Industrielle Revolution
Unter der Industriellen Revolution versteht man die industrielle Umgestaltung der Arbeits- und Sozialordnung in Europa im 18. und hauptsächlich 19. Jahrhundert. Industrielle Revolution bezeichnet den "rapiden und sozial spannungsreichen Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft" [1].
Die Industrielle Revolution ging Ende des 18. Jh. von GB aus. Im 19. Jahrhundert breitete sie sich über West- und Mitteleuropa und die USA aus. Gegen Ende dieses Jahrhunderts wurden auch Russland und Japan erfasst. Manche Entwicklungsländer durchschreiten erst heute (gegen Ende des 20. Jahrhunderts – Beginn des 21. Jahrhunderts) diesen Prozess, oder haben ihn bis heute noch nicht begonnen.
Der Begriff Industrielle Revolution wurde von Friedrich Engels und L. Blanqui geprägt.
Erscheinungsformen
Mit dem Übergang zur Dampfenergie als Grundlage der Energieerzeugung an Stelle von Wasser- und Windenergie wurde eine Periode tief greifender sozialer und technologischer Veränderungen eingeleitet. Im historischen Rückblick wird die Industrielle Revolution daher oft mit der Neolithischen Revolution, dem Übergang zur Jungsteinzeit, verglichen, da diese einen vergleichbar drastischen sozialen Wandel mit sich brachte. Neben einer grandiosen Entwicklung der Produktivität und der Wissenschaften erhoben sich entsprechend schwere soziale Fragen – wie zum Beispiel Massenarmut (Pauperismus) und Massenarbeitslosigkeit.
Durch Verbesserungen der Dampfmaschine von James Watt wurden neue Möglichkeiten geschaffen. Mit der Umwandlung von Dampfkraft in mechanische Kraft wurde der Bau von Fabriken weit entfernt von Wasserläufen möglich. Handarbeit konnte mechanisiert werden; aus Manufakturen entwickelten sich Fabriken und damit eine neue Produktionsweise, die zuerst in der englischen Baumwollverarbeitung, dann in weiteren Industriezweigen Einzug hielt.
So beseitigte die Dampfmaschine beispielsweise die Abhängigkeit von witterungsbedingten saisonalen Schwankungen der Energiequellen. Wind- und wassergetriebene Mühlen oder Pumpen wurden durch Dampfgetriebe ersetzt.
Wichtige Bestandteile der Industriellen Revolution waren neben der Fortentwicklung der Dampfmaschine die Entwicklung maschinell betriebener Fahrzeuge wie der Dampflokomotive durch Richard Trevithick, Timothy Hackworth, John Blenkinsop und George Stephenson und des Dampfschiffs durch Robert Fulton zu Beginn des Jahrhunderts.
Diese Erfindungen zeitigten große soziale Umwälzungen. Die Energiekapazitäten der kleinen Mühlen und Manufakturen vermochten nicht mit der Dampfenergie zu konkurrieren. Mit Lokomotiven und Dampfern konnten Waren über Land und Meer sehr schnell und innerhalb einer berechenbaren Zeit transportiert werden, da die Dampfaggregate gleich bleibende Energie lieferten. Allgemein ließ sich eine starke Entwicklung neuer Erfindungen feststellen, diese waren insbesondere bei der neuartigen Nutzung nicht-menschlicher Energie und im Textilgewerbe auszumachen.
Dabei wurden vorhandene Prinzipien der Herstellung durch neue ersetzt (Landes, Wohlstand, S. 205):
- "menschliche Fertigkeit und Anstrengung durch die - ebenso schnell wie gleichmäßig, präzise und unermüdlich arbeitende - Arbeits-Maschine";
- "belebte durch unbelebte Kraftquellen, insbesondere durch die Erfindung von (Kraft-)Maschinen, die Wärme in Arbeit umwandeln und damit eine nahezu unerschöpfliche Energie eröffnen";
- "Verwendung neuer Rohmaterialien in größeren Mengen, vor allem die Ersetzung pflanzlicher und tierischer Substanzen durch anorganische und schließlich synthetisch hergestellte Materialien".
Verlaufsformen der industriellen Revolution
Kapitalbildung und zentralisierte Produktion
Die Industrialisierung verlangte Kapital, welches von Banken, adeligen Großgrundbesitzern, Kaufleuten, dem Kolonialhandel und Handwerkern kam. Es wurden außerdem Kapitalgesellschaften gegründet, die es erlaubten die Investitionssumme auf mehrere Gesellschafter zu verteilen und gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Nordenglische Grubenbesitzer verbanden sich mit Londoner Kohlehändler; Brauereibesitzer mit Malzlieferanten und Erfinder mit Kapitalgebern. Es wurden auch kleine Fabriken gegründet, zum Beispiel zwischen Maschinenbauer und Spinner. Denn im 18. Jahrhundert war der Kapitalbedarf noch relativ gering, sodass auch einzelne Arbeiter oder kleine Angestellte mit eigenem und geborgtem Geld den sozialen Aufstieg zum Unternehmer schafften. Jede technische Erfindung wurde genutzt und verbessert, die Arbeitsteilung vorangetrieben und die Betriebe vergrößert. Zudem nahm die Pro-Kopf-Erzeugung in der englischen Industrie stetig zu. Auch der Absatz der Massengüter war gesichert: In England, in den Kolonien und in Kontinentaleuropa (wo englische Produkte bis in das 19. Jahrhundert den Markt beherrschten). Als Hochkapitalismus wird schließlich die Zeit zwischen der ersten Weltwirtschaftskrise 1857 und 1918 bzw. der 2. Weltwirtschaftskrise 1929 verstanden.
Die „Spinning Jenny“ und der mechanische Webstuhl
Im 18. Jahrhundert waren zwei Kleidergarnituren ein Luxus => das bot den Textilproduzenten die Möglichkeit zur Absatzsteigerung bei preiswerteren Produkten. 1760 wurden in England 2,5 Millionen Pfund Baumwolle verarbeitet; 1860 waren es 366 Millionen Pfund => eine Steigerung auf fast das hundertfünfzigfache (auf das 146,4-fache). Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der größte Teil der aus den Kolonien importierten Baumwolle in Heimarbeit verarbeitet: Die ganze Familie war beschäftigt. Doch die Weber konnten mehr Garn verarbeiten als vier Spinner(innen) in der selben Zeit händisch produzieren konnten. Die Nachfrage an Garn führte dazu, dass der Preis enorm anstieg und sogar Preise für Erfindungen ausgesetzt wurden, die Garnproduktion und Qualität steigern konnten.
James Hargreaves entwickelte 1764 eine Spinnmaschine, die nach seiner Tochter „Spinning Jenny“ benannt wurde. Welche dann auch schon mit Wasserkraft betrieben wurden. Durch diese Kombination konnte der Techniker Samuel Crompton 1779 noch viel feineres Garn herstellen. Die Produktion wurde nochmals enorm gesteigert als die Dampfmaschine die Wasserkraft ablöste. Das Ergebnis war, dass ein Spinner zu Beginn des 19. Jahrhunderts soviel Garn erzeugen konnte wie 200 Arbeiter vor der Erfindung der „Jenny“. Das bedeutete aber gleichzeitig das Ende der Heimindustrie – sie konnte nicht mehr mit den größeren, dampfbetriebenen Maschinen Schritt halten. Anfang des 19. Jahrhunderts arbeiten etwa 100.000 in den entstandenen Spinnfabriken. Der Preis des Garns sank enorm. Ergebnis: Die billig gewordenen Baumwolltextilien ließen den Absatz in England steigen und machten 1830 mehr als die Hälfte des Exports Englands aus.
Die Weberei blieb der Modernisierung in der Spinnerei lange zurück – bis der Londoner Pfarrer Edmund Cartwright 1784 den mechanischen Webstuhl erfand; aber er benötigte etwa 50 Jahre, bis er sich endgültig durchsetzen konnte. Der Grund war, dass gut 250.000 Handweber erbitterten und brutalen Widerstand leisteten und sogar Fabriken niederbrannten, aus Angst um ihren Berufsstand und vor der Modernisierung. Der Aufstand blieb aber erfolglos, denn die Idee der unbeschränkt freien Wirtschaft hatte sich durchgesetzt.
Die Dampfmaschine – James Watt
Vor der Industrialisierung waren die Menschen beim Produzieren auf die eigene Kraft und auf die von Wasser, Wind und Tieren angewiesen. Es gab aber schon Menschen, die sich mit dem Bau von Kraftmaschinen beschäftigten – es fehlte aber oft an technischen Möglichkeiten um ihre Ideen zu verwirklichen.
Erst James Watt verband Wissenschaft und Praxis: Als Mechaniker sollte der gelernte Uhrmacher an der Universität Glasgow ein kleines Modell der Newcomenmaschine reparieren und wurde dabei auf die Schwächen dieser Dampfmaschine aufmerksam. Von da an testete er in jahrelangen Versuchsreihen die Eigenschaften des Dampfes und die Verwendbarkeit verschiedener Metalle. Trotzdem lag zwischen seiner neuen Dampfmaschine als Modell (1765) und einer kaufmännisch verwertbaren, wesentlich leistungsfähigeren Arbeitsmaschine mehr als ein Jahrzehnt.
Diese Dampfmaschine wurde innerhalb kurzer Zeit zur wichtigsten Arbeitsmaschine in den verschiedensten Bereichen (Pumpen, Hämmer, Gebläse und Walzen wurden dadurch angetrieben). Ein Grund, wieso Boulton soviel Geld in dieses Projekt steckte war wohl der, dass Watt seine Erfindung hatte patentieren lassen – somit war jegliche Konkurrenz ausgeschaltet. Mit dem königlichen Patent durfte man schon seit dem 17. Jahrhundert Erfindungen auf begrenzte Zeit alleine nutzen. Das Patent wurde sogar vom Parlament verlängert.
Kohleabbau und Schwerindustrie
Seit dem 16. Jahrhundert wurde in England Kohle für den Hausbrand und herkömmliche Industrie verwendet. Um 1800 nahm der Bedarf noch zu, als Holzkohle durch das Roden der Wälder knapper und teurer wurde. Anfangs wurde nur im Tagbau abgebaut – aufgrund der fehlenden Pumpen für den Untertagbau (Wasserpumpen für das Schmutzwasser). Seit der Dampfmaschine (als Antrieb für Wasserpumpen) konnte Kohle aus immer größeren Tiefen abgebaut werden. Sie wurde auch zum Befördern von Menschen und Material in den Schächten genutzt und ferner als Zugmaschine für beladene Karren auf Holz-, später dann Eisenschienen eingesetzt (gegen Ende des 18. Jahrhunderts).
Für die Eisenerzeugung wurde (bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts) Holzkohle verwendet – obwohl Abraham Darby schon 1709 aus Steinkohle Koks herstellte und damit Eisen zum Schmelzen brachte. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts konnte gutes Eisen billig und in großen Mengen erzeugt werden, welche anfänglich vor allem als Kriegsgerät verarbeitet werden sollten. Es wurden aber auch Gegenstände des Hausgebrauchs und für die Industrie hergestellt. Trotzdem brauchte man mehrere Tage um 10 Tonnen Stahl zu erzeugen. Henry Bessemer erfand 1855 die effizientere „Bessemerbirne“. Aber schon zuvor hatte Eisen Holz und Stein als Werkstoff abgelöst (kleine Gebäude, Brücken, Schiffe, Gegenstände aus Blei).
Verkehrsmittel
Dampfschifffahrt und Eisenbahn nahmen einen stürmischen Aufschwung.
Ursachen der Industriellen Revolution
Gründe für den Beginn der Industriellen Revolution in Europa
Warum trat die Industrielle Revolution gerade in Europa und nicht im technologisch weiter entwickelten China auf? Warum dann nicht schon in der Spätantike, in der Zeit der Diadochenreiche, im Bereich des östlichen Mittelmeers?
Benjamin Elman argumentiert, dass sich China in einer Gleichgewichtssituation auf hohem Niveau befand, in der die nichtindustriellen Methoden leistungsfähig genug waren, den Einzug von industriellen Methoden mit hohen Hauptkosten zu verhindern.
Anders argumentiert Kenneth Pommeranz, dass Europa und China 1700 schon bemerkenswert ähnlich waren, aber dass die entscheidende Ursache für die industrielle Revolution in Europa in den nahe gelegenen Kohle- und Rohstoffvorräten der Industriegebiete zu suchen sei. Zudem erweiterten Importe von Kolonialwaren u.a. Europas industrielle Möglichkeiten in einem für China nicht vorstellbarem Maß.
Wolfgang König von der Technischen Universität Berlin behauptet, dass die vielen einzelnen Staaten in Europa zu einem gegenseitigen Wettbewerb führten und somit den technischen Fortschritt vorantrieben. Das Kaiserreich China war dagegen ein zentral regiertes Riesenreich. Dieser Sachverhalt gilt als eine von mehreren Ursachen.
Fernand Braudel belegt durch eine Vielzahl von Quellen, dass sich seit Mitte des letzten Jahrtausends in verschiedenen Kulturen weltweit wichtige Entwicklungen, wie ein Ansteigen der Wachstumsrate der Bevölkerung und eine Ausweitung des Fernhandels, weitgehend unabhängig von Europa vollzogen haben. Die Besonderheit in der europäischen Entwicklung liegt demnach in der größeren politischen Dynamik, insbesondere der relativen Instabilität und der damit verbundenen größeren Freiheit des Einzelnen, und dem Reichtum durch die Ausbeutung der Kolonien.
Im Gegensatz zu Europa verfolgte China lange Zeit eine Politik der Isolation. Ziel war es, das eigene Land vor Barbaren zu schützen.
Gründe für die Industrielle Revolution in England
- Wirtschaft
- - eine gut entwickelte und leistungsstarke Geld- und Kreditwirtschaft
- - im Gegensatz zu Kontinentaleuropa ein hoch entwickelter Wirtschaftsliberalismus ohne Zunft- und Zollschranken
- - eine mit Investitionen - vornehmlich aus dem Überseehandel - vertraute Gesellschaft
- Gesellschaft und Arbeit
- - genügend verfügbare Arbeitskräfte durch ein kräftiges Bevölkerungswachstum im 18. und 19. Jh.
- - die religiöse Weltanschauung in GB (Calvinismus) förderte Tugenden wie Fleiß, Gewinnstreben und Investitionsbereitschaft
- - Erfahrungen mit zentralisierter Produktion, Manufakturen
- - hohe landwirtschaftliche Produktivitätsverbesserungen, "Landwirtschaftliche Revolution", Fruchtfolge
- - hohes Maß an Rationalität und Naturbeherrschung im europäischen Denken
- - geringere gesellschaftliche Unterschiede zwischen Adel und Bürgertum
- - wirtschaftliche Betätigung des englischen Adels in Handel und Kreditwirtschaft
- Politik
- - Parlamentarismus
- - Bestreben wirtschaftliche Verluste durch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung auszugleichen
- - Rechtssystem mit Eigentums-, Handels- und Patentrecht
- - politische Emanzipation des Bürgertums
- - Hoher Konkurrenzdruck zwischen den europäischen Staaten
- Infrastruktur und Ressourcen
- - günstige Verkehrswege (Meer, Flüsse, Kanäle und Straßen) und deren effizienter Ausbau
- - natürliche Rohstoffressourcen (Kohle, Erze, Baumwolle)
- - das Empire als Rohstofflieferant und Markt
- - Vormachtstellung als Handels- und Kolonialmacht: England hatte sich im Dreißigjährigen Krieg, im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Kriegen zuvor diese Position erkämpft
- - Umstellung auf Steinkohle durch Mangel an Holz und da Holz nicht heiß genug verbrannte, um die zur Stahlerzeugung notwendige Temperatur zu erhalten
Triebkräfte für die Industrielle Revolution in England
Bevölkerungswachstum und Arbeitskräfteüberschuss
Während im 18. Jahrhundert die Sterberate etwa so hoch war wie die Geburtenrate, erhöhte sich die Zahl der Bevölkerung während der industriellen Revolution explosionsartig. Arbeiter für die Industrielle Revolution standen ausreichend zur Verfügung.
England ist im 18. und 19. Jahrhundert die größte Kolonialmacht und kann kostengünstig Baumwolle aus Amerika importieren. Die Industrielle Revolution beginnt in England mit der Textilindustrie. Als erste Antriebskraft für die Industrialisierung muss man allerdings die Bevölkerungsexplosion ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis spät ins 19. Jahrhundert betrachten. Ursächlich war eine gesteigerte landwirtschaftliche Produktivität, Hygiene und medizinische Versorgung.
Erst reichte die ursprüngliche Form der Landwirtschaft nicht aus, um die schnell wachsende Bevölkerung Englands zu ernähren, da diese noch auf der Dreifelderwirtschaft basierte. Folglich musste eine Agrarrevolution für mehr Nahrung sorgen. Die Dreifelderwirtschaft wurde durch die viel produktivere Fruchtwechselwirtschaft und etragreichere Feldfrüchte ersetzt.
Kleinbauern und Landlose fingen an, in die Städte abzuwandern und dort Arbeit zu suchen. Diesen Vorgang nennt man Urbanisierung. Den Gesamtprozess der Agrarrevolution nennt man Enclosure Movement, was auch eine Modernisierung der Landwirtschaft bedeutet. (Intensivierung, Ertragssteigerung).
Wirtschaftsliberalismus
Parallel dazu war der englische Wirtschaftsliberalismus, genauer die Klassische_Nationalökonomie eine wichtige wirtschaftspolitische Vorraussetzung für den Beginn der IR. Die liberale Wirtschaftsordnung Englands im 18. Jh. wurde durch Adam Smith erstmals detailgetreu beschrieben und als ursächlich für den Wohlstand der Nationen bewertet.
Die Klassische_Nationalökonomie brach mit der politischen Ökonomie des bis dahin vorherrschenden Merkantilismus. Im Gegesatz zu diesem hält die klassische Nationalökonomie jede nützliche Arbeit für produktiv, indem sie dem persönlichen Wohl dient, nützt sie auch der Gesellschaft. Monopole, die im Merkantilismus als nützliche Einnahmequelle für den Staat angesehen wurden, lehnte Adam Smith ab. Die Unsichtbare_Hand wurde zur vorherrschenden Wirtschaftstheorie. Der Staat zog sich zurück, übernahm verstärkt ordnungspolitische Funktionen, garantierte den Bürgern Eigentumsrechte und England führte 1799 die income tax ein. Das industrielle Bürgertum konnte sich herausbilden.
Technischer Fortschritt
Durch die Einleitung der Industriellen Revolution kamen auch Erfinder auf immer neue Ideen. Die Zahl der gültigen Patente wuchs in England von 102 im Jahr 1750 auf 6155 im Jahr 1850. So überarbeitete James Watt 1769 die Dampfmaschine, die ehemals von Thomas Newcomen erfunden worden war. Sofort erkannten die Unternehmer die Effektivität dieser Dampfmaschine. Die Einführung der Dampfmaschine führte zu einer noch stärkeren Intensivierung der Industrie. So wurde z.B. die Textilindustrie von den vorher heimischen Kleinproduktionsstätten in große Fabriken umgelagert, wo dampfbetriebene Webstühle schnell und produktiv Stoffe herstellten. Die Textilindustrie gab weiteren Branchen den Anstoß sich zu entwickeln und wird daher als Schlüsselindustrie der Industriellen Revolution in England bezeichnet.
Folglich war eine höhere Nachfrage an Brennstoffen, was den Kohleabbau hervorbrachte, der durch weitere Erfindungen immer effektiver wurde. So wurde aus der Dampfmaschine die Eisenbahn erfunden. All das erzeugte eine hohe Nachfrage an Rohstoffen und Arbeitskräften. Nacheinander baute jeder Industriezweig aufeinander auf und die Wirtschaft begann "sich selbst zu unterhalten".
Die soziale Frage

Unter der sozialen Frage versteht man die neue Armut unter den Industriearbeitern und die sich im Laufe der Industrialisierung verschärfende Kluft zwischen den gesellschaftlichen Schichten. Gleichzeitig werden vor allem im 18. Jahrhundert die Stimmen immer lauter, die eine Lösung dieser Frage fordern.
Die Städte wuchsen und wuchsen
Das Bevölkerungswachstum durch die "Landwirtschaftliche Revolution" Groß-Britanniens des 16. bis 19Jh. [[1]] wurde durch die Industrielle Revolution noch zusätzlich durch die Mechanisierung der Landwirtschaft beschleunigt. Weitere Gründe für die Bevölkerungszunahme waren neben der besseren Nahrungsmittelversorgung, Fortschritten in der Medizin (Entdeckung der Viren und Bakterien) und Hygiene (Gesunderhaltung durch generalisierte Verhaltensweisen) auch die Bauernbefreiung und somit die selbstverantwortliche landwirtschaftliche Bodennutzung auf Basis von Eigentum oder Pachtverträgen. Ausführlich wurden die daraus resultierenden wirtschaftlichen Anreize in Investitionen in eine höhere Ertragkraft des landwirtschaftlich genutzten Bodens im Gegensatz zum Feudalsystem von Adam Smith in seiner Publikation "Wohlstand der Nationen" beschrieben.
Erstmals galt die heute selbstverständliche freie Berufswahl, die Gewerbefreiheit, die freie Wahl des Wohnsitzes und des Ehepartner im damaligen England. Viele Bauern verkauften ihr kleines, oft unrentables Stück Boden oder gaben ihren Pachtvertrag auf. Die vorwiegend ländlichen Heimarbeiten konnten mit der wachsenden und billigeren Konkurrenz der Fabrikerzeugnisse nicht mehr mithalten. Hunger und wachsende Armut trieb die schnell wachsende ländliche Bevölkerung in die neu gegründeten und schnell wachsenden Industriestädte. Die einsetzende Landflucht war eine direkte Folge der Industrialisierung. Millionen von Menschen wanderten in die USA oder andere Staaten in „Übersee“ aus, weil sie keine Zukunft in den heimischen Städten sahen.
Der Übergang zur Industrialisierung verlief dabei nicht konfliktfrei, so kam es in England zur Erhebung der Maschinenstürmer ("Ludditen"). Arbeiter sahen ihren Lebensunterhalt bedroht und protestierten gegen diese Entwicklung teilweise mit Gewalt und Sabotage von Fabriken.
Überangebot an Arbeitskräften
Durch das Überangebot an Arbeitskräften aus dem Zustrom überzähliger Landarbeiter und in der industriellen Konkurrenz unterlegener Handwerker konnten Unternehmer tlw. mit Löhnen nahe dem Existenzminimum in den internationalen oder nationalen Wettbewerb treten und erzielten einen bis heute unerreichten relativen Reichtum.
Die Arbeitsbedingungen waren schwer und es herrschte strenge Arbeitsdisziplin: Arbeiter die aufbegehrten oder arbeitsunfähig waren, konnten mangels wirksamer Arbeitsmarktgesetzgebung durch neue Landflüchtlinge ersetzt werden. In englischen Industriestädten betrug die durchschnittliche Lebensarbeitszeit bis zur "Arbeitsunfähigkeit" in etwa 15 Jahre. Das Durchschnittsalter der Industriearbeiter in Manchester lag bei nur 18 Jahren. Der Arbeitslohn konnte bei zehnminütigem Zuspätkommen um einen halben Tageslohn gekürzt werden. Ebenso konnten bei fehlerhafter Arbeitsleistung oder Werkzeugbruch Lohnabzug verhängt werden. Üblich waren auch Verlängerung der täglichen Arbeitszeit (bis zu 18 Stunden), keine Sonntagsruhe, unzureichende oder fehlende Sicherheitsvorkehrungen (Transmissionsbänder der Dampfmaschinen waren eine große Gefahrenquelle). Es gab auch keine Altersversorgung, Unfallversicherung oder Schutz gegen Willkür durch Vorgesetzte.
Der Gesetzgeber kannte zu dieser Zeit keine oder kaum regulierende ordnungspolitische Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt Manchesterkapitalismus. Polizei und Militär dienten innenpolitisch primär der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Arbeiterunruhen und Hungerdemonstrationen wurden oft brutal niedergeschlagen und führten zu Verletzten, Toten sowie Inhaftierungen und auch Hinrichtungen der Anführer.
Auch Frauen müssen in die Fabrik
Die Arbeiter verdienten oftmals zu wenig um ihre Familie zu ernähren – es mussten auch Frauen und Kinder Lohnarbeiten annehmen. Vor allem in kinderreichen Familien war dies notwendig. Doch als Mutter von kleinen Kindern konnten Frauen nur schlecht bezahlte Heimarbeiten annehmen. Doch auch in Fabriken (Frauen arbeiteten überwiegend in der Textilindustrie) lag der Lohn weit unter dem der Männer, die die Frauen noch als zusätzliche Billigkonkurrentinnen am Arbeitsplatz ansahen. Viele Arbeiter wollten ihre Frauen auch viel lieber zu Hause haben. Auch viele Frauen waren dieser Ansicht, dennoch setzte sich in der proletarischen Frauenbewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine andere Auffassung durch. (Vgl. Clara Zetkin, Für die Befreiung der Frau.)
Die Ausbeutung der Jugendlichen
Kinderarbeit war schon vorgeschichtlich, lange vor der industriellen Revolution, üblich – doch erst hier nahm sie schreckliche Ausmaße an. Genau wie die Frauen galten sie als billige Arbeitskräfte. Sie wurden vor allem im Untertagbau eingesetzt, da sie kleiner waren und deswegen in kleinen Schächten effektiver arbeiteten als erwachsene Männer. Die meisten Kinder fingen im Alter von 4 Jahren im Bergbau (englisch: coal mines) an zu arbeiten. Am Schlimmsten war dies in England, wo die Kinder im Sommer bis zu 64 und im Winter 52 Stunden in der Woche arbeiteten. Andererseits war die 80 Stundenwoche die andere Kinder in Webereien (Cotton Mills)für einen halben Cent leisten mussten, keineswegs humaner.
Beispiele
- Kinder (die jüngsten waren vier Jahre alt) mussten in Kohlen- und Eisenbergwerken losgebrochenes Material (kriechend) nach außen transportieren, kleine Zugtüren öffnen und schließen.
- Kinder, vor allem kleine, mussten in Fabriken unter die Maschinen kriechen wenn etwas kaputt war. Das war sehr gefährlich weil die Maschinen währenddessen weiterliefen sodass man sich z.B. die Finger abtrennen konnte oder schlimmeres.
Kinderarbeitsverbote?
Einsichtige Politiker versuchten, die Kinderarbeit gesetzlich einzuschränken – gegen den Widerstand der Fabrikbesitzer, die sich als Wohltäter fühlten, wenn sie Kinder ab dem 5. Lebensjahr beschäftigten. 1833 wurde das erste Kindergesetz in England erlassen: Arbeitsverbot von Kinder unter 9 Jahren in Textilfabriken, Nachtarbeitsverbot und maximal 12-Stundentag für Jugendliche unter 18 Jahren. Fabrikinspektoren sollten die Einhaltung der Gesetze überwachen. Etwa zehn Jahre später folgte ein Verbot der Untertagarbeit für Kinder (Mindestalter: 10 Jahre) und Frauen. Ähnliche Gesetze wurden bald darauf in Deutschland und Österreich (Arbeitsverbot für Kinder unter 12) erlassen. Diese Regelungen verbesserten zwar die Situation der Kinder, trotzdem konnte die Kinderarbeit bis in das 20. Jahrhundert nicht beseitigt werden. Die erlassenen Kindergesetze wurden oft umgangen: Zum Beispiel wurde angegeben, dass kein förmliches Arbeitsverhältnis mit den Kindern bestand und bloß die Eltern die Kinder als eigene Aushilfe verwendeten.
In Fabriken mangelte es noch lange an wirksamer Kontrolle der Gesetze; in Handwerk, Gewerbe und vor allem in der Landwirtschaft gab es weiterhin keinen gesetzlichen Schutz für Kinder.
Die Wohnungssituation
Durch das Wachstum der Städte wuchs auch die Wohnungsnot. Es wurden in der Nähe der Fabriken oft Holzbaracken errichtet, in denen Arbeiter eng zusammengepfercht Unterschlupf fanden – sie mussten froh sein, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben – egal ob in alten, verfallen Häusern, Kellern oder Dachböden. Zum Beispiel sollte es laut einem Prediger in Ostlondon nicht ungewöhnlich gewesen sein, dass bis zu 10 Personen auf 14m² wohnten. Es fehlte in diesen Elendsquartieren auch an Wasser- und Abwasserleitungen (für mehr als hundert Menschen gab es nur eine Toilette). Später wurden für die Arbeiter massiver gebaute, mehrgeschossige Zinskasernen errichtet – zu hohen Mieten und mit schlechtem Komfort: Wasser und Klosett gab es für alle gemeinsam am Gang; die feuchten Räume hatten nur kleine Fenster und selten eine Heizung, aber besaßen schon Gasbeleuchtungen. Die Wohnungsknappheit verursachte ein übermäßiges Ansteigen der Mietzinse, die bis zu ¾ des Lohns ausmachten. Deshalb wurden Betten oft mit einer zweiten Person geteilt – außerdem wurden diese mit anderen abwechselnd benutzt – wie in der Fabrik im Schichtbetrieb. Erst um die Jahrhundertwende wurde das Wohnungselend von Politikern und Zeitungen öffentlich angeprangert.
Lösungsversuche zur Verbesserung der Lage der Industriearbeiter
Die Antworten zur Lösung der sozialen Frage unterscheiden sich in ihrer Herkunft und Zielrichtung. Kirchliche und staatliche Bemühungen sind reformorientiert, während vor allem die kommunistischen Bewegungen auf eine radikale Änderung der Gesellschaftsstruktur drängen.
- Selbsthilfe
- Hilfefonds für Bedürftige werden eingerichtet,
- Arbeiter treten verbündet auf (Knappschaften, Arbeitervereine, Gewerkschaften) organisieren sich,
- Streikformen und kollektive Arbeitsniederlegungen entwickeln sich,
- Sabotage und Maschinensturm.
- Ideologien bilden sich aus:
- im Katholizismus und Protestantismus entstehen moderne Christliche Soziallehren,
- weltliche Reformbewegungen und revolutionäre Bewegungen entstehen, z.B. der Owenismus, Saintsimonismus, Marxismus.
- Durch den Arbeitgeber
- freiwillige Sozialleistungen zum Beispiel bei Krupp
- Kirchen
- Organisierung und Unterstützung der Gesellen durch Adolph Kolping
- Heilsarmee
- Parteien
- SPD (Deutschland), Labour Party (England), SP (Schweiz)
- kommunistische Parteien
- Staat
- Arbeitsschutzgesetze
- Verbot der Kinderarbeit
- Begrenzung der täglichen Arbeitszeit
Eine Arbeiterbewegung bildet sich heraus, mit den Zielen einer Teilnahme an der Gesetzgebung, soziale Verbesserungen und höhere Bildungschancen.
Quellen
Siehe auch
- Industrialisierung, Automatisierung, Technischer Fortschritt;
- Urbanisierung;
- Kapitalismus;
- Zweite industrielle Revolution, Digitale Revolution
- Revolution; Sozialer Wandel
- Industrialisierung Frankreichs, Industrielle Revolution in Deutschland
Literatur
- Christoph Buchheim: Industrielle Revolutionen. Dtv, München 1994. ISBN 3-423-04622-8
- Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15. - 18. Jahrhunderts. 3 Bände. Kindler, München 1985/86 (Originaltitel: Civilisation matérielle, économie et capitalisme, XVe - XVIIIe siècle)
- Hans-Werner Hahn: Die Industrielle Revolution in Deutschland. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2005. ISBN 3-486-57669-0
- Friedrich Hayek: Capitalism and the Historians, The University of Chicago Press, ISBN 0-226-32072-3 (Taschenbuch 1963)
- David Landes: Wohlstand und Armut der Nationen. Warum die einen reich und die anderen arm sind. Siedler-Verlag, Berlin 1999. ISBN 3-88680-525-5
- Toni Pierenkemper: Umstrittene Revolutionen. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Fischer, Frankfurt am Main 1996. ISBN 3-596-60147-9
Weblinks
- Industrielle Revolution (Begriffsdefinition; Lexikon der bpb): Bundeszentrale für politische Bildung (Lexikon)
- Informationen zur politischen Bildung (Heft 164): Das 19. Jahrhundert 2
- Soziale Frage im 19. Jahrhundert