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Rasse (Züchtung)

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Rasse ist eine Klassifizierungsschema der Biologie für Pflanzen und Tiere. Rassen oder Unterarten sind in der biologischen Systematik Populationen einer Art, bei denen der Genaustausch mit anderen Populationen vermindert ist. Dadurch kann es zu einer verstärkten Herausbildung von gemeinsamen phänotypischen Merkmalen kommen, die die einzelnen Pflanzen und Tiere der Rasse von anderen Populationen der gleichen Art unterscheiden (Merkmalsdivergenz). Andere Begriffe, die vergleichbare Beobachtungen ausdrücken, sind Unterart (Subspezies), Zuchtform oder Varietät. Im Pflanzenreich sprechen Biologen auch von Sorten.

Eine Einteilung auch der Menschheit in Rassen wird mittlerweile verbreitet als rassistisch angesehen.

Zur Geschichte des Wortes

Im Deutschen taucht das Wort im 16./17. Jahrhundert als Entlehnung aus dem Italienischen „razza“. Grimm legt nahe, dass die rom. Wörter ital. razza, franz. race, span./prov./port. raza ihrerseits eine Entlehnung aus dem Deutschen seien und zum Grunde das Wort reißen, der Riss-Strich, Linie, erinnere Reißbrett, haben, mit der Intensivbildung ritzen. Andere verweisen auf lat. ratio, dem ein mlat. razza mit der Bedeutung „Abmachung unter den Angehörigen eines Berufes, einer Familie“ folgt, aus welcher dann ital. razza/razzo für „Geschlecht“ sich ableitet. All dies ist ungewiss. Und das Etymologische Wörterbuch des Deutschen (Akademie Verlag, Berlin, 1981) resümiert: Herkunft ungewiss.

Das Wort selber ist schillernd: In der rein deskriptiven Nutzung der Zoologie ist es wertfrei. Etwa „Die Rassen der Schleiereule“, wo es synonym für Unterart bzw. Spezies steht. Aber schon bei den Nutztieren sieht sich die „Promenadenmischung“ einem „Rassehund“ gegenüber. Hier tritt eine Wertung ein. Solange es bei den Nutztieren um die eine oder andere Eigenschaft, wie etwa den Vergleich bestimmter Rinderrassen in Bezug auf die Milchjahresleistung oder die durchschnittliche Tagesgewichtszunahme geht, erscheint diese Wertung problemlos. In dem Moment aber wo der Mensch sich nicht mehr als „gottgeschaffene Krone der Schöpfung“ begreift, sondern sich mit dem Tiere auf einer Stufe weiß, dem „Struggle for Life“ ausgesetzt, in der Gewissheit, dass nur „the fittest“ überlebt, muss sich dieser fragen, wie es kommt, dass er, um mit Rudolf Tarnow zu reden „baben an steit“. In dieser Situation wird aus einer Einbildung auf Zivilisation notgedrungen eine ethisch höchst fragwürdige „überlegene Rasse“, ein Konzept, welches in Deutschland seit dem verlorenen Krieg nicht mehr vermittelbar und auch nicht politikfähig ist, welches aber in anderen Ländern bzw., ihren Rassen z. b. im angelsächsischen Raum durchaus Boden hat und auch gewinnt.

Im westlichen, diskriminierenden Sprachgebrauch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (vgl. das englische race) wurde „Rasse“ auf Menschen angewandt, als ein biologistisch begründeter kulturell zuschreibender Terminus. Als soziologischen Begriff hat ihn vor allem der frühe Klassiker Ludwig Gumplowicz verwandt (Der Rassenkampf, 1909).

Interessant an diesem Begriff der Rasse ist, dass ein „natürlich“ (oder unwillkürlich) Gewordenes mit einem „künstlich“ (oder willkürlich) Gezüchteten verwechselt wird. Philosophisch gesprochen ist das ein zum Realismus erklärter Nominalismus. Diese Figur findet sich häufig im späteren 19. Jahrhundert, wenn es darum geht, Autorität zu behaupten und sich dabei auf Natur zu stützen (vgl. die heute vermiedenen Begriffe Naturgesetz, Naturkonstante).

Da der Begriff „Rasse“ in Bezug auf Menschen einen deutlich rassistisch-ideologischen Charakter annehmen kann (Vorlage:"-en), hat die UNESCO ebenda empfohlen, den Begriff „Rasse“ (race) durch den rein deskriptiven (beschreibenden) Begriff Ethnische Gruppe (ethnic group) zu ersetzen.

Klassifizierung von Populationen in Evolutionsprozessen

Alle Mitglieder einer biologischen Art nehmen normalerweise an einem gemeinsamen Genpool teil. Innerhalb einer Art bilden sich jedoch weite Variationen in der phänotypischen Kombination bestimmter Merkmale. Bestehen zwischen verschiedenen Populationen oder Populationsgruppen der Art Barrieren für den Genaustausch – seien es räumliche (Gebirge, Landmassen, Meere), zeitliche (Entwicklungszeiten, etwa bei Maikäfern) oder vom Menschen induzierte (Zuchtwahl bei Hunden, Pferden etc) – so prägen sich diejenigen Merkmale heraus, die in hoher Frequenz bereits vorhanden sind (Genetische Drift), manchmal verstärkt durch spezifische Umweltbedingungen, die einen Selektionsdruck ausüben. Wenn es im Laufe der Evolution in bestimmten Populationsgruppen gehäuft zu einer einheitlichen Veränderung bestimmter Merkmale kommt, die die Angehörigen einer Gruppe von anderen unterscheidet, so liegt eine Unterteilung in Untergruppen nahe, die als Rassen, Unterarten, Sorten etc. bezeichnet werden. Diese Unterarten können sich zu neuen Arten entwickeln, wenn sie so weit auseinander driften, dass sich Fortpflanzungsbarrieren ausbilden, die den freien Genaustausch zwischen den Gruppen dauerhaft, d. h. selbst bei wieder etabliertem z. B. geografischem Kontakt, einschränken und dadurch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Fortpflanzung zwischen Individuen verschiedener Untergruppen stark herabsetzen. Es finden sich dann oft evolutionäre Zwischenstadien, bei denen zwar eine Kreuzung möglich ist, der Nachwuchs aber eine herabgesetzte evolutionäre Fitness zeigt, was sich u. a. in verminderter Fortpflanzungsfähigkeit wie beispielsweise zwischen Pferden und Eseln zeigen kann.

Da eine Rasse immer über eine ganze Reihe von Eigenschaften, Merkmalen oder Attributen definiert wird, können durch die Kreuzung von Individuen mit heterozygoten Merkmalen beliebige Zwischenstufen zwischen den Rassen entstehen. Die Rasse ist also nur in einer geografisch und zeitlich fest umrissenen Situation eine naturgegebene Kategorie; in vielen Fällen ist sie ein vom Menschen geschaffenes Abstraktum. Realität kommt dann nur den einzelnen genotypischen und phänotypischen Unterschieden selbst zu – es existiert also keine von der historischen Situation unabhängige „Summe“ dieser Unterschiede.

Rassen in Bezug auf Tiere

Rassen sind heute besonders in der Tierzucht (Hunde, Pferde, Kühe und andere Haustiere) von Bedeutung, wo oft die „Reinrassigkeit“ den Wert eines Tieres mitbestimmt: die Tiere sollen den definierten Eigenschaften des Zuchtideals entsprechen und eine Abstammung nur von Tieren besitzen, die der selben Rasse zugeordnet werden können. Bei Tierrassen lassen sich eindeutige genetische und phänotypische Unterschiede zwischen den Rassen feststellen. Die Art der Hunde wurde z. B. als Ganze vom Menschen aus der differierenden Art des Wolfes herausgezüchtet. Nicht nur verantwortungslose Züchtung, sondern die ganz normale so genannte „Rasse-Hunde-Zucht“ führt zwangsläufig zu Schädigungen des Haplotypus. Hellmuth Wachtel (Hundezucht 2000, Gollwitzer Verlag 1997) weist zu Recht darauf hin, dass als Population nur die effektiv an der Fortpflanzung teilnehmenden Haplotypen bezeichnet und gezählt werden können. Die zum Standard gewordene so genannte „Championzucht“ verstärkt dies dramatisch. Hat man z. B. 3000 Zuchthündinnen einer „Hunderasse“ und werden sie von 50 „Champions“ gedeckt, beträgt die effektive Populationsgröße nur 200! Womit der Tatbestand der „heimlichen“ Engzucht mit entsprechender Allel-Verarmung durch Gendrift schon erfüllt ist. Wachtel nannte dies treffend „genetischer Genozid“.

Die Folge ist, dass es immer mehr Rassehunde gibt, die Erbkrankheiten und krankes Erbgut tragen. Folgt man Wachtel, so dürfte es mit der Vitalität der europäischen „Rassehunde“ (Fruchtbarkeit, Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltreize, Widerstandskraft gegen Krankheitserreger, mittlere Lebenserwartung, Inzidenz von Erbkrankheiten) in ca. dreißig Jahren endgültig zu Ende gehen. Wobei heute schon einige Rassen ohne Kaiserschnittentbindungen ausgestorben wären.

Zusätzlich und verstärkend gibt es Überzüchtungen auf Schönheitsideale der Wohlstandsgesellschaft, die zu weiteren Inzucht-Effekten führen können. In der Zucht von Nutztieren und Nutzpflanzen dienen reinrassige Ur-Zuchtlinien zur Produktion von hybriden neuen Rassen.

Rassen in Bezug auf Menschen

Hauptartikel: Rassentheorien

Versuche, Menschen nach äußeren Merkmalen (wie Körperbau, Schädelform, Haut- und Haarfarbe usw.) in verschiedene Rassen einzuteilen, werden in der Wissenschaft zunehmend abgelehnt. Naturwissenschaftler wie Humangenetiker haben Rassentheorien in Bezug auf den Genotypus Mensch schon seit längerem widerlegt. Man spricht, beispielsweise in der anthropologischen Forschung, statt von menschlichen Rassen von typologischen Kategorien, wonach die Menschheit sich in verschiedene Phänotypen gliedert. Genetisch gesehen gleichen sich hingegen alle Menschen zu 99,9 Prozent, und dies unabhängig von der ethnischen Einordnung. Die restlichen 0,1 Prozent des Erbguts sorgen für die individuellen Unterschiede zwischen den Menschen (Haut- und Haarfarbe usw.). Eine sinngemäße Nutzung des Begriffes "Rasse" bedingt eine deutlich höhere prozentuelle Abweichung.

Rassenideologie hat zur Verbreitung unwissenschaftlicher Kriterien und Wertungen geführt, bei oft menschenverachtender Grundhaltung. Vermeintliche oder echte wissenschaftliche Autorität wurde hier als ein Mittel zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der politisch-ideologischen Ansichten missbraucht. Während viele morphologische und physiologische Kriterien bis heute in Biologie und Medizin Bestand haben, jedoch nicht in Bezug auf eine Unterteilung von Menschenrassen, wurden andere Merkmale, Typisierungen und Wertungen inzwischen widerlegt.

Die heute immer weniger gebräuchliche Einteilung der Menschen in Rassen, früher oft als Großrassen bezeichnet, kann auf die Unterschiede in der Körperfarbe nicht gestützt werden; für die Einteilung der Menschheit in Schwarze, Weiße, Rote und Gelbe ist der biologische Begriff der Rasse ungeeignet. Während Walter Demel zeigen wollte, wie die Chinesen gelb gemacht wurden, beschrieb Alden T. Vaughan die Verwandlung der Indianer in Rothäute oder verfolgte Wulf D. Hund die Entwicklung des europäischen Afrikanerbildes vom Äthiopier der Antike über den Mohren des Mittelalters zum Neger der Neuzeit. John Solomos und viele andere haben daraus den Schluss gezogen, dass „schwarz und weiß [...] keine essentialistischen Kategorien [sind], sondern [...] durch historische und politische Kämpfe um ihre Bedeutung definiert werden“.

Literatur

  • Imanuel Geiss: Geschichte des Rassismus. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1988
  • Michael J. Bamshad, Steve E. Olson: Menschenrassen - eine Fiktion? In: Spektrum der Wissenschaft. Spectrum, Heidelberg 2005,5 (Mai). ISSN 0170-2971
  • Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. Hanser, München 1999, ISBN 3-446-19479-7
  • G. Çağlar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons »Kampf der Kulturen«. Unrast, Münster 2002, ISBN 3-89771-414-0
  • Stephen Jay Gould: Der falsch vermessene Mensch Birkhäuser, Basel 1983, Suhrkamp, Stuttgart 2002. ISBN 3-518-28183-6
  • Jobling, Mark A. u.a.: Human Evolutionary Genetics. Origins, Peoples and Disease. Garland Science, 2003, ISBN 0815341857
  • Robert Miles (1991): Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg. Argument Verlag.
  • Steve Olson: Mapping Human History – Genes, Race, and Our Common Origin. New York 2003
  • J. Philippe Rushton: Rasse, Evolution und Verhalten, eine Theorie der Entwicklungsgeschichte. Ares, Graz 2005, ISBN 3-902475-08-0
  • Nicholas Wade: "Before the Dawn. Recovering the Lost History of our Ancestors. Penguin Press, New York 2006, ISBN 1594200793
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