Mutterliebe
Mutterliebe ist je nach den Maßstäben von Gruppen oder ganzen Kulturen ein Gefühl von Müttern zu den von ihr geborenen Kindern, das gesellschaftlich als 'natürlich' unterstellt wird und dessen Verletzung der Rechtfertigung bedarf. Insofern hat haben Konzepte der "Mutterliebe" - wie andere gerngesehene Neigungen - auch stark ideologischen Charakter und können sehr anspruchsvoll, ja sogar unerfüllbar sein. Ob es überhaupt bei Menschen "von Natur" ein solches Gefühl gebe, ist anthropologisch umstritten; bei Tieren gibt es durchaus unterschiedlich ausgeprägte mütterliche Instinkte.
Beispiele
Worin sich "Mutterliebe", "Mütterlichkeit" überhaupt, im Einzelnen äußere, wird desgleichen sehr unterschiedlich aufgefasst.
Gegenwärtig und in Mitteleuropa umfasst "Mutterliebe" das innige Sympathiegefühl der meisten Mütter zu ihrem Kind. Kulturelle Abweichungen von dieser Regel sind denkbar (vergleichbare Liebe von Frauen zu Pflegekindern, von Pflegekindern zu Ammen u.ä.). Eine innig-intime Gefühlsbetontheit wäre vor 200 Jahren eher ungewöhnlich gewesen, hier hätte man eher Aufopferungswillen und tätige Sorge als Merkmal von "Mutterliebe" verstanden und einem vielgeliebten "Muttersöhnchen" eine böse Zukunft vorhergesagt.
Biologisches
Eine biologistische These ist, dass die Mutterliebe in der Evolution begründet sei und der Arterhaltung diene. Ob das auch nur für Säugetiere unabdingbar ist, wird bezweifelt. (Kuckucken fehlt sie ohnehin.) Menschen können jedenfalls auch ohne Liebe ihrer leiblichen Mutter groß (sogar 'gute Mütter') werden, vor allem dann, wenn dafür institutionell vorgesorgt wird.
Anthropologisches
Nicht nur die biologische Mutter kann ein Kind mit Muttermilch stillen (Ausnahmen von der Amme bis zum Milchpulver sind geläufig), auch müsste sie es beim Stillen nicht notwendig lieben. Sie muss es nach neuesten Entwicklungen noch nicht einmal immer selber gebären (vgl. die Leihmutter).
Mutterliebe im gefühlsbetonten Sinn, als Grundlage einer Mutter-Kind-Beziehung, gibt jedoch dem Kind im Säuglingsalter eine gute Chance, ein "Urvertrauen" zu seiner Umgebung auf zu bauen (vgl. Dieter Claessens, das nach einem Jahr die "Sozialisation", das Lernen der jeweiligen gsellschaftlichen Regeln und Normen, sehr erleichtert. Doch muss sich dieses Urvertrauen des Kindes nicht notwendigerweise auf die biologische Mutter fixieren, so dass auch Vater, Großeltern oder eine biologisch nicht verwandte Person die Funktion der primären Bezugsperson einnehmen können. Der Sozialisationstheoretiker Alfred Lorenzer spricht von der Mutter-Kind-Dyade, in der die Mutter auch die erste "Schnittstelle" zur Gesellschaft darstellt, also aktiv an der Sozialisation des Kindes teilhat.
Psychologisches
Zugleich gibt es aber auch psychologische und psychoanalytische Erklärungen, die - von der gesellschaftlich vorgegebenen Form der Mutter-Kind-Beziehung ausgehend - das Beziehungs- und Emotionsgeflecht zwischen Mutter und Kind analysieren und ggf. das spätere Mutterverhalten beim geliebten oder ungeliebten Kind einbeziehen.
So unterscheidet z.B. Erich Fromm in Die Kunst des Liebens zwischen mütterlicher und väterlicher Liebe. Demnach erführe man die mütterliche Liebe bedingungslos, während man sich väterliche Liebe z.B. durch gute Zeugnisse oder herausragende sportliche Leistungen verdienen müsse. Dabei ist allerdings auch laut Fromm die mütterliche Liebe nicht der leiblichen Mutter vorbehalten, sondern gleichfalls eine Folge der gesellschaftlichen Organisation der Kindheit. Die Rolle der Mutter ist also auch bei Fromm ein Platzhalter für die Rolle der primären Bezugsperson des Kindes, die aber gleichwohl im Regelfall die leibliche Mutter einnimmt.
Soziologisches
Die Unterstreichung der Mutterliebe gegenüber der väterlichen Liebe (Vaterliebe) und die daraus abgeleitete Vermutung einer engeren Bindung zwischen Mutter und Kind, wird, insbesondere in rechtlichen Konflikten, beispielsweise bei Scheidungen, kulturell - das heißt in unterschiedlichen Kasten, Ständen, Klassen, Schichten, Berufsgruppen - sehr unterschiedlich gehandhabt.
Dies gilt auch für andere sprachliche Betonungen eines Elternteils, wie Muttersprache und Vaterland.