Johann Konrad Dippel

Johann Konrad Dippel (* 10. August 1673 auf Burg Frankenstein (Bergstraße); † 25. April 1734 auf Schloss Wittgenstein bei Berleburg) war ein deutscher Theologe, Alchemist und Arzt, der auch die Pseudonyme Christianus Democritus, Ernst Christian Kleinmann und Ernst Christoph Kleinmann führte.
Leben
Er studierte zunächst Theologie, Philosophie, Medizin und Alchemie in Gießen (1693 Magister). Danach war er als Hauslehrer tätig.
Die Bekanntschaft mit Gottfried Arnold 1697 führte zur Hinwendung zum Pietismus. Er veröffentliche populäre Streitschriften gegen die Orthodoxie.
Nach einem misslungenen Versuch in Wittenberg ein Stelle als Privatdozent zu erhalten ging er nach Straßburg. 1704 bis 1707 lebte er in Berlin und dann bis 1714 in Holland, wo er promovierte und als Arzt erfolgreich tätig war. 1714 bis 1717 lebte er in Altona wo er wegen einer Verleumdung eines hohen Beamten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Aus der Haft wurde er 1726 entlassen.
In seinen letzten Lebensjahren lebte er auf dem Schloss des Grafen Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Bestattet wurde er in der ev. Kirche Bad Laasphe, dem Sitz der damaligen Grafen von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Der gut zehn Jahre später im in der Nähe von Berleburg liegenden Hilchenbach aufgewachsene Johann Heinrich Jung-Stilling setzte ihm folgendes Denkmal, das D. zutreffend charakterisieren dürfte: „Dippel war ein großer Kopf, zugleich aber unbiegsam, stolz, emporstrebend, und ein beißender Tadler; er fürchtete nichts in der ganzen weiten Welt; es scheint, dass er gerne ein Geistlicher geworden wäre, und mir kommts so vor, als wenn er in diesem Stande das unterste zu oberst gekehrt haben würde [...] Er verband also die mystische Moral mit der Glaubenslehre unserer neuesten Theologie, und nebenher noch mit allerhand Grillen. Das war in der That ein wunderlicher Mischmasch!“ (Jung-Stilling, Theobald oder die Schwärmer, Sämtl. Schriften Bd. VI, 1837, S. 30 f. 33)
Wirken
Als Naturwissenschaftler betrachtete er die Alchemie als eine ernsthafte Wissenschaft, die nicht „im Geheimen“ auszuüben sei. Er entdeckte das nach ihm benannte ätherische Öl (Dippels Tieröl), das als Mittel gegen Würmer und zur Behandlung der Epilepsie verwendet wurde. 1704 verbesserte er in Berlin die Rezeptur des von Heinrich Diesbach entdeckten Farbstoffs Berliner Blau.
1697 wandte er sich, unter dem Einfluss der Schriften Jakob Böhmes, unterstützt von Gottfried Arnold, dem Pietismus zu, freilich stark geprägt von dem ihm eigenen Individualismus und seiner Radikalität. Die pietistische Vorstellung der Wiedergeburt steigerte er bis zur Selbsterlösung durch substantielle Umwandlung als Folge der Wiedergeburt. Die dogmatische Aussage vom stellvertretenden Leiden Christi (insbesondere in der Form der Satisfaktionslehre) des Anselm von Canterbury wurde ebenso Ziel seiner scharfen Angriffe wie der kirchenfreundliche Pietismus. Dass seine streitbare und zuweilen unflätig-polemische Art daneben der Bekämpfung der Orthodoxie wie dem philosophischen Determinismus galt, versteht sich fast von selbst.Im Mittelpunkt seines Denkens stand die Freiheit des Individuums. Deshalb lehnte er auch den Determinismus Hobbes und Spinozas ab.
Er ist der erste Autor, der den Begriff „aufgeklärt“ in die Literatur einbrachte:
„Es suchten nemlich die aufgeklärte und erleuchtete Gemüther / durch die Bibel das Recht der Natur zu verjagen / und wenn ihnen den dieser Schein-heilige Anschlag gelungen wäre/ so würden sie sich bemühen / die Bibel / durch ihre Erleuchtungen ebenmäßig zu vertreiben / damit sie / wenn solche Mittel denen Menschen aus den Händen gedrehet wären/ sich eines Dominats desto sicherer über Selbige anmassen könten.“[1]
Legenden
Seine Gegner versuchten durch polemische Übertreibungen seinen Ruf zu untergraben. Das führte zu Legenden, die teilweise noch heute kolportiert werden. So wurden ihm Experimente mit Leichen nachgesagt (möglicherweise handelte es sich dabei um Obduktionen). Auf der Burg Burg Frankenstein führte er alchemistische Versuche mit Nitroglyzerin durch, das je nach Dosierung als Sprengstoff oder Medikament verwendet wird. Bei einem Experiment kam es zu einer Explosion, die den Turm der Burg zerstörte. Zunächst nahm man an, Dippel sei bei diesem Unglück ums Leben gekommen, aber einige Zeit später tauchte er in den Niederlanden wieder auf. Dort legt er eine Prüfung als Arzt ab. Als ihm trotz erfolgreich bestandener Prüfung die Zulassung verweigert werden sollte, verwies er darauf, dass er die medizinische Wirkung des Nitroglyzerins entdeckt habe, und wurde anerkannt.
Daraus erklärt sich auch die (umstrittene) Annahme des hessischen Heimatforschers Walter Scheele aus dem Jahr 1999, dass Dippel das historische Vorbild für Mary Shelleys Buch Frankenstein oder der moderne Prometheus sei [2].
Werke
- De Nihilo (1693), Magisterarbeit, Gießen
- Orcodoxia orthodoxorun oder die verkehrte Wahrheit und wahrhaftige Lüge der unbesonnenen und eifrigen Lutheraner (1697), eine populäre Streitschrift
- Das gestäupte Pabsttum an den blinden Verfechtern der dörfftigen Menschensatzungen in protestierender Kirch (1698), eine populäre Streitschrift
- Wein und Öl in die Wunden des gestäupten Pabsttums (1698), eine populäre Streitschrift
- Unschuld und Nothwendigkeit des Rechts der Natur und dessen Lehre wider das ungegründete Vorgehen des AUTHORIS des Licht- und Rechts / dargethan von einem Liebhaber der Wahrheit. (1704), hieraus ist das oben angegebene Zitat
- Fatum fatuum (1708) eine gegen Descartes, Hobbes, Spinoza gerichtete Schrift zur Willensfreiheit
- Eröffneter Weg zum Frieden mit Gott und mit allen Kreaturen durch die Publikation der sämtlichen Schriften des Christianus Democritus (1709, diese von ihm selbst besorgte Gesamtausgabe ist unvollständig. Vollst. Neudruck, Bd. I–III, Berleburg 1747
- Vittae animalis morbus et medicina suae vindicata origini (1711), Dissertation in Medizin, Leiden
- Der von den Nebeln der Verwirrung gesäuberte helle Glanz des Evangelio Jesu Christi oder Entwurf der Heilsordnung in 153 Fragen (1727), ein aufklärerischer Katechismus
- Vera demonstratio evangelica, Das ist, ein in der Natur in dem Wesen der Sache selbst so wohl, als in heiliger Schrift gegründeter Beweiß der Lehre und des Mittleramts Jesu Christi (1729)
Literatur in Auswahl
- W. Bender, J. C. D., der Freigeist aus dem Pietismus, 1882
- W.Diehl, Neue Beitr. z. Gesch. D.s (Beitr. z. hess. KG 3, 1908, 135-184)
- Martin Schmidt, Teilnahme an der göttl. Natur, in: Festschr. f. Paul Althaus, 1958
- Karl-Ludwig Voss, Christianus Democritus. Das Menschenbild bei J. C. D. Ein Beispiel christl. Anthropologie zw. Pietismus u. Aufklärung, Diss. Marburg), 1968 = ZRGG, Beih. 12, 1970
- Johannes Wallmann, Der Pietismus, 2005
Fußnoten
- ↑ Hanns-Johann Ehlen: Neue Funde zur Geschichte des Wortes "aufgeklärt". Auf: www.stjuergen-kiel.de
- ↑ W. Scheele, Burg Frankenstein: Mythos, Wahrheit, Legende, Societätsverlag Frankfurt, ISBN 3-7973-0786-1
Weblinks
- Vorlage:VD17
- Vorlage:PND
- Johann Konrad Dippel. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Beispiel zur Frankensteinlegende
- Auszug aus Scheeles Buch
Personendaten | |
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NAME | Dippel, Johann Konrad |
ALTERNATIVNAMEN | Christianus Democritus |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Alchemist, Arzt und Theologe (Pietist |
GEBURTSDATUM | 10. August 1673 |
GEBURTSORT | auf Burg Frankenstein (Bergstraße) |
STERBEDATUM | 25. April 1734 |
STERBEORT | Schloss Wittgenstein bei Berleburg |