Nürnberger Prozesse
Der erste Nürnberger Prozess gegen die 24 Hauptangeklagten der nationalsozialistischen Führung im Zweiten Weltkrieg begann am 20. November 1945 in Nürnberg vor einem eigens eingerichteten Ad-hoc-Strafgerichtshof, dem Internationalen Militärgerichtshof (auch IMG, engl. International Military Tribunal – IMT; franz. Tribunal militaire international – TMI). Den Angeklagten wurden Verbrechen gegen den Frieden, Vorbereitung eines Angriffskrieges, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Zu den Nürnberger Prozessen gehören auch die Folgeprozesse gegen Ärzte, Juristen, führende Personen aus der Wirtschaft u. a., insgesamt 177 Personen, die vor US-amerikanischen Militärgerichten stattfanden.
Vorgeschichte
In der Moskauer"Erklärung über deutsche Grausamkeiten im besetzten Europa" vom 30. Oktober 1943 hatten die Alliierten ihre Absicht erklärt, nach dem Krieg diese Verbrechen zu verfolgen. Deutsche, die in einem besetzten Land Verbrechen begangen hatte, sollten ausgeliefert werden und nach dort geltendem Recht verurteilt werden. Die "Hauptverbrecher" aber, deren Verbrechen nicht einem bestimmten Land zugeordnet werden konnten, sollten nach einer noch zu fällenden gemeinsamen Entscheidung der Alliierten bestraft werden. 1943 wurde die United Nations War Crimes Commission gegründet, die Vorschläge für eine strafrechtliche Verfolgung erarbeitete. Sie wurden die Grundlage für das Abkommen über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse und das Statut für den Internationalen Gerichtshof, das die vier Alliierten 1945 vereinbarten.
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher
Die vier alliierten Siegermächte fanden sich 1945-1946 zum Nürnberger Prozess zusammen. Angeklagt waren die obersten Vertreter des NS-Staates, die man hatte festsetzen können. siehe: Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (20. November 1945 – 1. Oktober 1946)
Die Nürnberger Nachfolgeprozesse
In den zwölf Nachfolgeprozessen vor US-amerikanischen Militärgerichten wurden angeklagt:
- 39 Ärzte und Juristen
- 56 Mitglieder von SS und Polizei
- 42 Industrielle und Bankiers
- 26 militärische Führer
- 22 Minister und hohe Regierungsvertreter
Von den Angeklagten wurden 35 freigesprochen. 24 wurden zum Tode verurteilt, 20 zu lebenslanger Haft und 98 zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und 25 Jahren. Am 31.Januar 1951 setzte der Hochkommissar John McCloy zahlreiche Strafen herab. Von den zum Tode verurteilten, für die sich unter anderen der Bundeskanzler Konrad Adenauer verwendet hatte, wurden zwölf hingerichtet, elf zu Haftstrafen begnadigt und einer an Belgien ausgeliefert, wo er in Haft starb.
- Fall I Ärzte-Prozess (9. Dezember 1946 – 20. August 1947)
- Fall II Milch-Prozess (Generalfeldmarschall Erhard Milch, 2. Januar – 17. April 1947)
- Fall III Juristenprozess (17. Februar – 14. Dezember 1947)
- Fall IV Prozess Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS (SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, 13. Januar – 3. November 1947)
- Fall V Flick-Prozess (Flick-Konzern, 18. April – 22. Dezember 1947)
- Fall VI I.G.-Farben-Prozess (I.G. Farben, 14. August 1947 – 30. Juli 1948)
- Fall VII Prozess Generäle in Südosteuropa (Geisel-Prozess) (15. Juli 1947 – 19. Februar 1948)
- Fall VIII Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS (Rasse- und Siedlungshauptamt, 1. Juli 1947 – 10. März 1948)
- Fall IX Einsatzgruppen-Prozess (Einsatzgruppen, 15. September 1947 – 10. April 1948)
- Fall X Krupp-Prozess (Krupp-Konzern, 8. Dezember 1947 – 31. Juli 1948)
- Fall XI Wilhelmstraßen-Prozess (Auswärtiges Amt und andere Ministerien, 4. November 1947 – 14. April 1948)
- Fall XII Prozess Oberkommando der Wehrmacht (Oberkommando der Wehrmacht, 30. Dezember 1947 – 29. Oktober 1948)
Weitere Prozesse wegen nationalsozialistischer Verbrechen
- Auschwitz-Prozesse
- Bergen-Belsen-Prozess
- Curiohaus-Prozess
- Dachauer Prozesse
- Fliegerprozesse
- Majdanek-Prozess
- Malmedy-Prozess
- Ravensbrück-Prozesse
- Treblinka-Prozess
- Ulmer Einsatzgruppen-Prozess
- Eichmann-Prozess vor einem Israelischen Gericht
Siehe auch
- Leipziger Prozesse
- Der Nazi-Plan – Der amerikanische Originalfilm von 1945 kurz: The Nazi Plan
- Londoner Statut
Literatur
- Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. November 1945 – 1. Oktober 1946. Amtlicher Text Verhandlungsniederschriften. Nürnberg 1947; Fotomechanischer Nachdruck: Frechen 2001, Bände 1–23 mit 15284 Seiten, Verlag: Komet (Januar 2001), ISBN: 3-8983-6121-7
- Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. November 1945 – 1. Oktober 1946. Amtlicher Text Urkunden und anderes Beweismaterial. Nürnberg 1947; Fotomechanischer Nachdruck: München/Zürich 1984, Bände 1–18. ISBN 3-7735-2520-6
- Henry Bernhard (Hrsg.): Ich habe nur noch den Wunsch, Scharfrichter oder Henker zu werden, Briefe an Justice Jackson zum Nürnberger Prozess. Mitteldeutscher Verlag, Halle/S 2006. ISBN 389812-406-1
- Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1999. ISBN 3596135893
- Steffen Radlmaier (Hrsg.): Der Nürnberger Lernprozess – Von Kriegsverbrechern und Starreportern, Frankfurt am Main 2001. ISBN 3821845031
- Alfred Seidl: Der Fall Rudolf Hess 1941–1987. Dokumentation des Verteidigers. München 1997
- Werner Maser: Nürnberg – Tribunal der Sieger. Düsseldorf 1977. ISBN 3430163552
- August von Knieriem: Nürnberg. Stuttgart 1953.
- Bradley F. Smith: Der Jahrhundert-Prozess. Frankfurt am Main 1977. ISBN 3100772016
- Peter Heigl: Nürnberger Prozesse – Nuremberg Trials. Verlag Hans Carl, Nürnberg 2001. ISBN 3-418-00388-5
- Klaus Kastner: Die Völker klagen an. Der Nürnberger Prozess 1945 – 1946, Darmstadt: Primus-Verlag, 2005, 166 S., ISBN 3-89678-549-4 (Klaus Kastner, geb. 1936, ist Präsident des Landgerichts Nürnberg a.D. und Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg)
- Benjamin Ferencz Von Nürnberg nach Rom. Rückblick. Ein Leben für die Menschenrechte in: Aufbau. Das jüdische Monatsmagazin. Zürich: Februar 2006 (72.Jg., Nr. 2) S. 6 ISSN 0004-7813 (B.F. war u.a. Chefankläger im Einsatzgruppen-Prozess)
- Annette Weinke: Die Nürnberger Prozesse, München: C.H. Beck 2006, ISBN 3406536042
Weblinks
- Oberlandesgericht Nürnberg. Beitraege zur Rechtsgeschichte. Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse (1945–1949)
- LeMO: Lebendiges virtuelles Museum Online. Nürnberger Prozesse
- Der Nürnberger Prozess – Versuch einer juristischen Annäherung
- Informationen zum Ort des Prozesses
- Bildungszentrum Stadt Nürnberg. BZ-Materialien, Band 1, Gabi Mueller-Ballin, Die Nürnberger Prozesse 1945–1949, Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse
- Die Vollstreckung der Urteile der Nürnberger Prozesse
- SPIEGEL TV (Themenabend vom 31. August 2001, 22:05 Uhr, VOX). NS-KRIEGSVERBRECHEN: Die Chronik des Nürnberger Prozesses
- Originaldokumente der Nürnberger Prozesse. Harvard Law School. (engl.)
- Recht gegen Unrecht: Das Militärtribunal in Nürnberg - Unterrichtseinheit für die 9./10. Klasse (Autor: Stefan Schuch)
- Nürnberger Prozesse (und andere) auf Trial Watch