Bandoneon

Das Bandoneon, auch Bandonion, ist ein von Heinrich Band konstruiertes Handzuginstrument, das aus der Konzertina entwickelt wurde.
Aufbau


Das Gehäuse des Bandoneons ist quadratisch. Zwischen zwei Stirnstücken ist ein Balg aus Holzrahmen (Erlen- oder Ahornholz) und Ziegenleder befestigt. Durch Aufziehen und Zudrücken entsteht ein Unter- oder Überdruck. Über Knöpfe an den Stirnseiten können Ventile geöffnet werden. Die so durchströmende Luft bringt Metallzungen verschiedener Tonhöhen zum Schwingen. Die Zungen sind in sogenannten Stimmstöcken angeordnet. Die meist gebräuchliche Oktavverdopplung (ab 1868, als die Bandoneons erstmals zweichörig gebaut wurden) jedes Tones ergibt eine unverwechselbare, sich von den anderen Harmonikainstrumenten abhebende Klangfarbe.
Geschichte und Erfinder
Carl Friedrich Zimmermann begann ab 1849, Harmonikas zu bauen, welche er zuvor bei Carl Friedrich Uhlig (* 23. April 1789 in Chemnitz ; † 9. Juli 1874 ebenda) kennengelernt hatte. Er nannte seine Instrumente Concertina. Hierbei handelte es sich um ein Handzuginstrument, das einen Tonumfang von bis zu 102 Tönen (Schefflersche Tonlage) umfasst. Vermutlich war Zimmermann der erste, der diesen englischen, auf Charlies Wheatstone (1802-1872) zurückgehenden Begriff auf diesen speziellen deutschen Harmonika-Typus anwandte. Musikhistorisch gibt es inzwischen keinen Zweifel mehr daran, dass das verbesserte Concertina-Griffsystem nicht auf Zimmermann, sondern tatsächlich auf den Krefelder Musiklehrer Heinrich Band zurückgeht. Es ist nachgewiesen, dass Heinrich Band zunächst in Böhmen Konzertinas aufkaufte, an denen er als erster maßgebliche Veränderungen an dieser Art von Instrument vorgenommen hat, weil er den geringen Tonumfang (54 Töne) der damaligen Konzertinas unzureichend fand. Diese neuen Instrumente nannte Band „Bandonion“ und verkaufte sie ausschließlich in seinem Krefelder Musikaliengeschäft, das er von seinem Vater übernommen hatte. Band fertigte zuerst 64-tönige, später 88-tönige Instrumente, die rechts 23 und links 21 Tasten besaßen. Der Tonumfang betrug auf der Melodieseite vom c bis e3, auf der Bassseite vom D bis d´.
Einer weiteren Annahme zufolge erlernte Band bereits 1840 bei Uhlig in Chemnitz die Concertina und benutzte sie für sein Krefelder Stadtorchester. Die Concertina verfügte damals über nur 54 Töne. Aus dieser praktischen Arbeit im Orchester entwickelte er 1846, also schon drei Jahre vor Zimmermann, ein 100-töniges Instrument, welches er „Bandonion“ nannte. (vgl. Enkel Alfred Band, 1926)
Nicht stichhaltig erwiesen ist die oft angeführte These, Band hätte sich für den Vertrieb seiner Instrumente mit mehreren Geschäftspartnern und Musikgeschäftinhabern in anderen Städten zur sogenannten „Band Union“ zusammengeschlossen, die prägend für den Namen des Instrumentes gewesen sein soll. Sehr viel wahrscheinlicher ist wohl, dass sich Band am kommerziellen Erfolg des anderen Harmonika-Typs, den man damals Accordion schrieb, orientierte. Dieses Wort war eine Neuschöpfung, es setzte sich aus dem italienischen „Accord“ und der altgriechischen Endung „ion“ zusammen. „Ion“ hat auch eine mythologische Bedeutung, die wörtliche Bedeutung ist in etwa „das Gefundene“. „Accordion“ war damit ein früher, gut klingender Markenname, der wohl einiges zum Erfolg des 1829 kreierten Instrumentes beitrug. Man kann „Ion“ aber auch mit „in Bewegung“ übersetzen; das Bandonion wurde von vielen Orchestern hauptsächlich im Gehen bzw. bei Umzügen getragen. Daher wurden früher die Ösen für den Halsgurt oben an dem Balg platziert. Für den 1834 auf C.F. Uhlig in Chemnitz zurückgehenden neuen Harmonika-Typ hatte man lange Zeit keinen griffigen Markennamen. Man nannte das vom Accordion unterschiedliche Instrument anfangs „Accordion neuer Art“ oder ganz einfach „Harmonika“. Vermutlich 1851, mit der Weltausstellung in London, wandte C. F. Zimmermann, wie anfangs bereits erwähnt, erstmals den englischen Begriff „Concertina“ auf das deutsche Instrument an, obwohl es sich wiederum von dem englischen Instrument unterschied. Deshalb nannte man es später etwas korrekter „deutsche Concertina“ bzw. „Konzertina“. Band war hier insofern clever, als er für seine Kreation, die wiederum nur eine Variante der seit zwanzig Jahren existierenden deutschen Concertina war, einen eigenen, wohlklingenden und unverwechselbaren Namen kreierte. Vermutlich, weil er das Wort „Bandion“ als nicht schön klingend empfand, fügte Band noch eine Silbe ein, und es entstand das „Bandonion“.
Das Bandoneon wurde sehr schnell über die Stadtgrenzen Krefelds hinaus in ganz Deutschland bekannt und geschätzt. Band verbesserte den Tonumfang von 106 auf 112, dann auf 128 und zuletzt auf 130 Töne. 1924 wurde vom Deutschen Konzertina- und Bandoneon-Bund ein sogenanntes „Einheitsbandoneon“ mit 72 Tasten und 144 Tönen festgelegt. Davon sind die meisten Tasten wechseltönig.
Bemerkung: Bei Bandoneons und Konzertinas rechnet man für den Tonumfang die Anzahl der Tasten mal zwei. Die wirkliche Anzahl der verschiedenen Töne für links oder rechts entspricht jedoch ungefähr der Anzahl der Tasten.
Das Bandoneon wird heutzutage nicht mehr umgehängt, sondern auf den Knien gehalten. Um 1900 entstanden in Deutschland innerhalb der Arbeiterbewegung viele Bandoneonvereine (1939 gab es ca. 686 Vereine), die sich dem Zusammenspiel zumeist einfacher Volksmusik verschrieben hatten. Noch in den 30er Jahren gehörte das Bandoneon zum Grundinstrumentarium der Tanz- und Unterhaltungskapellen. Nach 1950 gab es sehr viele Bandoneonvereine, in denen hauptsächlich im vierstimmigen Satz zusammen gespielt wurde.
In Deutschland wurde das Bandoneon allmählich durch das einfacher spielbare Akkordeon verdrängt. Speziell, um die Erlernung des Bandoneons zu vereinfachen, wurde ein Zahlensystem entwickelt, eine Art Tabulatur. Dies führte dazu, dass Bandoneonspieler keine Noten erlernten bzw. meistens nicht nach Noten spielen können und alle Werke auf dieses Zahlensystem, das sogenanntes Waschleinensystem mit Zahlen und Notenwertangaben umgeschrieben werden müssen.
Nach Argentinien gelangte das Bandoneon vermutlich zunächst über die USA. Der deutsche Einwanderer Wilhelm Seyffardt ließ sich 1855 von seinem Bruder in Krefeld ein „Accordion“ nach Amerika schicken, dies war auf jeden Fall ein „Bandonion“. Vermutlich haben Seeleute es dann weiter bis nach Argentinien verbreitet. Dort ist das Instrument durch den Tango Argentino zu einem Volksinstrument geworden und wird (meist als eine ältere Version, die „Rheinische Lage“, 71 Tasten, 142 Töne) nach Noten gespielt und gelehrt.
Aus Argentinien ist es dann mit der neuen Spielweise und dem Tango zurück nach Europa gekommen. Bandoneon kann in Europa in Paris und Rotterdam studiert werden.
Am berühmtesten sind die Instrumente aus der nicht mehr existierenden Fabrik von Alfred Arnold. Heute gibt es nur noch eine Handvoll Bandoneonbauer, die meist individuell nach Bestellung bauen.
Aus dem Bandoneon wurde ein anderes Handzuginstrument, die Symphonetta entwickelt.
Heutige Knopfsysteme
Es werden Bandoneons mit folgenden Knopfsystemen hergestellt:
Wechseltönig
Wird mit vier Fingern gespielt.
- Rheinische / Argentinische Lage, Tonumfang 142 oder 152. Nicht völlig chromatisch (es fehlen Noten). Die Anordnung der Tasten ist nicht für alle Hersteller gleich.
- Einheits-Bandoneon, Tonumfang 144. Tonbereich rechts: g bis a3, links: B bis b1. Die Fingersätze sind einfacher als bei der Rheinischen Lage.
Gleichtönig
Wird mit 4 Fingern gespielt. Die Knopfanordnung für einen Teil der Tasten basiert auf dem C-Griff. Alle drei Systeme sind rechts identisch. 40 Tasten. Tonbereich a bis b3 (39 Tönen). Der Tonbereich ist um 2 Töne verschoben in Bezug auf das Einheits-Bandoneon. Auf der linken Seite lassen sich folgende Systeme unterscheiden:
- französischer C-Griff (Peguri), Tonumfang 146. 33 Tasten. Tonbereich Fis bis cis2 (32 Töne)
- französischer C-Griff (Manouri), Tonumfang 148. 34 Tasten. Tonbereich C bis a1 (34 Töne)
- traditioneller C-Griff: Tonumfang 154. 37 Tasten. Tonbereich B bis b1 (37 Töne)
Gleichtönig völlig C-Griff oder B-Griff
Kann mit fünf Fingern gespielt werden. Das Knopfsystem ist ähnlich dem Knopfakkordeon und deshalb viel leichter zu erlernen. Die Anzahl der Tasten geht von 2 x 37 bis 2 x 39.
Literatur für Bandoneon
- Konzert für Bandoneon, Lothar Hensel, Johannes Goritzki u. Deutsche Kammerakademie Neuss (Kompositionen von Astor Piazzolla), 1996, Capriccio 10 565 (CD)
- Tres movimientos tanguísticos porteños, Konzert für Bandoneon, Josep Pons und Orquestra de Cambra Teatre Lliure, 1996, Harmonia Mundi France HMC 901595 (CD)
- Film zum Tanztheater Bandoneón, Pina Bausch en Buenos Aires. Argentinien, 45 Minuten, Regie: Milos Deretich, Gabriela Schmidt, Gabriela Massuh; Produktion: Goethe-Institut Buenos Aires, Musik: Astor Piazzolla
- Bandoneon Schule, Peter Fries, Apollo-Verlag Paul Lincke Mainz
Weblinks
Hersteller: