Aromunen
Aromunen (Aromâni) | |
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Gesamtbevölkerung | unbekannt |
Siedlungsgebiete | Bulgarien, Griechenland, Serbien, Mazedonien, Albanien |
Sprache | Aromunisch |
Religion | orthodox |
Verwandte Ethnien | Rumänen, Aromunen, Istrorumänen, Meglenorumänen |
Die Aromunen (Mazedorumänen) - Eigenbezeichnung: Armâni oder Aramani, alb. auch Remeni, von den Serben Zinzaren, von den Griechen Kutzowalachen genannt, sind eine romanische Bevölkerungsgruppe in Nord-Griechenland, Albanien, Mazedonien, Süd-Bulgarien und der rumänischen Dobrudscha. Sie sprechen Aromunisch, das eng mit der rumänischen Sprache verwandt ist.
Die Aromunen mit gelten als die Nachfahren der in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten romanisierten Bevölkerung der südlichen Balkanhalbinsel. Manche Wissenschaftler betrachten die Aromunen als Teil des rumänischen Volkes und Aromunisch als einen rumänischen Dialekt. Die Balkanromanen gehören zumeist der orthodoxen Kirche an. Es gibt kein geschlossenes aromunisches Siedlungsgebiet; die Angehörigen dieser Ethnie leben verstreut über weite Teile Südosteuropas in mehr oder weniger großen Sprachinseln in engem kulturellen und sprachlichen Kontakt mit der benachbarten anderssprachigen Bevölkerung. Rein aromunische Siedlungen sind heute die Ausnahme. Deshalb sind fast alle Angehörigen der Volksgruppe bi- oder multilingual. Die größte aromunische Sprachinsel liegt im epirotischen Pindos-Gebirge im Nordwesten Griechenlands.
Die Meglenorumänen (Meglenowlachen), gehören dem gleichen geographischen Raum an, sind jedoch aus geschichtlichen und sprachlichen Gründen von den Aromunen zu unterscheiden.

Historische Entwicklung
Entstehung der provinzialrömischen Bevölkerung auf dem südlichen Balkan
Die Ansiedlung lateinischsprachiger Veteranen auf dem Balkan begann im zweiten Jahrhundert vor Christus, nachdem die Römer im Jahr 148 v. Chr. die Provinz Macedonia eingerichtet hatten. Das Gebiet zwischen der heute albanischen Adriaküste im Westen, der Linie Serdica (Sofia) und Thessaloniki im Osten war in der römischen Kaiserzeit eine Mischzone griechischer und lateinischer Einflüsse; die Einwanderung aus Italien setzte sich bis in das erste nachchristliche Jahrhundert fort. Auch nach der Teilung in das griechische Ost- und das lateinische Westrom - die Grenze verlief seit 395 von der Donau bei Sirmium (beim heutigen Belgrad) bis Lissos (Lezha) in Nordalbanien - erhielt sich bei der provinzialrömischen Bevölkerung in Makedonien und Epirus die lateinische Sprache. Kirchlich gehörten diese Regionen in der Spätantike unter das lateinische Patriarchat der römischen Päpste, was sicher nicht unwesentlich zum Erhalt der Latinität beitrug, auch wenn politisch Konstantinopel das Szepter führte und Griechisch nach und nach Amtssprache wurde.
Völkerwanderungszeit und Mittelalter
Durch die Stürme der Völkerwanderung und vor allem die slawische Einwanderung auf den Balkan seit dem Ende des 6. Jahrhunderts änderte sich die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung auf dem Balkan gravierend. Die romanische Bevölkerung wurde teilweise assimiliert und vor allem auch von der lateinischen Welt im Westen abgeschnitten. Ihre Sprache hielt sich nur noch in einigen Regionen im Inneren des Balkans sowie in einigen Küstenstädten. Von da an entwickelten sich die balkanromanischen Sprachen eigenständig. Vom Mittelalter bis in die osmanische Zeit lebten die Aromunen überwiegend als transhumante Hirten und in den Städten als Kaufleute.
Zu den Wanderungen aromunischer Bevölkerungsgruppen und ihrer erneuten Ausbreitung im Spätmittelalter existieren in der Geschichtsforschung verschiedene und häufig sehr umstrittene Auffassungen. Das Spektrum reicht von der dakorumänischen These bis hin zur Betonung absoluter Siedlungskontinuität:
- Dakorumänische These: Es wird von einem intensiven Austausch romanischer Bevölkerung zwischen den nördlich der Donau gelegenen Ländern und dem südlichen Balkan ausgegangen. Als Begründung dient vor allem die große Ähnlichkeit der aromunischen mit der rumänischen Sprache. Oft wird die aromunische Sprache auch als Dialekt des rumänischen gesehen.
- Kontinuitätsthese: Es wird davon ausgegangen, dass die Aromunen unmittelbar von der provinzialrömischen Bevölkerung Makedoniens, Thessaliens und des Epirus abstammen.
Osmanische Zeit (15. - 19. Jahrhundert)
Manche Vlachensiedlungen konnten sich seit dem 15. Jahrhundert relativ gut an die neue türkische Herrschaft anpassen. Seit die Grenze des osmanischen Reichs an der Donau lag, herrschte auf dem Balkan Frieden und Sicherheit auf den Straßen. An der wirtschaftlichen Prosperität und dem damit einhergehenden Aufschwung des Handels konnten neben griechischen auch zahlreiche aromunische Kaufleute profitieren. Sie vermittelten den Austausch mit den zentraleuropäischen Ländern, waren aber auch am Balkanhandel der Seerepublik Ragusa (heute Dubrovnik) beteiligt. Im 17. und 18. Jahrhundert besuchten aromunische Kaufleute die Messen und Märkte in Leipzig, Wien und Krakau. Sie waren ebenso in Konstantinopel und in Venedig tätig. Die Heimatregionen dieser Kaufleute erlebten eine kulturelle Blüte, die nicht zuletzt aus den Handelsgewinnen finanziert wurde. Das vorwiegend von Vlachen bewohnte Voskopoja im Südosten Albaniens, gehörte im 17. und 18. Jahrhundert zu den kulturellen Zentren der Orthodoxie auf dem Balkan. Hier entstand eine wissenschaftliche Akademie (mit griechischer Unterrichtssprache) und auch die erste Druckerei Südosteuropas wurde in Voskopoja gegründet. In der Kunst (vor allem Ikonenmalerei und Architektur) wurde ein Stil entwickelt, bei dem sich orientalische Elemente mit Anregungen aus dem Westen verbanden. Auch das nahe gelegene Korça und das makedonische Bitola wurden in ihrer Blütezeit nicht unwesentlich von den aromunischen Kaufleuten mitgeprägt.
1797 publizierte Constantin Ucata, ein Kleriker aus Posen, das erste Schulbuch in aromunischer Sprache. 1864 wurde die erste Schule mit aromunischer Unterrichtssprache im mazedonischen Tarnova eröffnet. In den letzten drei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg förderte die rumänische Regierung die Gründung aromunischer Schulen in den noch verbliebenen Balkanprovinzen des Osmanischen Reiches. (Ähnlich handelten Serbien und Bulgarien in Bezug auf die slawischen Untertanen des Sultans.) Man versprach sich davon Einfluss auf die osmanische Politik und man wollte die Expansion nach Mazedonien vorbereiten. Die Lehrbücher für die aromunischen Schulen wurden teilweise in Rumänien verfasst und gedruckt, was zu einer Annäherung des geschriebenen Aromunisch an die rumänische Standardsprache führte. Nach den Balkankriegen 1912/13 zählte man insgesamt 80 aromunische Schulen in den nun griechischen, albanischen und serbischen Gebieten, die bis dahin osmanisch gewesen waren.
In den zwanziger Jahren wurde die aromunische Unterrichtssprache im SHS-Staat abgeschafft und durch das Serbische ersetzt. Eine ähnliche Entwicklung gab es unter König Ahmet Zogu in Albanien. In den 30er Jahren wurden dort die aromunischen Schulen albanisiert. In Griechenland wurde das Aromunische nach dem Bürgerkrieg als Unterrichtssprache verboten.
Durch den im 19. Jahrhundert aufgekommenen Nationalismus der Balkanvölker sind die kulturellen Leistungen der Aromunen weitgehend in Vergessenheit geraten, beziehungsweise wurden von der jeweils herrschenden Nation für sich reklamiert. Nur langsam besinnt man sich wieder darauf, wie wichtig die Aromunen unter anderem als Bindeglied zum Westen gewesen sind. In Korça besitzen die Aromunen heute wieder eine eigene orthodoxe Kirche, die ihre Eigenständigkeit im Hinblick auf ihre religiöse Traditionen bewahrt.
Gegenwart
In Albanien gibt es aromunisch geprägte Dörfer in der Myzeqe bei Fier, im Kreis Korça und bei Delvina. In allen größeren Städten Süd- und Mittelalbaniens leben größere Gruppen von Aromunen, besonders in Tirana und Korça aber auch in Elbasan, Berat u.a. Über ihre Gesamtzahl liegen keine sicheren Angaben vor, sie schwankt zwischen 10.000 und 100.000.
In Mazedonien leben die Aromunen vor allem in den Städten Bitola, Prilep und Resen und Kruševo. Bei der Volkszählung von 2002 gaben etwa 8.700 Personen Aromunisch als Muttersprache an. Es gibt einige Grundschulklassen in denen diese Sprache unterrichtet wird.
In Serbien gibt es Zinzaren in der Gegend von Bor. Bei den Volkszählungen werden sie mit anderen walachischen Gruppen zusammengefasst. In Bulgarien leben Aromunen ohne größere Siedlungszentren versteut in den südlichen und südwestlichen Landesteilen. Über ihre zahlenmäßige Stärke gibt es keine zuverlässigen Angaben.
Die bei weitem zahlreichste Gruppe der Ethnie sind die Kutzowalachen in Griechenland. Ihre Zahl wird auf 50.000 bis 200.000 geschätzt. Offiziell werden aber in Griechenland keine Daten zur ethnischen Zugehörigkeit der Bevölkerung erhoben, und als Orthodoxe gelten die Aromunen bei den Behörden und ebenso in der breiten Öffentlichkeit als Griechen. Liturgiesprache in den Kirchen der aromunischen Dörfer ist das Griechische. Die Kutzowalachen leben kompakt im Epirus und in Thessalien, das wegen seiner zahlreichen romanischen Bevölkerung im späten Mittelalter auch Große Walachei genannt wurde. Daneben gibt es aromunisch geprägte Siedlungen in Akarnanien, Ätolien und Teilen Makedoniens. Bedeutende walachische Gruppen existieren in den Großstädten Athen und Thessaloniki. In beiden Städten nahm die Zahl der Aromunen im 20. Jahrhundert durch den Zuzug vom Lande stark zu. In der Hauptstadt Makedoniens waren die aromunischen Kaufleute aber schon im 19. Jahrhundert zahlreich gewesen.
Literatur
- Kahl, Thede: Ethnizität und räumliche Verteilung der Aromunen in Südosteuropa. (=Münstersche geographische Arbeiten. 43). Münster 1999. ISBN 3-9803935-7-7
- Nicolas Trifon: Les Aroumains, un peuple qui s’en va. La Bussière 2005. ISBN 2-909899-26-8
- Peyfuss, Max Demeter: Die Aromunische Frage. Ihre Entwicklung von den Ursprüngen bis zum Frieden von Bukarest (1913) und die Haltung Österreich-Ungarns. (=Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas. 8). Köln 1974.
- Rohr, Rupprecht (Hrsg.): Die Aromunen. Sprache - Geschichte - Geographie. Ausgewählte Beiträge zum 1. Internationalen Kongress für Aromunische Sprache u. Kultur in Mannheim vom 2. - 3. September 1985. (=Balkan-Archiv. Beiheft 5). Hamburg 1987.
- Peyfuss, Max Demeter: Die Druckerei von Moschopolis, 1731 - 1769 : Buchdruck und Heiligenverehrung im Erzbistum Achrida / - 2., verb. Aufl. - Wien : Böhlau, 1996. - X, 256 S. : Ill. ; 24 cm. - (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas ; 13). - ISBN 3-205-98571-0
- Clogg, Richard: The Vlachs of Macedonia. Some British perspectives, in: Anglo-Romanian relations after 1821. Anuarul Institutuli de istorie si arheologie 'A. D. Xenopol'. Iasi, Editura Academiei Republikii Socialiste Romania 1983.
- Hilekman, Anton: Die Aromunen - Ein romanisches Volk im Herzen des Balkans, in: Europea Ethnica 1968/25: 98ff.
- Kramer, Johannes: Aromunisch. Lexicon der Romanistische Linguistik. III. Tübingen 1989. 423--435.
- Lazarou, Achille G.: L'aroumain et ses rapports avec le grec. Thessaloniki 1986.
- Sanders, Irwin T.: The nomadic peoples of northern Griechenland: ethnic puzzle und cultural survival, in:Social Forces 1954, 33 (2): 122-129.
- Sivignon, M.: Les pasteurs de Pinde septentrional, in: Revue de Géographie de Lyon, 1968, 43 (1): 5-43.
- Wace, A.J.B./Thompson, M.S.: The nomads of the Balkans: an account of life und customs among the Vlachs of northern Pindus. London: Methuen 1914 (rep. 1972).
- Weigand, Gustav L.: Die Aromunen: ethnographisch-philologisch-historische Untersuchungen über das Volk der sogenannten Makedo-Romanen oder Zinzaren. Leipzig 1894-1895, 2 Vols.
Weblinks
- Studies on the Vlachs
- vlachophiles.net
- Kelley L. Ross: The Vlach Connection and Further Reflections on Roman History
- Aromunische Siedlungen Anfang des 20. Jahrhunderts (Karte)
- Aromunische Volkstrachten
- Stephanie Schwandner-Sievers: The Albanian Aromanians´ Awakening. Identity Politics and Conflicts in Post-Communist Albania. (Bericht für das European Centre For Minority Issues in Flensburg).
- Aromunischsprachige Webseite
Siehe auch
- Rumänen
- Istrorumänen
- Meglenorumänen
- Vertrag von Sèvres mit Griechenland - Vergabe der lokalen Autonomie an die Walachen am nordgriechischen Pindos