Bulgarische Sprache
Bulgarisch
Български език/Bălgarski esik | ||
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Gesprochen in |
Bulgarien, Ukraine, Moldawien, angrenzende Länder | |
Sprecher | 9 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | Bulgarien | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
bg | |
ISO 639-2 | (B) bul | (T) |
Die bulgarische Sprache (Bulgarisch Български език/Bălgarski esik) gehört zur südslawischen Gruppe des slawischen Zweiges der indogermanischen Sprachen. Sie wird von ca. 9 Millionen Menschen gesprochen: vor allem in Bulgarien (ca. 7,3 Millionen), aber auch in anderen Staaten Osteuropas, in Griechenland (1970: 20.000), Rumänien (1970: 13.000), Mazedonien, Moldawien (2005: 40.000), Serbien (20.000), Weißrussland und in der Türkei. In der gesamten Sowjetunion gab es 1970 257.000 Bulgarisch Sprechende. Neben den Bulgaren spricht auch die Volksgruppe der Pomaken Bulgarisch.
Es gibt mehrere Dialekte, die in zahlreichen Mundarten gegliedert sind. Die am nächsten mit dem Bulgarischen verwandte Sprache ist das Mazedonische; die mazedonischen Dialekte und die bulgarischen Dialekte bilden ein sprachliches Kontinuum. In Bulgarien ordnet man aus diesem Grund das Mazedonische als Dialekt dem Bulgarischen zu.
Das Bulgarische sollte nicht mit dem Protobulgarischen verwechselt werden, welches eine Turksprache war.
Schrift
Das Bulgarische verwendet die kyrillische Schrift, wobei sich einige kleine Unterschiede zum Russischen ergeben. Der wichtigste Unterschied ist der, dass das Zeichen ъ kein Härtezeichen, sondern einen dem Bulgarischen eigenen Vokal darstellt. Sein Lautwert entspricht ungefähr einem stummen e, z. B. in ich hatte oder auch dem Lautwert des ersten Vokals des Wortes Ypsilon. Der Laut ist dunkler als das russische ы, welches in der bulgarischen Schrift nicht vorkommt. Auch das Zeichen э existiert im Bulgarischen nicht. In alten Texten können die Buchstaben Ѣ/ѣ (Jat) sowie Ѫ/ѫ (Großes Jus, nicht zu verwechseln mit dem Buchstaben Kleines Jus: Ѧ/ѧ) auftauchen. Im heutigen Bulgarisch werden diese alten Zeichen jedoch nicht mehr verwendet.
Für die Kleinbuchstaben werden häufig die so genannten kursiven Formen auch in der aufrechten Schrift verwendet. Da sich diese von den (russischen) Standardformen teilweise stark unterscheiden, die auch in den meisten Lexika erscheinen, entstehen für Personen ohne Kenntnisse slawischer Sprachen (Touristen etc.) oft Probleme beim Entziffern etwa von Straßenschildern. Eine tabellarische Übersicht über die Unterschiede zwischen den kursiven und nichtkursiven Formen findet man im Artikel über die kyrillische Schrift.
Wortschatz
Der Wortschatz besteht überwiegend aus slawischen Erbwörtern; Lehnwörter entstammen vor allem dem Griechischen und dem Türkischen. Seit dem 19. Jahrhundert gab es immer wieder Bestrebungen, türkische Wörter durch Slawismen, die vorwiegend aus dem Russischen stammen, zu ersetzen. Auswirkungen hatten diese Bemühungen vor allem auf die Schriftsprache, die Umgangssprache ist nach wie vor reich an türkischen Elementen.
Grammatik
Die bulgarische Grammatik unterscheidet sich in vielen Punkten von anderen slawischen Sprachen. Diese Eigenart ist sowohl thrakischer Herkunft als auch das Ergebnis einer Sprachreform. Auch benachbarte Sprachen (z. B. Albanisch, Rumänisch, dies sind keine slawischen Sprachen) weisen z. T. die gleichen Eigenheiten auf, weshalb man diese Sprachen auch unter dem Begriff Balkansprachen zusammenfasst, obwohl sie nicht nahe miteinander verwandt sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Sprachbund.
Deklination
Nur im Bulgarischen und Mazedonischen gibt es Artikel; diese werden an das Nomen (bzw. das erste Wort seiner Nominalgruppe) angehängt. Im Bulgarischen gibt es ferner nur sehr schwach ausgeprägte Kasus; außer bei Pronomina sowie bei den Artikelformen der Maskulina treten sie nicht in Erscheinung. (Treten sie doch einmal in Erscheinung, so unterscheidet man Nominativ, Dativ und Akkusativ; der Genitiv wird durch Präposition на+Dativ ersetzt.)
Zeitformen, Aspekt
Das Bulgarische verfügt über eine sehr ausgeprägte Formenvielfalt bei den Verben. Man unterscheidet neun verschiedene Zeitformen: Präsens, zwei Futurformen (Futurum und Futurum exactum), vier Vergangenheitsformen (Imperfekt, Aorist, Perfekt, Plusquamperfekt), sowie zwei interessante "Mischformen" aus Zukunft und Vergangenheit, nämlich das Futurum präteriti sowie das recht ungebräuchliche Futurum exactum präteriti. Mit den letzteren beiden Formen lässt sich ausdrücken, dass man in der Vergangenheit davon ausgegangen ist, dass etwas geschehen würde; eine Entsprechung im Deutschen wäre ungefähr eine Konstruktion wie "Ich dachte, dass er es erledigen würde" oder "Er wollte es erledigen" (Futurum präteriti) bzw. "Ich dachte, er würde es mittlerweile erledigt haben" oder "Er wollte es schon bis gestern erledigt haben" (Futurum exactum präteriti). Aufgrund der Tatsache, dass die beschriebene Handlung möglicherweise doch nicht ausgeführt wurde, nehmen diese eigentlich indikativischen Formen oft auch die Funktion des Konjunktivs ein.
Wie andere slawische Sprachen gebraucht auch das Bulgarische den sogenannten Verbalaspekt in (fast?) allen Zeitformen, wenn auch einige Aspekt-Tempus-Paare wohl nur selten vorkommen. Ebenfalls typisch für slawische Sprachen ist die Vielfalt an Partizipien: Partizip Präsens, Partizip des Imperfekts, Partizip des Aorists, Passivpartizip Präsens, Passivpartizip präteriti, Adverbialpartizip, sowie der nur selten anzutreffende sog. "Restinfinitiv".
Verbmodi
Als Verbmodi existieren neben Indikativ, Imperativ und Konditional (welches ungefähr die Funktion des Konjunktivs im Deutschen übernimmt) auch den Konklusiv (zeigt an, dass man einen Sachverhalt aus einem anderen logisch erschließt), den Renarrativ (zeigt an, dass der Sprecher einen Sachverhalt nicht selbst erlebt hat, sondern dass er die Schilderung eines Dritten weitergibt, vergleichbar der indirekten Rede im Deutschen) sowie den dubitativen Renarrativ (wie Renarrativ; allerdings zweifelt der Sprecher den Wahrheitsgehalt an). Es existiert keine Infinitivform; in Wörterbüchern etc. verwendet man als Lemma stattdessen die erste Person Singular Präsens.
Einige bulgarische Wörter und Phrasen
Zunächst einige kurze Aussprachehinweise zur folgenden Tabelle:
- ə bezeichnet den bulgarischen Murmelvokal ъ, welcher ungefähr so auszusprechen ist wie beispielsweise das e in murmeln.
- Die zu betonende Silbe ist mit einem Akzentzeichen hervorgehoben.
- e wird immer so ausgesprochen wie ä, auch in unbetonter Stellung (sonst würde es mit ъ verwechselt!)
- s wird immer stimmhaft ausgesprochen, so wie in summen
- ß wird immer stimmlos ausgesprochen, so wie in hassen
- sh ist ein stimmhaftes sch, also derselbe Laut wie das g in Garage
- ll ist ein hartes l, ähnlich wie im englischen well
Deutsch | Bulgarisch | Aussprache |
Tag | ден | den |
Nacht | нощ | noscht |
Kind | дете | deté |
Schule | училище | utschílischte |
Feuer | огън | ógən |
ich arbeite | аз работя | aß rabótja |
Guten Tag | добър ден | dóbər den |
Guten Morgen | добро утро | dobró útro |
Hallo! | здравей! | sdrawéj! |
Wie geht es Dir / Ihnen? | Как си / сте? | Kak ßi / ßte? |
Mir geht es gut. | Добре съм. | Dobré ßəm. |
ja | да | da |
nein | не | ne |
vielleicht (kann sein) | може би | moshe bi |
danke | благодаря | bllagodarjà |
bitte | моля | mólja |
Was ist das? | Какво е това? | Kakwó e towá? |
Deutsche Worte, die unverändert in die bulgarische Sprache übernommen wurden
Die Worte werden lediglich härter ausgesprochen und die einzelnen Silben oft getrennt betont.
- Bohrmaschine (бормашина)
- Kurort
- Landschaft
- Leberwurst
- Strudel (щрудел)
- Witz
- Wunderkind
- Winkel
- Punkt
- Schlauch
- Auspuff (ауспух)
- Schiebedach (шибидах)
- Absatz
Kurzer Vergleich mit der russischen Sprache
Das Bulgarische zeigt im Gegensatz zum Russischen und den meisten anderen slawischen Sprachen sprachliche Charakteristika, die aus dessen Zugehörigkeit zum Balkansprachbund resultieren, wie beispielsweise den beinahe vollständigen Verlust der Kasus (Kasussynkretismus) oder die Existenz von nachgestellten (postponierten) Artikeln. Weiterhin gibt es im Bulgarischen sehr viel mehr Zeitformen als im Russischen.
ъ ist kein Härtezeichen, sondern ein eigener Vokal (daher gibt es sowohl kleines ъ als auch großes Ъ). Sein Lautwert ist vergleichbar mit dem stummen e in murmeln oder mit dem ă im Rumänischen. щ wird "шт" ausgesprochen. Die nicht jotierten Vokale werden normalerweise klar ausgesprochen, also nicht jotiert oder diphthongiert wie im Russischen. Beispielsweise wird bulgarisch е wie russisch э ausgesprochen. Eine Palatalisierung von Konsonanten tritt wesentlich seltener auf (nämlich nur vor и, я und ь(о); oft auch vor е).
Die Rechtschreibung ist wesentlich einfacher:
- Das Weichheitszeichen ь tritt (fast) ausschließlich im Zusammenhang mit о als ьо auf; dies entspricht ungefähr dem russischen ё. Die Kombinationen ьи und ье sind extrem selten und können nur bei der kyrillischen Umschrift ausländischer Namen auftreten, z.B. in „Вальехо“.
- Es gibt kein Härtezeichen (s.o.)
- Die Entscheidung, ob з oder stimmloses c geschrieben wird, ist einfacher
- Keine Entscheidung, ob и oder ы (da es kein ы gibt)
- Keine Entscheidung, ob e oder э (da es kein э gibt)
- Beim Lesen eines Textes keine Entscheidung, ob ein е evtl. ein nicht ausgeschriebenes ё ist (da man statt ё immer ьо schreibt, s.o.)
- Fast keine Buchstabenverdoppelungen (insbesondere Verdoppelungen von Konsonanten sind meist rein morphologisch bedingt, z.B. от + там → оттам oder Singular лекция → Plural лекции, und somit leichter zu behalten)
In der russischen Sprache existieren heute viele Entlehnungen aus dem Russisch-Kirchenslawischen, welches seinerseits eine Weiterentwicklung des Altkirchenslawischen (in älterer und bulgarischer Terminologie auch Altbulgarisch genannt) ist.