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Trägheitsrad

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Datei:V2Gyro.jpg
Gyroskop einer A4 (V2) Rakete
Ein Gyroskop der ISS

Ein Trägheitsrad, auch Gyroskop oder Drallrad, ist ein Typ Kreisel, der von Raumflugkörpern zur Änderung von Winkelbewegungen, ohne den Treibstoffverbrauch von Raketentriebwerken, benutzt wird. Ein Gyroskop erhöht durch die Massenträgheit seiner Rotationskörper die Ausrichtungsgenauigkeit von Raumflugkörpern und kann so die Treibstoffmenge, die sonst zur Korrektur der Fluglage bzw. der Flugbahn benötigt würde, reduzieren. Es stellt somit die aktive (momenterzeugende) Anwendung des Kreiselprinzips im Gegensatz zur passiv messenden bei Inertialen Navigationssystemen oder Kreiselkompassen dar.

Dreidimensionales System von Kreiseln

Typischerweise hat ein Flugkörper mehrere Kreiselsysteme, die entsprechend den drei Raumschiffhauptachsen ausgerichtet sind. Wenn eine Änderung dieser Ausrichtung gewünscht ist, wird durch Beschleunigung oder Abbremsung der Drehgeschwindigkeit ein Drehmoment in die eine oder andere Richtung erzeugt. Bei Erreichen der gewünschten Richtung wird die Bewegung durch einen entgegengesetzten Impuls gestoppt. Um die Ausfallsicherheit zu erhöhen werden meist mehrere Gyroskope (z.B. 6 im Hubble-Weltraumteleskop, 4 in der Internationale Raumstation (ISS)) in langlebige Raumflugkörper installiert. Dabei kann jedes Gyroskop jede Grundrichtung einnehmen.

Diese Gyroskope sind üblicherweise als spezielle Art von Elektromotoren ausgebildet, so dass eine elektronische Computersteuerung möglich ist. Die Beschaffenheit des Kreisels bestimmt die Bewegungsgeschwindigkeit des Kreisels und damit das speicherbare Winkelmoment. Da die Kreisel nur einen kleinen Teil der Gesamtmasse des Raumflugkörpers ausmachen, können mit genau bestimmbaren Geschwindigkeitsänderungen sehr feine Winkeländerungen erreicht werden. Darum kommen Trägheitskreisel oft bei Flugkörpern mit Kameras oder Teleskopen zum Einsatz.

Probleme von Kreiselsystemen

Im Lauf der Zeit summieren sich die in den Kreiselsystemen gespeicherten Energien, das heißt die Drehzahlen der Räder nehmen zu. Durch den Einsatz von Triebwerken müssen diese von Zeit zu Zeit ausgeglichen werden, damit die Drehzahlen nicht in Bereiche kommen, in denen sich das Rad selbst zerstören könnte. Entwickler kombinieren daher Kreisel mit anderen Lageregelungssystemen.

Die effektivste Art von Zusatztriebwerken sind nach heutigem Kenntnisstand möglicherweise hocheffiziente Steuerungstriebwerke mit Ionenantrieb oder kleine, leichte Sonnensegel an Auslegern oder am Ende von Solarzellenflächen.

Die meisten Raumflugkörper müssen aber auch schnellere Ausrichtungsänderungen bewerkstelligen können während sie sich die Zusatzmasse von drei Orientierungssystemen oftmals nicht erlauben können. Daher nutzen die Entwickler in diesen Fällen auch oft kleine, konventionelle Raketenantriebe mit einer Treibstoffkomponente die speziell zum Ausgleich der Winkelmomente und zur Durchführung schnellerer Ausrichtungsmanöver vorgesehen sind.

Besonders bei kleinen Satelliten, deren Bahn elliptisch ist und die sich weiterhin auch phasenweise über den magnetischen Pol-Regionen der Erde aufhalten, ist es möglich in diesen Flugphasen per Interaktion mit dem dort stärkeren Erdmagnetfeld wieder Drallrad-Energien abzubauen. Damit kann zumindest ein Teil der Drallrad-Energie mit relativ geringem Aufwand wieder abgebaut werden. Die Flugbahn des Objekts sollte im Idealfall dadurch nicht beeinflusst werden. Ein Beispiel hierzu ist der experimentelle Amateur-Satellit AMSAT-OSCAR 40, der während seines Baus auch als Phase 3D (kurz: P3D) bekannt war.

Siehe auch