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Paulus von Tarsus

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„Apostel Paulus“ von Dürer

Paulus von Tarsus (jüdischer Name: Saulus; * unbekannt, † nach 60, eventuell in Rom) war der einflussreichste Theologe des Urchristentums und neben Simon Petrus der bedeutendste frühchristliche Missionar.

Paulus war ein griechisch gebildeter Jude. Er war Jesus von Nazaret nie begegnet und hatte als gesetzestreuer Pharisäer die Anhänger des gekreuzigten Wanderpredigers zunächst verfolgt. Doch seit seinem Damaskuserlebnis verstand er sich als von Gott berufener „Apostel des Evangeliums für die Völker“ (Gal 1,15f). Als solcher bereiste er den östlichen Mittelmeerraum, verkündete dort vor allem Nichtjuden den auferstandenen Jesus Christus und gründete einige christliche Gemeinden, mit denen er in brieflichem Kontakt blieb. Die echten Paulusbriefe gehören zu den ältesten erhaltenen Schriften des Neuen Testaments und ermöglichen viele Aufschlüsse über den Autor und das Urchristentum.

Paulus hat wichtige Theologen der Christentumsgeschichte maßgebend beeinflusst. Seine Verkündigung Jesu Christi prägt das Christentum bis heute.

Quellen

Der schreibende Paulus in einer frühmittelalterlichen Ausgabe seiner Briefe

Im Neuen Testament werden dreizehn Briefe Paulus zugeschrieben. Für mindestens sieben davon -Röm, 1 Kor, 2 Kor, Gal, Phil, 1 Thess, Phlm, - erkennt die heutige historisch-kritische Forschung seine Autorschaft an. Sie wurden zwischen 50 und 60 verfasst und sind die Hauptquelle für Biografie, Theologie und Missionstätigkeit des Paulus.

Von den paulinischen Missionsreisen berichtet außerdem die Apostelgeschichte (Apg) des Lukas. Sie wurde einige Jahrzehnte nach den geschilderten Ereignissen verfasst und will in erster Linie eine idealtypische Ausbreitung des christlichen Glaubens darlegen. An historischen Abläufen ist sie weniger interessiert. Deshalb gilt sie nicht durchgehend als historisch verlässlich. Dennoch bestätigt und ergänzt sie einige biographische und theologische Angaben der Briefe des Paulus.

Schließlich existieren einige der paulinischen Theologie nahestehenden Briefe. Sie wurden zwischen 70 und 120 von einer Schülergeneration des Paulus verfasst: Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit und Hebr.

Chronologie

Fixpunkte und relative Reisefristen

Ausgangspunkt für die Datierung der paulinischen Missionsreisen ist eine Angabe in Apg 18,12: Danach wurde Paulus gegen Ende seines Aufenthalts in Korinth dem römischen Statthalter Lucius Junius Gallio vorgeführt. Nach einer in Delphi gefundenen Inschrift bekleidete Gallio dieses Amt wohl von Frühsommer des Jahres 51 bis Frühsommer 52. Zudem erwähnt Apg 18,2 ein Edikt des Kaisers Claudius, wonach die Juden Rom verlassen mussten: Dieses wird auf 49 datiert. Demnach war Paulus 50/51 n.Chr. für etwa anderthalb Jahre in Korinth. Von da aus werden die übrigen chronologischen Daten ungefähr errechnet.

Um 48 müsste Paulus aus Antiochia aufgebrochen sein (Apg 15,40). Etwa 46/47 unternahm er mit Barnabas eine Missionsreise durch Zypern und die Südtürkei, besuchte Athen (Apg 17 und 1 Thess 3,1-5) und gründete Gemeinden in Thessaloniki (Apg 17 und 1 Thess 2,2) und Philippi (Apg 16 und 1 Thess 2,2). Um 46 besuchte er Jerusalem (Apg 12,25) - möglicherweise, um eine Kollekte zu überbringen (Apg 11,30 und Gal 2,10). Diese Kollektenübergabe wird oft mit einer Hungersnot in Palästina in Verbindung gebracht, die der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus für die Mitte der 40er Jahre angab.

Den Zeitraum vor diesem Besuch beschreibt Paulus in Gal 1-2: Auf seine Bekehrung folgten Aufenthalte in Arabien und Damaskus (Gal 1,17). Drei Jahre danach (Gal 1,18; vgl. Apg 9,26-30) besuchte er erstmals die Jerusalemer Urgemeinde und traf dort Petrus und Jesu Bruder Jakobus. Dann missionierte er in Syrien und Kilikien (Gal 1,21), also wohl in Tarsus und Antiochia. Vierzehn Jahre nach seiner Bekehrung besuchte er zum zweiten Mal Jerusalem (Gal 2,1-10).

Nimmt man als wahrscheinliches Todesdatum Jesu das Jahr 30 an und addiert die Jahresfristen in Gal 1-2, dann wurde Paulus im Jahr 32 oder 33 Christ und begann dann seine Missionstätigkeit.

Von Korinth aus reiste Paulus nach einer kurzen Zwischenstation in Antiochia (Apg 18,23) nach Ephesus, wo er etwa 52 bis 56 blieb (Apg 19,1.8.10; 20,31). Danach reiste er über Makedonien wieder nach Korinth, wo er einen Winter verbrachte (u.a. 2 Kor 2,12f; Apg 20,1f). Im Frühjahr 57 muss er dann nach Jerusalem aufgebrochen sein (Apg 20,3 und Röm 15,25ff). Dort wurde er vom Statthalter Antonius Felix verhaftet und zwei Jahre lang in Gewahrsam gehalten (Apg 20ff). Im Jahr 59 trat der neue Statthalter Porcius Festus sein Amt an: Erst jetzt konnte Paulus an den römischen Kaiser appellieren und wurde nach Rom verschifft.

Wann das so genannte Apostelkonzil stattfand, ist ungewiss. Nach Gal 2,1-10 fiel es mit dem zweiten Jerusalembesuch des Paulus zusammen, nach Apg 15 mit einem dritten. Auch die Details beider Erzählungen - Reiseanlässe, Reisergebnisse, Reisezeiten - stimmen nicht überein. Für einige Historiker berichten die beiden Texte daher über verschiedene Ereignisse.

Übersicht

  • 32: Bekehrung bzw. Berufung zum Heidenapostel
  • bis 35: Damaskus, Arabien, dann wieder Damaskus
  • 35: erste Jerusalemreise
  • danach Tarsus/Kilikien, Antiochia/Syrien
  • 46 (manchmal auch auf 48 datiert): zweiter Jerusalembesuch
  • 46/47: Zypern, Südtürkei
  • 48-50: Philippi, Thessaloniki, Athen
  • 50/51: erster Korinthbesuch, dort Abfassung des ersten Thessalonicherbriefs
  • Zwischenstation in Antiochia
  • 52-56: Ephesus, dort Abfassung der Briefe Gal, Phil, 1 Kor, Phlm
  • 56/57: Makedonien, zweiter Korinthbesuch, dort Abfassung von 2 Kor und Röm
  • 57: letzte Jerusalemreise
  • 57-59: Gefangenschaft in Cäsarea
  • 59/60: Reise nach Rom
  • zwischen 62 und 65: Tod, wohl in Rom (nach patristischen Legenden unter Nero)

Leben

Herkunft und Ausbildung

Nach Apg 22,3 stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus Tarsos in der damaligen römischen Provinz Kilikien, einem Landstrich in der heutigen Südtürkei im Grenzgebiet zu Syrien. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen Diaspora-Gemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab.

Von seinem Vater erbte Paulus das römische Bürgerrecht (Apg 16,37; 22, 28), das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf berief er sich später erfolgreich in Konflikten um seine Mission.

Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen Saulus ein (Apg 7,58; 8,1.3), der von Saul (hebräisch Schaul), dem ersten König Israels, abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem Stamm Benjamin (1 Sam 9,1), der als der kleinste der zwölf Stämme Israels galt. Darauf kann der griechische Name Paulos (= der Kleine; lateinisch Paulus) anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu Schaul gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.

Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in Apg 13,9. Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und Taufe zu Paulus, wie es die bekannte Redewendung irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings war der Name Paulus unter ihnen sehr selten.

Paulus selbst betonte zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch Jesus Christus widerfuhr, brachte diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er verwahrte sich entschieden dagegen, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine jüdische Abstammung später immer wieder voll Stolz hervor (z.B. Phil 3,5f):

... einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer ...

Demnach wurde Paulus wohl schon in seiner Jugend zu einem Toralehrer ausgebildet. Laut Apg 22,3 wuchs er in Jerusalem auf und wurde dort vom damals berühmten Rabbiner Gamaliel I. unterrichtet; er selbst jedoch erwähnt weder den Umzug noch seinen Lehrer, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen aber gleichermaßen solide Kenntnisse des Tanach und philosophischer Traditionen, Rede- und Argumentationsweisen des Hellenismus.

Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner Schriftausbildung auch das Handwerk des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des Sattlers (Apg 18,3). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt (1 Thess 2,9; 1 Kor 4,12; 2 Kor 11,27).

Christenverfolger

Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen Pharisäismus, der verlangte, dass auch Proselyten (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu beschneiden seien. Er verstand sich als "Eiferer für das Gesetz" (Gal 1,14), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe (Phil 3,6). In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen Judenchristen, die in der jüdischen Diaspora missionierten und dabei neugetauften Heidenchristen die Befolgung der Tora erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.

Laut Lukas war Paulus sogar im Auftrag des Sanhedrin an der Aufsicht über die vorschriftsmäßige Steinigung des ersten christlichen Märtyrers Stephanus beteiligt (Apg 7,58; 8,1). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von Hellenisten, die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den Tempelkult ablehnten und dadurch in Konflikt mit den sadduzäischen Tempelpriestern gerieten.

Paulus selbst schweigt jedoch über diesen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst drei Jahre nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist (Gal 1,18), die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt (Gal 1,22). Die Verfolgung galt also wohl nur den hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora für ihre Mitglieder nicht verbindlich machten.

Die Bekehrung des „Saulus“ - Bildtafel mit dem zentralen Bildmotiv des Altars des nordspanischen Einsiedlerklosters Ayerbe

Die Bekehrung

Paulus selbst erwähnt seine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Christus mehrmals (Gal 1,15ff; Phil 3,7ff; 1 Kor 15,8f; 2. Kor 4,1.5f), schildert aber nur deren Inhalte, nicht die Art und Weise seiner Bekehrung. Er beschreibt sie als Erwählung durch Gott, der schon vor seiner Geburt entschieden habe, ihm seinen Sohn zu offenbaren und so zum Völkerapostel zu berufen (Gal 1,15). Er betont, er sei seinem Auftrag drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die Jerusalemer Urgemeinde besucht (Gal 1,17-20). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche Glaubensbekenntnis mit der Liste der Auferstehungszeugen übernahm, das er in 1 Kor 15,3ff zitierte und ergänzte (Vers 8):

Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Paulus stellte seine Berufung also in die Reihe der älteren Jüngerberufungen, die ihm die Jerusalemer Augenzeugen um 36 berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ophtae (gesehen worden = erschienen) verweist auf Visionen, die wie in der jüdischen Apokalyptik als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z.B. Dan 7,1-14). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie Pharisäern, Zeloten und Essenern teilte.

Gottes Berufung, Erkenntnis Jesu Christi als Sohn Gottes, Selbsterkenntnis als Sünder, der besondere Auftrag zur Völkermission und die Gewissheit der endzeitlichen Totenerweckung bildeten für Paulus also eine untrennbare Einheit. Er betonte daher, dass das von ihm verkündete Evangelium nicht menschlicher Art sei (Gal 1,11), sondern eine unmittelbar von Gott geoffenbarte und ohne menschliche Vermittlung an ihn gerichtete Botschaft.

Die Apostelgeschichte beschreibt die äußeren Umstände seiner Berufung mit einem Erzählbericht (Apg 9,1-18) sowie zwei als Eigenreden des Paulus stilisierten Berichten (Apg 22,6-16 und Apg 26,12ff). Erst dadurch erhielt die Berufung den Charakter eines Bekehrungserlebnisses. Dabei widersprechen sich die Versionen teilweise: In Apg 9 hört nur Paulus eine Stimme, seine Begleiter sehen nur ein Licht; in Apg 22 ist es umgekehrt.

Missionsreisen

Seinem Selbstverständnis als Völkerapostel gemäß wollte Paulus das Evangelium Jesu Christi so weit wie möglich ausbreiten. Ob er dabei schon an Rom als Reiseziel dachte, ist ungewiss und wird nur durch die Darstellung der Apostelgeschichte nahegelegt, die von der damaligen Bedeutung der römischen Gemeinde her konzipiert wurde.

Zusammen mit einem teilweise wechselnden Mitarbeiterstab (Paulusbriefe und Apg nennen u.a. Barnabas, Timotheus, Titus, Erastus, Silas) brach der Apostel auf in große antike Städte (z.B. Philippi, Korinth, Ephesus), um sich dort längere Zeit niederzulassen. Dabei versuchte er, christliche Gemeinden aufzubauen. Sobald diese Gemeinden selbständig in der Lage waren, sich zu organisieren, brach Paulus auf in die nächste Stadt. Paulus missionierte also in den hellenisierten Großstädten, von wo aus die neuen Gemeinden das Hinterland missionierten. Nach Verlassen der neu gegründeten Gemeinden hielt Paulus Briefkontakt mit diesen, so dass es möglich blieb auf Probleme und aktuelle Fragen zu antworten. Die beiden Korintherbriefe bilden dafür anschauliche Beispiele. Denn in ihnen beantwortet der Apostel ihm gestellte Fragen (1. Kor) bzw. versucht, aufgetretene Probleme zu schlichten (1. Kor, 2. Kor).

Eine erste ausgedehnte Mission führte Paulus gemeinsam mit Barnabas nach Zypern und durch das Gebiet der heutigen Südtürkei (Apg 13). Jedoch ist die Geschichtlichkeit dieser Reise in theologischen Fachkreisen stark umstritten. Gesichert ist, dass Paulus mit Timotheus, Silas u.a. durch Griechenland gereist ist (Apg 16-18) und dabei vor allem in Korinth längere Zeit Station machte - diese Reise wird häufig als die zweite Missionreise bezeichnet.

Eine weitere Reiseroute führte Paulus anschließend durch Kleinasien nach Ephesus - die so genannte dritte Missionsreise (Apg 19-21).

Schließlich reiste Paulus von Ephesus aus nochmals durch seine zuletzt gegründeten Gemeinden, um eine Kollekte einzusammeln und nach Jerusalem zu bringen. Bei der Ankunft in Jerusalem wurde er von den römischen Behörden verhaftet und nach längerem Hin und Her schließlich nach Rom überstellt, wo er vermutlich das Martyrium erlitt.

Verfolgungen und Krankheit

Spekuliert wird, ob der Apostel unter einer chronischen Krankheit gelitten haben könnte. Zumindest wurde 2. Kor 12,7 („Pfahl im Fleisch“, der „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“) als rheumatische Erkrankung oder Arthrose und Gal.4,15 ("Denn ich gebe euch das Zeugnis, dass ihr wenn möglich eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet." ) als Augenleiden gedeutet. Gesichert bleibt allein, dass Paulus aufgrund seiner Verkündigung sowohl bei Juden als auch bei Römern/Hellenisten immer wieder auf starke Kritik stieß, die bisweilen auch in körperlichen Auseinandersetzungen gipfelten: So überlebte Paulus diverse Aufruhre, Steinigungen und Strafgeißelungen (vgl. 2. Kor. 11,24-25; Apg. 14,19), was chronische Behinderungen nach sich gezogen haben könnte.

Wenn Paulus in seinen Briefen von einem "Pfahl bzw. Dorn im Fleisch" redet, so verwendet er damit einen Ausdruck, der so nur im Alten Testament (Hes 28,24) vorkommt und dort nicht eine Krankheit, sondern eine unangenehme Situation meint, die aufgrund von Angriffen entstand. Somit könnte Paulus mit seiner Wendung "Pfahl im Fleisch" durchaus auf die laufende Verfolgung seiner Person und Lehre durch streng religiöse Gruppierungen der Juden anspielen. Diese führte auch zu einer gewissen Entmutigung des Paulus, die er im 2. Kor 12,9 als "Schwachheit" beschreibt.

Gefängnisaufenthalte

Paulus befand sich mehrmals in Gefangenschaft. Mehrere seiner Briefe sind während eines Gefängnisaufenthalts abgefasst (Phil, Phlm). Die Apostelgeschichte erwähnt eine kurzzeitige Gefangenschaft in Philippi (Apg 16,23), Paulus selbst einen Gefängnisaufenthalt in Ephesus bzw. der Provinz Kleinasien (2. Kor 1,8f und Phil 1,12-14).

Bei seiner letzten Reise nach Jerusalem wurde der Apostel von der römischen Besatzungsmacht gefangengesetzt (Apg 21,33) und von der dortigen jüdischen kollaborierenden Verwaltung angeklagt. Nach einer mehrmonatigen rechtlichen Auseinandersetzung wurde er nach Rom verbracht, um dort seinen Rechtsanspruch als römischer Bürger vor dem Kaiser vorzutragen - was sein Privileg als römischer Bürger war. Mit der Ankunft in Rom endet in der Apostelgeschichte der Bericht über Paulus.

Märtyrertod unter Kaiser Nero

Nach der Überlieferung der römischen Gemeinde wurde Paulus dann 64 n. Chr. als Märtyrer unter Nero in Rom durch das Schwert hingerichtet - eine Kreuzigung blieb ihm aufgrund seines Bürgerrechts wohl erspart. Sein Grab soll sich in Rom unter der Kirche San Paolo fuori le mura (St. Paul vor den Mauern) befinden, das der italienische Archäologe Giorgio Filippi im Juni 2005 wiedergefunden haben will. Ausgrabungen unter der Basilika unter der Führung von Vatikan-Archäologen brachten einen römischen Sarkophag hervor. Ursprünglich war befürchtet worden, dass das Grab bei einem Großbrand der Basilika 1823 zerstört worden ist. [1]

Theologie

Statue des Apostels Paulus vor dem Petersdom

Die Theologie des Paulus ist in seinen Briefen ausgeführt (insbesondere im Römerbrief und im Galaterbrief). Er übernahm den Glauben der Jerusalemer Urgemeinde, dass Jesus von Nazareth der in der jüdischen Tradition erwartete Messias (griechisch Χριστός Christós „der Gesalbte“) und Menschheitserretter sei. Im Unterschied zu Jesus und seinen zu Lebzeiten berufenen Jüngern stellte Paulus nicht den himmlischen Vater, sondern den auferstandenen Heilsbringer und Mittler Jesus Christus ins Zentrum seiner Verkündigung. Er lehrte, Gott habe mit der Hingabe seines Sohnes auch die unreinen heidnischen Stämme in seinen Bund aufgenommen, aber im Unterschied zum „Volk des ersten Bundes“ nur aus Gnade. Zur Annahme dieser Liebesgabe sei einzig der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus notwendig. Die Befolgung der jüdischen Tora sei den gläubigen Heiden erlassen. Zugleich seien sie jedoch dem erwählten Gottesvolk unterstellt. Er legte damit den Grundstein für die Abspaltung des Heidenchristentums vom Judentum.

Grundzüge

Grundlegende Argumentationsbasis für die Theologie des Paulus ist die These, dass Christus für uns gestorben ist (Gal 2,21). Wer daran glaubt, gehört zur Gruppe der Erlösten. Deshalb lehnt Paulus auch die Übernahme der jüdischen Gesetze (Beschneidung u.a.) ab. Denn nicht durch Einhaltung von Gesetzen, sondern durch den Glauben an die Rettungstat Christi wird der Mensch erlöst.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass Paulus alle Gesetze frei gibt. Es existiert für ihn ein "Gesetz Christi" (Gal 5; Röm 13), das jeder Gläubige erfüllt.

Entscheidend für das Verständnis der paulinischen Theologie ist die unbedingte Naherwartung der Endzeit. Gott wird diejenigen erretten, die sich dem Glauben an die Heilstat Christi zuwenden. Damit ist religionsgeschichtlich eine wichtige Wandlung erfolgt: Als Jude war Paulus der Überzeugung, dass derjenige errettet wird, der das jüdische Gesetz vollständig beachtet. Seit seiner Berufung zum Heidenapostel setzt Paulus einen vollständig anderen Akzent: Nicht mehr die Befolgung der Gesetze errettet, sondern der Glaube. Man muss also nicht mehr Jude sein, um errettet zu werden. Daraus folgt für Paulus ein dringender Auftrag: Alle, auch die Heiden, müssen darüber informiert werden. Es geht Paulus darum, dass alle Menschen die Botschaft hören, dass sie der Glaube an Christus errettet.

Damit will Paulus nicht das Judentum auflösen. Ihm geht es allein darum, die Nichtjuden, im damaligen Sinne die Heiden, zu retten. Paulus lässt den Vorrang des Judentums weiterhin bestehen (Röm 9-11). Aber die Nichtjuden sind eben seit dem Christus-Ereignis in den Kreis der Erretteten mit aufgenommen, sofern sie den Glauben annehmen (Gal 3-5).

Bei den theologischen Ausführungen des Paulus geht es also um eine Korporationsfrage (wer gehört zum Kreis der Erretteten?) und nicht um eine Individuumsfrage (was muss ich tun, um gerettet zu werden). Erst Luther liest Paulus - aufgrund der Fragen seiner Zeit und seiner Person - individualistisch und stellt die Frage, was der gläubige Christ zu tun hat, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Erlösung der Erretteten

Wer an die Heilstat Christi glaubt, der ist nach Paulus gerecht vor Gott. Den Glaubenden ist die Errettung sicher. Doch wie drückt sich diese Errettung aus? Für Paulus handelt es sich um eine völlig neue Existenz, die der glaubende Mensch erhält (1. Kor 15). Schon im Diesseits vom Heiligen Geist beeinflusst, kann der Glaubende nach dem Tod die Auferstehung erwarten, die als Gemeinschaft mit Christus unter Ablegung des "Fleisches" zu verstehen ist. Gegenwärtig also bereits steht der glaubende Christ durch den Heiligen Geist in Verbindung mit Gott, für die Zukunft steht die vollendete Erlösung aus.

Eschatologie

Seit der Reformation sind sich die Theologen darüber einig, dass die theologischen Gedanken des Paulus in ihrem Zentrum um eine Theologie der Erlösung kreisen. Die Mitte des paulinischen Erlösungsdenkens bildet dabei die "präsentische Gemeinschaft mit Christus": Durch sein Sterben am Kreuz besiegte der Christus Jesus den Tod und die Sünde, die Mächte des alten Äons, und die Glaubenden wurden mit Christus gekreuzigt, auferweckt und verherrlicht (Gal 2,20; Eph 2,5-7). In Christus sind die Glaubenden in das neue Äon eingegangen (Röm 6), was sich für den einzelnen Christen in der Gabe des Geistes äußert (Röm 8,23f). Trotzdem bleibt der einzelne Christ in siner Sterblichkeit dem alten Äon verhaftet, kann jedoch in der Hoffnung auf grundlegende Neuerung leben (Röm 8,29), die mit der Wiederkehr Christi Einzug halten wird für alle Glaubenden und die gesamte Schöpfung Gottes.

Das Heilsgeschehen

Paulus geht davon aus, dass Christus für uns gestorben ist. Da Gott nun nichts veranlasst, was nicht notwendig ist, muss dieser Tod Christi notwendig gewesen sein. Er war notwendig für die Erlösung der Menschen. In diesem Sinne ist des Apostels Aussage "aus dem Gesetz wird niemand gerecht" zu verstehen: Die Erlösung des Menschen ist allein durch den Glauben an die Heilstat möglich. Aus dem Gesetz allein heraus ist sie nicht möglich. Denn wäre sie möglich, dann wäre der Tod Christi nicht notwendig gewesen!

Damit ist das Zentrum der paulinischen Theologie angeschnitten: die Frage nach der Rechtfertigung aus dem Glauben. Bekannt ist die Wendung "aus Glauben wird der Mensch gerecht, nicht aus den Werken des Gesetzes" (vgl. Gal 2,15-21). Paulus will damit ausdrücken, dass nicht das jüdische Gesetz den Weg zum Heil darstellt, sondern der Glaube. Er exemplifiziert dies am Beispiel Abrahams (Gal 3,6-14), der von Gott im Alten Testament als Beispiel eines Gerechten gerühmt wird, wohingegen das jüdische Gesetz erst später eingeführt wird. Für Paulus ist Abraham das Beispiel dafür, dass man vor Gott gerecht wird, auch ohne das jüdische Gesetz.

Paulus argumentiert (Gal 3,6-14), dass Gott Abraham die Zusage des Heils gegeben hat. Erst danach hat Gott das Gesetz eingeführt, um vor der Macht der Sünde zu schützen. Mit der Sendung Christi aber ist die Macht der Sünde gefallen; Christus ist die Erfüllung der Heilsverheißung an Abraham. Das Gesetz hat und hatte nie Heilsfunktion, sondern nur Schutzfunktion.

In der gegenwärtigen theologischen Forschung stark umstritten ist die Frage, was Paulus meint, wenn er sagt, "aus Werken des Gesetzes wird niemand gerecht". Hatte Luther noch gemeint, Paulus drücke damit aus, dass jeder Versuch das Gesetz zu erfüllen eine Art Selbstgerechtigkeit wäre, so wird heute eher angenommen, Paulus wolle auf die Nichtigkeit des Gesetzes für die Heilserlangung hinweisen: Egal ob ich das Gesetz erfülle oder nicht, dies bedeutet nichts für das Heil. Das Gesetz hat keine Heilsfunktion mehr, weil es jetzt Christus gibt (so Ed Parish Sanders); das Gesetz hat keine Heilsfunktion, weil Gott auch nichtjüdische Gläubige unter dem Heil wissen will (so James Dunn); das Gesetz hatte noch nie Heilsfunktion (so Michael Bachmann).

Ethik

Das von Gott gegebene Gesetz kann nicht zur Erlösung führen. Dennoch ist es für Paulus ein gutes, heiliges und gerechtes Gesetz. Denn durch den Akt des Glaubens ist der Mensch befreit von der Macht der Sünde und befähigt, das Gesetz Christi zu erfüllen. Grundlage des Gesetzes ist das Liebesgebot Christi. Keine Grundlage hingegen sind äußerliche Rituale wie Beschneidung u.ä.

Bedeutung und Wirkung

Paulus wird von allen Konfessionen als herausragender Verkünder Jesu Christi angesehen und geachtet, wohl am stärksten im Protestantismus. Seine christozentrische Lehre und das Absehen von den jüdischen Ritualvorschriften begünstigten die Ausbildung der neuen Religion und beeinflussten die Kirchengeschichte maßgeblich.

In der Nachfolge paulinischer Theologie entwickelten u.a. Augustinus von Hippo (4./5. Jh.), Martin Luther (15./16. Jh.) und Karl Barth (19./20. Jh.) ihre Theologie. Andererseits ist Paulus auch mindestens seit der frühen Neuzeit ein beliebtes Ziel von Angriffen durch Kritiker des bestehenden Christentum, die ihm häufig vorwerfen, die Lehre Jesu in diese oder jene Richtung verfälscht zu haben.

In der katholischen Weltkirche ist Paulus Schutzpatron der Theologen und Seelsorger, Weber, Zeltwirker, Korbmacher, Seiler, Sattler und Arbeiterinnen sowie der katholischen Presse. Er wird als Heiliger angerufen für Regen und Fruchtbarkeit der Felder und gegen Furcht, Ohrenleiden, Krämpfe und Schlangenbiss. In der Kunst wird er gewöhnlich als kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und/oder Schwert dargestellt.

Der Gedenktag von Paulus (und Petrus) ist der 29. Juni.

Siehe auch

Literatur

Historisch-kritische Gesamtdarstellungen

Theologie des Paulus

  • Claudia Janssen,Luise Schottroff, Beate Wehn, Paulus, Gütersloh 2001 Neuste Forschungen zu Paulus mit Einordnung in die damalige gesellschaftliche, soziale und politische Situation mit einem feministisch-theologischen Ansatz
  • Georg Eichholz: „Die Theologie des Paulus im Umriss.“ Neukirchen-Vluyn 1991 (Standardwerk: sieht Paulus als Begründer der reformatorischen Rechtfertigungslehre und betont seine Treue zu Israel)
  • Hans Hübner: „Biblische Theologie des Neuen Testaments“, Band 2: „Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte.“ Göttingen 1993
  • Ernst Käsemann: „Gottesgerechtigkeit bei Paulus.“ in: „Exegetische Versuche und Besinnungen“, Band 2, Göttingen 1964, S. 181-193 (bahnbrechender Aufsatz, der die Rolle der spätjüdischen Apokalyptik für Paulus betont und darin die Kontinuität zu Jesus und der Urgemeinde sieht)
  • Albert Schweitzer: „Die Mystik des Apostels Paulus.“ 1930 (ein älteres Standardwerk, das Paulus gegen Luther abgrenzt)
  • Gerd Theißen: „Psychologische Aspekte paulinischer Theologie.“ Göttingen 1993 (Exegese anhand von vier psychologischen Methoden)

Biographie/Chronologie des Paulus

  • Friedrich Wilhelm Horn, „Das Ende des Paulus“, Berlin 2001, ISBN 3110170019 (Aufsatzsammlung zur Endphase im Leben des Paulus)
  • Rainer Riesner, „Die Frühzeit des Apostels Paulus“, Tübingen 1994, ISBN 3161458281 (entgegen dem Titel eine vollständige Darstellung der Biographie des Apostels, sehr detailliert und fundiert)
  • Alfred Suhl, „Paulus und seine Briefe“, Gütersloh 1975, ISBN 3579044508 (Auswertung der biographischen Selbstaussagen des Apostels in seinen Briefen)
  • Holger Zeigan, „Aposteltreffen in Jerusalem“, Leipzig 2005, ISBN 3374023150 (neueste Erscheinung zur Biographie des Paulus, schwerpunktmäßig mit dem Apostelkonvent von Gal.2 beschäftigt)

Außerchristliche Darstellungen

Commons: Apostel Paulus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Biografie

Theologie

Anmerkungen

  1. Radio Vatikan: Vatikan: Paulusgrab freigelegt, 5. Dezember 2006