Zum Inhalt springen

Fremdwort

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Dezember 2006 um 22:14 Uhr durch 84.63.34.74 (Diskussion) (Zitate). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Ein Fremdwort ist ein Wort, das aus einer anderen Sprache übernommen wurde und das sich in Lautstand, Betonung, Flexion, Wortbildung oder Schreibung der Zielsprache (noch) nicht angepasst hat, so dass es als fremd empfunden wird. Im Unterschied dazu ist ein Lehnwort ein Wort, das so weit in das Sprachsystem der Zielsprache eingegangen ist, dass es nicht mehr als fremd wahrgenommen wird, besonders wenn es kein gebräuchliches Synonym in der Zielsprache gibt. Beim Fremdwort hingegen ist der anderssprachige Ursprung den meisten Muttersprachlern bewusst.

In der modernen Sprachwissenschaft ist der durch Herkunft definierte Begriff des Fremdworts zunehmend umstritten. Daneben erscheint es sinnvoll, einen von allen Sprechern benutzten Grund-Wortschatz (zum Beispiel Haus, Mutter, aber auch Telefon, Computer) von einem Aufbau-Wortschatz und einem Rand-Wortschatz zu unterscheiden. Der letzte enthält Wörter, die nicht von allen beherrscht werden (zum Beispiel Phänomenologie, Thriller, aber auch gewärtigen oder Seinsverständnis bei Heidegger). Die Grenzen sind natürlich fließend.

In der Quantitativen Linguistik wird der Prozess der Übernahme von Fremd- und Lehnwörtern mit Hilfe des Sprachwandelgesetzes modelliert. Es zeigt sich immer wieder, dass Entlehnungsprozesse gesetzmäßig ablaufen. Dasselbe gilt für das Fremdwortspektrum, das eine Übersicht darüber gibt, aus welchen Sprachen wie viele Wörter übernommen wurden.

Fremdwörter im Deutschen

Viele Fremdwörter, die in die deutsche Sprache übernommen wurden, stammen aus (Auswahl):

Deutsche Wörter in anderen Sprachen

Auch deutsche Wörter werden in andere Sprachen übernommen und sind dort dann Fremdwörter, zum Beispiel (vgl. auch Liste deutscher Wörter in anderen Sprachen oder Germanismus):

  • im Englischen: kindergarten, gedanken experiment, dachshund, rucksack, blitzkrieg, zugzwang, zeitgeist, schadenfreude, doppelgänger, poltergeist, angst, spritzer (Weinschorle), sauerkraut, schwanz, sprachgefuhl, Waldsterben, weltanschauung, hinterland, wunderkind, gestalt, gesundheit (als Reaktion auf Niesen), nazi, stillstand, hausfraus, leitmotiv, Iceberg (Eisberg), glockenspiel,schnaps, stark, zwieback, Fahrvergnugen (Fahrvergnügen aus der Werbung)
  • im Niederländischen: überhaupt, sowieso, ansichtkaart
  • im Bosnischen/Kroatischen (oft von österreichischer Aussprache beeinflusst): auspuh: Auspuff, tašna: Tasche; sowie ausschließlich im Bosnischen: šrafciger: Schraubenzieher, paradajz: Paradeiser, vinkl: Winkel
  • im Russischen: Eisberg, Landschaft, Zeitnot, Butterbrot, Schlagbaum
  • in Suaheli: shule
  • im Französischen: Blitzkrieg, Drang nach Osten, weltanschauung, leitmotiv, bunker, poltergeist, waldsterben
  • im Spanischen: kindergarten
  • im Japanischen: karute (Karteikarten in der Medizin), arubaito (Studentenjob, von Arbeit)

Internationale Suche „Wörterwanderung“

Für die Ausschreibung haben im Sommer 2006 über 1600 Menschen aus 57 Ländern „ausgewanderte Wörter“ mit persönlichen Erlebnissen und Erläuterungen zu Bedeutungsverschiebungen in anderen Sprachen gesammelt. Der Deutsche Sprachrat nimmt weitere bis Ende September, um besondere im November bei Max Hueber als Buch zu veröffentlichten.

Das deutsche „Hinterland“ steht beispielsweise in England für das Gebiet hinter einem Frachtschiffhafen, in Italien für die dicht besiedelte Gegend um Mailand und in Australien für Gebiete, die in einem größeren Abstand von der Küste liegen, jedoch im Gegensatz zu den riesigen Flächen im Landesinneren („Outback“).

Das dänische „habengut“ für Dinge, die man besitzt und mit sich tragen kann, kam mit deutschen Wandergesellen. Ein Teilnehmer aus der Schweiz berichtete von „schubladiser“, abgeleitet von „Schublade“, in der französischen Schweiz im Sinne von zu den Akten legen, auf die lange Bank schieben bzw. nicht behandeln wollen. In der englischen Jugendsprache hat sich das Wort „uber“, „über“ ohne Umlaut, als Steigerungsform von „super“ oder „mega“ herausgebildet. Der deutsche Wort „Zeitgeist“ wird dort sogar als Adjektiv „zeitgeisty“ verwendet. In Italien, so ein Einsender, hat sich das Wort „Realpolitik“ in der Zeit des Eisernen Vorhangs verbreitet, mit Willy Brandt assoziiert, heute zunehmend als „wahre, sinnvolle, lebensnahe Politik“ verstanden.

Die meisten Zusendungen nannten ins Englische, Russische, Ungarische und Polnische ausgewanderte Wörter. Auch Vietnamesisch, Koreanisch, Chinesisch, Japanisch, Arabisch, Persisch, Hebräisch, Brasilianisch, Spanisch, Finnisch, Estni­sch, Afrikaans, Swahili, Wolof und Kirundi kommen vor.

Spitzenreiter ist nach wie vor das französische „vasistas“ für „Oberlicht“ oder „Kippfenster“, abgeleitet vom deutschen „Was ist das?“. An zweiter Stelle steht der „Kindergarten“, den es im englischen, französischen, spanischen und japanischen Sprachgebrauch gibt, gefolgt vom russischen „Butterbrot“, das ein belegtes Brot, allerdings auch ohne Butter, bezeichnet und dem Wort „kaputt“ im Englischen, Spanischen, Französischen und Russischen.

Zitate

Übrigens habe ich wegen der lateinischen Ausdrücke, die statt der gleichbedeutenden deutschen wider den Geschmack der guten Schreibart eingeflossen sind, [...] zur Entschuldigung anzuführen: dass ich lieber etwas der Zierlichkeit der Sprache habe entziehen als den [philosophischen] Schulgebrauch durch die mindeste Unverständlichkeit erschweren wollen.

Siehe auch

Wiktionary: Fremdwort – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Theodor W. Adorno: „Wörter aus der Fremde“ in Noten zur Literatur (Teil 2), Bibliothek Suhrkamp 1959, ISBN 3-518-01071-9
  • Karl-Heinz Best: Wo kommen die deutschen Fremdwörter her? In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 5, 2001, 7-20.
  • Karl-Heinz Best: Ein Beitrag zur Fremdwortdiskussion. In: Die deutsche Sprache in der Gegenwart. Festschrift f. Dieter Cherubim zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Stefan J. Schierholz in Zusammenarbeit mit Eilika Fobbe, Stefan Goes u. Rainer Knirsch. Lang, Frankfurt u.a. 2001, S. 263-270. ISBN 3-631-37009-1
  • Karl-Heinz Best: Anglizismen - quantitativ. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 8, 2003, 7-23.
  • Karl-Heinz Best: Slawische Entlehnungen im Deutschen. In: Rusistika - Slavistika - Lingvistika. Festschrift für Werner Lehfeldt. Hrsg. v. Sebastian Kempgen, Ulrich Schweier u. Tilman Berger. Verlag Otto Sagner, München 2003, S. 464-473.
  • Best, Karl-Heinz (²2003). Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 2., überarb. u. erw. Aufl. Göttingen: Peust & Gutschmidt. ISBN 3-933043-10-7
  • Best, Karl-Heinz: Zur Ausbreitung von Wörtern arabischer Herkunft im Deutschen. In: Glottometrics 8, 2004, 75-78.
  • Karl-Heinz Best: Diversifikation der Fremd- und Lehnwörter im Türkischen. In: Archív Orientální 73, 2005, 291-298.
  • Karl-Heinz Best: Turzismen im Deutschen. In: Glottometrics 11, 2005, 56-63.
  • Duden: Das grosse Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, 3. Auflage, Dudenverlag 2003, ISBN 3-411-04163-3
  • Helle Körner: Zur Entwicklung des deutschen (Lehn-)Wortschatzes. In: Glottometrics 7, 2004, 25-49.
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band I: Einführung, Grundbegriffe, 14. bis 16. Jahrhundert, de Gruyter, Berlin und New York 1991. (2. überarb. u. ergänzte Aufl. 2000.) ISBN 3-11-016478-7
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band II: 17. und 18. Jahrhundert, de Gruyter, Berlin und New York 1994. ISBN 3-11-014608-8
  • Andrea Stiberc: Sauerkraut, Weltschmerz, Kindergarten und Co. Deutsche Wörter in der Welt. Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 1999. ISBN 3-451-04701-2