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Émile Zola

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Émile Zola, Aufnahme Nadar

Émile Zola (* 2. April 1840 in Paris; † 29. September 1902 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und Journalist.

Zola gilt als einer der großen französischen Romanciers des 19. Jahrhunderts und als Leitfigur der gesamteuropäischen literarischen Strömung des Naturalismus. Zugleich beteiligte er sich aktiv am politischen Leben und setzte sich für die Liberalisierung der Gesellschaft ein.

Sein Artikel J'accuse (Ich klage an) in der Dreyfus-Affäre führte zur Wiederaufnahme des Verfahrens und damit zur Haftentlassung und späteren Rehabilitierung des fälschlich angeklagten Offiziers Alfred Dreyfus.

Jugend und literarische Anfänge

Émile Zola

Zola wurde in Paris als Sohn eines Bauingenieurs italienischer Herkunft geboren, der schon früh (1847) starb und seine Familie unversorgt zurückließ. Er wuchs in Aix-en-Provence auf, dem Ort des letzten Projekts seines Vaters, wo er befreundet mit dem späteren großen Maler Paul Cézanne war. Seine letzten Schuljahre verbrachte er wieder in Paris, wohin seine Mutter schon vor ihm zurückgekehrt war. Nachdem er durchs Baccalauréat gefallen war (1859), jobbte er (z. B. war er längere Zeit Werbechef beim Verlag Hachette) und schriftstellerte in allen Genres, sogar als Lyriker.

Sein Durchbruch wurde der Roman Thérèse Raquin (1867), der eine spannende Handlung um die zur Ehebrecherin und Mörderin werdenden Titelheldin mit einer ungeschönten Schilderung des Pariser Kleinbürgertums verbindet. Das Vorwort zur zweiten Auflage 1868, in dem Zola sich gegen seine gutbürgerlichen Kritiker und ihren Vorwurf der Geschmacklosigkeit verteidigt, wurde zum Manifest der jungen naturalistischen Schule, zu deren Chef Zola nach und nach avancierte.

Der Romancier

Ab 1869 (bis 1893) konzipierte er, nach dem Vorbild von Balzac, die meisten seiner Romane als Teile einer Serie mit dem Titel Les Rougon-Macquart. Histoire naturelle et sociale d'une famille sous le Second Empire/Die R.-M. Die Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich. Die insgesamt 20 Romane des Zyklus sollten eine Art positivistisch begründeter Familiengeschichte sein, nämlich des der Bourgeoisie zuzuordnenden Rougon-Zweiges und des der Unterschicht angehörenden Macquart-Zweiges, wobei die einzelnen Figuren als durch ihre Erbanlagen (z. B. den Hang zum Alkoholismus), ihr Milieu (Bourgeoisie oder Unterschicht) und die historischen Umstände (die sozio-ökonomischen Verhältnisse des Zweiten Kaiserreichs, 1852-70) völlig determiniert vorgestellt werden. Glücklicherweise wirken sie, dank Zolas schriftstellerischem Temperament, menschlich und lebendig genug, um dem Leser nicht als bloße Marionetten und Demonstrationsobjekte zu erscheinen.

Das erzählerische Werk Zolas ist, ähnlich wie das der Goncourts, eine Fundgrube für Sozialhistoriker. Allerdings sind die vom Autor geschilderten Verhältnisse naturgemäß eher die der 70er/80er Jahre, d.h. die der Entstehungszeit der Romane, und weniger die der 50er/60er, in denen die Handlungen angesiedelt sind.

Édouard Manet: Émile Zola, 1868

Die wichtigsten Romane

Zu Zolas Lebzeiten am erfolgreichsten war La Débâcle/Das Debakel (1892), dessen Handlung vor dem Hintergrund des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 und der blutig unterdrückten Pariser Commune spielt. Ebenfalls ein großer Erfolg war Nana (1879/80), die Geschichte einer jungen Frau aus dem Volk, die dank ihrer sexuellen Attraktivität einen Aufstieg zur kostenträchtigen Geliebten eines Grafen erlebt, durch ihren Hang zu Ausschweifungen aller Art jedoch in Niedergang, Krankheit und frühem Tod endet. Heute noch gelesen werden vor allem L'Assommoir/Der Totschläger (1877), wo am Schicksal einer Pariser Wäscherin und ihrer Familie sehr eingängig die Auswirkungen des Alkoholismus im beengten und ärmlichen Pariser Unterschichtenmilieu beschrieben werden, und Germinal (1885), die dramatische Geschichte eines Bergarbeiterstreiks im Kräftefeld der wirtschaftlichen und ideologischen Antagonismen der Zeit, die Zola aus der Perspektive eines sozial engagierten Bourgeois beurteilt, der die Lehren der sozialistischen Denker Fourier, Proudhon und Marx zumindest in ihren Leitideen kennt und billigt. Besonders erwähnenswert auch ist L'Œuvre/Das Werk (1886), weil sich mit dem im Zentrum stehenden manischen Maler Zolas Freund Paul Cézanne gemeint glaubte und empört mit ihm brach.

Mehrere der Romane, u. a. Thérèse Raquin, Nana, L'Assommoir und Germinal, wurden bald nach ihrem Erscheinen zu erfolgreichen Theaterstücken verarbeitet und später auch verfilmt.

Der Publizist

Vom Anfang seiner schriftstellerischen Laufbahn an war Zola immer auch journalistisch aktiv. Am 13. Januar 1898 versuchte er mit einem offenen Brief an den Staatspräsidenten, sein persönliches Prestige für den zu Unrecht als angeblichen prodeutschen Spion verurteilten Hauptmann Alfred Dreyfus einzusetzen. Dieser Brief mit dem Titel J'accuse/Ich klage an entfachte einen ungeahnten innenpolitischen Sturm, der Frankreich für Jahre, oft bis in die Familien hinein, spaltete in "Dreyfusards" und "Antidreyfusards", d. h. ein progressives linkes Lager und ein konservatives rechtes, das zugleich militant nationalistisch und antisemitisch war. Zola selbst wurde noch 1898 vom Kriegsminister sowie von einigen Privatpersonen verklagt und in durchaus politischen Prozessen wegen "Diffamierung" zu einer Geld- und (kurzen) Gefängnisstrafe verurteilt, der er sich jedoch durch Flucht nach London entzog, wo er fast ein Jahr blieb.

Der Tod Zolas durch eine Rauchvergiftung in seiner Pariser Wohnung zu Beginn der Heizperiode 1902 war möglicherweise das Werk eines nationalistischen Ofensetzers, der im Sommer zu einer Reparatur dagewesen war. Sechs Jahre nach seinem Tod wurden seine Überreste in das Panthéon überführt, auch in Erinnerung an sein Engagement in der Affaire Dreyfus.

Unter der Regie von William Dieterle entstand 1937 unter dem Titel The Life of Emile Zola eine Filmbiografie mit Paul Muni in der Titelrolle.

Die Bände des Zyklus der Rougon-Macquart

Grabmal von Émile Zola auf dem Friedhof Montmartre.
  1. Das Glück der Familie Rougon (La fortune des Rougon 1871)
  2. Die Beute (La curée 1872) Das Buch ist bereits 1871 erschienen, trägt aber die Jahreszahl 1872.
  3. Der Bauch von Paris (Le ventre de Paris 1873)
  4. Die Eroberung von Plassans (La conquête de Plassans 1874)
  5. Die Sünde des Abbé Mouret (La faute de l'Abbé Mouret 1875)
  6. Seine Exzellenz Eugene Rougon (Son excellence Eugène Rougon 1876)
  7. Der Totschläger (L'Assomoir 1877)
  8. Ein Blatt Liebe (Une page d'amour 1878)
  9. Nana (Nana 1880)
  10. Ein feines Haus (Pot-Bouille 1882)
  11. Das Paradies der Damen (Au bonheur des dames 1883)
  12. Die Freude am Leben (La joie de vivre 1884)
  13. Germinal (Germinal 1885)
  14. Das Werk (L'ouevre 1886)
  15. Die Erde (La terre 1887)
  16. Der Traum (Le rêve 1888)
  17. Die Bestie im Menschen / Das Tier im Menschen (La bête humaine 1890)
  18. Das Geld (L'argent 1891)
  19. Der Zusammenbruch (La débâcle 1892)
  20. Doktor Pascal (Le docteur Pascal 1893)

Die Bände des Zyklus Trois Villes

  1. Lourdes (1894)
  2. Rome (1896)
  3. Paris (1898)

Die Bände des Zyklus Quatre Evangiles

  1. Fécondité (1899)
  2. Travail (1901)
  3. Vérité (1903)
  4. Justice (unvollendet)

Literatur

  • Irene Albers: Sehen und Wissen. Das Photographische im Romanwerk Émile Zolas. München: Fink. 2002. (= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste; 105) ISBN 3-7705-3769-6
  • Horst Althaus: Zwischen alter und neuer besitzender Klasse. Stendhal, Balzac, Flaubert, Zola. Beitr. zur französischen Gesellschaftsgeschichte. Berlin: Reimer. 1987. (= Schriften zur Kultursoziologie; 8) ISBN 3-496-00899-7
  • Veronika Beci: Émile Zola. Düsseldorf u. a.: Artemis u. Winkler. 2002. ISBN 3-538-07137-3
  • Marc Bernard: Emile Zola. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 6. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1997. (= rororo; 50024; Rowohlts Monographien) ISBN 3-499-50024-8
  • Manuela Biele-Wrunsch: Die Künstlerfreundschaft zwischen Édouard Manet und Émile Zola. Ästhetische und gattungsspezifische Berührungen und Differenzen. Taunusstein: Driesen. 2004. ISBN 3-936328-17-X
  • Martin Braun: Emile Zola und die Romantik. Erblast oder Erbe? Studium einer komplexen Naturalismuskonzeption. Tübingen: Stauffenburg. 1993. (= Erlanger romanistische Dokumente und Arbeiten; 10) ISBN 3-923721-99-4
  • Ronald Daus: Zola und der französische Naturalismus. Stuttgart: Metzler. 1976. (= Sammlung Metzler; 146) ISBN 3-476-10146-0
  • Frederick W. J. Hemmings: Emile Zola. Chronist und Ankläger seiner Zeit. Biographie. Frankfurt am Main: Fischer. 1981. (= Fischer-Bücherei; 5099) ISBN 3-596-25099-4
  • Willi Hirdt: Alkohol im französischen Naturalismus. Der Kontext des Assommoir. Bonn: Bouvier. 1991. (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft; 391) ISBN 3-416-02286-6
  • Elke Kaiser: Wissen und Erzählen bei Zola. Wirklichkeitsmodellierung in den Rougon-Macquart. Tübingen: Narr. 1990. (= Romanica Monacensia; 33) ISBN 3-8233-4300-9
  • Karl Korn: Zola in seiner Zeit. Frankfurt am Main u. a.: Ullstein. 1984. (= Ullstein-Buch; 27532; Lebensbilder)
  • Till R. Kuhnle: "Der Millenarismus Zolas und die Dritte Republik". In: ders.: Das Fortschrittstrauma. Vier Studien zur Pathogenese literarischer Diskurse. Tübingen: Stauffenburg 2005 ISBN 3-86057-162-1, S. 273-285.
  • Ralf Nestmeyer: "Französische Dichter und ihre Häuser". Insel Verlag, Frankfurt 2005 ISBN 3-458-34793-3
  • Viktor Roth: Émile Zola um die Jahrhundertwende. Stationen eines kämpferischen Lebenslaufs. Nördlingen: Steinmeier. 1987.
  • Vera Ingunn Moe: Deutscher Naturalismus und ausländische Literatur. Zur Rezeption der Werke von Zola, Ibsen und Dostojewski durch die deutsche naturalistische Bewegung (1880-1895). Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1983. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; 729) ISBN 3-8204-5262-1
  • Peter Müller: Emile Zola, der Autor im Spannungsfeld seiner Epoche. Apologie, Gesellschaftskritik und soziales Sendungsbewußtsein in seinem Denken und literarischem Werk. Stuttgart: Metzler. 1981. (= Romanistische Abhandlungen; 3) ISBN 3-476-00477-5
  • Rolf Sältzer: Entwicklungslinien der deutschen Zola-Rezeption von den Anfängen bis zum Tode des Autors. Berne u. a.: Lang. 1989. (= New York University Ottendorfer series; N. F.; 31) ISBN 3-261-03928-0
  • Susanne Schmidt: Die Kontrasttechnik in den "Rougon-Macquart" von Emile Zola. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1989. (= Bonner romanistische Arbeiten; 30) ISBN 3-631-40612-6
  • Karl Zieger: Die Aufnahme der Werke von Emile Zola durch die österreichische Literaturkritik der Jahrhundertwende. Bern u. a.: Lang. 1986. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 18; 44) ISBN 3-261-03560-9
  • 100 Jahre Rougon-Macquart im Wandel der Rezeptionsgeschichte. Zugleich Beiheft zur Zeitschrift Beiträge zur romanischen Philologie, hrsg. von Winfried Engler u. Rita Schober. Tübingen: Narr. 1995. ISBN 3-8233-4145-6
Wikisource: Émile Zola – Quellen und Volltexte
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