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Glioblastom

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ICD-10-Code Glioblastom
C71.- Glioblastoma multiforme Bösartige Neubildung des Gehirns
Die Lokalisation ist durch Angabe der 4. Stelle (0 – 9) zu ergänzen.
Coronales MRT mit Kontrastmittel eines Glioblastoms bei einem 15 Jahre alten Jungen. Deutlich ist der raumfordernde Effekt an der Verlagerung der Mittellinie (Falx cerebri) erkennbar.

Das Glioblastom (medizinisch korrekt: Glioblastoma multiforme) ist ein höchst bösartiger und schnell wachsender primärer (das heißt vom Hirngewebe selbst ausgehender) Hirntumor. Er leitet sich von den Stützzellen (Glia) des Gehirns ab.

Epidemiologie

Etwa 20 % aller Hirntumore sind Glioblastome. Es tritt am häufigsten bei älteren Erwachsenen auf, das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 62 Jahre. Männer sind öfter betroffen als Frauen (2:1). Auch Kinder können ein Glioblastom entwickeln, auch wenn es im Vergleich zum Erwachsenenalter und im Vergleich zu anderen Hirntumoren wie beispielsweise dem Medulloblastom selten auftritt. Fälle bei Säuglingen sind beschrieben. Die jährliche Neuerkrankungsrate liegt bei knapp 3 auf 100.000 Einwohner.

Als Risikofaktor sind hohe Dosen von ionisierender Strahlung bekannt. Allergische Diathese und hohe Immunglobulin E-Spiegel scheinen in gewissem Umfang protektiv zu wirken.[1]

Beschreibung

Das Glioblastom ist ein neuroepithelialer Tumor. Nach der Weltgesundheitsorganisation wird es als das bösartigste der Astrozytome mit dem Entdifferenzierungsgrad IV angesehen.

Pathogenese

Glioblastome können völlig neu (de novo) entstanden sein. Sie können aber auch durch schrittweise Progression aus Astrozytomen des niedriger malignen Grades II oder III entstehen. Daher kommt es nicht selten vor, dass therapierte Astrozytome sich im Rezidiv als Glioblastom manifestieren. Diese sogenannten sekundären Glioblastome weisen andere molekulare Defekte auf als neuentstandene.

Lokalisation

Das Glioblastom geht von der weißen Substanz aus. Seine mit Abstand häufigste Lokalisation ist das Großhirn, wo es in allen Hirnlappen entstehen kann. Seltener sind Glioblastome des Balkens, im Zwischenhirn oder im Hirnstamm. Im Kleinhirn hingegen sind sie unbekannt.

Das Wachstum ist infiltierend. Oft wachsen hemisphärielle Glioblastome über den Balken auf die andere Seite hinüber und bilden so ein „Schmetterlingsgliom“.

Pathologie

Der makroskopische Aspekt des Glioblastoms ist durch seine inhomogene und vielfältige (daher: multiforme) Erscheinung gekennzeichnet: die Tumorschnittfläche weist häufig rötliche Einblutungen und gelbliche Gewebsuntergänge (Nekrosen) auf.

Glioblastom (Histologisches Präparat mit typischen strichförmigen Nekrosen) (Hämatoxylin-Eosin-Färbung)

Histologisch handelt es sich um zelldichte astrozytär differenzierte Tumoren, die diffus das umgebende reaktiv veränderte Hirngewebe infiltrieren. Die Tumorzellen sind mit multipolaren feinen Fortsätzen fibrillär-astrozytär differenziert oder weisen mit aufgeblähten Zytoplasmen eine gemästet-zellige Differenzierung auf. Auch Riesenzellen mit bizarren Kernen oder kleinzellige Areale mit wenig ausgedehnten Zytoplasmen kommen vor. Die Zellkerne sind meist chromatinreich und polymorph. Die mitotische Aktivität ist erhöht; Mitosefiguren sind häufig.

Entscheidend für die Diagnose des Glioblastoms (und die Abgrenzung von anaplastischen Astrozytomen) ist nach der Tumorklassifikation der Weltgesundheitsorganisation jedoch der Nachweis von Tumornekrosen (flächenhaft oder typischerweise strichförmig mit perifokaler Zelldichtesteigerung) und/oder von hochgradig pathologischen Blutgefäßen (endotheliale Hyperplasie und Hypertrophie, girlandenförmige Aufreihungen, Ausbildung glomeruloider Formationen, lakunäre Gefäße und Gefäßthrombosierungen).

Bei Gliosarkomen handelt es sich um Glioblastome, die neben astrozytär differenzierten Tumoranteilen auch bindegewebsreiche sarkomatöse Abschnitte mit spindelzelligen Tumorzellen aufweisen.

Immunhistochemisch exprimieren die Tumorzellen wie andere astrozytär differenzierten Tumoren das gliale saure fibrilläre Protein (glial fibrillary acidic protein, GFAP), was im Zweifelsfall die Abgrenzung gegenüber Hirnmetastasen erlaubt.[2]

Molekularpathologie

Die Genverluste (Deletionen), die das Glioblastom ausmachen, betreffen in den meisten Fällen das Tumorsuppressionsgen TP53 (Chromosom 17), das Retinoblastom-Suppressorgen RB-1 (Chromosom 13) und Deletionen des Chromosoms 22 sowie den Komplettverlust von Chromosom 10. Diese genetischen Schäden liegen in der Regel kombiniert vor. Kindliche Tumoren haben andere Muster der genetischen Veränderungen.

Sekundäre, also durch schrittweise Progression aus weniger malignen Astrozytomen entstandene Glioblastome weisen bevorzugt eine Mutation des TP53-Gens auf, während die de-novo entstandenen primären Glioblastome häufiger Verluste des PTEN-Gens und eine Amplifikation des EGFR-Gens aufweisen.[3]

Symptome

Die Symptome sind abhängig vom Ort des Tumorwachstums unterschiedlich. Wegen des raschen Wachstums entwickeln sich die Beschwerden meistens schnell innerhalb weniger Wochen bis Monate. Erste Symptome können anhaltende und ungewohnte Kopfschmerzen sein, die sich beim Aufrichten, Bücken und dergleichen (also bei Bewegungen, die auf den intrakraniellen Druck wirken) verstärken. Fokale neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Aphasien, und Sehstörungen können hinzukommen. Erstmals auftretende epileptische Anfälle bei älteren Personen sollten stets an einen Hirntumor denken lassen (typischerweise allerdings an ein Grad-III-Astrozytom). Schließlich sind es oft auffällige Persönlichkeitsveränderungen, Apathie oder psychomotorische Verlangsamung, die den Patienten zum Arzt führen. Hirndruckzeichen wie Stauungspapille, Erbrechen, Somnolenz und Koma treten spät auf und sind prognostisch ungünstig.

Diagnostik

Sagittales MRT mit Kontrastmittel eines Glioblastoms bei einem 15 Jahre alten Jungen
Entnahme einer Hirnbiopsie

Die Diagnose wird durch bildgebende Verfahren (CT, MRT) und feingewebliche Untersuchung gestellt.

Neuroradiologische Befunde

In der CT-Bildgebung mit Kontrastmittel erscheint das Glioblastom unregelmäßig geformt mit randständig starker Kontrastmittelaufnahme (ringförmiges Enhancement). Bei kleineren Tumoren ist dieses ringförmig konfiguriert, bei größeren bildet es eine girlandenartig Formation aus. In der Umgebung des Tumors bildet sich typischerweise ein erhebliches Ödem aus. Der MRT-Befund ist recht typisch: die soliden Anteile des Glioblastoms reichern Kontrastmittel stark an, dagegen heben sich die Aussparungen durch zystische Anteile und die Blutungen ab. Angiographisch kann man oft pathologische Gefäße im Tumorgebiet erkennen. Sie hat eine gewisse Rolle in der Operationsplanung.

Biopsie

Die stereotaktische Hirnbiopsie dient der Bestätigung der Diagnose. Auf sie sollte nur in Ausnahmefällen verzichtet werden.

Therapie

Neurochirurgische Operationen mit Entfernung der Hauptmasse des Tumors können das Fortschreiten der Erkrankung nur verlangsamen, aber nicht dauerhaft verhindern, da einzelne Tumorzellen das gesunde Gehirngewebe immer schon infiltrativ durchwandert haben. Eine Radikaloperation ist in diesem Sinne nicht möglich. Diese weit verstreuten Tumorzellen können auch mit Chemotherapie oder Bestrahlung nicht vollständig abgetötet werden. Dennoch wird zur Verlängerung der rezidivfreien und absoluten Überlebenszeit immer nachbestrahlt. Chemotherpeutika, wie sie beim Rezidiv eingesetzt werden, sind Nitrosoharnstoffe, Vinkaalkaloide und Cytosinarabinosid. Es sind verschiedene Schemata in Gebrauch. Bei Rezidivoperationen kann an ein Polymer gebundenes BCNU (ein Nitrosoharnstoff) implantiert werden. Auch Temozolomid wird zunehmend eingesetzt.

Gentherapeutische Verfahren werden derzeit in klinischen Studien erprobt. Dazu gehören Strategien, die sich auf tumorbiologisch relevante genetische Veränderungen oder die daraus resultierenden Proteine konzentrieren. Der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) stellt in diesem Zusammenhang ein herausragendes Zielmolekül dar.

Prognose

Das Glioblastom ist äußerst schwer zu behandeln. Zwar wurden einige Fälle beschrieben, in denen es zur völligen Remission kam, allerdings muss hier die Richtigkeit der Diagnose in Frage gestellt werden. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt nur ca. 3 %. Unmittelbare Todesursache ist meist eine Einklemmung (Herniation) durch die raumfordernde Wirkung des Tumors und/oder das begleitende Hirnödem.

Wegen der weit verstreuten Tumorzellen tritt auch nach der Behandlung in der Regel innerhalb von Monaten ein Rezidiv auf. Einzelne Patienten können dessen ungeachtet mehrere Jahre bei relativ guter Gesundheit mit einem Glioblastom leben. Eine medizinische Therapie mit Operation sowie nachfolgender Bestrahlung und Chemotherapie kann nach aktueller Studienlage die mittlere Überlebenszeit um einige Monate verlängern und die Symptome lindern. m

Literatur

  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
  • Klaus Poeck, Werner Hacke: Neurologie. Springer, Berlin 1998. ISBN 3-540-63028-7.
  • Marco Mumenthaler, Heinrich Mattle: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2002. ISBN 3-13-380011-6.
  • Ursus Nikolaus Riede, Hans-Eckart Schaefer: Allgemeine und spezielle Pathologie. Thieme, Stuttgart 1999. ISBN 3-13-683304-X.
  • Marc-Eric Halatsch: Epidermale Wachstumsfaktorrezeptoren als Zielmoleküle experimenteller Therapiestrategien für das Glioblastoma multiforme, Baden-Baden: Deutscher Wissenschafts-Verlag 2004 ISBN 3-935176-32-5
  • Rickert CH, Strater R, Kaatsch P et al. Pediatric high-grade astrocytomas show chromosomal imbalances distinct from adult cases. Am J Pathol 2001; 158(4):1525-1532.
  • Schuller E, Seidl R, Wandl C, Dieckmann K, Slavc I. Prolonged second response to cisplatin, etoposide, and ifosfamide in a child with a recurrent brainstem glioblastoma. Pediatr Hematol Oncol 2001; 18(4):253-258.
  • Cirak B, Unal O, Arslan H, Cinal A. Chiasmatic glioblastoma of childhood. A case report. Acta Radiol 2000; 41(4):375-376.
  • Gilles FH, Brown WD, Leviton A et al. Limitations of the World Health Organization classification of childhood supratentorial astrocytic tumors. Children Brain Tumor Consortium. Cancer 2000; 88(6):1477-1483.
  • Halperin EC. Neonatal neoplasms. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2000; 47(1):171-178.
  • Wolff JE, Molenkamp G, Westphal S et al. Oral trofosfamide and etoposide in pediatric patients with glioblastoma multiforme. Cancer 2000; 89(10):2131-2137.
  • Kneifel S, Cordier D, Good S et al. Local targeting of malignant gliomas by the diffusible peptidic vector 1,4,7,10-tetraazacyclododecane-1-glutaric acid-4,7,10-triacetic acid-substance p. Clin Cancer Res 2006; 12: 3843-3850.

Einzelnachweise

  1. J.A. Schwartzbaum, J.L. Fisher, K.D. Aldape, M. Wrensch: Epidemiology and molecular pathology of glioma. Nat Clin Pract Neurol. (2006) 2(9):494-503 PMID 16932614.
  2. Velasco ME et al.: Immunohistochemical localization of glial fibrillary acidic protein in human glial neoplasmsCancer. 1980 Feb;45(3):484-94. PMID 6243508
  3. Ohgaki H et al: Genetic pathways to glioblastoma: a population-based study.Cancer Res. 2004 Oct 1;64(19):6892-9. PMID 15466178

Nicht wissenschaftlich:

  • Gene O'Kelly ( = Eugene D. O'Kelly, Corinne O'Kelly): Chasing Daylight - How My Forthcoming Death Transformed My Life. Auf engl. McGraw-Hill, NY. 2005. ISBN 0071471723 .
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