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Reichstagsgebäude

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Das Reichstagsgebäude (kurz Reichstag genannt) ist ein Gebäude in Berlin, das erst dem Reichstag des deutschen Kaiserreiches und später der Weimarer Republik und seit 1999 dem Deutschen Bundestag als Sitz dient. Seit 1994 findet dort alle fünf Jahre die Bundesversammlung zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten statt.

Reichstagsgebäude
Giebel des Reichstags

Geschichte

1881–1884: Planung

Seine Errichtung wurde bereits am 19. April 1871 vom Deutschen Reichstag beschlossen. Die Ausführung verzögerte sich jedoch erheblich. Zunächst wurde als Bauplatz das Grundstück des Grafen Atanazy Raczyński an der Ostseite des Königsplatzes (heute: Platz der Republik) in Aussicht genommen, und bereits im Dezember 1871 wurde ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 122 Architekten beteiligten. Diesen Wettbewerb entschied im Juni 1872 Ludwig Bohnstedt aus Gotha für sich. Der preisgekrönte Entwurf konnte aber nicht verwirklicht werden, da sich Graf Raczyński weigerte, das Grundstück, auf dem sein von August Strack zwischen 1844 und 1847 errichtetes Palais stand, zu verkaufen.

Der Reichstag entschied sich deshalb, die Suche nach einem geeigneten Bauplatz fortzusetzen. Erst 1881 fand diese Suche ein Ende, als der Reichstag dem Antrag zustimmte, das Gelände an der Ostseite des Königsplatzes, das nach langwierigen Verhandlungen mit dem Sohn und Erben des Grafen Raczyński jetzt zum Verkauf stand, zu erwerben. Im Februar 1882 wurde ein neuer Architekten-Wettbewerb ausgeschrieben, zu dem allerdings nur Architekten „deutscher Zunge“ zugelassen waren. Aus den ungefähr 190 Einsendungen gingen der Frankfurter Paul Wallot und der Münchener Friedrich von Thiersch als Sieger hervor; beide erhielten einen ersten Preis. Da aber Wallot mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte, wurde er mit der Ausführung beauftragt.

1884–1918: Bauausführung und Ausgestaltung

Kaiser Wilhelm I. bei der Grundsteinlegung zum Reichstagsgebäude. Hinter ihm, in weißer Uniform, Otto von Bismarck
Reichstagsgebäude (bis etwa 1900), Blick von der Siegessäule, die hier bis 1938 stand

Aufgrund von Einwänden der Reichstagsbaukommission musste Wallot seinen Plan mehrmals überarbeiten, bis mit dem Bau begonnen werden konnte; am 9. Juni 1884 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Dabei zersprang der Hammer, mit dem Kaiser Wilhelm I. den Grundstein „absegnete“. Während des Baus mischte sich der neue Kaiser, Wilhelm II., mehrmals in die Planung für das "Reichsaffenhaus", wie er den Reichstag bezeichnete, ein und diktierte Wallot seine Vorstellungen. Dieser ließ sich jedoch nicht beeinflussen, was ihn die Sympathie des Kaisers kostete. Nach zehn Jahren Bauzeit konnte der Reichstag mit einer feierlichen Schlusssteinlegung am 5. Dezember 1894 übergeben werden.

Das Gebäude ist im Stil des Eklektizismus erbaut, wobei die Italienische Hochrenaissance besonders vertreten ist. Wallot wandte also diesen Stil auf Deutschland an, indem er regionale Baustile der deutschen Staaten, Schriften, Schmucktafeln und Figuren der deutschen Kulturkreise einfließen ließ. Obwohl man ihm später vorwarf, er hätte einen „Stilmischmasch“ hervorgebracht, erschuf Wallot erst dadurch ein Gebäude, das die Souveränität der Deutschen Kleinstaaten betonen, aber trotzdem auch vereinen konnte und so gewissermaßen künstlerisch eine Legitimität für den deutschen Staat schuf, die im Parlament, in dem ja Vertreter aller Volksgruppen zusammentrafen, ihre Krönung fand. Die Krönung des Gebäudes selber war die an der Spitze 75 Meter hoch ragende Kuppel (ausgeführt durch den Bauingenieur Hermann Zimmermann), die allerdings kein Symbol der Renaissance oder der kulturellen Vielschichtigkeit, sondern des überlegenen technischen Fortschritts Deutschlands war. Sie war ganz aus Stahl und Glas gefertigt und für ihre Zeit eine technische Meisterleistung. Obwohl ihr Innenraum keine spezielle Funktion hatte, versorgte sie dennoch den Plenarsaal mit natürlichem Licht und gab dem deutschen Parlamentsgebäude einen würdigen Abschluss.

Die Innenräume waren äußerst prachtvoll und repräsentativ ausgestattet. An vielen Orten fanden sich heraldische Symbole, Statuen großer Deutscher und Gemälde. Das Reichstagsarchiv umfasste schon bald Millionen von Bänden, die mit einem genialen pneumatischen Aufzugsystem in den Lesesaal verschickt werden konnten. Ebenso hatte der Reichstag ein eigenes Kraftwerk und war so als erstes Parlamentsgebäude Deutschlands vollständig mit elektrischem Strom versorgt.

Wallot hatte für den Portikus den Schriftzug „Dem Deutschen Volke“ vorgesehen, dessen Anbringung Kaiser Wilhelm II. jedoch ablehnte. Erst 1916 wurde der Schriftzug auf Anregung des damaligen Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg angebracht, nachdem die SPD den Kriegskrediten zugestimmt hatte und der Kaiser sich mit dem Parlament „versöhnt“ hatte. Die Bronze für die Buchstaben wurde auf kaiserliche Anordnung aus erbeuteten Geschützen gewonnen. Der Schriftzug wurde zeitgenössisch gestaltet und durch den Architekten Peter Behrens ausgeführt.

Bereits kurz nach Inbetriebnahme des Gebäudes fiel sein größter Mangel auf: Das Fehlen von Büroräumen für die Abgeordneten selber. Dieser Mangel konnte auch durch Umbauten in den folgenden Jahren nicht behoben werden. Legenden ranken sich um die Reichstagskantine, die nach ihrem Pächter Fraktion Schulze genannt wurde. Bis heute hält sich das Vorurteil, dass die Kantine im Reichstag das schlechteste Restaurant Berlins sei.

Am 9. November 1918 rief der sozialdemokratische Politiker Philipp Scheidemann von einem Fenster des Lesesaales durch einen der Westbalkone die Republik aus und beendete damit die Monarchie. An dieser Stelle ist heute eine Gedenktafel angebracht.

1933: Reichstagsbrand und Nationalsozialismus

Der brennende Reichstag

Am 27. Februar 1933 wurde im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes Feuer gelegt, er brannte völlig aus. Kurz darauf wurde der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe , der zuvor gedroht hatte, ein Berliner Verwaltungsgebäude in Brand zu stecken, verhaftet. Er wurde im Mai 1933 zusammen mit prominenten Mitgliedern der KPD, darunter Georgi Dimitroff, vor dem Reichsgericht in Leipzig wegen Brandstiftung angeklagt. Die NS-Führung hatte zuvor noch dafür gesorgt, dass für Brandstiftung fortan die Todesstrafe galt und auch rückwirkend verhängt werden konnte, so dass van der Lubbe zum Tode verurteilt und hingerichtet werden konnte. Die Mitangeklagten mussten aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden.

Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wer für den Brand verantwortlich ist. Sicher ist auf jeden Fall, dass er allein den Nationalsozialisten nützte, weil sie so gewissermaßen den Beweis für einen drohenden kommunistischen Umsturzversuch und die unmittelbare Gefahr eines Bürgerkrieges in den Händen hatten und so den Reichspräsidenten davon überzeugen konnten, einen Großteil der Grundrechte außer Kraft zu setzen. Dieser erließ am 28. Februar die „Verordnung zum Schutze von Staat und Volk“ (Reichstagsbrandverordnung), in welcher die allgemeinen Grundrechte temporär außer Kraft gesetzt wurden. Auf diese Weise war den vielfach als Hilfspolizisten eingesetzten SA-Schlägertrupps freie Hand gelassen. Nach dem Brand tagte das Parlament in der gegenüber liegenden Krolloper.

Das Gebäude selber wurde äußerlich instandgesetzt und sollte auf persönlichen Wunsch Hitlers auch in das Regierungsviertel der „Welthauptstadt Germania“ miteinbezogen werden. Zudem stand bis 1938 die Siegessäule vor dem Gebäude, welche für die geplanten Umbauten abgetragen und an ihrem heutigen Standort auf dem „Großen Stern“ wieder errichtet wurde. Im Reichstag wurden während der nächsten Jahre Propagandafilme gezeigt, und im Laufe des Kriegs wurde die gynäkologische Station der nahegelegenen Charité dorthin verlegt, was zur Folge hatte, dass einige hundert Berliner im Reichstag das Licht der Welt erblickten und heute noch einige Geburtsurkunden mit dem Eintrag "Berlin - Reichstagsgebäude" als Geburtsort existieren.

Die Rote Armee sah in dem Gebäude ein Schlüsselsymbol des NS-Regimes. Am 30. April 1945 wurde es vom 176. Regiment der 150. Schützendivision in der 3. Stoßarmee der 1. Weißrussischen Front eingenommen. Am gleichen Abend hissten die Sergeanten Meliton Kantaria und Micheil Jegorow eine von neun aus Moskau eingeflogenen Siegesfahnen zunächst über dem Eingangsportal, dann auf der Kuppel. Im Keller des Reichtagsgebäudes verbarrikadierten sich noch SS-Einheiten, die erst am 2. Mai kapitulierten. Die Siegesfahne wurde am 20. Juni 1945 zur Siegesparade nach Moskau gebracht und befindet sich heute im russischen Armeemuseum.

1945–1990: Deutsche Teilung

Reichstag nach alliierter Bombardierung, 3. Juni 1945

Das Reichstagsgebäude wurde nach dem Reichstagsbrand 1933 und im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Bei der Eroberung Berlins 1945 entstand ein berühmtes Foto, das den ukrainischen Soldaten Alexei Berest beim Hissen der sowjetischen Fahne zeigt. Die Szene auf diesem Foto wurde allerdings einige Tage nach dem tatsächlichen ersten Hissen der Fahne auf dem Reichstag für die Aufnahme nachgestellt, während der Kampfhandlungen war das Fotografieren unmöglich. Die markante Kuppel wurde am 22. November 1954 zur Entlastung des restlichen Gebäudes und wegen angeblicher statischer Unsicherheit gesprengt. Diese Entscheidung wird in der Fachliteratur zuweilen als „fragwürdig“ bezeichnet. In den folgenden Jahren wurde das Gebäude, das unter die Obhut der neu gegründeten Bundesbauverwaltung gestellt worden war, zunächst gesichert und die Fassade in vereinfachter Form wiederhergestellt.

Der in den Jahren 1958 bis 1971 durchgeführte Wiederaufbau zerstörte die historische Identität des Gebäudes, in dem sämtliche Stuckaturen und verbliebene Holztäfelungen, Türen etc. einfach zerstört wurden und das Gebäude in völlig veränderter Raumfolge gegliedert wurde. Der neu entstandene Plenarsaal war dreimal so groß wie der alte und selbst für ein gesamtdeutsches Parlament zu groß. Sämtliche heraldischen Verzierungen wurden entfernt, mit der Begründung, der Architekt Paul Wallot hätte sie nie so auszuführen beabsichtigt und man hätte in seinem Sinne gehandelt. Diese Behauptung ist schon deshalb falsch, weil Paul Wallot mit seinen zahlreichen Schmuckarbeiten gerade die kulturelle Vielfalt der Bundesstaaten des Deutschen Reichs betonen wollte und zum Beispiel regionale Baustile übernahm. Verantwortlicher Architekt für diesen Umbau war Paul Baumgarten, der allerdings in den meisten Entscheidungen von der Bundesbaudirektion bevormundet wurde. Diese Art von Umgang mit historischer Architektur entsprach dem Zeitgeist der 1960er und 1970er Jahre, insbesondere in Berlin.

Zu Zeiten der deutschen Teilung von 1961 bis 1989 verlief die Berliner Mauer unmittelbar an der Ostseite des Reichstagsgebäudes. Im Gebäude war ein Museum über den Bundestag und die Geschichte des Reichstagsgebäudes eingerichtet. Bis zur Wiedervereinigung fanden vereinzelt Fraktions- oder Ausschusssitzungen im Gebäude statt, eine plenarparlamentarische Nutzung war aufgrund der Vertragslage mit den Siegermächten nicht möglich. Für ausländische Staatsgäste war der Besuch der Außenterrassen mit Blick über die Berliner Mauer gewissermaßen Pflichtprogramm. Gleichzeitig wurde im Gebäude die Ausstellung Fragen an die Deutsche Geschichte gezeigt, die mehrere Millionen Besucher in das Haus lockte.

Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 beschloss der gesamtdeutsche Bundestag am Ende einer ausgiebigen und kontroversen Debatte am 20. Juni 1991 den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin und damit die Verlegung des Bundestages in das Reichstagsgebäude.

1995–1999: Umbau

Innenhof - Moderne und historische Architektur vereint
Datei:Reichstagkuppel kasselgalerie de.jpg
Reichstagskuppel bei Tag mit Tageslichtspiegeln
Datei:Germany Bundestag Bundesadler 5.jpg
Bundesadler im Reichstag

Ein internationaler Architektenwettbewerb zum Umbau des Reichstagsgebäudes für die künftige Nutzung durch den Deutschen Bundestag wurde ausgeschrieben. Der Architekt Sir Norman Foster erhielt den Zuschlag, allerdings für einen wesentlich anderen Entwurf, als tatsächlich realisiert wurde. Er plante in seinem Ursprungsentwurf, über das gesamte Reichtagsgebäude und das umgebende Gelände ein freistehendes Glasdach zu spannen, das etwa dessen doppelte Grundfläche gehabt hätte. Dieser Entwurf stieß jedoch (nicht zuletzt wegen der enormen Kosten von bis zu ca. 1,3 Milliarden DM) bei vielen Bundestagsabgeordneten und der Berliner Bevölkerung auf Ablehnung. Sie sah in diesem Entwurf "Deutschlands teuerste/größte Tankstelle". So wurde Foster genötigt, stattdessen die später so viel beachtete Glaskuppel zu planen. Als Gegenleistung erhielt er das Recht, die Rückseite des Bundesadlers im Plenarsaal zu gestalten. Im Juni 1994 entschied sich dann der Bauausschuss mit nur einer Stimme Mehrheit für diesen Entwurf und damit gegen die einzige übrig gebliebene Alternative, den originalgetreuen Wiederaufbau der ursprünglichen Kuppel. Dietmar Kansy (CDU) und insbesondere Peter Conradi (SPD) haben den Umbau des Reichstagsgebäudes zum Sitz des Deutschen Bundestages als Mitglieder der Baukommission maßgeblich geprägt.

Schutzhauben als Vorbereitung der Verhüllung

1995 verhüllten die Aktionskünstler Christo und Jeanne-Claude das Gebäude, bevor ein umfassender jahrelanger Umbau unter der Regie des Büros Foster & Associates einsetzte, bei dem das Gebäude auch wieder eine Kuppel bekam.

Beim Umbau wurde besonders auf ökologische Faktoren Rücksicht genommen. Spezielle Verglasungen und Isolierungen sollen den Energieverlust verringern, ein Heizungs- und Kühlungssystem nutzt eine unterirdische Wärmequelle bzw. eine kühlende Grundwasserschicht zur Wärmeregulation. Ein kompliziertes System aus Spiegeln leitet das Licht der Sonne aus der Kuppel bis in den Sitzungsaal hinab. Wie in der Anfangsphase des Reichstags gibt es auch jetzt wieder ein eigenes Kraftwerk, das mit Biodiesel aus Mecklenburg-Vorpommern betrieben wird.

Gestaltung und Nutzung

Datei:Reichstagskuppel.jpg
Blick von der Besuchertribüne nach oben in die Kuppel
Datei:Berlin.Reichstagsgebaeude.Kuppelspitze.JPG
Öffnung in der Kuppelmitte für den Luftabzug
Innenansicht des Plenarsaals 2006

Die neuartige begehbare gläserne Kuppel ist ein neues Wahrzeichen für Berlin. Sie dient zugleich der Belichtung und Belüftung des Plenarsaals.

Das Tageslicht wird über viele kleine Spiegel in trichterförmiger Anordnung von der Kuppel in den Plenarsaal gespiegelt. Damit direkt einscheinendes Sonnenlicht nicht blendet, gibt es vor den Spiegeln einen Schirm mit schattenspendenden Lamellen, der automatisch dem Sonnenstand nachgeführt wird. Die Abluft wird im Inneren des Spiegelträgers nach oben und durch die Öffnung in der Kuppelmitte direkt ins Freie geführt. Eintretendes Regenwasser wird durch eine runde Vorrichtung unmittelbar unter der Öffnung aufgefangen und abgeführt. Diese Vorrichtung dient zugleich als Sitzbank in der Kuppelspitze.

Der riesige Plenarsaal bildet den Mittelpunkt des Reichstagsgebäudes und reicht praktisch durch das ganze Haus. Er ist von fast allen Stockwerken einsehbar. Das macht deutlich, dass sich hier das Zentrum der parlamentarischen Demokratie befindet. Erstmals nach dem Umbau wurde das Reichstagsgebäude von der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten 1999 genutzt. Offiziell heißt das Gebäude Plenarbereich des Deutschen Bundestages.

Das Gebäude ist mit vielen Kunstwerken internationaler zeitgenössischer Künstler geschmückt. Es befinden sich Sitzungsräume und ein Restaurant im Haus. Die eigentlichen Arbeitsräume der Abgeordneten des Deutschen Bundestages befinden sich in den umliegenden Neubauten der Paul-Löbe- und Jakob-Kaiser-Häuser.

In den Räumen um den Plenarsaal befinden sich zahlreiche Kunstwerke internationaler Künstler. Der Anschaffungswert der einzelnen Kunstwerke wurde nicht veröffentlicht, insgesamt wurde für Kunstwerke im Reichstagsgebäude 4 Millionen Euro ausgegeben.

Bis zum Juni 2006 haben insgesamt mehr als 18 Millionen Menschen den Reichstag besucht, um die Kuppel zu ersteigen, Debatten zu verfolgen oder sich durch das Haus führen zu lassen.

Der Berliner Reichstag

Markante Orte im Reichstag

Westbalkon

Die Westbalkone befinden sich in nördlicher Richtung (rechts) neben dem Hauptportal. Vom zweiten von ihnen rief am Nachmittag des 9. November 1918 der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Philipp Scheidemann, die Republik aus. An dieser Stelle ist heute eine Gedenktafel angebracht. Seine Rede ist in zahlreichen Versionen überliefert. 1928 schreibt er selbst in seinen Memoiren: „Arbeiter und Soldaten! Furchtbar waren die vier Kriegsjahre. Grauenhaft waren die Opfer, die das Volk an Gut und Blut hat bringen müssen. Der unglückselige Krieg ist zu Ende. Das Morden ist vorbei. Die Folgen des Kriegs, Not und Elend werden noch viele Jahre lang auf uns lasten. Seid einig, treu und pflichtbewusst! Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik!“ Einige Stunden später rief Karl Liebknecht vom Berliner Stadtschloss die Räterepublik aus.

Unterirdischer Gang

Bei den Umbaumaßnahmen nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren wurde ein Rohrleitungsgang entdeckt. Vor dem Reichstagsbrand verband dieser den Reichstag mit dem Reichstagspräsidentenpalais, das heute Sitz der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft ist. Gerüchten zufolge sollen Angehörige der SA 1933 diesen Gang in den Reichstag genutzt haben, um das Haus in Brand zu legen, was allerdings nie bewiesen wurde. Ein Teil des Heizungsganges ist bei den Bauarbeiten herausgesägt worden und steht nun in der Fußgängerunterführung vom Reichstag zum Jakob-Kaiser-Haus.

Die Graffiti der sowjetischen Soldaten

Sowjetische Soldaten hinterließen Inschriften an den Wänden. Einige wurden erhalten.

Ausgebrannt und bedeutungslos geworden, blieb das Reichstagsgebäude in der Zeit der NS-Herrschaft weitgehend ungenutzt. Für die Sowjetunion galt der Reichstag als Symbol für den Beginn des Dritten Reiches und erhielt so große politische Bedeutung in der Schlacht um Berlin. Besonders die sowjetische Propaganda stellte in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs den durch seine Größe und zentrale Lage hervorgehobenen Reichstag als militärisches Ziel und politischen Endpunkt dar.

Die Schlacht um Berlin begann am 21. April 1945, der Kampf um den Reichstag dann am 29. April 1945. Erst drei Tage später wurde das Gebäude endgültig erobert. In den Tagen danach nutzten viele sowjetische Soldaten die Mauern, um sich in ihnen zu verewigen. Einige dieser Graffiti wurden als Erinnerung am Originalstandort stehen gelassen und in den umgebauten Reichstag integriert. Damit wird an die Geschichte erinnert, die in die totale Niederlage führte. Nachdem Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth einen russischen Diplomaten um Übersetzungen gebeten hatte, wurde klar, dass die Sieger neben Aussagen à la „Ich war hier“ auch sexistische bis rassistische Kommentare hinterließen, die dann - auch auf russische Bitte hin - entfernt wurden.[1]

Gedenkstätte und Abgeordnetenlobby

Im Erdgeschoss befindet sich hinter dem Plenarsaal eine Abgeordnetenlobby – somit setzt sich die Erinnerung an die Geschichte im Innern des Reichstagsgebäudes fort. Die Düsseldorfer Künstlerin Katharina Sieverding hat dort eine Gedenkstätte für die von 1933 bis 1945 verfolgten Mitglieder des Reichstages der Weimarer Republik gestaltet. Der Raum soll als Ruhe- und Rückzugszone für die heutigen Abgeordneten dienen und nicht als Trauer- oder Mahnstätte.

Am Kopfende des Raumes befinden sich ein fünfteiliges Fotogemälde und drei Holztische. Als Hintergrundmotiv des Fotogemäldes wurde die lodernde Sonnenkorona gewählt. Sie soll sowohl Assoziationen an den Reichtags- und den mit ihm verbundenen Weltenbrand als auch an die geläuterte Wiedergeburt des demokratischen Deutschlands als „Phönix aus der Asche“ erwecken. Eine durchschlagende Feuerlohe steht so für „Vergangenheit und Zukunft und lässt sich verstehen als Menetekel und als Mahnung“. Vor dem Flammenmeer befindet sich eine gelbe Röntgenaufnahme mit dem zentralen Motiv eines Rückens. Es weist auf die Mitglieder des Reichstages hin, die wortwörtlich sich dem Terror der Nationalsozialisten nicht gebeugt haben und Rückgrat bewiesen.

Auf den Holztischen liegen Gedenkbücher, die das Schicksal der meisten Reichstagsabgeordneten würdigen. Die beiden äußeren Gedenkbücher erinnern an die Abgeordneten, die inhaftiert oder emigriert sind. Im mittleren wird zu jedem der 120 ermordeten Abgeordneten mit einer kurzen Biografie gedacht.

Fraktionsebene

Die dritte Etage des Reichstages ist den Abgeordneten bzw. den Fraktionen vorbehalten. Dabei verfügt jede der im Parlament vertretenen Parteien über eigene Versammlungssäle. Journalisten dürfen lediglich den Eingangsbereich betreten, in dem oft Presseerklärungen abgegeben werden.

Leuchtschriftbänder

In der nördlichen Eingangshalle hat die US-amerikanische Künstlerin Jenny Holzer eine Stele installiert, auf der digitale Leuchtschriftbänder Reden von Reichstags- und Bundestagsabgeordneten von 1871 bis 1992 dokumentieren. Holzer wählte hierzu insgesamt 442 Reden mit Zwischenrufen aus, die sie in Themenblöcken aneinanderreihte. Sie haben eine Gesamtlänge von 20 Tagen.

Der Bevölkerung

In Anspielung auf die Inschrift "Dem Deutschen Volke" wurde im Jahr 2000 der Schriftzug "Der Bevölkerung" im nördlichen Lichthof des Reichstags in einen hochbeetartigen Kasten eingelassen. Allen Bundestagsabgeordneten steht es frei, Erde aus ihrem Wahlkreis dort hinzuzufügen. Der Pflanzenwuchs bleibt sich selbst überlassen.[2]

Im September 2000 kam es zum Eklat, als ein Abgeordneter verschmutzte Erde dem Projekt zuführte. Es wuchs eine Hanfpflanze aus der Erde[3], vermutlich sollte damit für die Legalisierung dieser Rauschdroge demonstriert werden. Bis heute hat allerdings nur ein Bruchteil aller Abgeordneten "der Bevölkerung" Erde mitgebracht.

Weitere Bilder

Siehe auch

Quellen

  1. vgl. auch Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 224. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2002, S. 22301ff
  2. Webseite des Bundestags Kunstprojekt Der Bevölkerung
  3. Bundestagspressespiegel vom 24.9.2000

Literatur

  • Mathias Wallner und Heike Werner: Architektur und Geschichte in Deutschland. S. 158-159, München 2006, ISBN 3-9809471-1-4
  • Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit: Einblicke. Ein Rundgang durchs Parlamentsviertel. S. 35-45, Berlin 2006
  • Thomas G. Dorsch: "Der Reichsgerichtsbau in Leipzig. Anspruch und Wirklichkeit einer Staatsarchitektur". Frankfurt am Main 1999. [Das Reichstagsgebäude und das Reichsgerichtsgebäude wurden zur gleichen Zeit erbaut.]
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