Flurname
Ein Flurname ist die namentliche Bezeichnung (Flurbezeichnung) eines kleinräumigen Landschaftsteils (Flur) ohne Häuser. (Ein "Ortsname" ist dagegen die Bezeichnung eines Landschaftsteils mit Häusern.) Flurnamen kennzeichnen die kleineren und kleinsten geografischen Einheiten, wie Berge und Gipfel, Täler, Wälder, Weiden, Wiesen, Ackerland und Auen, Wege, Gewanne, Fluren bis hin zu einzelnen Parzellen. Flurnamen sind überlieferte geografische Namen (Lokalnamen), die sich im örtlichen Sprachgebrauch entwickelt haben.
Die Flurnamensforschung bzw Flurnamensetymologie ist Teil der Ortsnamenforschung (Toponomastik), der allgemeinen Beschäftigung mit Namen in der Geographie.
Im Vermessungswesen bezeichnet man als Flurname Gruppen von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken (Flurstücken, Parzellen) auf den Gemarkungen der Gemeinden, die in ihrer Flurform eine Einheit bilden.
Der Flurname als Gebrauchsname
Flurnamen sind und waren vor allem Gebrauchsnamen. Sie dienen dazu, den Ort, d. h. die Lage eines Flurstückes innerhalb der Gemarkung eindeutig zu beschreiben, wie die nachstehenden Beispiel aus Mittelhessen zeigen.
- Beispiel: Acker von Karl X, Hausname „Brunneschmitt“, in der Flur „vor der Haardt“, wird bezeichnet (in hochdeutsch) als "Brunneschmitts Karl sein Acker vor der Haardt". Der Name des Besitzers wird dabei mit der Nutzungsart des Grundstückes verbunden, dem betreffenden Grundstück vorangestellt.
Dies galt insbesondere für Parzellen, die der Realteilung unterlagen und daher oft nur eine Generation lang demselben Besitzer gehörten. Wurde hingegen das Anerbenrecht ausgeübt blieben die Grundstücke ungeteilt. Dann wurde der Besitzer namentlich nicht genannt und das Grundstück nur mit dem Hofnamen/Hausnamen verbunden.
- Beispiel: Ackerland das zum Hof mit dem Namen „Menn“ gehörte, in der Flur „Auf der Bette“, hieß dann „Menn Acker auf der Bette“. Sehr große Grundstücke, die zum Hof gehörten, hatten manchmal auch einen eigenen Flurnamen, so z. B. „Menn Keschbeem“.
Flurbezeichnungen eines Bauernhofes gehören zu den häufigsten etymologischen Wurzeln von Familiennamen im Deutschen. In ländlichen Gebieten insbesondere des Alpenraums sind diese Hofnamen sogar noch heute in Telefonbüchern verzeichnet.
Anforderungen an die Schreibweise von Flurnamen auf Plänen und Karten
- Richtlinien formulieren für die Schreibweise der Flurnamen auf Plänen und Karten eines bestimmten Gebietes.
- Vertikale Koordination beachten: Die gewählte Schreibweise soll auf allen Plänen und Karten eines bestimmten Gebietes in allen Maßstäben dieselbe sein.
- Die gewählte Schreibweise auf späteren Ausgaben der Pläne und Karten unverändert belassen, damit keine Missverständnisse entstehen.
Etymologie der Flurnamen
Großräumige Flurnamen oder Lagebezeichnungen sind meist alt. Flurnamen, die in die Vor- und Frühgeschichte zurückreichen, sind selten, wenn man von Flußnamen oder Namen markanter Berge absieht. Manchmal schimmert in den Endsilben noch eine sehr alte Bezeichnung durch.
In den Flurnamen spiegeln sich alle historischen und sprachlichen Entwicklungen wider. Viele kleinräumige Flurnamen entstanden erst nach der Aufhebung der Dreifelderwirtschaft und nach Aufgabe der Feld- und Weidewirtschaft, sowie nach Aufhebung der Allmende nach 1800. In den Regionen/Gemarkungen, wo die Realteilung des Grundbesitzes praktiziert wurde, entstanden dadurch viele neue und zusätzliche Flurnamen. Insbesondere die Attribute beim, auf, über, unter, vor und hinter deuten auf eine Besitzteilung hin. Wurde hingegen der Grundbesitz nur an einen Erben weitergegeben (Anerbenrecht), waren zusätzliche Namen nicht erforderlich. Daher gibt es in diesen Gemarkungen auch vergleichsweise weniger Flurnamen.
In den Flurnamen spiegeln sich aber auch die topographischen Gegebenheiten. Kleinräumig strukturierte Landschaften erfordern mehr Flurnamen. In Bergregionen etwa, wo schon kleine Unterschiede in der Lage eines Flurstücks unterschiedliche landwirtschaftliche Behandlung (Saaatzeitpunkt, Mahd, usw.) erfordert, finden sich auch kleinräumigere Flurnamen.
Flurnamen kann man nur etymologisch erklären, wenn man sich mit der Zeit ihrer Entstehung auseinandersetzt. Wer mehr als nur einfache Begriffe in die Flurnamen hineininterpretieren will, geht meist fehl. Die Benennung erfolgte stets nach praktischen Gesichtspunkten. Sie entstand aus der vor Ort gesprochenen Mundart und wurden so überliefert und weitergegeben. Die Bedeutung des Namens blieb dabei erhalten, nur die Schreibweise und die Aussprache haben sich verändert.
Als man im 19.Jahrhundert die Flurnamen schriftlich festlegte (katasteramtliche Schreibweise), wurden – aus Sicht des Etymologen – schlimme Fehler gemacht, die nicht wieder gutzumachen sind. Namen wurden total entstellt und sind für die Forschung völlig unbrauchbar, da sie in der „verhochdeutschten“ Form zu den unsinnigsten Deutungen führen. Dabei lässt sich die Bedeutung des Namens bei der Schicht der jüngeren Flurnammen mit der vor Ort gesprochenen Mundart in den meisten Fällen noch eindeutig klären.
Erhebungen vor Ort bei älteren ortskundigen Landwirten, die noch den Dialekt beherrschen, sind oft ausgezeichnete Quellen (siehe Oral History, das Sammeln mündlicher Überlieferungen). Zu dieser Problematik gehört auch das Umfeld der „Eindeutschungen“ und dem entsprechender Vorgang in anderen Sprachen, die in den zahllosen politischen Konflikten der letzten Jahrhunderte begründet ist.
Diverse Flurnamen bzw. Komponenten haben je nach Region einen althochdeutschen, altniederdeutschen, romanischen oder slawischen Ursprung – in seltenen Fällen wird sogar auf keltisches Sprachgut verwiesen – und sind daher für die Allgemeinheit kaum verständlich, zumal sie sich dem Dialekt der Region entsprechend stark auseinander entwickelt haben können.
Heutige Flurnamen
Die Flurnamen sind in den Flurkarten der Katasterämter eingetragen, leider nicht immer in der vor Ort gebräuchlichen Ausdrucksweise.
Die Straßenbezeichnungen in Neubaugebieten der Städte und Gemeinden, die auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen, orientieren sich häufig an den jeweiligen Flurnamen.
Flurnamen sind althergebrachte Lage- oder Nutzungsbezeichnungen wie zum Beispiel „Vor den Tränken“, „Beim Klingelborn“, „Im Messflur“, „Gänseweide“, „Schafsheide“ etc. Oft haben Flurnamen Bezüge zu ehemaligen Eigentümern: „Kirchhuf“, „Bischofswiesen“, „Herrenbungert“, „Scholzenheck“.
Beispiele der Flurnamensetymologie
Abkürzungen: ahd = althochdeutsch, and = altniederdeutsch, mhd = mittelhochdeutsch, mnd = mittelniederdeutsch
- almeinde, mhd (Varianten: algemeinde, almeine, almeide „Allmende“, „Gemeindeflur“): „Almai“, „Almeinde“, „Almeine“, „Algemaine“, „Alemende“, „Alimende“, „Almen“, „ Alm“, „Almed“, „Elme“, „Elmen“, „Elemend“, „Elmend“, „Olm“, „Olmed“, „Olmet“, „Olme“, „Oalm“, „Öllmet“, „Walme“, „Welme“.
- aha ahd. „Fluss“, zusammen mit ouwa ahd. „Insel“, and. â und ey, mhd. ouwe „wasserumflossenes Land“, „feuchter Grund“, „Feuchtwiese“, „Flussinsel“: „Aa“, „Aach“, „Aachen“, „Ach“, „Ache“, „Au“, „Aue“,
- biunta, ahd. (um was sich der Zaun herum windet, also geschlossenes Ackerland oder der Garten): „Beune“, „Beunde“, „Bein“, „Beu“, „Bin“, „Bühne“, „Binde“, „Bende“, „Binge“, „Bingen“, „Benge“, „Benn“, „Binn“, „Baind(t)“, „Point“
- boumgart, ahd („(Obst)baumgarten“): „Bangert“, „Bongert“, „Bungert“, „Banggarten“, „Bonggarten“, „Bamgarten“, „Bomgarten“, „Bumgarten“, „Bömgarten“, „Bemgarten“.
- espan: „Espan“, „Eschpan“, „Eschbann“ (freies, nicht eingezäuntes, der Gemeinde gehörendes Weideland)
- bruoh, pruoh ahd. , mhd. bruoch, brôc („Sumpfland“): „Bruch“, „Broich“, „Brook“, „Brauck“
- drêsch, mnd (unangebautes Land oder ungepflügter Acker, „Brachland“): „Driesch“, „Drösch“, „Drusch“, „Dreisch“, „Dreis“, „Dreusch“, „Dreus“, „Dreisk“
- fenni ahd. Moorland, Moorweide: „Fehn“, „Fenn(e)“, „Vehn“, „Venn“
- hut „Hutung“: „Hut“, „Hude“
- lug slaw. („Wiese“): „Luch“ = Sumpfland
- matte, schweizerisch allgemein „Magerrasen“, die Vegetationsform „Matte“ oder „Alm (Bergweide)“: „Matt“, „Matte“, „Matten“
- moos („Moor“): „Mais“, „Meis“, „Mias“, „Mies“, „Mis“, „Misse“, „Moos“, „Mös“, „Mösl“, „Müsse“,
- plan slaw. (Eigenname von Dorfplätzen, die gemeinschaftlich als Wiese genutzt wurden, das entspricht dem Anger).
Rodungsnamen
- Schlag („Fällung“)
- „Stock“ oder „Hau“, „Hai“ („Niederwald“)
- Rodung (Entfernen der Bäume mitsamt der Wurzel) z. B. als „Roith“, „Roid“, „Rödt“
- Schwendung (Entfernen des Bewuchses durch regelmässigen Schnitt oder Ringelung) als „(G)schwand/t/dt“, „(G)schwend/t/dt“
- Brandrodung etwa als „Brand(statt)“, „Brände“ oder „Senge(n)", „Singe(n)".
Literatur
Regionen, Deutschland:
- Jung, Irene: Flurnamen an der Mittleren Lahn, Beiträge zur Deutschen Philologie, Hrsg. Hans Ramge, Gießen 1985, ISBN 3-87711-138-6
- Müller, Gunter : Westfälischer Flurnamenatlas. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2000, ISBN 3-89534-351-X
- Ramge, Hans : Hessischer Flurnamenatlas. Zechnersche Buchdruckerei, Speyer 1987, ISBN 3-88443-020-3
- Scheuermann, Ulrich : "Flurnamenforschung" Ein Beitrag zu niedersächsischen Flurnamen. Melle 1995, ISBN 3-88368-282-9
Siehe auch
Weblinks
- flurnamen.uni-bonn – Homepage zur rheinischen Flurnamenforschung, mit vielen Links
- Liechtensteiner Namenbuch
- Die einmal gewählte Schreibweise der Flurnamen (Lokalnamen) auf Plänen und Karten soll unverändert bleiben - über die Problematik der Anpassung von Flurnamen an den Sprachgebrauch