Call-in-Gewinnspiel
aufrechter Kampf zu wichtigem Thema am falschen Ort --FatmanDan 17:19, 13. Dez. 2006 (CET)
Call-in-Gewinnspiele (Call-in-Shows, Quiz-TV) sind Rundfunksendungen, die darauf abzielen, dass Zuschauer während der Sendung anrufen und an Rate- oder Quizspielen teilnehmen.
Angebot
Anfänglich wurden diese Spiele in Deutschland nur von dem Fernsehsender 9Live angeboten. Mittlerweile haben viele Fernsehsender (RTL, Sat1, Pro 7, Kabel 1, RTL 2, DSF u.a.) das Format übernommen und füllen freie Sendeminuten - auch tagsüber - damit. Aber auch für den Hörfunk haben sog. telefonische Mehrwertdienste in Verbindung mit Gewinnspielen als zusätzliche Einnahmequelle an Bedeutung gewonnen. Nur auf den ersten Blick handelt es sich um Geschicklichkeitsspiele. Da der Zufall eine wesentlich größere Rolle spielt, handelt es sich um Glücksspiele, nach einem Urteil des Landgerichts Freiburg legal wegen des geringen Einsatzes (12.05.2005, Az: 3 S 308/04).
Gewinnspieltypen
Im TV-Bereich werden verschiedene auf den ersten Blick einfache Rätselvarianten mit Schautafeln oder eingeblendeten Standbildern („zählen Sie alle Tiere“) vorgestellt. Den möglichen Geldpreisen von mehreren hundert bis tausend Euro steht der Einsatz in Form eines erhöhten Verbindungsentgelts für den Telefonanruf über eine Mehrwertdienstnummer (in der Regel 0,49 Euro/Anruf) gegenüber. Moderatoren wie die aus „Big Brother“ bekannten Alida-Nadine Lauenstein oder Jürgen Milski haben die Aufgabe, die Zuschauer zum Anrufen zu motivieren. Kennzeichnend sind Stoßseufzer wie „Das kann doch nicht sein, dass ganz Deutschland schon schläft“ (bei Nachtsendungen) oder „das sind ganz leichte Begriffe“ (wenn schon seit Minuten, teilweise mehr als einer Stunde niemand mehr ins Studio durchgestellt wurde).
Beliebt sind auch Spiele, bei denen man Wörter erraten soll, die einen vorgegebenen Wortteil (z.B. „Box...“) gemeinsam haben. Als Lockmittel sind ein bis zwei leichte Begriffe (Boxfan, Boxkampf) eingestreut, die schnell von Zuschauern gefunden werden. Die restlichen Begriffe sind äußerst ungebräuchliche Zusammensetzungen: Boxbusiness, Boxbehörde, Boxerschmiere, Boxhochburg, Boxboom, Boxgarde, Boxkampfveranstaltung (Beispiel aus einer Sendung des DSF am 13.12.2006 zwischen 14:30 und 17:00 Uhr).
Beispiel 1:
Wörter mit Box- | |||
---|---|---|---|
-fan (GT:16300) |
-kampf (GT:192000) |
-business (GT:1410) | |
-behörde (GT:0) |
-erschmiere (GT:0) |
-hochburg (527) | |
-boom (GT:428) |
-garde (GT:4) |
-kampfveranstaltung (GT:2) |
Beispiel 2:
Als Warmlaufrunde
Wörter mit Bau- | |
---|---|
-stromantrag (GT:11) |
-er (GT:50300000) |
-grundstück (GT:2130000) |
-versicherungspolice (GT:2) |
fett geschriebene Wörter= gelöste Begriffe
GT= Googletreffer, Stand 14. Dezember 2006, Wörter mit 0 Googletreffer können praktisch als Wortneuschöpfungen (!) betrachtet werden
Beispiel 3:
„Welches ist der kürzeste Monat?“ „Mai“ (weil 3 Buchstaben) und „Februar“ (weil 28 Tage) wären anhand der Fragestellung beide richtig. Ruft jemand an und sagt „Mai“, dann wäre leider „Februar“ richtig gewesen. Ruft jemand an und sagt „Februar“, dann wäre leider „Mai“ richtig gewesen.
Chancen
Es gelingt nur äußerst selten einem Anrufer, hohe Preise zu gewinnen. Viele Rätsel enthalten einen abwegigen Trick, der sie praktisch unlösbar macht (z.B. gelten in Rechenaufgaben auch römische oder ausgeschriebene, rückwärts zu lesende Ziffern). Gleichzeitig wird nur ein kleiner Teil der Anrufer tatsächlich zum Moderator durchgestellt. Die übrigen hören die Tonbandansage, dass es „diesmal leider nicht geklappt habe, aber man solle es weiter versuchen“. Eine vermeintlich höhere Chance auf Teilnahme wird suggeriert, indem bis zu 10 Telefonleitungen gleichzeitig „freigeschaltet“ werden. Anschließend heißt es aber: „Treffen Sie die Leitung X“; d.h. nur eine, zufällig wechselnde Leitung wird tatsächlich durchgestellt.
Lockmethoden
Fragwürdig ist auch die Methode des Senders, mit einer hohen Gesamtgewinnsumme (meist über 20.000 Euro) Anrufer zu locken. Auf den zweiten Blick steht dem Kandidaten nach richtiger Antwort aber nur ein Bruchteil davon zu; der Rest muss durch ein weiteres Jackpot-Spiel gewonnen werden, bei dem die Erfolgsaussichten mitunter im Promille-Bereich liegen. Dies soll folgendes illustrieren.
Beispiel 4: ein Jackpot-Spiels
Es ist eine Säule mit 8 Etagen aufgebaut, auf denen sich je zwei klappbare, zunächst verdeckte Tafeln befinden. Auf jeweils einer steht „Weiter“, auf der anderen „Sorry“. Der Anrufer muss sich für die linke oder die rechte Tafel entscheiden. Zeigt die gewählte Tafel beim Aufdecken „Weiter“, darf er die die gleiche Auswahl auf der nächsten Etage wiederholen, bei „Sorry“ hat er sofort verloren. Den Jackpot gewinnt der Anrufer also nur, wenn er auf allen 8 Etagen die richtige Tafel aufdeckt, wofür allerdings nur eine geringe Chance von 1 zu 256 (etwa 0,4%) besteht. Leute ohne entsprechende mathematische Kenntnisse werden eventuell eher zur Teilnahme am Spiel animiert, da wahrscheinlich kein so niedriger Wert für die Erfolgsaussichten erwartet wird.
Legalität
Diese Regeln stellen bereits legal sicher, dass nur wenige Gewinne ausgezahlt werden müssen. Offene Betrugshandlungen wie etwa heimlich gesperrte Leitungen oder eine Lösungsänderung während des Spiels würden die Sender einem hohen Risiko aussetzen und sind bei der Überwachung durch die Landesmedienanstalten bislang nicht aufgefallen. Auch wettbewerbsrechtliche Prüfungen sind zugunsten der Veranstalter ausgefallen. Von Ausnahmen abgesehen sind in Deutschland Versuche enttäuschter Spielteilnehmer, juristisch gegen die Verantwortlichen vorzugehen, daher erfolglos geblieben. Aufgrund der zahlreichen Beschwerden wurde jedoch der Sender 9Live bereits aus dem Kabelnetz Niedersachsen entfernt.
In Deutschland wies der Senat des Oberlandesgerichts München eine Einstweilige Verfügung des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen den Anbieter im Januar 2006 ab, der wegen unlauteren Wettbewerbs (u. a. verbotenes Glücksspiel, Täuschung über die tatsächliche Gewinnaussicht) gegen 9Live geklagt hatte. Die Richter begründeten das Urteil damit, dass „jeder nur halbwegs verständige Teilnehmer wisse, dass immer nur eine Chance bestehe, durch einen Anruf Gewinner eines der angebotenen Gewinnspiele zu werden. Im Übrigen sei den Zuschauern klar, dass sie für die Teilnahme ein Entgelt in Form der Telefongebühren entrichten müssen.“.
Kritik
Kritiker werfen 9Live vor, bewusst die Regeln der Gewinnspiele vage und den Lösungsweg willkürlich zu formulieren. Häufig wird zum Abschluss eines Gewinnspiels nur das Ergebnis, nicht jedoch der Lösungsweg genannt. Auf diese Weise kann laut den Kritikern eine von mehreren „richtigen“ Antworten vom Sender ausgewählt werden, nämlich diejenige, die zuletzt genannt wird. Dadurch können die einzelnen Gewinnspiele in die Länge gezogen werden und die insgesamt ausgezahlte Gewinnsumme verringert sich.
Der Schwierigkeitsgrad der Gewinnspiele reicht von extrem einfach bis fast unlösbar. Der Zuschauer erkennt häufig nicht, wie komplex der Lösungsweg eigentlich ist. Darüber hinaus verzichtet 9Live gänzlich auf eine Erläuterung des Lösungswegs. Fachleute bewerten dies im Hinblick auf die Transparenz der Spiele und deren Regeln als problematisch.
Auch wird der Zeitpunkt der Durchstellung in die Sendung bewusst hinausgezögert. Die zu Beginn des Spiels relativ schwierig zu erratende Lösung soll Anrufer animieren, die eigene Kompetenz unter Beweis zu stellen, weiterhin wird der Eindruck vermittelt, dass keine weiteren „Tipps“ gegeben werden würden, welche eine Lösung einem weiteren Zuschauerkreis ermöglichen, um Kenner der Lösung zum Anrufen zu verleiten.
Durch willkürlich eingeblendete „Countdowns“ wird suggeriert, dass mit Ablauf derselben ein Anrufer gewinnt. Doch statt das Spiel zu beenden und den Gewinn an einen Anrufer auszuzahlen, wird das Spiel weiter hinausgezögert, indem weitere „Countdowns“ eingeblendet oder „Jackpot-Gewinne“ zugesichert werden.
Eine weitere Masche der Moderatoren ist es vorzugaukeln, es rufe niemand an und das selbst bei banalen Spielen: „Das gibt's doch nicht! Weiß denn das keiner? Warum ruft denn da niemand an? ...“. Dadurch wird beim Zuschauer der Eindruck erweckt, er sei momentan der einzige, der gerade diese Sendung sieht und die Lösung weiß, und wenn er sofort anriefe, würde er sofort gewinnen. Um rechtlichen Problemen vorzubeugen, wurden diese Formulierungen geändert. In letzter Zeit hört man stattdessen: „Es ist immer noch kein Anrufer 'durchgestellt' worden ...“. Weiterhin wird versucht, den Eindruck zu erwecken, dass jetzt gerade nur ganz wenige zuschauen und somit die Chancen sehr hoch seien. Je nach Tageszeit und Wochentag wechseln die Argumentationen, Beispiele sind „es ist Samstag Abend, da sind eh alle unterwegs“ oder „es ist 2 Uhr nachts, morgen ist Arbeitstag, wer hat denn da schon Zeit zuzuschauen?“. Oft wird auch das baldige Ende der Sendung als zweite Stufe vorgekaukelt, so daß Zuschauer an einen „richtigen“ Zeitpunkt für ihren Versuch denken, während die Show tatsächlich noch beliebig länger gehen kann – und auch entsprechende Hinweise im eigenen Videotext dabei ignoriert werden.
Nachweisbar sind betrügerische Absichten nicht. Tatsächlich lassen sich unlautere Absichten allenfalls über Indizien vermuten. So legt der häufig sehr ähnlich angelegte dramaturgische Aufbau den Verdacht mehr als nahe, dass nach einem mehr oder weniger ausgearbeiteten Muster gearbeitet wird: Erst wird die Gewinnsumme nach und nach erhöht, dann gibt ein vorgeblich verzweifelter (oder vom Mitgefühl bewegter) Moderator Tipps, etc. Nachdem dieser Aufwand nur für relativ hohe Gewinnsummen betrieben wird, kann man den Moderatoren und der Redaktion zumindest eines unterstellen: Sie müssten wissen, dass das Spiel - sobald eine gewisse Gewinnsummenhöhe erreicht ist - schon aus Rentabilitätsgründen nicht zu schnell beendet sein dürfte. Die im Gegensatz dazu aber permanent propagierte Botschaft, das Spiel stünde kurz vor dem Ende, dürfte daher mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens in der Anfangsphase wider besseren Wissens bzw. wider aller Erfahrungswerte der Veranstalter verbreitet werden.
Zwar zahlt der Sender – laut Eigenaussage – monatlich Gewinnbeträge von rund einer Million Euro aus, allerdings lässt diese Äußerung keinerlei Rückschlüsse auf die Gewinnchancen des einzelnen Anrufers zu und ist somit eher als Eigenwerbung zu betrachten. Verfolgt man Berichte in Zeitschriften oder Diskussionen in Internet-Foren, so stößt man nicht selten auf Berichte, dass zugesicherte Gewinne nicht ausgezahlt worden seien. Kritiker werfen dem Sender in der Tat zuweilen eine solche Praxis vor. Obwohl die Spiele bestenfalls Lotteriecharakter besitzen, werden nicht nur keine Gewinnchancen angegeben, manchmal gibt es „einfach“ keine Gewinner, weil der einzige Durchgestellte am Sendeende die falsche Lösung nennt und niemand übernimmt die Garantie, dass hier nur Zuschauer - und nicht etwaige Strohmänner - gewinnen.
Für einige Zuschauer, meist in problematischen Lebenssituationen und ohne Hintergrundwissen, sind solche Spielshows zu einer Form von Sucht geworden. Auch Kinder und Jugendliche sind betroffen, die zwar nicht teilnehmen dürfen, deren Anrufe aber durchaus gewollt mit abkassiert werden.
Für Aufsehen sorgte der Sender mit einer so genannten „Arbeitslosen-Show“, die vom damaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester als absurd und menschenverachtend bezeichnet wurde. In dieser nach kurzer Zeit wieder abgesetzten Sendung wurden bei Anruf Arbeitsplätze verlost.
In Deutschland hingegen wies der Senat des Oberlandesgerichts München eine Einstweilige Verfügung des Verbands Sozialer Wettbewerb gegen den Anbieter im Januar 2006 ab, der wegen unlauteren Wettbewerbs (u. a. verbotenes Glücksspiel, Täuschung über die tatsächliche Gewinnaussicht) gegen 9Live geklagt hatte. Die Richter begründeten das Urteil damit, dass „jeder nur halbwegs verständige Teilnehmer wisse, dass immer nur eine Chance bestehe, durch einen Anruf Gewinner eines der angebotenen Gewinnspiele zu werden. Im Übrigen sei den Zuschauern klar, dass sie für die Teilnahme ein Entgelt in Form der Telefongebühren entrichten müssen.“.
Das Urteil behandelt dabei nicht die von vielen Seiten als unseriös bezeichnete und für den Zuschauer intransparente Durchführung von Gewinnspielen, noch berücksichtigt es die Wahrscheinlichkeit, bei einem der Angebote teilnehmen oder gewinnen zu können (z. B. kostenpflichtige Telefonvorauswahl, Spielregeln). Auch die Gewinnquoten in Relation zu den tatsächlichen Anrufern wurden nicht beleuchtet.
Die oben genannte Kritik hat beispielsweise zu dem satirischen Lied „Neun Live“ der Wise Guys geführt.
Call In in der Schweiz
In der Schweiz ist die Ausstrahlung von 9Live und den von 9Live produzierten Formaten untersagt, da es sich um „verbotene lotterieähnliche Gewinnspiele“ handelt. Dies wird mit der Chancenungleichheit der Teilnehmenden sowie mit der Intransparenz der Formate begründet. So wären die Formate nur dann erlaubt, wenn die Teilnahme an den Gewinnspielen, auch kostenlos möglich wäre. In der Schweiz kann der Zuschauer deshalb auch kostenlos über Internet, WAP, Postkarte oder bei VIVA mit einer günstigeren Nummer mit einem speziellen, aber überflüssigen, "PIN Code" mitmachen. In der Schweiz laufen die Sendungen auf den Kanälen Star TV, 3+, VIVA und U1TV tagsüber und in der Nacht während mehreren Stunden (3+ sendet von 10 - 18 Uhr sowie von 23 - 02 Uhr, also 11 Stunden täglich). Die Sendungen von Star TV und von U1TV werden von der Call Active Gmbh in München produziert, die Sendungen von 3+ von der Firma Mass Response in Wien.
Quellen