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Vril-Gesellschaft

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Als Vril-Gesellschaft wird in einer Reihe von verschwörungstheoretischen und pseudohistorischen Texten eine fiktive Geheimgesellschaft bezeichnet, die Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland existiert haben soll. Von ihr wird unter anderem behauptet, sie sei am Aufstieg des Nationalsozialismus beteiligt gewesen, habe mystische Energien dazu benutzt, während der Zeit des Dritten Reiches Ufos zu entwickeln („Reichsflugscheiben“) oder die sog. „Freie Energie“ erforscht. Für die reale Existenz einer Geheimgesellschaft dieses Namens und der ihr zugeschriebenen Leistungen finden sich keine historischen Belege. Ebenso fehlen Belege für die historische Bedeutsamkeit, die von Vertretern des Mythos im Zusammenhang mit der „Vril-Gesellschaft“ einigen tatsächlich existierenden okkulten Gruppierungen zugeschrieben wurde.



Entwicklung und Inhalte der Legende

Der früheste Bezug auf eine Geheimgesellschaft mit dem Namen "Vril-Gesellschaft" lässt sich in einer Publikation aus dem Jahre 1960 nachweisen. Seither wurde das Thema bis in die jüngste Zeit in unterschiedlichen inhaltlichen Varianten in der kryptohistorischen und esoterischen Literatur immer wieder aufgegriffen.


1960: Louis Pauwels und Jacques Bergier

Zum ersten Mal [1] wurde die Existenz einer „Vril-Gesellschaft“ von den französischen Autoren Louis Pauwels und Jacques Bergier behauptet. Sie vertraten in ihrem 1960 erschienenen Buch Le matin des magiciens (dt.: Aufbruch ins dritte Jahrtausend [2]) unter anderem die Theorie, der Aufstieg und die Untaten des Nationalsozialismus seien auf das verdeckte Wirken einer okkulten Geheimgesellschaft zurückzuführen, welche Hitler und seine Gefolgsleute entscheidend beeinflusst habe. Diese Geheimgesellschaft habe enge Kontakte zu anderen Gruppen, insbesondere der Thule-Gesellschaft, besessen und sei eine wichtige NS-Organisation gewesen. Unter Berufung auf die Aussagen eines deutschen Raketenpioniers namens Willy Ley, sowie aufgrund angeblich selbst durchgeführter, aber nicht weiter spezifizierter Recherchen behaupteten sie, diese Geheimgesellschaft habe sich „Vril-Gesellschaft“ oder auch „Die Loge der Brüder vom Licht“ genannt. Ihren Angaben zufolge habe die „Vril-Gesellschaft“ enge Kontakte zur Theosophischen Gesellschaft, den Rosenkreuzern und zur Thule-Gesellschaft unterhalten.


Hintergründe

Das Kunstwort „Vril“ stammt aus dem im Jahre 1871 erschienenen Roman The Coming Race (dt. Die aufstrebende Rasse) des englischen Schriftstellers Edward Bulwer-Lytton. Dieser sehr frühe Science-Fiction-Roman handelt von einer unter der Erde lebenden Überrasse, den Vril-Ya, die durch Anwendung der fiktiven universellen Superkraft Vril sogar die Materie selbst beherrschen können. In Isis unveiled (dt.: Die entschleierte Isis), dem von Helena P. Blavatsky 1877 veröffentlichten, ersten Werk über die von ihr begründete Theosophie wurden diese und andere Fiktionen Bulwer-Lyttons übernommen und als historische Tatsache behandelt[3]. Da die Theosophie in der Zeit des Auflebens okkulter Strömungen gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts weite Verbreitung fand, war das Vril-Konzept auch in Deutschland all jenen geläufig, die sich damals für Okkultismus interessierten [4].

Bulwer-Lyttons Buch erschien 1922 auf Deutsch [5], so dass der Begriff "Vril" von diesem Zeitpunkt an auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Weltbild der Physik durch die Relativitätstheorie und die Quantenphysik nachhaltig verändert. Die Ablösung eines physikalischen Weltbildes, das mit der alltäglichen Anschauung vereinbar gewesen war, durch die schwer nachvollziehbaren, neuen Theorien irritierte weite Teile der Öffentlichkeit. In dieser Situation florierten pseudowissenschaftliche Konzepte, die behaupteten, die "Lücken" der Wissenschaften füllen zu können [6]. In diesem Klima konnte ein Konzept wie die "Vril-Kraft" selbst technisch gebildeten Personen plausibel erscheinen [7].

Die einzige für unabhängige Nachforschungen zugängliche Belegquelle für die Ausführungen zur „Vril-Gesellschaft“, die von Pauwels/Bergier zitiert wird, ist ein Artikel von Willy Ley, den er 1947 in dem amerikanischen Sciene-Fiction-Magazin Astounding Science Fiction veröffentlichte [8]. Darin versucht er seinen Lesern zu erklären, wieso der Nationalsozialismus in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen konnte und führt dies auf die große Popularität irrationaler Überzeugungen im Vorkriegsdeutschland zurück. Er beschreibt verschiedene Beispiele pseudowissenschaftlicher und esoterischer Strömungen und erwähnt in diesem Zusammenhang auch eine in seinen Augen besonders sonderbare Gruppierung:

„Die nächste Gruppe wurde buchstäblich auf einem Roman gegründet. Diese Gruppe, die sich, wie ich glaube, Wahrheitsgesellschaft nannte und mehr oder weniger in Berlin ansässig war, widmete ihre Freizeit der Suche nach Vril. Ja, ihre Überzeugungen fussten auf Bulwer-Lyttons "The Coming Race". Sie wussten, dass das Buch eine Erfindung war, Bulwer-Lytton habe diesen Kunstgriff benutzt, um die Wahrkeit über diese "Kraft" erzählen zu können. Die unterirdische Menschheit war Unsinn, Vril nicht. Möglicherweise hatte es die Briten, die es als Staatsgeheimnis hüteten, in die Lage versetzt, ihre koloniales Imperium aufzubauen. Sicherlich besaßen es die Römer, eingeschlossen in kleine Metallkugeln, die ihre Heime beschützten und als lares bezeichnet wurden. Aus Gründen, die ich nicht durchschauen konnte, konnte das Geheimnis des Vril entdeckt werden, indem man sich in die Betrachtung der Struktur eines in zwei Hälften geschnittenen Apfels versenkte. Nein, ich mache keine Witze, das war es, was mir mit großer Feierlichkeit und unter Geheimhaltung erzählt wurde. Eine solche Gruppe existierte tatsächlich; sie brachte sogar die erste Ausgabe eines Magazins heraus, in dem sie ihr Credo proklamierte. (Ich wünschte mir, ich hätte einige dieser Sachen behalten, aber so, wie die Dinge lagen, hatte ich schon genug Bücher hinauszuschmuggeln)“ [9]

Kritik

Die Sekte, an die sich Ley erinnert, hat nur oberflächliche Ähnlichkeit mit der „Vril-Gesellschaft“ des Buches Aufbruch ins dritte Jahrtausend. Die Autoren legten nie weitere Belege für ihre weitreichenden Spekulationen vor, insbesondere nicht für die Herkunft der angeblichen Namen dieser Gruppierung. Zudem kam die historische Forschung zu dem Schluss, dass die damals existierenden okkulten Gruppierungen keinen bedeutsamen Einfluss auf Hitler und die NSDAP ausübten und sogar offen abgelehnt wurden. Zusammenhänge zwischen okkulten Ideen und dem Weltbild einzelner Nationalsozialisten sind zwar nachweisbar, stützen aber nicht die These, okkulte Gruppen hätten einen umfassenden, systematischen Einfluss auf Hitler und die nationalsozialistische Führungsriege gehabt [10]. Auch aufgrund Pauwels und Bergiers eigener Charakterisierung ihres Umgangs mit Quellen und deren Interpretation müssen die in ihrem Buch aufgestellten Behauptungen bezweifelt werden. So schreiben sie in ihrem Einleitungskapitel: „Es [dieses Buch] ist der stellenweise legendenhaft ausgeschmückte und stellenweise nüchtern exakte Bericht über eine erste Reise in bisher kaum erforschte Bereiche des Wissens. Wie in den Schiffstagebüchern der Renaissance mischen sich auch in ihm Märchen und Wahrheit, kühne Spekulation und exakte Beobachtung.“ [11].


1993: Jan Udo Holey (Jan Van Helsing) und andere Autoren

Pauwels und Bergiers Buch inspirierte in der Folge weitere Autoren zu eigenen Spekulationen um die angebliche Rolle der „Vril-Gesellschaft“, so etwa Trevor Ravenscroft[12]. Im deutschen Sprachraum fanden aber insbesondere die Texte von Jan Udo Holey größere Aufmerksamkeit, von dem 1993 unter dem Pseudonym Jan van Helsing das Buch Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert erschien. Darin [13] behauptet er, die „Vril-Gesellschaft“ sei 1919 von Karl Haushofer als Vereinigung zweier Vorgängerorganisationen gegründet worden. Noch im gleichen Jahr habe ein Kreis aus Vertretern der „Vril-Gesellschaft“ und Vertretern anderer Gruppen damit begonnen, telepathische Kontakte zu außerirdischen Wesen vom Aldebaran aufzunehmen, über die sie Pläne zum Bau einer Flugmaschine erhielten. 1922 soll die „Vril-Gesellschaft“ auf der Basis dieser Informationen ein untertassenförmiges Flugschiff gebaut haben. Über diverse Zwischenschritte führte dies dann angeblich zum Bau einer fliegenden Untertasse, mit der Mitglieder der „Vril-Gesellschaft“ 1945 zu einer Reise zum Aldebaran aufgebrochen sein sollen.

Variationen dieser Legende finden sich auch in neueren Publikationen anderer Autoren des In- und Auslandes (z.B. bei Heiner Gehring und Karl-Heinz Zunneck [14] oder in den Berzin Archives [15]). Ein neueres Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum findet sich bei Armin Risi, dessen Buch Machtwechsel auf der Erde 1999 zum ersten Mal erschien und 2006 neu aufgelegt wurde. In dem Kapitel "Ufos - Made in Germany?" bezieht sich Risi auf die von Holey und anderen stammende Legende und erweitert sie um neue Behauptungen [16]. Ihm zufolge habe sich die Vril-Gesellschaft mit germanischen und östlichen Mythen befasst und in den dreissiger Jahren unter medialer Anleitung quantenphysikalische Experimente durchgeführt. Diese "Hintermänner" des Dritten Reiches hätten sich u.a. auch mit der Modifikation von U-Booten befasst. Schliesslich folgert Risi, dass noch heute eine geheime U-Boot-Macht, die sich aus dem Dritten Reich herleite, mit ihrer unbekannten Technologie in den Weltmeeren agiere.


Hintergründe

Holeys Variante der Vril-Gesellschafts-Legende weist deutliche Parallelen zu den pseudohistorischen Schriften anderer Autoren auf, insbesondere zu Norbert Jürgen-Ratthofer und Ralf Ettl. Letztere hatten bereits 1992 in ihrer Schrift Das Vril-Projekt die Legende der „Vril-Gesellschaft“ mit dem älteren Mythos der „Reichsflugscheiben“ verknüpft. Ihnen zufolge habe sich die "Vril-Gesellschaft" aus der Thule-Gesellschaft entwickelt und esoterische Studien betrieben [17]. Anfang der 30iger Jahre habe eine Zivilisation vom Aldebaran Kontakt zur "Vril-Gesellschaft" und zur SS aufgenommen. Daraufhin seien UFOs entwickelt worden und 1945 haben sich Angehörige der Vril-Gesellschaft und der SS mit Hilfe solcher Flugobjekte nach dem antarktischen Neuschwabenland abgesetzt. Eines der UFOs sei aber zum Aldebaran geflogen [18].

Der - auch in den Kreisen der UFO-Anhänger umstrittene (vgl.[19] [20])- Mythos der NS-Ufos behauptet, in Deutschland seien zur Zeit des Dritten Reiches untertassenförmige Flugmaschinen entwickelt und geflogen worden. Dieser Mythos scheint im wesentlichen durch die Schriften von Miguel Serrano, Christof Friedrich (Pseudonym von Ernst Zündel) und Wilhelm Landig geprägt worden zu sein [21] [22].


Kritik

Überprüfbare dokumentarische Beweise für diese Szenarien fehlen völlig, die Bücher enthalten nur einige Abbildungen fragwürdigen Ursprungs. Holeys Angaben zufolge beruht ein großer Teil seines Textes auf Informationen, die er durch übersinnliche Kontakte übermittelt bekommen habe. Schon Jürgen-Ratthofer/Ettl beriefen sich auf medial übermittelte Botschaften und anonyme Informanten, die sich jeder Nachprüfung entziehen [23] und Risi bleibt ebenfalls jeden belastbaren Beweis schuldig [24].

Der Themenkreis um die "Vril-Gesellschaft" und den Mythos der NS-Ufos ist in Teilen der esoterischen Szene - sowohl in Deutschland als auch im Ausland - nach wie vor aktuell. Positive Resonanz scheint dieser Themenkomplex vor allem in jenen Kreisen zu finden, die von kritischen Beobachtern im In- und Ausland als Braune Esoterik [25], bzw. als Esoteric Nazism [26] bezeichnet werden. Für diesen seit einigen Jahren zu beobachtenden Trend ist charakteristisch, dass das Dritte Reich aus der Perspektive esoterischer Weltbilder neu gedeutet und positiv aufgewertet wird [27] [28] [29].


1997: Peter Bahn und Heiner Gehring

Mit Peter Bahn und Heiner Gehring erhält die Geschichte der Vril-Gesellschafts-Legende eine neue Wendung, als sie 1997 das Buch Der Vril-Mythos veröffentlichen. Im ersten, von Peter Bahn verfassten Teil des Buches, werden zunächst jene Varianten der Legende kritisert, die vorangegangene Autoren auf der Grundlage des Ley-Textes erdacht hatten. Im Anschluss daran entwickelt Bahn allerdings unter Verweis auf die dokumentierte Existenz einer weiteren esoterischen Gruppe im Berlin der dreißiger Jahre, die sich ebenfalls mit der Nutzung der Vril-Kraft befasst hatte, eine Reihe neuer Spekulationen. Zum einen vertritt er die These, eine „Reichsarbeitsgemeinschaft ‚Das kommende Deutschland'“ (RAG) sei jener Zirkel gewesen, den Ley als „Wahrheitsgesellschaft“ kennengelernt habe. Zum anderen schreibt er dieser Gruppe eine hohe Bedeutsamkeit zu und deutet Verbindungen zu anderen okkulten oder pseudowissenschaftlichen Gruppierungen, sowie zu Wirtschaft und Politik, an. Bahn verwendet den Begriff "Vril-Gesellschaft" nicht mehr als Eigenname einer Organisation, sondern lediglich als allgemeine Bezeichnung für eine Gruppe, die sich mit der Nutzung der "Vril-Kraft" beschäftigt hat, die für Bahn synonym mit der sog. Freien Engergie ist.

Das Buch von Bahn und Gehring, sowie die von ihnen aufgefundenen Texte der RAG fanden Eingang in den Mythos der NS-UFOs. So behauptet Henry Stevens [30] unter Verweis auf Bahn und Gehring, die RAG sei eine Regierungsorganisation gewesen, die einen Apparat zur Nutzung der Freien Energie gebaut und sich mit der Entwicklung von Raumfahrzeugen befasst habe.

Heiner Gehring wiederum veröffentlichte 2005 gemeinsam mit Karl-Heinz Zunneck das Buch Flugscheiben über Neuschwabenland. Hierin [31] behaupten sie, die "Vril-Gesellschaft" sei in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in erster Linie eine Vereinigung junger Damen gewesen, die sich der Kontaktaufnahme mit dem Jenseits widmeten. Gleichzeitig habe sie aber über Deutschland verteilte, geheime Testgelände unterhalten, sog. "Antriebstechnische Werkstätten" und sei an der Entwicklung von Flugscheiben beteiligt gewesen. Nach 1945 verlören sich ihre Spuren, es gebe jedoch Gerüchte, wonach die "Vril-Gesellschaft" von Wien aus fortgeführt werde.


Hintergründe

Bei den von Bahn ins Feld geführten dokumentarischen Beweisen handelt es sich um zwei kleinere Pamphlete, betitelt Weltdynamismus [32] und "Vril". Die kosmische Urkraft [33], die 1930 von einem okkulten Zirkel veröffentlicht wurden, der sich als „Reichsarbeitsgemeinschaft ‚Das kommende Deutschland'“ (RAG) bezeichnete und als Sitz eine Berliner Adresse angab.

Die RAG behauptete darin, sie verfüge über eine ausgearbeitete Technik, die geeignet sei, die „Vril“-Kraft zu nutzen, sowie über ein politisches Konzept um die aus der Nutzung der kostenlosen und unerschöpflichen „Vril“-Kraft resultierenden sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Bahnen zu lenken, die dem Allgemeinwohl dienlich seien. Ein wesentliches Bauelement dieses Apparats, der auch für die Raumfahrt nutzbar sei, müsse jedoch geheim gehalten werden. Die Texte schlossen mit dem Aufruf an alle interessierten Deutschen, sich mit der RAG zusammen zu tun, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Aufbau und das Funktionsprinzip der von der RAG beschriebenen Maschine, sowie das skizzierte politische Programm sind in Aufbau und Inhalt fast identisch mit Textstellen aus einer bereits 1928 von zwei österreichischen Autoren erschienenen Broschüre, in der ein Perpetuum mobile propagiert wurde, das der Österreicher Karl Schappeller erfunden hatte [34]. Die RAG-Pläne unterscheiden sich von diesen Textstellen nur in einigen wenigen Details, die nötig zu sein scheinen, um den Bauplan aus dem vorangestellten Begründungszusammenhang der RAG herleiten zu können, der aus unterschiedlichen okkultistischen Versatzstücken zusammengesetzt ist. Insgesamt wird der Eindruck erweckt, es handele sich um eine verbesserte Version von Schappellers Maschine.

Aus einer erst später und unabhängig von Bahn bekannt gewordenen[35], dritten Publikation der RAG, der Zeitschrift für Weltdynamismus [36], wird deutlich, dass die RAG 1930 in Berlin von einem gewissen Johannes Täufer gegründet wurde [37]. Täufer zeichnet auch für die Broschüre "Vril". Die kosmische Urkraft verantwortlich, doch über seine Person ist nichts weiter bekannt. Selbst Bahn hält es für denkbar, dass es sich um ein Pseudonym handelt [38] und an anderer Stelle wurde die Vermutung geäußert, dass es das Pseudonym von Otto Wilhelm Barth gewesen sein könnte [39].

Kritik

An Bahns Sichtweise wurde kritisert, dass er die Bedeutung der RAG überschätzt habe, sowohl was ihre Stellung innerhalb der okkulten Szene, als auch, was ihre Leistungen betreffe [40]. So scheint weder die "RAG" in amtlichen Registern nachweisbar zu sein, noch existieren in den Archiven des Otto-Wilhem-Barth-Verlages Unterlagen über die damaligen Publikationen der RAG [41]. Sowohl von der Zeitschrift für Weltdynamismus als auch von dem mit ihr gemeinsam erschienenen Archiv für Alchemistische Forschung gab es keine weitere Ausgabe [42]. Für die Zeit nach 1930 existieren keine Dokumente, die ein weiteres Bestehen der RAG oder einen Einfluss auf andere Kreise belegen. Ebensowenig kann die Behauptung der RAG, sie verfüge über eine "Vril"-Technologie, als Beweis dafür angesehen werden, dass ihr diese Nutzung tatsächlich gelungen sei.

Zwar entbehrt Bahns Ausgangsthese, die RAG sei mit der von Ley erinnerten Wahrheitsgesellschaft identisch gewesen, beziehungsweise eine der Gruppen habe sich aus der jeweils anderen entwickelt, aufgrund des Textvergleichs nicht einer gewissen Plausibilität. Doch für seine weiterführenden Schlussfolgerungen fehlt – wie er selbst zugesteht [43] – jeglicher dokumentarische Beweis. Einem seiner Kritiker, Peter Töpfer, zufolge speist sich seine Argumentation aus dem Andeuten von Parallelen und Ähnlichkeiten, die aber in dieser Form nicht notwendigerweise etwas mit der Realität zu tun haben müssen [44].

Letztlich dient Bahns Darstellung der RAG der weiteren Untermauerung des Grundthemas des Buches: Der Rechtfertigung des pseudowissenschaftlichen Konzepts der „Freien Energie[45]. Er argumentiert, dass dieses Konzept ernst genommen werden könne, weil es sich unter verschiedenen Bezeichnungen (z.B. Vril, Od, Raumkraft) wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehe.

Bahns Behandlung des Themas fand daher in jenen Kreisen Beachtung, die an die Realität einer "Freien Energie" glauben [46] Es wurde jedoch auch von Vertretern der "Braunen Esoterik" zu einer positiven Umdeutung des Dritten Reiches verwendet. So finden sich Bezüge auf seine Interpretation der RAG bspw. in den Publikationen des Sonnenwacht-Vereins [47] [48], der nach Ansicht von Kritikern "neuheidnische Esoterik als Deckmantel von Rechtsextremismus nutzt" [49].

Gehring und Zunneck berufen sich für ihre Variante der "Vril-Gesellschafts-Legende" auf eine "intern verbreitete Informationsschrift" [50], sowie auf die mündlichen Auskünfte von angeblichen Zeitzeugen, die aber ungenannt bleiben wollen [51]. Keine dieser Quellen ist für kritische Nachprüfungen zugänglich, so dass auch nicht beurteilt werden kann, ob sie überhaupt existieren.

Quellen

  1. Goodrick-Clarke, 2004; Hakl, 2004
  2. Pauwels & Bergier, 1976, S. 302-393
  3. Goodrick-Clarke, 2004, S. 24
  4. van Heertum, 2006
  5. Bulwer-Lytton, Edward (1922). Vril oder einer Menschheit Zukunft. Stuttgart: Der kommende Tag [Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sig.: 1923 A 9 – 1]
  6. Thiel, 1987, S. 222
  7. Thiel, 1987, S. 229
  8. Ley, Willy (1947): Pseudoscience in Naziland. In: Astounding Science Fiction, 39/3 (Mai 1947), S. 90-98 [Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek, ID: 84450-0]
  9. Ley, 1947, S. 92-93
  10. Goodrick-Clarke, 2004; Hakl, 2004
  11. Pauwels/Bergier, 1976, S. 33
  12. Ravenscroft, 1988
  13. Van Helsing, 1993, Kap. 29
  14. Gehring & Zunneck (2005), S. 65-68
  15. Berzin, 2003
  16. Risi, 1999, S. 480ff
  17. Bahn & Gehring, 1997, S. 84
  18. Meining, 2002
  19. vgl. Walter (2004). Die Saga von den "Reichsdeutschen Flugscheiben". CENAP Report Nr. 292, 10/2004, S. 7-30
  20. vgl. Walter (2005). 2005: Der Mai ist gekommen. CENAP Report Nr. 297, 12/2005, S. 6-22
  21. Meining, 2002
  22. Sünner, Rüdiger (2001). Schwarze Sonne: Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Freiburg: Herder. ISBN 3451052059
  23. Meining, 2002
  24. Pöhlmann, 2002
  25. Pöhlmann, 2002
  26. Goodrick-Clarke, 2002
  27. Christiansen et al., 2006
  28. Meining, 2002
  29. Pöhlmann, 2002
  30. Stevens, 2003, S. 172-191
  31. Gehring & Zunneck (2005), S. 65-68
  32. Reichsarbeitsgemeinschaft "Das kommende Deutschland" (Hrsg.) 1930). Weltdynamismus. Streifzüge durch technisches Neuland anhand biologischer Symbole. Otto Wilhem Barth Verlag, Berlin W 57 [Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sig.: 1930 A 3927]
  33. Täufer, Johannes (1930). "Vril". Die kosmische Urkraft. Wiedergeburt von Atlantis. (hrsg. im Auftrag der Reicharbeitsgemeinschaft 'Das kommende Deutschland'). Astrologischer Verlag Wilhelm Becker, Berlin-Steglitz, Schloßstraße 69. [Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sig.: 1930 A 5652]
  34. Wetzel, F. & Gföllner, L. (1928). Raumkraft. Ihre Erschließung und Auswertung durch Karl Schappeller. München: Herold Verlag
  35. van Heertum, 2006
  36. Barth, Otto Wilhelm (Hrsg.) (1930). Zeitschrift für Weltdynamismus. In: Barth, O. W. (Hrsg.): Archiv für Alchemistische Forschung (Alchemistische Blätter, Band 2), Band II, Heft 2 [Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek, ID: 526573-3]
  37. Ztschft f. Weltdynamismus, 1930, S. 15
  38. Bahn & Gehring, 1997, S. 91
  39. van Heertum, 2006
  40. Töpfer, 1998
  41. Bahn & Gehring, 1997, S. 105
  42. van Heertum, 2006
  43. Bahn & Gehring, 1997, S. 106
  44. Töpfer, 1998
  45. [1]
  46. z.B. Bongart, Gisela (1999). Freie Energie Revolution für ein Neues Zeitalter[2]
  47. [3]
  48. [4]
  49. Christiansen et al., 2006, S. 183
  50. Gehring & Zunneck (2005), S. 67
  51. Gehring & Zunneck (2005), S. 60-63


Literatur

1. Quellen, in denen Varianten der Vril-Gesellschafts-Legende vertreten werden

Bahn, Peter & Gehring, Heiner (1997). Der Vril-Mythos. Düsseldorf: Omega Verlag. ISBN 3930243032

Berzin, Alexander (2003). The Nazi Connection with Shambhala and Tibet. [5]

Gehring, Heiner & Zunneck, Karl-Heinz (2005). Flugscheiben über Neuschwabenland. Die Wahrheit über "Vril", "Haunebu" und die Templer-Erbengemeinschaft. Rottenburg: Jochen Koop Verlag. ISBN 3938516003

Pauwels, Louis & Bergier, Jacques (1960). Le matin des magiciens: introduction au realisme fantastique. Paris: Gallimard

Pauwels, Louis & Bergier, Jacques (1976). Aufbruch ins dritte Jahrtausend. Von der Zukunft der phantastischen Vernunft. München: Wilhelm Heyne Verlag (Unveränderte Taschenbuchausgabe der ersten deutschsprachigen Ausgabe von 1962). ISBN 3453006380

Ravenscroft, Trevor (1988). Der Speer des Schicksals. Die Geschichte der heiligen Lanze. München: Universitas. ISBN 3800411660

Risi, Armin (1999). Machtwechsel auf der Erde: Die Pläne der Mächtigen, globale Entscheidungen und die Wendezeit. Neuhausen/Schweiz: Govinda. ISBN 3906347443

Risi, Armin (2006). Machtwechsel auf der Erde: Die Pläne der Mächtigen, globale Entscheidungen und die Wendezeit. 5. Aufl., Zürich: Govinda. ISBN 3906347818

Stevens, Henry (2003). Hitler's flying saucers. A guide to German Flying Discs of the Second World War. Kempton (Illinois): Adventures Unlimited Press. ISBN 1931882134

Van Helsing, Jan (1993). Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert oder wie man die Welt nicht regiert: Ein Wegweiser durch die Verstrickungen von Logentum mit Hochfinanz und Politik ; Trilaterale Kommission, Bilderberger, CFR, UNO. Rhede (Ems) : Ewert. ISBN 3-89478-069-X

2. Quellen zu Hintergründen und Kritik der Legende

Christiansen, Ingolf; Fromm, Rainer & Zinser, Hartmut (2006). Brennpunkt Esoterik : Okkultismus, Satanismus, Rechtsradikalismus. 3. Aufl. Hamburg: Behörde für Inneres, Landesjugendbehörde [[6]]

Goodrick-Clarke, Nicolas (2004). Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Wiesbaden: Marix-Verlag. ISBN 3937715487 (Neuauflage d. ersten deutschsprachigen Ausgabe von 1997)

Goodrick-Clarke, Nicolas (2002). Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York: New York University Press. ISBN 0814731244

Hakl, H. T. (2004). Nationalsozialismus und Okkultismus. In: Goodrick-Clarke, N. (2004) Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, S. 194-217. Wiesbaden: Marix-Verlag. ISBN 3937715487

Meining, Stefan (2002). Rechte Esoterik in Deutschland. Ideenkonstrukte, Schnittstellen und Gefahrenpotentiale. Vortrag, gehalten am 3.9.2002 auf dem Symposium "Politischer Extremismus als Bedrohung der Freiheit - Rechtsextremismus und Islamismus in Deutschland und Thüringen". [7]

Pöhlmann, Matthias (2002). Neues Denken auf alten Wegen? Braune Esoterik zwischen Weltverschwörungstheorien und Neuheidentum. Vortrag, gehalten am 7.5.2002 auf der Tagung "Neuheidentum. Zurück zu einem neuen Anfang" der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin [8]

Thiel, C (1987). Zur Dynamik von Wissenschaft, Grenzwissenschaften und Pseudowissenschaften in der Moderne. In: Holländer, H. & Thomsen, C. W. (Hrsg.), Besichtigung der Moderne: Bildende Kunst, Architektur, Musik, Literatur, Religion, S. 215-232. Köln: DuMont.

Töpfer, Peter (1998). Exzeß der Ideengeschichte. In: Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik, Heft 1998/6. [Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek, ID: 1224630-x] [9]

Van Heertum, Cis (2006). Exploring alchemy in the early 20th century. [10]

3. Historische Quellen, die zur Entwicklung der Legende verwendet wurden

Barth, Otto (Hrsg.) 1930. Zeitschrift für Weltdynamismus. In: Barth, O. W. (Hrsg.): Archiv für Alchemistische Forschung (Alchemistische Blätter, Band 2), Band II, Heft 2 [Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek, ID: 526573-3]

Bulwer-Lytton, Edward (1871). The Coming Race. Edinburgh.

Bulwer-Lytton, Edward (1999). Das kommende Geschlecht. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag. ISBN 3423127201

Ley, Willy (1947): Pseudoscience in Naziland. In: Astounding Science Fiction, 39/3 (Mai 1947), S. 90-98 [Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek, ID: 84450-0]

Reichsarbeitsgemeinschaft "Das kommende Deutschland" (Hrsg.) 1930). Weltdynamismus. Streifzüge durch technisches Neuland anhand biologischer Symbole. Otto Wilhem Barth Verlag, Berlin W 57 [Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sig.: 1930 A 3927]

Täufer, Johannes (1930). "Vril". Die kosmische Urkraft. Wiedergeburt von Atlantis. (hrsg. im Auftrag der Reicharbeitsgemeinschaft 'Das kommende Deutschland'). Astrologischer Verlag Wilhelm Becker, Berlin-Steglitz, Schloßstraße 69. [Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, Sig.: 1930 A 5652]


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