Jesus von Nazaret

Der Name
- "Jesus" ist die latinisierte Form des griechischen Ιησους. Dieses übersetzt seinerseits den hebräischen Vornamen Jeschua, auch Jehoschua oder Josua. So hieß der Nachfolger des Mose.
- "Jehoschua" verbindet "Je" (das Präfix des Gottesnamens)und "Hoshea" (Rettung, Heil). "Jesus" heißt also auf Hebräisch: "Gott-Retter" oder als Satz: "Gott-rettet". Dieser männliche Vorname war zu Lebzeiten Jesu unter Juden weit verbreitet. Er selbst hieß mit Vor- und Zunamen Jehoschua Ben Joseph, wurde also nach jüdischer Sitte nach seinem Vater genannt.
- "von Nazareth" gibt seine Herkunft an (Mk. 1, 9). Da "Nazarenus" im Neuen Testament(NT) mit "Nazoraios" variiert wird, sind andere Deutungen möglich(s.u.).
- "Christus" ist die latinisierte Form des griechischen Χριστος. Dieses übersetzt wiederum das hebräische "maschiach", deutsch "der Gesalbte". Es handelt sich um einen Ehrentitel für Könige und Hohepriester, später für den Messias.
- "Jesus Christus" verbindet also einen jüdischen Vornamen mit einem Titel. Das ist ein griechischer Nominalsatz: "Jesus ist der Christus". So drückt dieser Name das christliche Glaubensbekenntnis in Kurzform aus.
Die Aneignung Jesu
Die Person Jesus von Nazareth wird von verschiedenen Religionen beansprucht.
- Für Juden galt er früh als Falschprophet und gottloser Zauberer(Mischnah und Talmud). Heute sehen Juden ihn häufiger auch positiv als echten Propheten an.
- Für Christen ist er "Jesus Christus", der Mensch gewordene "Sohn Gottes" und Erlöser,zu dem man beten kann.
- Im Islam wird er wie andere Figuren aus der hebräischen Bibel als Prophet betrachtet. Dort heißt er "Isa". Ob er unter den Propheten im Koran eine Sonderrolle einnimmt, ist umstritten.
- Im Mandäismus - einer Religion, die parallel zum Christentum entstand und sich auf den Täufer Johannes zurückführt - wird Jesus als "falscher Prophet" betrachtet. Wo Jesus als "Prophet" gesehen wird, ist also nicht eindeutig, in welchem Sinne.
- Martin Luther hat den Christustitel mit "Heiland" übersetzt. Dieser Ausdruck geht auf das gotische "heliandos" zurück. Diese Übersetzung verändert die Sichtweise der Person: Der hebräische "Messias" hat andere Bedeutungen als der germanische "Heiland", weil "Heil" anders gesehen wird.
- Für distanziertere Betrachter ist Jesus ein Religions-stifter, da das Christentum als neue Religion von ihm ausging und sich auf ihn bezieht. Das wird heute jedoch relativiert, weil Jesus als Jude in Israel wirkte und keine neue Religion gründen wollte.
Das Christentum entstand zu einer Zeit, als Griechisch die allgemein anerkannte Verkehrssprache war. Daher übertrugen sich die griechischen Namensformen in andere Sprachen, nicht aber die hebräischen. Nachdem sich Juden- und Christentum getrennt hatten, wurde der Name "Jeshua" im Judentum nur noch selten verwendet.
Deklination
Der Name "Jesus Christus" wird im traditionell kirchlichen Gebrauch lateinisch dekliniert:
Nominativ | Jesus Christus |
Genitiv | Jesu Christi |
Dativ | Jesu Christo |
Akkusativ | Jesum Christum |
Ablativ | Jesu Christo |
Die Endungen sind teilweise unterschiedlich, weil Jesus und Christus im Lateinischen unterschiedlichen Deklinationen angehören (u- bzw. o-Deklination).
Nazarener, Nazoräer oder Nasiräer
Die Bedeutung des Zusatzes "Nazarenus" ist umstritten. Er kann die Herkunft aus oder von Nazareth in Galilea bezeichnen. Er kann aber auch von "Nazoräer" oder "Nasiräer" abgeleitet sein.
"Nazoraios" bezeichnet keinen Ort, sondern die Zugehörigkeit zu einer Lehrtätigkeit. So hießen Talmudlehrer früher "Amoräer", später "Saboräer" Mischnalehrer hießen "Tanojäer". In der Endung ai wird das Jod, wenn noch ein Vokal dazutritt, zu Alef, wie sonst öfter besonders im palästinischen Aramäisch.
Vielleicht haben die Evangelisten den "Nazoräer" also bewusst oder irrtümlich zum "Nazarener" gemacht. So sagt Mt. 2, 23: "(Joseph) kam und wohnte in der Stadt, die Nazareth heißt, damit erfüllt würde, was die Propheten gesagt haben: Er soll Nazarener heißen." Eine solche Verheißung ist aber im AT nicht zu finden.
Paul Lidzbarski hält das Missverständis aus philologischer Sicht für sehr wahrscheinlich:
- "Wenn die Dinge so liegen, dass für Nazareth nur diese Namensform überliefert ist ("Nazarener"), dass alle Formen, die vorgebracht werden, um eine Verbindung zwischen Nazareth und Nazoraios herzustellen, erfunden und erkünstelt sind, dass andererseits Nazoraios eine Form aufweist, die sonst ausschließlich Vertreter eines Berufes, besonders einer bestimmten Lehrtätigkeit bezeichnet (2), so ist für einen jeden unabhängig denkenden die Frage damit entschieden. Gerade aus den Worten Mt. 2, 23, auf die man sich stützt, scheint mir hervorzugehen, dass man Jesu Eltern in Nazareth wohnen ließ, um eine Erklärung für "Nazoraios" zu haben." (aus: Paul Lidzbarski, "Ginza. Das große Buch der Mandäer." Göttingen 1978; Nachdruck der Auflage von 1925, Einleitung S. IX)
Für "Nazarener" spricht jedoch, dass andere Nazoräer Jesus als falschen Propheten ablehnen. Wie kann dann Jesus einer sein? Nasiräer wiederum lehnten es ab, sich einer Leiche oder einem Grab zu nähern. Jesus aber soll sich Gräbern genähert (Mk. 5, 2) und sogar Tote auferweckt haben (Mk. 5, 41).
Jesu Muttersprache
Jesus war Jude, kam zeitlebens nie über Palästina (Galilea, Samaria, Judäa) hinaus und sprach im Alltag aramäisch, die Muttersprache eines galiläischen Juden jener Zeit. Es ist umstritten, ob er auch griechisch, die damalige Verkehrssprache (siehe: Koine beherrschte. Die hebräische Bibel war bereits ins Griechische übersetzt (LXX), doch wahrscheinlich wurde sie nur von hellenistisch geprägten vornehmen Juden so gelesen Hellenismus.
Das Aramäische oder Syrische hatten die Babylonier und Perser einige Jahrhunderte früher in Israel eingeführt. Diese Sprachverordnung war gezielte Unterdrückungspolitik: Man versuchte den eroberten Völkern mit ihrer Sprache ihre religiösen Traditionen und damit ihre Identität zu rauben.
Für die Suche nach "echten" Jesusworten ist die Möglichkeit, griechische Ausdrücke und Satzkonstruktionen ins Hebräische und von dort ins Aramäische zurück zu übersetzen, ein relativ sicheres historisches Kriterium (Joachim Jeremias). Einzelworte, die Jesus zugeschrieben werden, können jedoch nur im Gesamtkontext seines Wirkens als "echt" oder "unecht" beurteilt werden. Hier kommt seinen Zeichenhandlungen und den damit verbundenen Bezügen auf die hebräische Bibel Bedeutung zu.
Der historische Jesus
Vorbemerkungen
Historische Informationen über Jesus von Nazareth stammen fast alle aus dem Neuen Testament der Bibel, insbesondere aus den Evangelien.
Die Evangelien bilden eine besondere Literaturgattung im antiken Raum: Sie wollen Jesus als den wiederkommenden Christus verkündigen, indem sie seine Geschichte deutend nacherzählen. Dabei legen sie auf exakt nachprüfbare Daten wenig Wert, sei es, weil diese nicht bekannt waren (z.B. Jesu kalendarischer Geburtstag), sei es wegen übergeordneter Lehrabsichten.
Die Evangelien sind Glaubenszeugnisse, keine Tatsachenberichte. Das heißt nicht, dass man ihnen gar keine Tatsachen entnehmen kann. Doch erst die Neuzeit hat einen Begriff von historischer Objektivität entwickelt, dessen Anspruch die Glaubensdokumente des Neuen Testaments kaum genügen können noch wollen. Daraus ergeben sich spezifische methodische Probleme, um einem "historischen Jesus" überhaupt nahezukommen.
200 Jahre intensivste historische Evangelienforschung seit der Aufklärung haben jeden Satz und jedes Wort gedreht und gewendet, jede denkbare Hypothese erwogen, alles bis hin zur Existenz Jesu angezweifelt oder in großartige spekulative Theorien eingeordnet. Doch inzwischen lautet der schlichte Minimalkonsens: Es gab Jesus wirklich, und einige Eckdaten seines Lebens, Wirkens und Sterbens sind relativ gewiss.
Um dies zu erkennen, muss man nicht an Jesus als den Christus glauben. Man darf es aber! Denn alle Texte des neuen Testaments sehen Jesus und seine Geschichte von seiner Auferstehung her und zielen auf sie hin. Sie gehen also davon aus, dass Gott ihn tatsächlich auferweckt hat (Mk. 16, 6). Das lässt sich nur "beweisen" (besser: als glaub-würdig nahelegen), wenn man bereits daran glaubt. Deshalb gehört eine Analyse der Auferstehungstexte nicht in einen Artikel über den historischen Jesus - auf jeden Fall aber die Frage, wer er selbst sein wollte.
Der Entstehungszeitraum der Evangelien wird auf die Zeit zwischen 60 bis 120 n. Chr. geschätzt. Der Tod Jesu lag also schon mindestens 30 Jahre zurück. Die Evangelien enthalten aber ältere Überlieferungen, die näher an die berichteten Ereignisse heranreichen. Aus den Paralleltexten, die Matthäus und Lukas gemeinsam haben, während sie im Markusevangelium fehlen, schließt man historisch auf mindestens eine von Markus unabhängige Logienquelle Q (siehe Zweiquellentheorie). Diese enthielt - ähnlich wie das apokryphe Thomasevangelium - nur Worte und Heiltaten Jesu und wurde erst mündlich, dann schriftlich überliefert. Ihre ältesten Anteile können aus Jüngerkreisen stammen, die Jesus zu Lebzeiten kannten und folgten.
Von der Geburt bis zum Tod Jesu
Historische Bezüge im Neuen Testament deuten darauf hin, dass Jesus zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren, zwischen 30 bis 33 n. Chr. gekreuzigt wurde. Die Erzählungen der Evangelien erstrecken sich, abgesehen von den Geburts- und Jugendtexten, auf die Zeit vom 30. Lebensjahr Jesu bis zu seinem Tod mit etwa 33 Jahren.
Geburt
Das Lukas- und Matthäusevangelium legen nahe, dass Jesu Geburt und frühe Kindheit in Bethlehem stattfand. Damit sollte offenbar Jesu Abstammung von David und seine Messiaswürde belegt werden (Mt. 2, 6/ Mi. 5, 1). Darum halten es manche Historiker für wahrscheinlicher, dass Jesus in Nazareth (Mk. 1, 9), dem Wohnort seiner Familie (Mk. 6, 1), oder in Kapharnaum, dem Ort seines ersten und wiederholten Auftretens (Mk. 1, 21) geboren wurde.
Die Geburtsgeschichten sieht man als weitestgehend legendär an. Der Kindermord des Herodes (Mt. 2, 13) z.B. ist kein historisches Ereignis, sondern setzt Jesus in Beziehung zum Kindermord des ägyptischen Pharao, der Israels Exodus vorausging (Ex. 1, 22).
Jugend, Ausbildung und Beruf
In seiner Jugendzeit kam Jesus wohl mit dem Pharisäismus in Berührung. Er soll sich sehr früh gut in der Bibel ausgekannt haben (Lk. 2, 46f). Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass er eine rabbinische Ausbildung genoss. Seine ersten Jünger nannten ihn "Rabbuni" (aramäisch Meister, Lehrer), und seine späteren Lehren weisen einige Ähnlichkeiten zu Pharisäerschulen auf, etwa zu der des Rabbi Hillel (Heilen am Sabbat Mk. 2-3, Betonung der Nächstenliebe als Zentralgebot Mk. 12, 28ff).
Ein Rabbi lebte nicht vom Predigen, sondern übte ein gewöhnliches Handwerk zum Lebensunterhalt aus. Jesus lernte den Beruf des Zimmermanns oder richtiger: Bauhandwerkers, den auch sein Vater Josef ausübte (Mk. 6, 3).
Familie
Die Quellen erwähnen einige Verwandte Jesu, namentlich vier Brüder(Mk. 6, 3/Mt 13, 55): Jakobus, Josef, Simon und Judas. Der dort verwendete Begriff "Brüder" kann im biblischen Umfeld aber auch - zumindest "vereinzelt bei lockerem Sprachgebrauch" - andere männliche Verwandte bezeichnen. Ähnliches gilt, wenn auch seltener belegt, bei "Schwestern" (Walter Bauer, Wörterbuch).
Die Evangelien beschreiben Jesu Verhältnis zu seiner leiblichen Familie als sehr gespannt. Demnach hat er sie und sie ihn wiederholt zurückgewiesen. Er soll öffentlich gesagt haben: "(Nur) wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!" (Mk. 3, 35) Darin zeigt sich bereits eine andere Auffassung des Willens Gottes als die im damaligen Judentum tradierte: Dort war gerade das Ehren der Eltern, Gehorsam und Achtung ihnen gegenüber, wichtig und gottgefällig.
Taufe
Alle Berichte stimmen darin überein: Jesu Auftreten begann nach seiner Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer. Dieser Bußprediger lebte offenbar zurückgezogen in der Wüste und stand daher vielleicht der Sekte der Essener nahe. Das Verhältnis Jesu zu ihm ist historisch umstritten. Es gab offenbar eine Nähe, aber auch Konkurrenz zwischen Johannes- und Jesusgruppen.
Der Täufer predigte bereits die bevorstehende radikale Wende der Endzeit und rief das ganze Volk Israel zur Umkehr: Damit griff er auf die Zukunftserwartung ("Eschatologie") der klassischen jüdischen Prophetie und Apokalyptik) zurück. Die Taufe im Jordan sollte die Rettung der Getauften aus dem bevorstehenden Endgericht realsymbolisch vorwegnehmen. Darauf geht die spätere christliche Taufe zurück. Jesus selbst hat laut Quellen jedoch nie getauft.
Beginn des Auftretens
Nach dem ältesten Evangelium des Markus begann Jesus nach der Festnahme des Täufers durch die Dörfer Galiläas zu ziehen (Mk. 1, 14). Dabei scharte er eine stetig wachsende Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern um sich. Von Beginn an gehörten Frauen dazu (Mk. 1, 31).
Zentrales Thema von Jesu Reden und Wirken war wie für Johannes die endzeitliche Wende, der unmittelbar bevorstehende Anbruch des "Reiches Gottes", das in der Prophetie Israels seit dem Exil eine zentrale Rolle spielt. Aber anders als andere Wanderprediger seiner Zeit war Jesus, soweit bekannt, der einzige, der behauptete, dass dieses Reich schon punktuell angebrochen sei (Lk. 11,20): und zwar in seinem eigenen heilsamen Handeln (Mt. 11, 2ff/Lk. 7, 18ff).
Jesus bezog sich dabei vor allem auf Heilsansagen der exilisch-nachexilischen Propheten Deuterojesaja (Jes. 40-55) und Tritojesaja (Jes. 56-66), ab etwa 530 v. Chr.). Er bezog diese auf das Volk der Bettelarmen (Lk. 6, 20/ Mt. 5, 1). Deren Befreiung sah Jesus als seine ihm von Gott aufgetragene Mission an (Lk. 4, 17-21).
Die große jüdische Bevölkerungsmehrheit war damals sehr arm, täglich von Hunger, römischer Gewalt und sozialem Absturz ins Bodenlose bedroht. Insofern war die von Jesus geforderte Besitz- und Wehrlosigkeit seiner Anhänger (Mk. 10, 21/Mt. 6, 25ff/ Mt. 10, 9f/) nur Ausdruck der weit verbreiteten Lebensumstände (Gerd Theißen).
Jesus versprach den Armen den Landbesitz (Mt. 5, 5) und das "Gnadenjahr" der gerechten Bodenreform (Lk. 4, 19f, vgl. 3. Mose 25/5. Mose 15). So erneuerte er die jüdische Zukunftserwartung einer umfassenden revolutionären Veränderung zu Gunsten der Besitz- und Rechtlosen.
Heiltätigkeit
Jesus betonte in seiner Verkündigung das Zentralgebot der Nächstenliebe und realisierte es mit seiner lebensrettenden Heiltätigkeit für Kranke und Randgruppen, die nach geltender Thoraauslegung gemieden wurden und so häufig zum Tod verurteilt waren (Adolf Holl). Das verband ihn mit reformorientierten Pharisäern.
Aber anders als sie trieb Jesus "Dämonen" aus, d.h. er heilte auch für unheilbar gehaltene Krankheiten. Bezieht man Textmotive auf moderne Krankheitsbilder, dann heilte Jesus u.a. Lepra, grauen Star, Epilepsie, Schizophrenie. Doch hier muss man berücksichtigen: Heilwunder werden in der antiken Umwelt oft berichtet. In Israel aber galten besondere Kräfte schnell als Teufelei. Seine "Vollmacht" brachte Jesus nicht nur Sympathie, sondern auch Neid, Abwehr, Feindschaft ein.
Gegner
Jesu Heilungen auch am Sabbat sollen eine Verschwörung zwischen Pharisäern und Herodianern gegen ihn ausgelöst haben (Mk. 3, 6). Doch Heilen am Sabbat wurde gerade von Pharisäern schon vor Jesus erlaubt(Mk. 3, 4). Herodes hingegen, der von Rom eingesetzte Marionettenkönig, war nicht an der Befolgung jüdischer Gesetze im Alltag interessiert und wurde von den Pharisäern daher abgelehnt. Das hatte Markus schon vergessen.
Seine Reich-Gottes-Verkündigung trennte Jesus jedoch von den Sadduzäern, die den vorfindlichen Tempelbetrieb verteidigten und von den Opfergaben des Volkes lebten. Sie waren im Hinterland wenig präsent, wachten aber auch dort über die Einhaltung z.B. der Reinheitsgesetze. Jesus setzte diese für seine Jünger komplett außer Kraft (Mk. 7, 1-23). Damit wurde ein Konflikt unvermeidlich.
Zug nach Jerusalem
Die Hinrichtung des Bußpredigers Johannes durch Herodes könnte Jesu Sendungsbewusstsein und seinen Entschluss, nach Jerusalem zu ziehen, beeinflusst haben (Mk. 6, 14ff). Auch die Vorahnung seines eigenen gewaltsamen Todes kann er so gewonnen haben (u.a. Mk. 8, 31).
Manche Historiker meinen, er sei nicht wiederholt, sondern wie die meisten armen Juden aus der Provinz nur einmal in seinem Leben nach Jerusalem gepilgert. Dann hätte er nur etwa ein Jahr öffentlich gewirkt.
Jesus traf in Jerusalem auf 2 mächtige Gruppen: die Sadduzäer, also die vornehme, vom Hellenismus geprägte Führungsschicht, aus der die Tempelpriester kamen, und die Römer, also die ausländischen Besatzer, die Israel kolonisierten, als Getreide- und Holzlieferanten ausbeuteten und deren Militär jeden Winkel beherrschte.
Jesu und die Zeloten
Seit den Tagen des Judas Makkabäus (ca. 170 v. Chr.) gab es in Israel eine Tradition des Widerstands gegen Fremdmächte, die Israel ihre Religion aufzwangen. Auslöser für Aufstände waren oft Königs- oder Götterstatuen, die ein Fremdherrscher im Jerusalemer Tempel aufstellen ließ. Das widersprach dem biblischen Bilderverbot als Kehrseite des 1. Gebots (Ex. 20, 2ff).
Die Religionspolitik der Römer war zunächst toleranter als die ihrer Vorgänger. Doch um 4 n. Chr. verordneten sie allen Juden eine Volkszählung, um ihre Tribut-pflicht zu prüfen und zu erzwingen. Der Galiläer Judas versuchte einen Boykott dagegen zu organisieren. In diesen Kontext hat der Evangelist Lukas Jesu Geburt gestellt (Lk. 2, 1). Judas scheiterte, aber danach verübten seine Anhänger vermehrt Anschläge gegen römische Beamte und Soldaten. Andere waren weniger radikal und beschränkten sich darauf, Steuerforderungen der Römer passiv zu verweigern. Das Zahlen von Steuern an den römischen Kaiser galt als Götzendienst, da dessen Bild auf die Münzen geprägt war und er sich seit Augustus als Gott verehren ließ.
Jesus kam wie viele jüdische Befreiungskämpfer aus dem bergigen Hinterland Galilea, dem Gebiet des früheren Nordreichs, wo die Exodus- und Widerstandstradition lebendig blieb. Doch nach den Evangelien war sein Anliegen nicht, die Römer mit Gewalt aus Israel zu vertreiben. Er hatte eine andere Grundhaltung als die Zeloten: Er lehrte, dass Israels Aufgabe sei, die Völker zu segnen, nicht zu hassen, also der ohnehin übermächtigen Gewalt nicht mit Gegengewalt zu begegnen, sondern die Feinde durch unerwartetes Entgegenkommen zu überraschen (Mt. 5, 38-48) und so zu "ent-feinden" (Pinchas Lapide).
Am Verhalten zur Kaisersteuer erkannte man einen Zeloten. Mk. 12, 13-17 berichtet, wie Jesu Gegner ihm eine Falle stellten, um ihn als Zeloten zu überführen und an die Römer ausliefern zu können. Darauf soll Jesus gesagt haben: "Gebt dem Kaiser, was ihm gehört, und Gott, was Gott gehört!" Das hieß offenbar: Der Kaiser ist nicht Gott. Gebt ihm nicht, was Gott gehört: euch und euer Volk. Jesus lehnte die Steuerverweigerung also nicht ab, ordnete sie aber dem großen Ziel unter: ganz Israel und die Völker zu befreien. Denn auch er war ein "Eiferer" für Gottes Reich.
Darum folgten ihm auch einige Zeloten nach und erhofften sich große Dinge von ihm, als er nach Jerusalem zog: so auch sein Jünger Judas, der ihn dann -enttäuscht? - an den "Feind" verriet.
Einzug in Jerusalem
Zu jedem Passahfest strömten Massen von Festpilgern in die Hauptstadt, unter ihnen auch Jesu Anhänger. Als er den Stadtrand bei Bethfage erreichte, begrüßten sie ihn laut Markus wie einen neuen König: "Gelobt sei, der da kommt im Namen unseres Gottes! Gelobt sei das Reich Davids!" (Mk. 11, 9f) Offenbar hoffte das Volk auf einen Sieg über die Römer und ein neues Großisrael.
Jesus reagierte darauf mit einer Zeichenhandlung: Er ritt auf einem jungen, zuvor unberittenen Esel in die Stadt ein. Das erinnerte an die Verheißung des nachexilischen Propheten Sacharja: "Tochter Zion freue Dich, jauchze, Jerusalem! Siehe, Dein König kommt zu Dir! Ein Gerechter und Helfer (ist er), ARM und reitet auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin. Denn Ich (Gott) werde die Kriegswagen aus Ephraim (Nordreich) wegtun und die Streitrosse aus Jerusalem (Südreich), und der Kriegsbogen (damalige Hauptangriffswaffe) soll zerbrochen werden. Denn er (der Messias der Armen) wird Frieden gebieten allen Völkern, und seine (gewaltlose) Herrschaft wird von einem Meer bis zum andern und vom Strom (Jordan? Euphrat?) bis an die Enden der Erde (Horizonte) reichen." (Sa. 9, 9-11)
Jesus gab der bibelkundigen Menge demnach klar zu verstehen: Ich bin der Messias - aber nicht so, wie ihr euch das vorstellt. Sondern wer die Fremdherrscher entmachten will, muss selbst ohne Waffengewalt handeln. Der Esel als Reittier des Königs ist hier zugleich Zeichen dieses konkreten Gewaltverzichts, der der Verheißung entspricht.
Diese griff auf ältere Friedens- und Abrüstungsvisionen der Exilsprophetie zurück. Jesus nahm sie auf und bezog sie auf sich: Er wollte offenbar der sein, der mit dem Zerbrechen der Waffen in ganz Israel beginnt. So, nicht durch Großmachtpolitik im Gefolge Davids, wollte er die Friedensvisionen erfüllen. Damit wurde Jesu Predigt vom Reich Gottes politisch konkret und bot zugleich auch anderen Völkern eine Perspektive an: Weltweite Abrüstung war sein Ziel, Gewaltlosigkeit sein Weg.
Jesu Tempelkritik
Nach seiner Ankunft in Jerusalem ging Jesus offenbar sofort in den Tempelbezirk und "besah alles ringsumher" (Mk. 11, 11). Vielleicht sagte er schon bei dieser Gelegenheit zu einem Jünger, der die großartigen Bauten bewunderte: "Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben, alles wird zerbrochen werden." (Mk. 13, 2)
In den folgenden Tagen - es waren wohl nur wenige - ging er im Tempel ein und aus und diskutierte dort mit Anhängern und Gegnern verschiedene sie betreffende Themen, z.B. Kaisersteuer, Auferstehung, seine Vollmacht, die wichtigsten Gebote, das Beten, das Kommen des Gottesreichs (Mk. 11-13).
Das Verhalten Jesu zum Tempelkult ist nicht eindeutig. In Galilea schickte er geheilte Patienten zu den Priestern, damit diese die Gesundung amtlich feststellten und die Geheilten wieder in die Gesellschaft aufnahmen (Mk. 1, 44). In seiner Thoraauslegung lehnte er das Opfern nicht direkt ab, ordnet es aber der Nächstenliebe unter (Mt. 5, 23f). Indem er im Tempel lehrte, erkannte er diesen als Gotteshaus an. Auch die Tempelsteuer scheint er, anders als die Kaisersteuer, gebilligt zu haben (Mk. 12, 41-44).
Andererseits erwartete er die Zerstörung der Tempelstadt(Mk. 13, 2) und kündete diese wie der Prophet Jeremia(Jer. 22, 5/ 26, 12) öffentlich an (Mt. 23, 37ff/ Lk. 13, 34f). Das war lebensgefährlich: Jeremia wäre damals dafür fast gelyncht worden. Wer den Tempel angriff, bedrohte nach Auffassung der Priester die Existenz ganz Israels. Sich auf Jeremia zu berufen, war die schärfstmögliche Kritik am Tempelkult überhaupt.
Dann soll Jesus auch noch gezielt die Opferhändler aus dem Tempelvorhof vertrieben haben. Diese prophetische Zeichenhandlung zielte auf die Abschaffung des Opferkults und sollte Gottes Haus "reinigen": "Steht nicht in der Schrift (= hat Gott nicht gesagt): Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker heißen?" (Mk. 11, 17/ Jes. 56, 7) Das Opfern war offenbar zu einem riesigen Geschäft mit der Angst, zu einem bedrückenden Zwang für die Armen und einem abstoßenden Hindernis für Ausländer geworden, den Tempel des Gottes Israels zu betreten. Das wollte Jesus nun ändern, dazu wollte er die Tempelbesucher demonstrativ anstiften.
Spätestens jetzt sahen sich die Sadduzäer gezwungen, einzugreifen. Jesu Reden und Handeln war eine echte Gefahr für sie geworden: "Sie fürchteten sich vor ihm, denn alles Volk war beeeindruckt von seiner Lehre." (Mk. 11, 18) So brachte sein kompromissloser Angriff auf den Tempelkult Jesus schließlich einen Konflikt mit dem Hohenpriester, dem Religionsführer Israels ein. Wie dieser ausgehen würde, war unschwer zu erahnen.
Der Passionsbericht
Jesu Festnahme, der Prozess gegen ihn, sein Tod am Kreuz und seine folgende Auferstehung nehmen die zentrale Stellung in den Evangelien ein. Diese sind auf diese Ereignisse hin verfasst worden und wären sonst wahrscheinlich gar nicht entstanden. "Die Evangelien sind Passions- und Ostergeschichten mit ausführlicher Einleitung" (Martin Kähler).
Dabei folgen die Evangelien in der Ereignisfolge jetzt ihrer Vorlage. Markus lag seinerseits ein älterer Passionsbericht vor, den er in sein Evangelium einbaute. Dieser Bericht begann wohl mit dem Verrat des Judas (Mk. 14, 10) und wurde dann allmählich nach vorn erweitert. Er führt die ältesten Credoformeln der Paulusbriefe erzählend aus und kann daher bis auf die Jerusalemer Urgemeinde zurückgehen (Ulrich Wilckens).
Markus hat den Passionsbericht mit deutlich antijüdischer Tendenz überarbeitet. Er hat den römischen Statthalter Pilatus entlastet und den jüdischen Führern die Alleinschuld an Jesu Tod gegeben. Er übertrug sogar die Folter aus dem römischen in den jüdischen Prozess Jesu. Die späteren Evangelisten folgten ihm darin.
Darin spiegelt sich die bedrohte Lage der christlichen Gemeinden im römischen Reich und die verschärfte Konkurrenz mit den jüdischen Synagogen nach dem verlorenen jüdischen Befreiungskrieg (70 n. Chr.). Die endgültige Trennung vom Judentum stand bevor oder war bereits vollzogen.
Die Gefangennahme Jesu
Wer Jesus festnahm und von wem der Befehl dazu kam,ist unklar. Im Garten Gethsemane hatten Jesu Anhänger ihr Lager. Einer von ihnen, Judas, soll eine bewaffnete Truppe dorthin geführt haben. Nur römische Soldaten durften Schwerter und Lanzen tragen. Sie bewachten auch den Wald von Gethsemane, wo sich Zeloten verstecken konnten. Die Tempelwache des Hohenpriesters war nur für den Tempelbezirk zuständig. Aber hätte ein enttäuschter Zelot die Römer gerufen? Oder war es Kaiphas, der schon jetzt mit Pilatus gegen Jesus kooperierte?
Jesus soll klar gewesen sein, was ihm bevorstand: "Ihr seid vorgegangen wie gegen einen Mörder...dabei war ich jeden Tag im Tempel, wo ihr mich festnehmen konntet. Aber so soll die Schrift erfüllt werden!" (Mk. 14, 48f) Die Priester hatten offenbar vor, Jesus als Zeloten an die Römer auszuliefern. Diese nannten Zeloten "Mörder", um Widerstand zu kriminalisieren und ihre Gewalt dagegen zu legalisieren.
Es gab wohl einen kurzen Kampf: Alle Evangelien berichten davon. Aber alle wissen auch, dass Jesus diesen sofort gestoppt habe. Daraufhin flohen seine Anhänger.
Das Synhedrium
Das oberste Religionsgericht für ganz Israel mit Sitz in Jerusalem bestand aus den führenden Repräsentanten des Judentums: den Jerusalemer Pharisäern, Schriftlehrern und Tempelpriestern. Markus zählt sie häufig stereotyp auf. Daran kann man die redaktionelle Bearbeitungsschicht seines Evangeliums gut erkennen.
Die Priester stellten nach jüdischem Gesetz die Mehrheit und waren nicht abwählbar. Der Hoherpriester hatte die Leitung inne: Er war Chefankläger und Richter in Personalunion. Sein Amt war erblich. Zur Zeit Jesu wurde es von Kaiphas bekleidet.
Der Hohe Rat war nicht für politische, aber für kultische Kapitalvergehen zuständig. Darum bestreiten vor allem jüdische Historiker, dass es überhaupt einen religiösen Prozess gegen Jesus gegeben hat (z.B. Paul Winter).
Doch die Evangelien lassen historisch plausible Gründe für Jesu Festnahme und Auslieferung erkennen: Kaiphas war für das Überleben des Volkes Israel verantwortlich und sah von seiner Warte aus keine andere Möglichkeit, als Aufruhr im Keim zu ersticken. Seine Angst vor einem Volksaufstand beim bevorstehenden Passahfest, dem unvermeidlich ein militärischer Eingriff der Römer und der Verlust der relativen religiösen Autonomie Israels gefolgt wäre, war berechtigt (Mk. 14, 1/Jh. 18, 14).
Daher wurde Jesus "mit List"(Mk. 14,1), nämlich nachts (Mk. 14,17.49) festgenommen. Eine direkte Auslieferung an Roms Statthalter ohne gültiges Rechtsverfahren kam für die Kulthüter jedoch nicht in Frage. Sie waren gerade wegen fehlender eigener Strafjustiz auf strenge Legalität bedacht, um ihre Autorität zu wahren.
Der Prozess
Zeugen wurden vernommen, die behaupteten, Jesus habe Unmögliches, nämlich den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von 3 Tagen geweissagt. Die Anklage gegen ihn lautete also auf Falschprophetie (Mk. 14, 58): eins der schwersten Kapitalvergehen nach dem Tenak, den fünf längst kanonisierten Büchern Mose.
Für Markus waren die Zeugen Lügner, die sich widersprachen und damit kein legales Todesurteil hergaben (Mk. 14, 56/Dtn. 19, 15ff). Doch ihre Aussage traf im Kern zu. Denn Jesus hatte im Zusammenhang seiner Vertreibung der Opferhändler aus dem Tempelvorhof den Abriss des alten Tempels gefordert und seinen Neubau angekündigt (Jh. 2, 19). Eine solche Kultreform aber stand nach jüdischer Tradition (2. Sam. 7, 13) nur dem Nachkommen Davids, also dem Messias zu (Otto Betz). Das erklärt die Frage des Kaiphas im Verhör Jesu (Mk. 14, 61): "Bist Du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?"
Jesu Antwort: "Ich bin es..." Ein klares Ja also. Doch Jesu Messiasanspruch als solcher war auch für die Sadduzäer keine Todsünde: Man konnte ihn zunächst festsetzen und abwarten, was folgen würde (5. Mose 18, 22). Es gab vor und nach Jesus im Judentum Messiasanwärter, die trotz späterer Niederlagen hoch verehrt wurden (z.B. Simon Bar-Kochba).
Doch Jesus ergänzte sein Ja wie folgt (Mk. 14, 62): "...und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen". Das war ein deutliches Zitat aus der dem Seher Daniel zugeschriebenen Vision vom Endgericht Gottes. Dort hieß es nach der Vernichtung aller Weltmächte: "Siehe, es kam einer mit den Himmelswolken, der sah aus wie eines Menschen Sohn..." Ihm werde Gott seine ganze Macht über die Welt übergeben (Dan. 7, 13f).
[Exkurs: Diese rätselhafte Figur taucht in der apokalyptischen Literatur um 170 v. Chr. erstmals auf. Sie war offenbar als Bewahrung der älteren prophetischen Messiasweissagungen gedacht und stellte sich zugleich gegen sie. Denn sie veränderte diese, indem sie die Erlösung nur noch nach dem Endgericht Gottes, zusammen mit dem Ende der Welt erhoffte. Die endzeitliche Wende wurde offenbar nun keinem Menschen, auch keinem Davidsspross mehr zugetraut. Diese besondere jüdische Apokalyptik hat die Zeit "zwischen" den Testamenten und die Endzeiterwartung um die Jahrtausendwende mitgeprägt.]
Offenbar identifizierte sich Jesus hier mit diesem "Menschensohn". Einen solchen Anspruch hat es im gesamten Judentum weder vor noch nach Jesus gegeben.
Daraus hörte Kaiphas eine "Gotteslästerung" heraus (Mk. 14, 64). Eine direkte Verfluchung Gottes kann nicht gemeint sein, da Jesus das 1. Gebot achtete und wie Kaiphas vermied, den Gottesnamen auszusprechen. Aber ein Bruch des 1. Gebotes lag für den Sadduzäer dennoch vor: Laut Daniel sollte der "Menschensohn" als Himmelswesen neben Gott erscheinen. Jesus maßte sich also an, "wie Gott" zu sein (1. Mose 3, 5).
Doch die umständliche Satzkonstruktion lässt deutlich erkennen, dass der Satzteil "sitzend zur Rechten der Kraft und..." später eingefügt wurde. Hier spricht die Evangelienredaktion, die schon Jesu Auferstehung im Rücken hat und den bereits inthronisierten Christus verkündet(Apg.)
Jesus selbst sprach sonst immer vom kommenden Menschensohn in der 3. Person. Er wollte die Führer Israels an Daniels Vision erinnern und ihnen so sagen: Ihr habt eine Zukunft jenseits des Tempelkults, auch wenn dieser zu Ende geht. Seine Aussage klingt drohend -"ihr werdet sehen!" - und ist doch eine Zusage.
Doch das konnte Kaiphas nur darin bestärken, Jesus zu verurteilen. Denn es schloss seine Entmachtung ein. Obwohl der Angeklagte völlig machtlos vor ihm stand, stellte er sich über ihn, seinen Ankläger und Richter: eine unerhörte Provokation für den Führer Israels, der sein Amt durch die gesamte biblische Tradition legitimiert sah.
Der Evangelist Markus behauptet denn auch ein einstimmiges Todesurteil des Hohen Rates. Er will damit die Beteiligung und Schuld ganz Israels am Tod Jesu ausdrücken (Mk. 14, 63f). Historisch ist das sicher nicht, da es nach geltender Rechtslage ungültig gewesen wäre. Auch Joseph von Arimathia, der den toten Jesus später vom Kreuz abnahm und ehrenhaft begrub, war ein Ratsmitglied (Mk. 15, 43-46): Er hat dem Todesurteil also kaum zugestimmt.
Der Hohepriester präjudizierte es durch das Zerreißen seines Gewandes: ein Trauerritus, wenn ein Jude Zeuge eines Kapitalvergehens wurde. Die Ratsmehrheit folgte ihm: Jesus selbst hatte mit seinem Menschensohn-Bekenntnis vor ihren Ohren die Anklage auf Falschprophetie voll und ganz bestätigt. Rechtsgrundlage ihres Urteils war das 5. Buch Mose mit den strengen Bestimmungen zur Tötung von Falschpropheten (Dtn. 13, 6/18, 20) (August Strobel), so auch später bei der Hinrichtung des Stephanus (Apg. 6-7) (siehe dazu auch: Paulus).
Die Evangelien folgen Markus und stellen das Vorgehen der Führer Israels als böswillig geplanten und herbeigeführten Justizmord dar. Doch wenn Jesus sich in seinem Prozess als "Menschensohn" vorstellte, dann blieb dem Synhedrium nichts anderes übrig, als ihn zum Tod zu verurteilen. Dann war das Urteil nach damaligem Recht juristisch zwangsläufig und rechtsgültig.
Damit würde auch verständlich, dass der Rat schon am Morgen wieder zusammentraf, um das Todesurteil in den Vorwurf eines politischen Messiasanspruchs umzuformen. So konnte man Jesus dem römischen Statthalter rechtmäßig und rechtzeitig zur Hinrichtung übergeben. Die Sadduzäer durften Todesurteile damals ja nicht selbst ausführen. Die nach der Thora vorgeschriebene 24-Stunden-Frist zwischen Urteil und Vollstreckung wurde in diesem Ausnahmefall missachtet: Offenbar musste die Hinrichtung des Falschpropheten vor Beginn des Sabbat geschehen, um Israel nicht zu verunreinigen. Falsche Propheten oder Gotteslästerer sollten nach damaligem jüdischen Recht "am Fest" hingerichtet werden. Darum nehmen vor allem christliche Historiker an, dass Jesu Kreuzigung am 14. Nisan (= 7. April) des Jahres 30 stattfand, dem Hauptfesttag des damaligen Passahfestes.
Diese historische Hypothese folgt der Textvorlage und deren innerer Logik. Sie steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass der Passionsbericht von Urchristen verfasst wurde, die bereits den erhöhten Christus verkündigen wollten. Wie hätten diese solch gravierende Details aus dem Prozessverlauf erfahren können? Die Verhandlung geschah nachts hinter verschlossener Tür im schwer bewachten Haus des Kaiphas. Die Jünger waren alle geflohen: Auch ihnen drohte Festnahme und Hinrichtung.
Alle? Im Innenhof des Kaiphashauses harrten noch einige aus: vor allem die Frauen und Petrus. Der vornehme Pharisäer Joseph von Arimathia könnte ihnen Details aus dem Prozess zugetragen haben: Dafür spricht, dass die Urchristen sich noch Jahrzehnte später an seinen Namen erinnerten.
Vor Pilatus
Den römischen Statthalter haben innerjüdische Konflikte um den wahren Glauben nicht interessiert. Er ist aus zuverlässigen römischen Quellen als äußerst skrupelloser Machtpolitiker bekannt, der keine Rücksicht auf jüdische Tradition nahm und Juden häufig ohne jedes Rechtsverfahren hinrichten ließ, bis man ihn deswegen absetzte. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass er Jesus gegen unberechtigte Verurteilung durch Kaiphas in Schutz nahm.
Unglaubhaft ist auch, dass eine Volksmenge Pilatus zur Hinrichtung Jesu gedrängt haben soll ("Kreuzige ihn!", Mk. 15, 13). Der Innenhof des Pilatuspalastes bot nur wenigen Menschen Raum. Jesus war nur Tage zuvor von der Masse der Festpilger begeistert als Messiasanwärter begrüßt worden (Mk. 11, 9). Die Sadduzäer dagegen waren im Volk unbeliebt.
Der Passionsbericht lässt aber erkennen, dass es so etwas wie einen "Deal" zwischen Kaiphas und Pilatus gegeben haben muss. Er bot ihnen den "Mörder" (Zeloten)Barabbas zum Tausch für Jesus an: offenbar als "Trostpflaster" für das Volk (Mk. 15, 6-15). Das zeigt zum einen, dass nicht alle Zeloten auch Feinde der Sadduzäer waren, zum anderen, dass Jesus in ihren Augen die größere Gefahr darstellte. Auch Herodes und Kaiphas sollen über dem Tod Jesu Freunde geworden sein (...). So wird sichtbar, wie der Tod Jesu im Zusammenspiel von religiösen und politischen Interessen, die mit der Besatzungsmacht kollaborierten,zu Stande kam.
Die Kreuzigung
Römische Quellen bestätigen das Gerücht, dass Pilatus "Chrestus" hinrichten ließ, sagen aber nicht, weshalb. Er senkte wohl einfach den Daumen, verurteilte Jesus zusammen mit anderen Zeloten (jüdischen Befreiungskämpfern) zum Foltertod am Kreuz und gab ihn seinen Folterknechten preis.
Diese Hinrichtungsmethode war die übliche Art und Weise, wie der römische Staat damals mit Ausländern, entlaufenen Sklaven und Aufständischen umging: eine Klassenstrafe zur Demütigung und Abschreckung aller Augenzeugen. Juden galt diese Todesart als Gottesfluch (5. Mose 21, 23/ Galater 3, 13) für Gotteslästerer und damit als endgültiger Ausschluss aus dem erwählten Volk.
Nach der üblichen öffentlichen Folter wurde Jesus gezwungen, sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer zu tragen. Ein Landarbeiter aus der nordafrikanischen Exilsgemeinde Kyrenaika wurde gezwungen, ihm die Last abzunehmen, als er nicht mehr konnte. Er wurde angenagelt, und der Todeskampf begann.
Die brutale Willkür der Soldateska zeigte dem gesamten jüdischen Volk hautnah, dass Jesu Schicksal sie alle betraf und schmerzen sollte. Der Kreuzestitel "Rex Judaios" sollte sie und ihren lächerlichen Messiasglauben verhöhnen.
Die Bedeutung des Todes Jesu
Das Evangelium läuft von vornherein auf den Tod Jesu zu. So werden Passion und andere Stoffe durch Leidensankündigungen, die Jesus gesagt haben soll, gegliedert und miteinander verknüpft.
Sie entsprechen der Deutung, die Jesus selbst nach dem vormarkinischen Passionsbericht seinem Tod gab. Im Rahmen eines Passahmahls soll er dem versammeltem Zwölferkreis - der für ganz Israel stand und Judas einschloss! - zugesagt haben: "Das ist mein Leib/Blut, für euch zerbrochen/ vergossen zur Vergebung der Sünden für die Vielen" (Mk. 14, 24).
Der Ausdruck "für die Vielen" bedeutet im Aramäischen: für ALLE. Das ist eine deutliche Anspielung auf eine im ganzen Alten Testament einzigartige Prophetie: den stellvertretend für das ganze Volk und seine Führer leidenden "Knecht Gottes" (Jesaja 52, 13 - 53, 12).
Der älteste Passionsbericht stellt die Kreuzigungsszene als vorweggenommenes Endgericht über die ganze Welt dar (Mk. 15, 33). Jesus soll am Kreuz für seine jüdischen Ankläger und römischen Mörder gebetet haben, und zwar mit Worten des 22. Psalms, den zu Unrecht zum Tod verurteilte Juden bis heute beten und der seit dem Exil auf das ungerechte Leiden ganz Israels bezogen wurde (Mk. 15, 34) (Claus Westermann). Auch in Auschwitz ist so gebetet worden.
Schlussbemerkung
Nimmt man den ältesten Passionsbericht genau beim Wort, dann ist gerade die Verkündigung des Todes Jesu, die in der europäischen Geschichte immer wieder zu Judenpogromen führte und dazu missbraucht wurde, der stärkste historische Grund für eine unkündbare Solidarität aller Christen mit allen Juden und allen zu Unrecht Verfolgten. Zugleich lassen sich von da aus judenfeindliche Aussagen in den Evangelien als situationsbedingt relativieren und sachlich entkräften.
Geht man vom Ende aus, dann zeigt Jesu Kreuzigung durch die römische Besatzungsmacht als solche schon: Er wurde als politischer Aufrührer verurteilt. Allein Pilatus, der römische Statthalter, hatte die Justizvollmacht, jemand hinrichten zu lassen. Über Jesu Kreuz war eine Tafel befestigt, auf der sein Vergehen stand, für das er sterben musste: INRI, "Iesus Nazarenus Rex Judaios". Dann warf man ihm also vor, sich anmaßend als König der Juden hervorgewagt zu haben.
Doch Israels Königtum war längst vergangen. Israel hatte damals einen König namens Herodes, den Rom eingesetzt hatte, große Paläste bauen ließ und in Israel verhasst war.
Der hier gemeinte "König" ist der jüdische Messias. Dabei verstanden Römer kaum, was ein Messias war und sein sollte. Sie verstanden nur, dass er ihre Macht bedrohen konnte. Und da hörte der Spaß dann meist sofort auf.
Bei den Propheten hat der Messias verschiedene Aufgaben: Er bringt Israel das Heil in der Endzeit, führt die Juden wieder zusammen, zurück in die Heimat, er rettet die Armen, richtet gerecht und unparteisch - nicht nur Israel, sondern auch die Völker - , beendet alle Gewaltherrschaft und bringt so schließlich den Völkerfrieden, der die ganze Schöpfung aufatmen lässt und sie verwandelt (z.B. Jesaja 9, 1-6/ 11, 1-10).
Diese Erwartungen gingen natürlich weit über das Sichtbare und Mögliche hinaus. Dennoch gab es immer wieder Juden, die ein besonderes Sendungsbewusstsein hatten und der Messias sein wollten. Sie waren nicht unbedingt von edler Abstammung. Ihr eigener Anspruch und der darauf folgende historische Erfolg konnte sie aber zum Anführer des ganzen Gottesvolks aufsteigen lassen. Denn Israels Gott wirkt in der Geschichte. Auf diese Weise wurde der Messias nicht von Menschen, sondern von Gott zum Führer Israels erwählt.
Wollte Jesus der Messias sein? Hatte er sich den Römern so präsentiert? Offenbar nahmen sie an, dass sein anmaßender Anspruch Aufruhr stiften und die Macht der Römer in Israel unterminieren könne. Wie kamen sie darauf?
Kirchengeschichtliche Schriften
Hegesippus berichtet lt. Eusebius im 2. Jahrhundert, dass Männer vor Domitian (81–96) gebracht worden seien. Diese wurden verdächtigt, von Jesu Bruder Judas abzustammen und somit als Blutsverwandte von Jesus aus einem potentiell gefährlichen königlichen Haus zu stammen. Domitian verhörte sie bezüglich des Messias und seines Königreichs, aber als die Männer erklärten, dieses Königreich sei nicht weltlich sondern himmlisch, habe Domitian sie als harmlos entlassen und seine Verfolgung der Kirche beendet.
Nichtchristliche Schriften
Erwähnung in nichtchristlichen bzw. außerbiblischen zeitgenössischen Schriften findet Jesus sehr wenig. Erstaunlich ist dabei, dass der jüdische Schriftsteller Justus von Tiberias, ein Zeitgenosse des Josephus Flavius, trotz der zeitlichen und räumlichen Nähe Jesus mit keinem Wort erwähnt, obwohl er eine umfangreiche Chronik von Moses bis in seine Tage verfasste. Andererseits ist diese Chronik nur bruchstückhaft überliefert. Einige Theologen schlussfolgern daraus, dass es einen historischen Jesus nie gegeben habe.
Das früheste außerbiblische Zeugnis ist das bekannte Testimonium Flavianum des Josephus Flavius, das aus zwei Abschnitten aus seinen Jüdischen Altertümern besteht. Die Authentizität des ersten, berühmteren, Abschnittes ist unter Philologen allerdings umstritten, weil Jesus in den frühen Textvarianten nicht auftaucht, sondern erst in der meistzitierten Übersetzung aus dem Jahre 1000 nach Christus. Der zweite Abschnitt, der sich mit der Hinrichtung von Jesu Bruder Jakobus befasst, wird häufiger als echt angesehen. Die meisten Kirchen und Theologen betrachten diese zweite Stelle ebenfalls als Fälschung und bringen vor allem zwei Argumente: Während es bei Flavius heißt, dass Jakobus, der Bruder von Jesus, bei einem Aufstand gegen die Römer ums Leben kam, heißt es bei allen frühen Kirchenvätern und in der Bibel, dass Jakobus als Märtyrer für den christlichen Glauben von den Juden zu Tode gesteinigt wurde. Weiterhin existiert auch hier eine ältere Textvariante, in der der Name Jesus nicht erwähnt wird, in dieser wird Jakobus als der Bruder von Barabas bezeichnet. Erklärlich wird der streitige Sachverhalt alsbald daraus, dass man davon ausgehen darf, dass der Name Jacobus sicher nicht nur von einem einzigen Anhänger Jesu Christi geführt wurde. Übrigens glaubt die Theologie der Revolution, dass die ersten Christen Revolutionäre waren, und erst später alles über Aufstände aus der Bibel und den Kirchengeschichtsbüchern eliminiert wurde.
In den Berichten der beiden römischen Autoren Tacitus (innerhalb seinen 117/118 n. Chr. entstandenen Annalen) und Sueton (das Judenedikt des Claudius) wird jeweils über Christen und den Namensgeber dieser Gruppen berichtet; in diesen im 2. Jahrhundert entstandenen Schriften wird allerdings nicht auf die Person Jesus selbst eingegangen.
Tacitus schreibt:
- Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden; und für den Augenblick unterdrückt, brach der unheilvolle Aberglaube wieder hervor, nicht nur in Judäa, dem Ursprungsland dieses Übels, sondern auch in Rom, wo aus der ganzen Welt alle Gräuel und Scheußlichkeiten zusammenströmen und gefeiert werden.
- Annales 15, 44, 13; zitiert nach Roloff, Jesus (s. Literaturliste)
Man kann heute nicht nachvollziehen, ob Tacitus sich von christlichen Quellen leiten ließ oder selbst nachforschte, außer, dass eine Christus genannte Person von Pontius Pilatus hingerichtet wurde, finden sich hier keine weiteren Informationen. Aufgrund der geringen Bedeutung des Urchristentums im 2. Jahrhundert ist das aber nicht verwunderlich.
Forschungen zur Person

Seit dem frühen 19. Jahrhundert versuchen Forscher, ein Bild des Lebens und der Lebensumstände von Jesus zu zeichnen. Dazu werden die überlieferten christlichen Quellen sowie das sonstige Wissen über die Gesellschaft der Zeit heran gezogen.
Heute wird vielfach angenommen, dass Jesus nicht in Betlehem in einem Stall geboren wurde, und dass der Geburtsort später den Prophezeihungen des Alten Testaments angeglichen wurde. Auch die Herkunft aus Nazareth ist nicht sicher.
Traditionsgemäß dürfte Jesus das Handwerk des Vaters erlernt haben und "Tekton" geworden sein, ein Handwerker, der vorwiegend im Baugewerbe tätig ist, jedoch generell mit Steinen, Stroh und Holz umgehen kann. Anhand von Rechnungen ist auch belegt, dass ein Tekton am Schleusenbau, bei der Instandhaltung von Schöpfrädern und der Ausbesserung von Sätteln mitgearbeitet haben kann. Vermutlich hat Jesus über keinerlei höhere Bildung verfügt, evtl. sprach er neben dem lokalen Dialekt etwas griechisch und konnte rudimentär lesen und schreiben; belegt ist dies jedoch nicht. Andere Forscher gehen jedoch davon aus, dass Jesus zumindest Teile einer Ausbildung zum Rabbi genossen hat und somit auch die hebräische Sprache erlernte.
Wie Jesus seine Jugendzeit verbracht hat, ist unklar. Möglicherweise hat Jesus als Gehilfe Josefs beim Wiederaufbau der nahe gelegenen Stadt Sepphoris mitgearbeitet, die durch Varus und seine Legionen zerstört worden war. Nazareth selbst dürfte keine Basis für die Ernährung der achtköpfigen Familie von Josef und Maria geboten haben.
Spekuliert wird, dass Jesus ein illegitimes bzw. voreheliches Kind Marias sei. Dem widersprechen jene Forscher, die den gesamten Überlieferungskomplex von der "unregelmäßigen" Geburt auf christologisches Interesse zurückführen. Üblich war in dieser nachnamenlosen Zeit, dass Söhne nach ihrem Vater als "Sohn des..." bezeichnet wurden, Jesus wurde jedoch als "Sohn der Maria" bezeichnet (seit wann, ist unklar). Jesus wäre dann ein Außenseiter in seinem Heimatdorf gewesen, was wiederum seine spätere Zuwendung zu anderen gesellschaftlichen Außenseitern erklären könnte.
Ziemlich sicher ist, dass Jesus kurz vor seinem 30. Lebensjahr seine Familie verließ und nach Kapernaum umzog. Sein mutmaßlicher Vater Josef war wahrscheinlich bereits tot, jedenfalls wird er in keiner Quelle mehr erwähnt. Mit diesem Schritt verstößt Jesus nach Ansicht von Kritikern gegen das vierte Gebot und seine Pflicht, als erster Sohn sich weiter um die Familie zu kümmern. Nach den gesellschaftlichen und moralischen Vorstellungen seiner Zeit ist er damit mit einem Mörder und einem Ehebrecher gleichzusetzen. Von seiner Familie wird bei Markus gesagt, dass sie Jesus aufhalten wollten und dass sie erklärten, er sei von Sinnen.
Zur Zeit Jesu gab es eine Reihe von eschatologischen Wanderpredigern mit mehr oder weniger großer Gemeinde. Einer davon war Johannes der Täufer, dem sich Jesus vermutlich nur für wenige Wochen anschloss. Vielleicht gab es Berührungspunkte oder eine zeitweilige Zugehörigkeit beider zur Gruppe der Essener. Anschließend predigte er selbst auf charakteristisch andere Weise vom Reich Gottes, wobei sein Wirkungskreis auf ein kleines Gebiet am See Genezareth beschränkt war, das durch das Städtedreieck Kapernaum-Bethsaida-Chorazim eingegrenzt wird. Das sehr flache Dreieck hat eine Seitenlänge von weniger als 20 km, wobei Kapernaum an der Spitze des Dreiecks zwischen den anderen beiden Städten liegt. Insofern ist verständlich, dass nichtchristliche zeitgenössische Quellen kein Material zu Jesus liefern: Er war eine unbedeutende Randfigur, ein Wanderprediger unter vielen, der in einem provinziellen Gebiet unterwegs war, das keinerlei besondere Bedeutung im römischen Reich hatte.
Vermutlich lernte Jesus Petrus und dessen Bruder Andreas bei Johannes dem Täufer kennen. Im Haus von Petrus, das in Kapernaum lag (zu jener Zeit ein Fischerstädchen mit ca. 1000 Einwohnern) richtete er eine Art Hauptquartier ein. Möglicherweise wurde er dort von einigen Reisenden gehört, die auf der Fernstraße Via Maris nach Syrien oder Ägypten unterwegs waren. Archäologen bestätigen die Existenz eines Gebäudes, das seit frühchristlicher Zeit als Pilgerstätte diente und möglicherweise das Haus des Petrus war.
Jesus stellte viele Traditionen und Bräuche auf zum Teil umstürzlerische Weise in Frage, so die Sabbat-Heiligung, die Todesstrafe für eine Frau bei Ehebruch ("Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie") und das Gebot, die Eltern zu ehren ("Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert."). Zugleich radikalisierte er die Gebote über ihren Wortlaut hinaus (Bergpredigt). Er stellte die führenden Gesellschaftsschichten, die Reichen und die Schriftgelehrten in Frage. Seine Anhängerschaft rekrutierte sich ausschließlich aus Juden, er vermied aber den Kontakt mit Nichtjuden nicht.
(Anmerkung: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie" ist nicht im originalen Johannes-Evangelium enthalten. Obwohl diese Stelle nach dem Original-Jesus klingt, ist sie eine Erfindung eines Kopisten, oder aber eine Einfügung aus einer unbekannten anderen Quelle.)
Jesus bezeichnete sich wohl selbst als "Messias", was bedeutete, oberste Autorität des Judentum zu sein. Unter der Priesterschaft wie auch unter der regierenden Klasse der mit der römischen Besatzungsmacht kollaborierenden Juden ist dies ein Politikum gewesen. Die Gefahr der Destabilisierung, besonders Unruhen im Vorfeld des Pessach-Festes (unmittelbar vor seiner Festnahme und Hinrichtung), zu dem Jesus mit seiner Anhängerschaft nach Jerusalem gereist ist, können eine akute Gefahr gewesen sein – Jesus hatte schließlich Galiläa verlassen, um sich Jerusalem und damit dem Zentrum des Glaubens zuzuwenden, möglicherweise enttäuscht und gescheitert, da er die Städte Galiläas laut Markus und Lukas verfluchte, da sie sich nach seiner Predigt nicht gebessert hätten. (Parallele der Zeitgeschichte: Moktada al Sadr und Nadschaf)
Tatsächlich provoziert Jesus einen Aufruhr beim Jerusalemer Tempel. Im Vorhof des Tempels, der im Gegensatz zum hinteren Tempelbereich auch dem gemeinen Volk und Nicht-Juden zugänglich ist, hatten sich Händler und Geldwechsler eingerichtet. Die Händler sind historisch betrachtet ebenso wichtig wie die Priester: Der Handel im Vorhof ist eine feste Institution, denn nur sie verkaufen die Opfer, die ausschließlich im Jerusalemer Tempel dargebracht werden können. Ohne die Opfer können aber die religiösen Riten nicht vollzogen werden. Der Angriff auf die Händler kann als höchster Tabubruch betrachtet werden, nicht als Reinigung, sondern als ein Angriff auf die bestehende Ordnung und die Elite des Judentums. Jesus befindet sich allerdings hier in bester jüdischer Tradition, auch Jeremia, den er zitiert, hat kritisiert, dass aus dem Hause des Vaters (=Gottes) eine Räuberhöhle gemacht wurde und spektakuläre Auftritte (Joch, Zerbrechen eines Gefäßes) gefeiert.
Jesus entkommt, wird aber gesucht und möglicherweise durch Verrat gefunden. Ein kurzer Prozess folgt. Zwei Tage nach dem Zwischenfall beim Tempel wird Jesus hingerichtet. Die Todesart war Kreuzigung. Damit wurde das Urteil von Pontius Pilatus ausgesprochen, da nur die Römer das Recht hatten, Todesurteile auszusprechen. Kreuzigung war die übliche römische Todesstrafe für Nichtrömer. Der Umstand, dass Jesus von den Römern als "König der Juden" hingerichtet worden ist, bedeutet als Schuldspruch: Anzettelung von Aufruhr. Die übliche jüdische Todesstrafe nach dem Alten Testament war die Steinigung (siehe Jakobus). Falls Jesus als "König der Juden" verurteilt worden ist, bedeutet dies automatisch, dass er bei der Anklage die Frage, ob er der Messias wäre, nicht verneint hat.
Was ist das besondere, einzigartige an der Lehre Jesu, die im Alten Testament oder von hellenistischen Philosophen (Hellenismus) aufgezeigt wurde? Nichts ist originär neu! Nach Harnack ist dies das Gleichnis vom verlorenen Sohn:
- Gott verlangt nichts, kein Sündenbekenntnis, kein Opfer, keine Leistung, Gott freut sich einfach über die Heimkehr, dies ist so im Judentum, dem Glauben Jesu schon vorhanden.
Die Liebe Gottes und die Erbsünde, die Innovation des sündigen Fleisches und des rechtgläubigen, reinen Geistes, geht per missio (Missionierung) über die ganze Welt. Das Judentum kennt diese Geborgenheit im Hinblick auf die Seele. Die Seele ist rein und kann durch die Taten auf Erden nicht befleckt werden. Sie geht rein wieder zu Gott ein. Jedoch steht das Judentum fest im Rahmen von heiligen Gesetzen und religiösen Pflichthandlungen, die vielfach vom frühen Christentum adaptiert und bedeutungsgewandelt wurden und zudem durch zahlreiche heidnische Bräuche ergänzt wurden. Das Turiner Grabtuch stellt möglicherweise einen heidnischen Zugang zum historischen Jesus dar, in der Tradition der mittelalterlichen abergläubischen Reliquienverehrung. Es enthalte das Abbild eines Gekreuzigten, die Spuren folgen den Passionsberichten. Die Wissenschaft, wie viele Gläubige bezweifelt allerdings die Authentizität sowie die Aussagekraft der Spuren des Tuches.
Literatur: Propyläen Weltgeschichte und GEO 1/2004
Spekulationen zum historischen Jesus
Bei einem so emotionalen Thema bleibt es nicht aus, dass Spekulationen von mehreren Seiten zur historischen jüdischen Person des Jesus angestellt werden. Die drei größten und gegenläufigsten Pole sind hier dargestellt:
Jesus als Spartacus-Ersatz
Einige Forscher gehen heute davon aus, dass Jesus und besonders seine Kreuzigung nur die ideologisierte Verkörperung des Spartacus sind, dessen Ende und die Kreuzigung von 6000 seiner Anhängiger in breiten Schichten in der römischen Gesellschaft nie verarbeitet wurden.
Diese These strapaziert allerdings die Sozialpsychologie und konstruiert eine Art Projektion von enttäuschter Hoffnung von dem gescheiterten Soldatenheerführer und Militärstrategen auf den Prediger und Heiler des Reiches Gottes. Dabei ist dieser historisch gesehen noch viel mehr gescheitert: "Das Reich Gottes blieb aus, stattdessen kam die Kirche." (D. F. Strauß)
Weniger von der Seite ihrer späteren Wahrnehmung her als von der Seite ihrer tatsächlichen Ziele und Adressaten her kann man Jesus mit Spartacus Seite an Seite stellen. So war auch Jesus von Anfang seines Auftretens in der Rolle eines Befreiers für die Armen und Unterdrückten. (Fortsetzung folgt...)
Johannesevangelium als Augenzeugenbericht
Vor allem strenggläubige Christen sehen im Evangelium des Johannes ein authentisches Zeugnis eines Jüngers Christi; das Johannesevangelium spricht sich selbst dem "Jünger, den Jesus liebte" zu, und in Johannes 21 heißt es:
- 24 Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.
- Zitiert nach revid. Elberfelder Bibel
Die liberale Theologie geht von einer Endredaktion des Johannesevangelium in den Jahren 100–120 n. Chr. aus, wobei ältere Traditionen verwendet wurden und hält es wegen seiner bildhaften Sprache für eine Pseudepigraphe aus dem Johannes-Schriftkreis.
Jesus als fiktive literarische Gestalt
Manche Atheisten sehen das Fehlen von Zeugnissen aus der eigentlichen Wirkungszeit Jesu (um 29–30 oder 32–33 n. Chr.) als Anlass, an der Historizität Jesu selbst zu zweifeln. Es gibt überdies Abhandlungen, die Jesus als Personifikation jüdischer Wunschvorstellungen der damaligen Zeit sehen, beispielsweise als eine Abwandlung von Cäsar (das Schwert zu bringen bin ich gekommen etc.). Das Fehlen von Zeugnissen von dritten Zeitgenossen wird dazu ebenfalls herangezogen.
Der heutige Wissensstand geht davon nicht aus; einerseits war das Christentum bis in das dritte Jahrhundert n. Chr. hinein eine Minderheitenreligion und Palästina gehörte im Römischen Reich zum Hinterland. Andererseits wären Zeugnisse aus jener Zeit auch Verfälschungen durch Gläubige im späten Altertum und frühen Mittelalter ausgesetzt gewesen (siehe Testimonium Flavianum), die nicht viel davon übrig gelassen hätten. Dazu kommt, dass das Judenchristentum, dem Zeitgenossen Jesu angehört hätten, von einer dominierenden Stellung zu einer Minderheit und Irrlehre wurde (heute noch ist der orthodoxe Patriarch von Jerusalem in der Rangfolge der fünf alten Patriarchate der letztgenannte), was auch viele seiner Schriften kostete.
Alleine von den Tatsachen her erklärt dieser Ansatz nicht, wie sich die christliche Religion nahezu direkt nach dem – in diesem Falle fiktiven – Hinrichtungsdatum im Jahre 30 oder 33 ausbreiten konnte, und dass Zeugnisse von Gläubigen dieser Zeit (wie der Apostel Paulus) klar darauf hindeuten, dass diese an Jesu Leben und Hinrichtung geglaubt haben. Gegen die Version der jüdischen Wunschvorstellungen spricht die Neuartigkeit und Radikalität der Lehre Jesu und dessen Ende durch Kreuzigung, was zu jener Zeit ein Ende in Schande bedeutete.
Theologie
Jesus im Neuen Testament
Mit der Reflexion und Diskussion christlicher Glaubensaussagen über Jesus Christus beschäftigt sich die Christologie.
Jesus von Nazareth oder Jesus Christus? Für die traditionelle und evangelikale Theologie handelt es sich um die gleiche Person, die historisch-kritische Theologie versucht dagegen, zwischen dem historischen Jesus von Nazareth und Christus terminologisch zu unterscheiden, je nachdem, ob man historisch oder religionsbezogen von Jesus redet.
Die Lehre von der Erbsünde ist eines der grundlegenden Elemente christlicher Theologie. Allerdings wird der Begriff in der orthodoxen, römisch-katholischen, und evangelischen Tradition unterschiedlich verstanden, wobei einzelne evangelische Traditionen nochmals ein unterschiedliches spezifisches Verständnis haben können.
Gemeinsam ist allen Traditionen die Lehre, dass der Mensch durch die Erbsünde von der Gemeinschaft mit Gott getrennt ist und aus eigener Kraft diese Gemeinschaft nicht wieder herstellen kann, und dass diese Trennung durch Jesus Christus überwunden wird. Über die genaue Art dieser Erlösung und den Weg dazu gibt es innerhalb der verschiedenen christlichen Konfessionen unterschiedliche Auffassungen. Die so genannte christliche Liebe Gottes, ist der logische andere Pol dieser Lehre.
Weiteren besonderen Stellenwert nimmt im Christentum die Dreifaltigkeit ein. Diese Lehre besagt, dass Gott der Schöpfer, Jesus Christus und der Heilige Geist eine Gottheit sind, zudem ist der zweite Teil, Jesus, auch Mensch. In dieser Form wird der christliche Gott angebetet. Das Wort Trinität wird weder von Jesus von Nazareth noch im Neuen Testament selbst verwendet, das Judentum, wie auch der Islam, gibt Gott keine Gestalt, betet keine Menschen an und verwehrt sich tiefst gegen den Gedanken der Teilbarkeit Gottes. Die Ausarbeitung und Abgrenzung der Erklärungsmodelle für die Dreifaltigkeit (Trinität, Dreieinigkeit) ist im Laufe der Dogmengeschichte der frühen Kirche über längere Zeit hin erfolgt, mit der Minimierung von Widersprüchen.
Im allgemeinen wird die Entwicklung mit der Formulierung des nicäisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses von Nicäa am ersten Konzil von Konstantinopel 381 als abgeschlossen angesehen. Bezüglich der Christologie gab es in den nächsten Jahrhunderten jedoch noch viele Auseinandersetzungen. Ein Meilenstein bedeutete hierbei jedoch das Konzil von Chalcedon (451 n. Chr., 4. ökumenisches Konzil), die größte Synode der Alten Kirche. Dort einigten sich die versammelten Theologen auf das Bekenntnis "Jesus Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott" (Zweinaturenlehre). Die Ergebnisse dieser Synode sind bis heute gemeinsame (ökumenische) Lehrgrundlage der christlichen Kirchen, mit Ausnahme der damals widersprechenden Altorientalischen Kirchen.
Jesus im Alten Testament
Der Begriff Christus ist die Übersetzung des hebräischen maschiach (Messias – Gesalbter) ins Griechische. Der Begriff bezeichnet im Alten Testament zunächst den König Israels oder Judas. In der Zeit nach dem babylonischen Exil (nach 539 v. Chr) kann auch der jüdische Hohepriester als "Gesalbter" tituliert werden (vgl. Sach 4). Ein namentlich unbekannter Prophet aus der Zeit des babylonischen Exils (587–539 v. Chr.), auf den die Kapitel 40–55 des Jesajabuches zurückgehen, wendet die Titulatur sogar auf den persischen König [[Kyros] an (vgl. Jes 45,1). Erst sehr spät wird der Messiastitel auf einen erwarteten endzeitlichen Heilskönig angewandt.
Die Autoren des Neuen Testaments beziehen viele Passagen des Alten Testaments auf Jesus. In ihrer Deutung wird das Alte Testament auf vielschichtige Weise zu einer Prophetie auf den "Messias" Jesus Christus hin. – Einige Beispiele sind:
- Gen 49,10: Aus dem Stamm Juda (NT: Lk 3,33)
- Mi 5,1: Geburtsort (NT: Mt 2,1)
- Jes 7,14: Von einer Jungfrau geboren (NT: Mt 1,18)
- Ps 41,10: Von einem Freund verraten (NT: Mk 14,10)
- Ps 22,19: Soldaten werfen das Los um seine Kleider (NT: Mk 15,24)
Siehe auch: Menschensohn, Gottessohn, Lamm Gottes
Andere Ansichten
Außerhalb des Christentums wird Jesus von Nazareth nicht als Sohn Gottes (Gott als Mensch) oder einziger Erlöser der Menschheit angesehen, der christliche Glaube nicht als der einzige rechte Glaube angesehen, auch die Erbsünde ist unitär christlich und das Heil erhalten sie durch ihre jeweiligen Religionen oder ohne jeden Glauben. Positive Ansichten reichen von einer Einreihung Jesu in untergeordneter Rolle in die eigene Religion bis zur Rolle eines außergewöhnlichen Menschen, zwischen Rhetoriker und Magier; andere Ansichten betrachten ihn als religiösen Verführer, Aufruhestifter, Sektierer oder bestreiten seine historische Existenz oder, wie im Judentum, ignorieren ihn.
Judentum
Das Judentum erkennt Jesus nicht als göttlichen Erlöser und Messias an, da die Erwartungen an den Messias durch Jesus von Nazareth nicht erfüllt wurden. Jesus, im jüdischen Talmud meist nur "jener Mann" genannt, betrieb nach diesen Quellen Zauberei, spottete über die Weisen, hatte fünf Jünger und war uneheliches Kind des römischen Soldaten Panthera - Parallelen dazu finden sich im koptischen Thomasevangelium (Logie 105) und bei Celsus. Außerdem sei er am Vorabend des Pessachfestes gehängt worden, nachdem sich trotz vierzigtägiger Suche kein Entlastungszeuge gefunden habe (bSanh43a). (Diese nüchternen nicht eschatologischen Beschreibungen entstanden zu einer Zeit, als das Judentum bereits schwer unter dem christlichen Antijudaismus litt.)
Diese Beschreibungen machen deutlich, das das Christentum als mit dem Judentum unvereinbar abgelehnt wird, während der historische Jesus noch in der Glaubensvielfalt seiner jüdischen Religion getragen wurde. Der Bruch erfolgt mit den Briefen des Paulus und der urchristlichen Mission, mit der Lehre von der Erbsünde und der Anbetung des Messias, der eine Mensch ist, durch Paulus und die Urchristen.
Es gibt in neuerer Zeit einige jüdische Intellektuelle, die den Versuch unternehmen, Jesus in einer positiven Weise ins Judentum "heimzuholen", nicht als Messias, aber als eine herausragende jüdische Figur. Beispiele dafür sind Martin Buber, Pinchas Lapide und Shalom Ben-Chorin, sowie die evangelikalen und allgemein christlichen so genannten Messiansche Juden.
Islam
Der Koran, die heilige Schrift des Islam, erzählt vom Leben Isas, der in vielem Jesus gleicht, sich aber in einigen Punkten radikal von Jesus unterscheidet. Wenn Muslime von Jesus sprechen, meinem sie meist Isa. Weiteres zu Isa sie unter Isa (Prophet).
Manichäismus
Nach den Lehren Manis wurde Jesus den Menschen gesandt, um sie über die göttliche Vernunft aufzuklären. Jesus spielt in der Religion Manis, speziell die Kosmologie, eine ganz wichtige Rolle.
Östliche Religionen
Einige östliche Religionen (Hinduismus, Buddhismus) ordnen Jesus als Guru oder Weisheitslehrer in ihr Weltbild ein, ohne ihm eine universelle Erlöserrolle zuzugestehen.
Atheismus
Atheisten haben sehr unterschiedliche Ansichten in Bezug auf Jesus. Teilweise bezweifeln sie die Glaubwürdigkeit biblischer Aufzeichnungen oder verneinen die Existenz des historischen Jesus von Nazareth. Manche akzeptieren Jesus als philosophischen Lehrer, ohne ihn als Erlöser zu verstehen. Andere glauben an seine historische Existenz, sehen ihn aber als einen sektiererischen Demagogen und Verführer an. Es gibt auch Atheisten die das "Wirken" Jesu als wichtig und gut ansehen, hier gilt er als Mensch, der Menschen geholfen hat.
Weiterführende Informationen
Siehe auch
- Jehoschua, Josua, Jesus Ben Joseph, Jesus, Christus, Eingeborener Sohn, Christentum, Messias, Agnus Dei, Messianisches Judentum, Turiner Grabtuch, Auferstehung, Menschenopfer
Kunstwerke
- Kontrafaktur, Passionsspiele, Heliand (Langzeilen-Epos), Platytera,
- Passionskantate, Oratorium, Jesus Christ Superstar, Godspell (Rock-Musical)
- Madonna, Kruzifix, Vorauer Handschrift und Transfiguration
Verfilmungen
- Die Passion Christi, 2004 (Regie: Mel Gibson, Zur Diskussion)
- Jesus von Nazareth, 1977 (Regie: Franco Zeffirelli)
- The Gospel according to St. Matthew 1964 (Regie: Pier Paolo Pasolini)
- The Gospel of John, 2004 (Regie: Philip Saville)
- Der Jesus-Film, 1979 (Regie: John Heyman)
- Das Leben von Jesus Christus, 1976 (Franco Zeffirelli)
Literatur
Ältere Standardwerke:
- Eduard Meyer: Urgeschichte des Christentums, 5. Aufl. 1921, ISBN 388851200X (Nachdruck)
- Carl Schneider: Geistesgeschichte der christlichen Antike. DTV-Verlag, München 1978.
Moderne Standardwerke aus exegetischer Perspektive:
- Gerd Theißen und Annette Merz: Der historische Jesus. Vandenhoeck & Ruprecht. 3. Auflage 2001 ISBN 352552143X.
- Jürgen Roloff: Jesus. Beck Verlag. 2000.
Werke aus systematisch-theologischer Perspektive:
- Walter Kasper: Jesus, der Christus. Mainz (Grünewald) 1974.
Werke aus ergänzenden oder korrigierende Perspektiven:
- Rudolf Augstein: Jesus Menschensohn. dtv Taschenbücher Bd. 30822. 2001. ISBN 3-423-30822-2
- Carsten Peter Thiede: "Jesus, der Glaube, die Fakten" 2003, ISBN 3-929246-95-3
- Gerd Lüdemann: Jungfrauengeburt. Radius Verlag, Stuttgart 1997
- Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte. Goldmann Verlag. 4. Auflage, Taschenbuchausgabe 1996.
- Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen. 1992, 1994, 2002, Heyne Verlag, ISBN 3453211820
- Harry M. Kuitert: Kein zweiter Gott. 1998 niederländisch, 2004 deutsch Patmos Verlag, ISBN 3-491-77052-1
Werke aus jüdischer Perspektive:
- Pinchas Lapide: Der Jude Jesus, ISBN 3491694051
- W. Gunther Plaut (Hrsg.); "Die Tora. In jüdischer Auslegung.", Band 1, Genesis; Gütersloh, 1999,ISBN 3579026461
- Das Alte Testament mit Kommentar in jüdischer Auslegung, Deutsch - Hebräisch.
- Susannah Heschel: Der jüdische Jesus und das Christentum
- Abraham Geiger: Herausforderung an die christliche Theologie; Jvb, Jüdische Verlagsanstalt, Berlin, März 2001, ISBN 3934658040
Weblinks
- Internetmagazin zum Thema: Jesus
- Zur Erneuerung unseres Verhältnisses zum Judentum - Synodalerklärung vom 24. April 1990