Zum Inhalt springen

Aktion Weichsel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. September 2004 um 14:40 Uhr durch 134.100.1.174 (Diskussion) (== Literatur ==). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.


Die sogenannte Akcja Wisła (deutsch: Aktion Weichsel) bezeichnet die Zwangsumsiedlung ethnischer Ukrainer innerhalb Polens nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vorgeschichte

Als Folge des Weltkrieges kam es zur Westverschiebung Polens. Damit einher ging der Wunsch seiner neuen kommunistisch geprägten Regierung, einen ethnisch homogenen Nationalstaat ohne Minderheiten zu schaffen.. Zu diesem Zweck kam es noch während des Krieges zum Abschluss mehrerer Repatriierungsabkommen zwischen dem Lubliner Komittee und den an Polen angrenzenden sowjetischen Teilrepubliken. Diese Verträge sahen einen Bevölkerungsaustausch auf freiwilliger Basis vor. Nach Ablauf der Abkommen wurden diese zwar mehrmals verlängert. Dennoch blieben im Südosten des neuen Polens tausende Ukrainer in direkter Grenzlage zur Ukrainischen SSR. Diese Region befand sich zudem in einem Zustand des Bürgerkrieges. Die UPA (Ukrainische Widerständigen Armee), eine ukrainisch-nationalistische Organisation kämpfte unter ständigem Wechsel der Bündnispartner seit 1943 für die Errichtung eines nicht-kommunistischen ukrainischen Nationalstaates. Sie war unter anderem für Massaker an polnischen Zivilisten in Wolhynien verantwortlich und wurde sowohl von polnisch-kommunistischer als auch von sowjetischer Seite bekämpft.

Planung

Nach dem Misserfolg der Repatriierung der Ukrainer in die Sowjetunion plante die polnische Regierung die Lösung der ukrainischen Frage innerhalb des eigenen Staates. Im November 1946 wurde dem Generalsekretär der PPR und Minister für die so genannten Wiedergewonnen Gebiete (Ehemalige Deutsche Ostgebiete), Władysław Gomułka, ein Bericht des Chefs des Generalstabs der Polnischen Armee, des Generals Ostap Steca, vorgelegt. Darin wurde eine Art Konzept für die Lösung der ukrainischen Frage durch die Zwangsumsiedlung in die Wiedergewonnen Gebiete vorgeschlagen. Steca ging davon aus, dass man zukünftig nicht mit der Loyalität dieser Bevölkerung gegenüber dem Staat rechnen könnte.

Die ersten konkreten Vorbereitungen der Akcja Wisła begannen im Januar 1947. Die in Südostpolen stehende Polnische Armee erhielt die Aufgabe, Listen mit ukrainischen und auch gemischt-ukrainischen Familien zu verfassen. General Mossor, Vizechef der Generalstabs der Polnischen Armee, legte anschließend dem Verteidigungsminister Zymierski einen Bericht vor, in dem er vorschlug, die ukrainische Bevölkerung in einzelnen Familien in den Wiedergewonnenen Gebieten zerstreut umzusiedeln, wo sie sich schnell assimilieren werden.

Als rechtliche Grundlage für die Zwangsumsiedlung diente ein Gesetz vom 9. Juli 1937 über den Schutz der Staatsgrenzen. Darin wurde festgehalten, dass zur Sicherung und zum Schutzes des Grenzgebietes eine Ausweisung nicht polnischer Bewohner legitim sei.

Auf einer Sitzung der polnischen Landessicherheitskommission am 27. März 1947 stellte General Mossor das Konzept für die Umsiedlung der Ukrainer vor. Die Ermordung General Karol Swierczewski an nächsten Tag wird offiziell Aktivisten der UPA zur Last gelegt. Inwieweit dies tatsächlich zutrifft ist umstritten, da eindeutige Beweise fehlten. Auf jeden Fall erhoilt die beabsichtigte Zwangsumsiedlung damit eine größere öffentliche Legitimation. Diese wurde durch eine verstärkte antiukrainische Propaganda versucht noch weiter zu erhöhen.

Am 11. April 1947 bestätigte das Politbüro des Zentralkomitees der Polnischen Arbeiterpartei den Plan der Umsiedlungsaktion. General Mossor wurde zu derem Leiter bestimmt. Drei Tage später, am 14. April 1947, wurden bei einer Besprechung im Ministerium für die Wiedergewonnen Gebiete unter Beteiligung von Vertretern des Ministeriums für öffentliche Verwaltung, des PUR (Staatliches Amt für Repatriierung) und der Polnischen Armee Richtlinien für die Durchführung der Akcja Wisła erarbeitet.

Aufgrund dieser Bestimmungen sollten die Ukrainer im Nordwesten Polens mit einem Mindestabstand zur Landesgrenze von 50 km und zur Seegrenze von 30 km neu angesiedelt werden. Sie sollten zudem nicht mehr als 10 % der Bevölkerung in ihren neuen Heimatorten ausmachen. Polnische Schätzungen gingen von noch etwa 74.000 Ukrainern in Südostpolen aus. Viele Ukrainer versteckten sich jedoch noch in Wäldern oder in der Tschechoslowakei.

Am 16. April 1947 wurden dem Politbüro der Polnischen Arbeiterpartei diese Planungen vorgestellt. Die Aktion wurde von Akcja Wschod (deutsch: Aktion Ost) Akcja Wisła umbenannt und genehmigt. Auf diplomatischen Wegen werden die Regierungen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei über die Umsiedlung informiert und gebeten, die Grenzen zu Polen zu blockieren.

Durchführung

Die Durchführung der Akcja Wisła begann am 28. April 1947 um vier Uhr morgens. Sie verlief immer nach dem gleichen Muster. Nachdem ein Dorf von der Polnischen Armee umstellt worden war, hatten die Bewohner wenige Stunden Zeit nur das Notwendigste zu packen. Im Anschluss wurden sie mit bewachten Zügen deportiert. Personen, die in Verdacht geraten waren mit dem ukrainischen Untergrund zu kooperieren, wurden im ehemaligen Außenlager des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in Jaworzno inhaftiert. Annähernd 4000 Personen, darunter auch Frauen und Kinder, wurden hier in Folge der Akcja Wisła untergebracht. Die UPA versuchte teilweise die Transporte zu verhindern.

Die Akcja Wisła dauerte drei Monate und war am 28. Juli 1947 beendet. Sie lässt sich in zwei Etappen unterteilen:

1. Etappe: Umsiedlung der ukrainischen Bewohner aus den Kreisen Sanok, Lesko, Przemysl, Brzozow und Lubaczow

2. Etappe: Umsiedlung der ukrainischen Bewohner aus den Kreisen Jaroslaw, weiter Lubaczow, Tomaszow und Lubelski.

Einher mit den Zwangaumsiedlungen geht in diesen Gebieten der Kampf gegen die die ukrainischen Aufständischen der UPA.

In der Akcja Wisła wurden etwa 150.000 Ukrainer umgesiedelt. Einziges Kriterium dabei war ihre Nationalität. Betroffen waren somit auch Ukrainer die pro-kommunistisch waren oder als Soldaten der polnischen Volksarmee gedient hatten.

Nach dem Ende der Akcja Wisła wurden verschiedene administrative Hürden geschaffen, welche die Rückkehr der Ukrainer in ihre alte Heimat verhindern sollten. In einem Dekret vom 27. September 1947 wurden die Ukrainer ihrer alten Besitztümern enteignet. Durch ein weiteres Dekret vom 28. August 1949 gingen die griechisch-orthodoxe Kirchen in staatlichen Besitz über.

Nachwirkungen

Die Umsiedlung der polnischen Ukrainer hatte nicht ihre kulturelle Auslöschung zur Folge. Schon zu Zeiten der Volksrepublik Polen fand am 18. Juni 1956 in Warschau das 1. Allgemein-ukrainische Treffen statt. 239 Delegierte sprachen dabei im Namen von angeblich 250.000 Ukrainern. Bei diesem Treffen verurteilte der polnische Innenminister Jarosiłski in einer Rede die Durchführungsmethoden während der Umsiedlungsaktion. Kurze Zeit nach dem Treffen verurteilte das polnische Innenministerium, einst der Haupttäter der Akcja Wisła, am 26. August 1956 auch offiziell die Aktion. Nach der politischen Wende in Polen missbilligte der polnische Senat am 3. August 1990 die Zwangsumsiedlung der Ukrainer. Einen entsprechenden Beschluss des Sejm gibt es noch nicht.

Laut Volkszählung des Jahres 2002/2003 bezeichnen sich in Polen heute 31.000 Bürger als Ukrainer.

Literatur

Bedauerlicherweise ist die deutschsprachige Literaturlage zu diesem Thema sehr dürfig. Für Personen mit Fremdsprachenkenntnisen empfiehlt sich folgende Literatur:

  • Marek Jasiak: Overcoming Ukrainian Resistance: The Deportation of Ukrainians within Poland in 1947. In: Philipp Ther, Ana Siljak (Hrsg.): Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944-1948, Rowman & Littlefield Publishers, Lanham/Boulder/New York/Oxford 2001, S. 173-194 ISBN 0-7425-1093-X [englisch]
  • Eugeniusz Misiło: Akcja "Wisła". Dokumenty, Warszawa 1993 ISBN 83-90085-42-9 [polnisch]