Pergamonaltar

Als Pergamonaltar wird ein Monumentalaltar in einer Größe von etwa 36 x 34 Metern bezeichnet, der in der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts von Eumenes II., einem der Herrscher des Pergamenischen Reiches, auf dem Burgberg von Pergamon errichtet wurde. Der Außenfries bildet den Kampf der Giganten gegen die Götter aus der griechischen Mythologie ab. Er ist ein Hochrelief einer Gigantomachie. Der Fries im Inneren des Pergamon-Altars stellt den Telephos-Mythos dar.
1878 begann Carl Humann im Auftrag der Berliner Museen auf dem Burgberg von Pergamon mit den Ausgrabungen, die bis 1886 dauerten. Gegen die Zahlung von 20.000 Mark wurden die Funde von Pergamon nach Berlin überführt. Für den Pergamonaltar wurde 1897 bis 1899 durch Fritz Wolff in Berlin ein Museum erbaut, das 1901 mit der Enthüllung des Bildnisses Humanns von Adolf Brütt eröffnet wurde. In dem 1930 vollendeten Nachfolgebau, dem heutigen Pergamonmuseum, ist der Pergamonaltar bis heute auf der Museumsinsel zu finden.
Der Altar in der Antike

Historischer Hintergrund
Das von Philetairos aus Tios begründete pergamenische Reich war zunächst ein Teilgebiet des seleukidischen Reiches. Doch erst Attalos I., Nachfolger und Neffe des Eumenes ging den Schritt der völligen Selbstständigkeit und proklamierte sich zu König. In der Folgezeit versuchte er seine Herrschaft zu konsolidieren. Ein Sieg über die keltischen Galater, die das pergamenische Reich bedrohten, festigte ihn in seiner Macht. Durch Eroberungen in Kleinasien auf Kosten der geschwächten Seleukiden konnte er sein Reich kurzzeitig vergrößern. Auch ein Gegenschlag der Seleukiden unter Antiochos III., der bis vor die Tore Pergamons führte, konnte die pergamenische Selbstständigkeit nicht beenden. Da die Seleukiden im Osten wieder erstarkten, wandte sich Attalos nach Westen, nach Griechenland und konnte fast ganz Euböa einnehmen. Sein Sohn Eumenes II. konnte den Einfluß der Galater weiter zurück drängen. Er regierte zusammen mit seinem Bruder und Mitregenten Attalos II., der ihm auch auf dem Thron nachfolgen sollte. 188 v. Chr. konnte Eumenes II. durch ein Bündnis mit Rom den Frieden von Apameia erziehlen und somit den Einfluß der Seleukiden in Kleinasien zurück drängen.
Die Stiftung und Anlage des Altars
Wie die meisten jungen Dynastien suchte sich diese attalidische Dynastie von Pergamon zu legitemieren. Stiftertum und Bautätigkeit waren dazu seit alters her ein probates Mittel. Bautätigkeit und Bildprogramme waren somit nicht nur Kunstwerke, sondern hatten auch häufig politische Dimensionen.

Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des Pergamonaltars ist der Grund der Errichtung. Lange Zeit wurde angenommen, dass der Altar 184 v. Chr. nach einem des Eumenes II. über die keltischen Tolistoagier unter ihrem Führer Ortiagon gestiftet wurde[1]. Doch wird in der neueren Forschung das Jahr 166 v. Chr. als Stiftungsdatum angenommen. Lange Zeit über hatten die Römer und die Attaliden ein sehr gutes Verhältnis. Beide hatten mit den Makedonen einen gemeinsamen Gegner. Doch kühlte dieses Verhältnis im Laufe der 180er Jahre v. Chr. ab, da Eumenes II. zu einem mächtigen König geworden war und die Römer ihre Welt in Freunde, was letzlich Untergebene oder Abhängige bedeutete, oder Feinde einteilte. Es ging so weit, dass die Römer 168 v. Chr. sogar die Kelten in Kleinasien zum Kampf gegen das pergamenische Reich anstachelten. Wieder Erwarten konnten sich die Attaliden nicht nur gegen die Kelten behaupten, sondern schlugen diese vernichtend. Dieses Ereignis soll sich in den beiden Friesen des Pergamonaltars wiederspiegeln. Am äußeren Fries ist der Kampf zwischen den griechischen Göttern gegen die ungeschlachten Giganten dargestellt. Unschwer ist hier die Assoziation des Kampfes der zivilisierten griechischen Welt mit der barbarischen Welt - in diesem Falle der Kelten - zu erkennen[2]. Der innere Fries, der Telephosfries zeigt seinerseits die Legende des Telephos. Der Fries soll die Überlegenheit Pergamons gegenüber den Römern zeigen. So wurde der Gründer Roms, Romulus, nur von einer Wölfin, Telephos, auf den sich die Attaliden zurückführten hingegen von einer Wölfin gestillt[3].


Schon Attalos I. begann damit, die Akropolis von Pergamon umzugestalten. Im Laufe der Zeit entstand so neben der ursprünglichen Burg, in der mehrere Paläste, eine Bibliothek in Athenaheiligtum und in späterer Zeit ein Trajaneum errichtet wurden, auf dem Hügelkopf ein Dionsostempel ud ein nach dem Dionysos benanntes Theater, ein Heroon, die Obere Agora der Stadt und eben der später als Pergamonaltar benannte Große Alter. Zur besseren Nutzbarkeit wurden mehrere Terrassen angelegt.
Für den Großen Altar wurden die Vorgängerbauten planiert und die Terrasse, auf der sich der Altar befand, durch Substruktion erweitert. Wie für einen griechischen Tempel üblich wurde ein in sich geschlossener Bereich geschaffen. Der Weg von der pergamensichen Unterstadt zur Oberstadt führte direkt am heligen Altarbezirk vorbei, zu dem an der Ostseite ein Zugang bestand. Somit sahen Besucher in der Antike als erstes die Ostseite des großen Altars, auf der die griechischen Hauptgötter abgebildet waren. Es war sogar so, dass als erstes die reche Seite des Ostfrieses gesehen wurde. Hier kämpften die Götter Hera, Herakles, Zeus, Athena und Ares. Doch der Blick des Besuchers reichte auch darüber hinaus. Im Hintergrund befand sich nicht nur die Wand einer weiteren Terasse, an der vermutlich sehr viele Statuen gestanden hatten, man sah auch auf den schon 150 Jahre früher errichteten, schlichten dorischen Athenatempel, der eine Terasse höher errichtet war. Die Westseite des Altars mit der Freitreppe lag trotz des Höhenunterschiedes in derselben Flucht wie der Athena-Tempel. In seiner freien Anlage war der Altar so konzipiert, dass Besucher ihn umschreiten konnten. Dabei ergaben sich zweifelsohne noch weitere konzipierte Blickachsen[4].
Der Grosse Altar ist jedoch nur ein Altar, kein Tempel. Es wird vermutet, dass der Athena-Tempel der kultische Bezugspunkt für den Grossen Altar war. Möglicherweise fungierte er nur als Opferort, der eigentliche Tempel war jedoch der der Athena. Dafür sprechen auch einige Statuenbasen und Weihinschriften im Altarbezirk, deren Stifter Athena nannten. Eine weitere Möglichkeit ist, dass hier Zeus neben Athena verehrt wurde. Möglich ist aber auch eine Eigenständigkeit des Altars. Anders als Tempel, zu denen immer ein Altar gehörte, gehörte zu einem Altar nicht zwangsläufig ein Tempel[5]. Aus den wenigen Resten der Weihinschrift lässt sich heute nicht mehr rekonstruiren, für welche Gottheit der Altar gestiftet wurde. Ebenso unklar ist die Form der hier vollzogenen Opfer. Aus den Resten des Altars läßt sich zumindest schließen, dass dieser einen Hufeisenartige Form hatte. Offenbar war es ein Wangenaltar mit einer oder mehreren Stufen. Möglicherweise wurden hier Schenkel von Opfertieren verbrannt. Möglich ist ebenso, dass der Altar nur zur Libitation - also der Darbringung von Opfern in Form von Weihrauch, Wein und Früchten - war[6].
Antiker Nachhall
Der Römer Lucius Ampelus überliefert wahrscheinlich im 2. Jahrhundert in seinem liber memoralis („Merkbüchlein“) folgende Zeilen im Abschnitt über die Weltwunder, die miracula mundi:
- In Pergamon gibt es einen großen marmornen Altar, 40 Fuß hoch, mit sehr großen Skulpturen. Er enthält auch eine Gigantomachie[7].
Neben einer Bemerkung des Pausanias[8], der in einem Nebensatz die Opfergewohnheiten in Olympia mit denen in Pergamon vergleicht, ist es die einzige schriftliche Erwähnung des Altars in der gesammten Antike. Das ist umso verwunderlicher, als bei den Schriftstellern der Antike viel zu derartigen Kunstwerken geschrieben wurde und Ampelus den Altar immerhin zu den Weltwundern zählt. Die schriftlichen Quellen zum Altar aus der Antike - oder besser gesagt ihr fehlen - wird recht widersprüchlich interpretiert. Doch ist eine mögliche Erklärung schnell zu finden. Der hellenistische Altar galt den Römern als unwichtig, da er nicht in der klassischen Epoche der griechischen, vor allem attischen, Kunst entstanden ist. Nur diese Kunst und die spätere Rückbesinnung auf diese Werte galt als bedeutend und erwähnenswert. Diese Sichtweise wurde ab dem 18. Jahrhundert, vor allem seit dem Wirken Johann Joachim Winckelmanns auch besonders von den deutschen Forschern vertreten[9].

Dennoch ist es unstrittig, dass der Grosse Altar von Pergamon eines der bedeutendsten Kunstwerke, wenn nicht sogar der Höhepunkt der hellenistischen Kunst war. Die ignorierende Geringschätzung des Altars mutet aus heutiger Sicht seltsam an, stammt doch beispielsweise die Laokoongruppe, eine der Skulpturen, die heute mit wenigen Kunstwerken der Antike wie der Venus von Milo und dem Diskuswerfer des Polyklet immer wieder als ganz besonders herausragendes Zeugnis der antiken Kunst gilt und auch in der Antike als herausragendes Meisterwerk galt, auch aus einer Werkstatt Pergamons und wurde zeitlich ungefähr zu derselben Zeit geschaffen[10]. Interessant ist dabei auch, dass der gigantische Gegner der Göttin Athena, Alkyoneus, in Haltung und Darstellung dem Laokoon sehr ähnelte. Als dieser gefunden wurde, soll ein Ausruf „Jetzt haben wir auch einen Laokoon!“[11] zu hören gewesen sein.
Die Wiederentdeckung
Von der Antike bis zu den Ausgrabungen im 19. Jahrhundert
Spätestens als das Christentum in der Spätantike die heidnischen Religionen abgelöst und verdrängt hatte, wurde der Altar überflüssig. Im siebten Jahrhundert wurde die Akropolis Pergamons zum Schutz vor den Arabern stark befestigt. Dabei wurde unter anderem auch der Pergamonaltar zum Materialgewinn zumindest teilweise zerstört. Dennoch fiel die Stadt 716 vorübergehend an die Araber und wurde daraufhin bedeutungslos und aufgegeben. Erst im 12. Jahrhundert wurde die Stadt erneut besiedelt. Im 13. Jahrhundert fiel Pergamon an die Türken[12].
Zwischen 1431 und 1444 besucht der italienische Humanist Cyriacus von Ancona und berichtet darüber in seinen commentaria (Tagebüchern). 1625 bereist der Kaplan des 23. Earls of Arundel Thomas Howard, William Petty in die Türkei. Auch er besucht Pergamon und bringt von dort zwei Reliefplatten des Altars mit nach England. Die Stücke geraten jedoch nach der Auflösunf der Sammlung des Earls in Vergesseneheit und werden erst in den 1960er und 70er Jahren wieder entdeckt. Weitere frühende Reisende während des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts sind der französische Diplomat und Altertumsforscher Graf Marie Gabriel Florent Auguste Choiseul-Gouffier, der englische Architekt Charles Robert Cockerell, sowei dieb beiden Deutschen Otto Magnus von Stackelberg und Otto Friedrich von Richter. Choiseul-Gouffier machte sich als erster Mensch für Ausgrabungen in Pergamon stark, die anderen drei Reisenden fertigten Zeichnungen von der Akropolis der Stadt an.

1864/65 kommt Carl Humann erstmals nach Pergamon. Der deutsche Ingeneur ist hier mit geografischen Untersuchungen beauftragt und kommt in den folgenden Jahren immer wieder in die Stadt. Er setzt sich für den Erhalt der Altertümer auf dem Burgberg ein und versucht Partner für eine Ausgrabung zu finden. Daa war auch deshalb wichtig, weil die damaligen Bewohner Bergamas, wie Pergamon nun hieß, den Altar als Steinbruch nutzen, Reste der antiken Bebauung plünderten um neue Gebäude zu errichten und den Marmor sogar zu Kalk brannten. 1871 kommen der bedeutende Berliner Altphilologe und Archäologe Ernst Curtius und mehrere andere deutsche Forscher auf Einladung Humanns nach Pergamon. Er veranlasste den Versandt einiger Fundstücke, darunter zweier Fragmente des Altars, nach Berlin. Die Altarreliefs beschreibt er als „Schlacht mit Männer, Rossen, wilden Thieren“[13]. Zunächst wurden die Stücke zwar ausgestellt, fanden aber nur wenig Beachtung. Erst der 1877 zum Direktor der Skulpturensammlung der Königlichen Museen in Berlin berufene Alexander Conze erkannte als Erster, dass Humans Vermutungen zur Bedeutung der Stücke falsch waren. Er bringt sie mit der Überlieferung bei Ampelius zusammen und erkennt die Bedeutung der Stücke. Nun trifft es sich gut, dass die deutsche Regierung nach der Reichseinigung 1871 bestrebt ist, mit anderen Großmächten auch kulturell mitzuhalten:
- „Von besonderer Bedeutung ist es, daß die Sammlungn der Museen, welche bisher sehr arm an griechischen Originalwerken waren [...] nunmehr in den Besitz eines Werkes griechischer Kunst von der Ausdehnung gelangen, welche etwa nur in der Reihe der attischen und keinasiatischen Skulpturen des Britischen Museums gleich oder nahe kommen.“[14].
Umgehend nimmt er mit Human, der zu der Zeit in der Türkei für ein Straßenbauunternehmen tätig ist, Kontakt auf. Nun geht alles schnell. Die deutsche Regierung kümmert sich um eine Grabungslizenz in der Türkei und im September 1878 beginnen die Ausgrabungen. Geleitet werden sie von Humann und Conze. Große Teile der Akropolis wurden bis 1886 untersucht und in den folgenden Jahren auch wissenschaftlich aufgearbeitet und publiziert. Durch ein Abkommen[15] zwischen der osmanischen und der deutschen Regierung kamen die Reliefplatten des Pergamonaltars und einige weitere Stücke ab 1879 nach Berlin und in den Besitz der Antikensammlung. Dabei war man sich auf deutscher Seite sehr wohl bewußt, dass man ein Kunstwerk von seinem angestammten Platz entfernte und war mit dieser Situation selbst nicht vollständig glücklich:
- „Wir sind nicht fühllos dagegen gewesen, was es heißt, die Reste eines großen Denkmals seinem Mutterboden zu entreißen zu uns hin, wo wir ihnen das Licht und die Umgebung nie wieder beiten können, in die hinein sie geschaffen wurden, und in denen sie einst voll wirkten. Aber wir haben sie der immer vollständigeren Zerstörung entrissen. Damals war noch kein Hamdy Bey in Sicht, den bald warme Freundschaft mit Human verband, und wir konnten damals noch nicht denken, was mit seiner Hilfe inzwischen möglich geworden ist, daß die am Orte verbleibenden Ruinen vor den Steinräubern der modernen Stadt [...] würden beschützt werden können [...]“[16].
Der Pergamonaltar in Berlin
Zunächst konnten die Stücke nicht in einem angemessenen Ausstellungsrahmen präsentiert werden, weshalb extra ein Museum errichtet wurde. Dieses erste „Pergamonmuseum“ wurde 1902 eingeweit und war bis 1908 in Benutzung. Danach mußte es wegen Fundamentschäden wieder abgerissen werden. Ein Neubau wird bis 1930 errichtet. Dieses neue Pergamonmuseum präsentiet den Altar so, wie er auch heute noch ausgestellt wird. Im zentralen Saal des Museums erfolgte eine Teilrekonstruktion und an den umgebenden Wänden wurde der Fries angebracht.
1939 wurde das Museum kriegsbedingt geschlossen, zwei Jahre später zunächst durch Sandsäcke geschützt und schließlich wurden die Reliefs abgenommen und ausgelagert. Am Kriegsende kamen die Altarteile in die Hände der Roten Armee und wurden als Beutekunst nach Rußland verbracht. 1959 wird ein großer Teil der Sammlung zurück gegeben, darunter auch die Altarreste. Im Oktober des Jahres wird das Museum schließlich wieder eröffnet. 1990 kamen auch neun Köpfe des Telephosfrieses, die kriegsbedingt im Westteil Berlins gelandet waren, nach ins Pergamonmuseum zurück. Zunächst der Telephosfries und schließlich auch der Grosse Fries werden in den Jahren nach der Wende nach und nach restauriert. Somit befindet sich der Pergamonaltar derzeit in einer wissenschaftlich aktuell rekonstruierten Form.
Das Kunstwerk
Ostfries
Südfries
Nordrisalt der Westseite
Südrisalt der Westseite
Nordfries
Telephosfries
Rezeption
Wohl das augenfälligste Beispiel für die Rezeption des Altars ist das Museum selbst, in dem sich der Altar heute befindet. Das nach Plänen von Alfred Messel von 1912 bis 1930 erbaute Pergamonmuseum ist in seiner Anlage eine ins Gigantische übersteigerte Form der Vorderfront des Altars[17]..
Das Deutsche Reich, das die Ausgrabungen ja nicht zuletzt aus Prestigegründen förderte, begann schnell den Altar und andere archäologische Zeugnisse zu vereinnahmen. Bei der „Jubiläumsausstellung der Berliner Akademie der Künste“ im Mai uns Juni 1886 wurden auf einem 13.000 Quadratmeter großem Gelände neben anderem auch die archäologischen Errungenschaften der jüngsten Ausgrabungen in Olympia - hier gab es jedoch kein Fundmaterial zu präsentieren, da der griechische Staat keine Genehmigung zur Ausfuhr der Kunstschätze gegeben hatte - und Pergamon. Man baute dafür einen „Tempel von Pergamon“ nach. Auf einem maßgenauen Nachbau der Westfront des Altarsockels mit ausgewählten Kopien der Friese - darunter Zeus- und Athena-Gruppe - wurde ein dem Zeustempel von Olympia nachempfundener Eingangsbereich für ein Gebäude errichtet. In diesem Bau präsentierte man ein Modell der Stadt Pergamon im 2. nachchristlichen Jahrhundert nach dem damaligen Wissensstand[18].
Für die weitere Betrachtung des Altars wurde die Rekonstruktion im Pergamonmuseum bedeutend. Hier wurde nicht die die antike Hauptseite im Osten für die Teilrekonstruktion des Baus genutzt, sondern die gegenüber liegende Westseite mit der Treppe. Diese Rekonstruktion inklusive der Anbringung der restlichen Friese an den restlichen Wänden des zentralen Ausstellungsraumes wurde nicht unkritisch gesehen. Kritiker sprachen von einem „umgestülpten Ärmel“ und von „Theatralik“[19].
Im nationalsozialistischen Deutschland nahm man sich später diese Form der Architektur zum Vorbild. Wilhelm Kreis wählte für seine Soldatenhalle beim Oberkommando des Heeres in Berlin (1937/38) und für ein Kriegerehrenmal am Fuß des Olymp in Griechenland eine Bauform, die der des Altars recht ähnlich war. Bei der Soldatenhalle sollte der Fries jedoch auf die Frontseite des Risalts beschränkt werden. Die Friese des Bildhauers Arno Breker wurden jedoch nie geschaffen. Der Rückgriff auf diese Architekturform hatte nicht zuletzt mit den ideologischen Vorstellung der Nationalsozialisten zu tun. Ein Altar erinnerte an Opferbereitschsft und Heldentod. Sowohl der Pergamonaltar wie auch diese beiden Zeugnisse nationalsozalistischer Architektur waren „Kultbauten“. Auch die Botschaft des Altarfrieses vom Sieg des Guten über das Böse konnten sich die Nationalsozialisten so zu eigen machen[20].
Peter Weiss unternimmt in seinem Roman Die Ästhetik des Widerstands den Versuch einer marxistischen Lesart des Reliefs. Es ist der bedeutendste Niederschlag des Altars in der belletristischen Literatur. Weiss versucht nicht den Fries in seiner eigentlichen Bedeutung zu interpretieren, sondern läßt seine Protagonisten aus dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit Hilfe von Kunstwerken ihre eigenen Standpunkte ergründen. Im Rückgriff wird auch auf die Entstehung, die Geschichte bis zur Wiederauffindung und die Rekonstruktion im Museum ausgedehnt[21].
Literatur
- Max Kunze und Volker Kästner: Antikensammlung II. Der Altar von Pergamon. Hellenistische und römische Architektur, 2. Auflage, Henschelverlag, Berlin 1990 ISBN 3-362-00436-9
- Rudolf Fellmann (Hg.): Antike Welt auf der Berliner Museumsinsel, von Zabern, Mainz 1990 (Sonderheft der Antiken Welt) ISBN 3-8053-1186-9
- Die Antikensammlung im Pergamonmuseum und in Charlottenburg, auch nur Antikensammlung Berlin, von Zabern, Mainz 1992 ISBN 3-8053-1187-7
- Max Kunze: Der Pergamonaltar. Seine Geschichte, Entdeckung und Rekonstruktion, von Zabern, Mainz 1995 ISBN 3-8053-1468-X
- Wolf-Dieter Heilmeyer (Hg.): Der Pergamonaltar : die neue Präsentation nach Restaurierung des Telephosfrieses, Wasmuth, Tübingen 1997 ISBN 3-8030-1045-4
- Wolfgang Radt, Walter Eder und Albrecht Berger: Pergamon, in Der Neue Pauly, Bd. 9 (2000), Sp. 543 - 561
- Hans-Joachim Schalles: Pergamonaltar, in Der Neue Pauly, Bd. 15/2 (2002), Sp. 211 - 215
Weblinks
Referenzen
- ↑ Bernard Andreae: Datierung und Bedeutung des Telephosfrieses im Zusammenhang mit den übrigen Stiftungen der Ataliden von Pergamon, in: Heilmeiyer: Pergamonaltar (siehe Literaturliste), S. 67 (in Folge als Andreae: Telephosfries zitiert)
- ↑ Andreae: Telephosfries, S. 68
- ↑ Andreae: Telephosfries, S. 68
- ↑ zur Konzeption siehe Max Kunze: Der Pergamonaltar, S. 19
- ↑ Die Antikensammlung Berlin, Mainz 1992, S. 25
- ↑ zur Altarverwendung und zur möglichen Opferweise siehe Kunze: Der Pergamonaltar, S. 19
- ↑ 8,14: Pergamo ara marmorea magna, alta pedes quadraginta, cum maximis sculpturis; continent autem gigantomachiam, zitiert nach Die Antikensammlung Berlin, S. 23
- ↑ Pausanias, V, 13,8
- ↑ Die Antikensammlung Berlin, S. 23
- ↑ Bernard Andreae: Laokoon oder die Gründung Roms, von Zabern, Mainz 1988 (Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd. 39)
- ↑ zitiert nach Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 33
- ↑ zu Pergamon in der byzantinischen Zeit siehe Wolfgang Radt und Albrecht Berger in Der Neue Pauly, Bd. 9 (2000), Sp. 551 und 561
- ↑ zitiert nach Kunze/Kästner: Antikensammlung II, S. 27
- ↑ der preußische Kultusminister in einem Brief an den König, zitiert nach Kunze/Kästner: Antikensammlung II, S. 28
- ↑ Die osmanische Regierung wollte zunächst eine Teilung der Funde (2/3 zu 1/3 zu Gunsten Deutschlands) durchsetzen, doch konnte in den Verhandlungen 1878/79, auf die selbst Bismarck Einfluß nahm, gegen die Zahlung von 20.000 Reichsmark ein Vertrag ausgehandelt werden, die die Funde allein dem Deutschen Reich überließ. Zur Hilfe kam die aktuelle innenpolitische Schwäche des Osmanischen Reiches und der Dank für die Vermittlerrolle, die Bismarck beim Berliner Kongress eingenommen hatte. siehe Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 30; Schaller: Pergamonaltar, Sp. 211
- ↑ Alexander Conze, zitiert nach Kunze, Kästner: Antikensammlung II, S. 30
- ↑ Schalles: Pergamonaltar, Sp. 211-212
- ↑ Schalles: Pergamonaltar, Sp. 212-214
- ↑ Schalles: Pergamonaltar, Sp. 214
- ↑ Schalles: Pergamonaltar, Sp. 214-215
- ↑ Schalles: Pergamonaltar, Sp. 215