ist der Wagen, die Buddhi (Vernunft) der Wagenlenker und das Denken die Zügel. Die Sinne sind die Pferde, die Objekte die Wege.(II.3-4)

Kurzübersicht

  • 1. Gesang Niedergeschlagenheit : Arjuna bittet Krishna, ihn zwischen die beiden Heere zu fahren. Als er auf der Seite der Kurus einen Großteil seiner Verwandten erblickt, sinkt ihm der Mut.
  • 2. Gesang Yoga der Erkenntnis: Arjuna will nicht kämpfen. Krishna spricht zu ihm als Lehrer: Nur die Leiber seien vergänglich; der unvergängliche, ungeborene, ewige Geist im Menschen aber könne nicht getötet werden. Er appelliert dann weiter an seine Ehre als Krieger und dass es seine Pflicht sei, einen gerechten Kampf zu führen. Allgemeiner führt er aus, dass eine Tat in Gleichmut und Andacht geschehen soll und ohne auf den Erfolg der Tat zu spekulieren. Er soll seine Sinne bändigen und auf den Höchsten schauen. (Samkhya-Philosophie).
  • 3. GesangYoga des Handelns: Da alle Bindungen und Abneigungen sich fortwährend verändern, sollte man immer so handeln, dass sein Handeln jederzeit als Maßstab für alle gelten kann.
  • 4. Gesang Göttliche Erkenntnis: Die Lehre vom selbstlosen Handeln (Yoga), sei von Krishna am Anfang an den Sonnengott Vivashvata übermittelt; dieser lehrte sie dem ersten Menschen (Manu); so wurde die Lehre vom Meister an den Schüler weiter gegeben. Krishna selbst inkarniere sich in jedem Zeitalter, um die ursprüngliche Lehre wieder herzustellen.
  • 5. GesangVerzicht auf die Früchte des Wirkens: Tugend oder Sünde einer Tat ergeben sich nicht aus dem äußerlichen Tun oder dem Unterlassen von Taten, sondern aus der Geisteshaltung, mit der diese vollbracht würden.
  • 6. GesangYoga der Besinnung: Mäßigung, Toleranz und Seelenruhe seien die Kennzeichen eines Menschen, der der Lehre vom selbstlosen Handeln auf rechte Weise folgt. Ihre Vervollkommnung fände diese Lehre vom selbstlosen Handeln im glaubensvollen Vertrauen auf Krishna, der diese Lehre in sich selbst verkörpere.
  • 7. Gesang Yoga der Erkenntnis und Weisheit: Er, Krishna, sei der Ursprung des Universums und die Weltenseele; wer zu ihm seine Zuflucht nimmt, sei von Alter und Tod befreit. Wer einen "anderen" Gott wählt, tut dies entsprechend der Neigung seines Herzens. (Die Verehrung anderer Religionen wird somit von der Bhagavad-Gita ausdrücklich gutgeheißen).
  • 8. Gesang Das Höchste Göttliche: Wer sich akribisch nach den überlieferten religiösen Regeln richtet, erlange seine Erlösung (Moksha) gemäß diesen Regeln; wer allein auf Krishna setzt, erlange Befreiung in der Todesstunde. (8. Kapitel)
  • 9. Gesang Das Königswissen: Gott durchdringe alles, aber er könne durch nichts gebunden werden. Wer zu ihm seine Zuflucht nimmt , erlange dadurch Erlösung, unabhängig seiner Geburt, seinem Geschlecht oder Kaste.
  • 10. Gesang Yoga der Offenbarung: Gott ist alldurchdringend; für Arjuna umschreibt Krishna seine übernatürliche All-Gegenwart in einer Reihe leicht fassbarer Vergleiche.
  • 11. Gesang Schau der göttlichen Gestalt: Arjuna verlangt mit eigenen Augen zu sehen was er gehört hat, und Krishna offenbart sich in seiner "höchsten, göttlichen Gestalt.
  • 12. Gesang Yoga der liebevollen Hingabe: Arjuna fragt, welche Gläubigen von Gott bevorzugt würden – diejenigen, die Gott als gestaltlos betrachten, oder diejenigen, die Gott den Allmächtigen in einer offenbarten Gestalt verehren? Krishna erklärt beide Arten der Verehrung als gleichermaßen gut, aber Hingabe sei bei einer Fixierung auf das Nicht-Offenbare schwerer zu erreichen.
  • 13. Gesang Das Feld und der Kenner des Feldes: Gott (das Brahman) ist alldurchdringend; wer diese alldurchdringende Kraft in sich selbst wahrnimmt, sei erlöst.
  • 14. Gesang Über die drei Gunas: Gedanken, Worte und Handlungen sind erfüllt von sattva (das Seiende, Reinheit, Klarheit), rajas (Bewegung, Energie, Leidenschaft) oder tamas (Finsternis, Trägheit, Stabilität). Wer alles, was existiert, als Zusammenwirken dieser drei Seinszustände begreife, der könne Erkenntnis gewinnen.
  • 15. Gesang Yoga des Höchsten Geistes: Es folgt das Symbol eines Baumes der seine Wurzeln im Himmel hat und mit der Krone nach unten 'in die Menschenwelt' ragt. Der Baum stehe für die drei Erscheinungsweisen (sattva, rajas, tamas); als erste solle der Suchende diesen Baum "mit der Axt der Nicht-Anhänglichkeit" umhauen.
  • 16. Gesang Yoga der Unterscheidung: Krishna nennt die Eigenschaften der Menschen, die mit 'göttlicher Natur' und die Eigenschaften derer mit 'niederer Natur'.
  • 17. Gesang Dreigeteiltheit des Glaubens: Darlegungen über Glauben und Opfer, das rechte Denken und Handeln, und Ernährung (anhand der Klassifikation nach sattva, rajas, tamas).
  • 18. Gesang Yoga des Entsagens: Der Dharma dürfe niemals aufgegeben werden. Vorbildlich handele, wer seine Pflichten in einer selbstlosen Haltung erfüllt. Das Wesen Gottes offenbare sich im höheren Selbst; die Verkörperung des höheren Selbst ist Krishna. Wer Zuflucht bei Gott, dem höheren Selbst, nimmt, dem verspricht Krishna, er werde ihn vor allem Übel beschützen.

Arjuna folgt Krishnas Empfehlungen und zieht auf seinem Streitwagen in den Kampf.

Toleranz

Die Bhagavad-Gita umschreibt in einem großen Bogen die verschiedenen Wege, die der Suchende und Handelnde auf sich nehmen kann, um zum Ziele zu gelangen. Dabei werden die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten im Gespräch zwischen Arjuna und Krishna genannt, ohne dass endgültige Grenzen zwischen den einzelnen "Schulen" aufgerichtet und Gräben aufgerissen werden oder gar bestimmte Ansichten bekämpft werden.

Der tolerante Charakter der Bhagavad-Gita wird ausdrücklich in den folgenden Abschnitten deutlich:

4. Gesang, Zeile 11: Wie diese mir sich wenden zu, so liebe ich hin wiederum sie.

7. Gesang, Zeile 21: Und welche Gottheit einer auch im Glauben zu verehren strebt,- Ich seh‘ seinen Glauben an und weis’ ihm zu den rechten Platz.

9. Gesang, Zeile 23: Auch die glaubensvoll ergeben andern Göttern Verehrung weihen, selbst diese ehren doch nur mich, wenn auch nicht gerade regelrecht.

17. Gesang, Zeile 3: Wie eines jeden Wesen ist, so ist sein Glaube, Bharata! Aus Glauben ist der Mensch gemacht – wie er glaubt, so ist er selbst.

Bedeutung

Diese achtzehn Kapitel des Epos haben das gesamte indische Geistesleben beeinflusst. Kein Text der Hinduliteratur wird so viel gelesen, so oft auswendig gelernt und so häufig zitiert, wie diese Verse. Viele Hindus ziehen das Buch als wichtigen Ratgeber heran und auch für Mahatma Gandhi, den großen Friedensapostel, war es von erheblicher Bedeutung:

"In der Bhagavadgita finde ich einen Trost, den ich selbst in der Bergpredigt vermisse. Wenn mir manchmal die Enttäuschung ins Antlitz starrt, wenn ich verlassen, keinen Lichtstrahl erblicke, greife ich zur Bhagavadgita. Dann finde ich hier und dort eine Strophe und beginne zu lächeln, inmitten aller Tragödien, und mein Leben ist voll von Tragödien gewesen. Wenn sie alle keine sichtbaren Wunden auf mir hinterlassen haben, verdanke ich dies den Lehren der Gita". (Zitiert nach der deutschen Übersetzung der Bhagavadgita des S. Radhakrishnan aus dem Verlag R. Löwit - Wiesbaden)

Gandhi wollte dieses Werk noch mehr Menschen zugänglich machen. Darum verfasste er, obwohl kein Schriftgelehrter, eine Übersetzung in seine Muttersprache Gujarati und schrieb dazu auch eigene, knappe Kommentare. Diese Ausgabe widmete er den Armen, die wenig Geld für Bücher ausgeben können sowie denen, die selten Zeit zum Lesen haben; nach eigenen Worten den Frauen, Geschäftsleuten und Handwerkern.

Die Bedeutung der Bhagavadgita erstreckt sich jedoch nicht nur auf Indien, auch für viele Nicht-Hindus gehört sie zu den großen religions-philosophischen Dichtungen der Weltliteratur. 1785 kam die Bhagavadgita nach Europa, durch den Orientalisten Charles Wilkins übersetzt, und nach Deutschland 1823 durch August Wilhelm von Schlegel. Sie fand begeisterte Aufnahme. Die größten Geister ihrer Zeit verbreiteten sie unter ihren Schülern. Wilhelm von Humboldt schrieb 1825 bis 1826 zwei Abhandlungen darüber in den Schriften der Berliner Akademie. Er bezeichnete die Bhagavadgita als "...das schönste, ja vielleicht das einzig wahrhafte philosophische Gedicht, das alle uns bekannten Literaturen aufzuweisen haben". Auch der Philosoph Arthur Schopenhauer schrieb darüber voll des Lobes: "Es ist die erhabenste Lektüre, die auf der Welt möglich ist; sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein."

Die Bhagavad-Gita wurde u. a. von Paul Deussen, Theodor Springmann, Franz Hartmann, Leopold von Schroeder und Robert Boxberger (ins Deutsche) und von Friedrich Rückert (ins Lateinische) übersetzt. Sie übte großen Einfluss auf die Theosophie aus. Weltweit verbreitet ist heute die Übersetzung und Kommentierung "Bhagavad Gita Wie Sie Ist" des ISKCON ("Hare Krishna")-Begründers Prabhupada, welcher die Lehren im Lichte des Gaudiya Vaishnavatums, einem Monotheismus, betrachtet.

Literatur

Tonträger

  • Jutta Zimmermann: Bhagavad Gita. Mitsingen und Chanten (1 CD), Stuttgart: Raja-Verlag 2003, ISBN 3-936684-05-7