Friedrich Schleiermacher
Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher war der wichtigste protestantische Theologe des 19. Jahrhunderts. Geboren am 21. November 1768 in Breslau als Sohn eines reformierten Feldpredigers, besuchte seit 1783 das Gymnasium der Brüdergemeinde zu Niesky und seit 1785 das Seminar derselben zu Barby und studierte seit 1787 in Halle Theologie.
1794 wurde er Hilfsprediger in Landsberg/Warthe, 1796 Prediger an der Charité in Berlin, 1802 Hofprediger in Stolpe, 1804 außerordentlicher Professor der Theologie in Halle.
Schon in Berlin war er, durch die beiden Schlegel und Henriette Herz in die romantischen Kreise hereingezogen, als Schriftsteller aufgetreten in den berühmten
Im Laufe seiner Freundschaft mit Friedrich Schlegel verfasste er die
- Vertrauten Briefe über Lucinde (1801).
- 1804-10 schuf er eine Übersetzung des Platon, die besonders durch die Einleitungen zu den Dialogen Epoche machte. An seine
- Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre (1803) schlossen die
- Abhandlungen über die wissenschaftliche Behandlung des Tugendbegriffs, des Pflichtbegriffs, über den Begriff des Erlaubten, über den Unterschied zwischen Natur- und Sittengesetz und den Begriff des höchsten Gutes an.
Durch die kriegsbedingte zeitweiligen Schließung der Universität Halle, begab sich Schleiermacher 1806 nach Berlin, wo er unter Einfluss von vom Stein und Humboldt engagiert an der Gründung der neuen Friedrich Wilhelms-Universität mitwirkte, wo er 1810 als ordentlicher Professor der Theologie angestellt wurde, nachdem er 1809 Prediger an der Trinitatiskirche geworden war.
Damals veröffentlichte er:
- Die Weihnachtsfeier, ein Gespräch (1806);
- die kritische Schrift Über den sogen. ersten Brief des Paulus an den Timotheus (1807);
- Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn (1808).
In der Vielseitigkeit seiner nach den verschiedensten Richtungen eingreifenden Tätigkeiten war er eine der bedeutendsten geistigen Größen während der ersten glänzenden Periode der Berliner Universität. Die Fülle der Gedanken, die Form, die in schönster Vollendung ihm zu Gebote stand, und vor allem die Vereinigung von Religiosität mit der schärfsten Dialektik und der freiesten, an kein Herkommen gebundenen Kritik führten ihm begeisterte Schüler zu. Seine Vorlesungen umfassten nicht bloß fast den ganzen Kreis des theologischen Wissens, sondern er trug auch seit 1811 Dialektik vor, welche er als Einheit der Logik und Metaphysik fasste.
Damals erschien seine
- Kurze Darstellung des theologischen Studiums (1811).
- Aber der reifste Ausdruck seiner religiösen Überzeugungen ist: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt (1821-22), der erste Versuch, den überlieferten Inhalt mit der Innerlichkeit und Freiheit des Subjekts auszusöhnen und zu erfüllen. Nachdem schon seine "Reden" die Religion vor jeder Verwechslung mit Metaphysik oder Ethik sichergestellt und ihre originell sprudelnde Quelle im menschlichen Gefühlsleben, wo nach romantischer Voraussetzung der absolute sich mit dem endlichen Geist berührt, nachgewiesen hatten, führte die Glaubenslehre die Religion auf das Gefühl absoluter ("schlechthinniger") Abhängigkeit zurück. Da nämlich der Welt gegenüber selbst im äußersten Fall noch ein Minimum von Freiheitsgefühl wirksam sein soll, baute Schleiermacher auf Grund eines "Abhängigkeitsgefühls", welches, weil vollkommene Abhängigkeit bedeutend, seinen Gegenstand nicht in der Welt haben kann, ein Gottesbewusstsein auf, mit dessen Beschreibung und Analyse Gegenstand seiner Glaubenslehre ist. Von der weiteren Voraussetzung aus, dass im geschichtlichen Christus dieses Gottesgefühl in absoluter Kräftigkeit gelabt und durch ihn in der Christenheit angeregt worden sei, werden dann die einzelnen Dogmen kritisch beleuchtet und auf ihren religiösen Gehalt zurückgeführt.
Das ergänzende Seitenstück zu dieser Dogmatik ist das aus seinem Nachlass herausgegebene Werk "Die christliche Sitte" (1843).
Als die Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied Schleiermacher seit 1811 war, ihn 1814 zum Sekretär der philosophischen Abteilung erwählte, ließ er sich von seiner Beschäftigung im Ministerien entbinden, wie er denn überhaupt wachsende Ungunst seitens der Regierung zu erfahren hatte und eine Zeitlang in Gefahr stand, wegen angeblicher Demagogie in Untersuchung gezogen oder abgesetzt zu werden.
Die Schriften der königlichen Akademie bereicherte er durch eine große Anzahl von Reden und Abhandlungen, namentlich über einzelne schwierige Punkte der Geschichte der alten Philosophie. Seine Teilnahme an dem allgemeinen kirchlichen Leben und eine klare Einsicht in die Bedürfnisse desselben hatte er schon bekundet durch die 1804 anonym erschienenen
- Zwei unvorgreiflichen Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens in Beziehung auf den preußischen Staat, worin er namentlich auf die Nachteile der Trennung der protestantischen Kirchen hinwies. Als nun 1817 die Union auf einer von ihm präsidierten Synode zu stande gebracht wurde und die Ausschreiben zur Bildung einer Presbyterial- und Synodal-Verfassung erschienen waren, suchte er das Werk mit Rat und Tat, wenngleich ohne Erfolg, zu fördern. Ebensowenig richtete er aus im Kampf gegen die lediglich im königlichen Kabinett entstandene Agende.
- Unter dem Namen "Pacificus Sincerus" schrieb er 1824 ein Theologisches Bedenken über das liturgische Recht evangelischer Landesherren, das den alten Streit über die Rechtsprinzipien in dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat wieder anregte.
Als Prediger übte Schleiermacher namentlich auf den gebildeten Teil des Publikums, einen bedeutenden Einfluss aus. Er starb am 12. Februar 1834 in Berlin.
(Nach Meyer, 1888)