Horrorfilm
Der Horrorfilm ist ein Filmgenre, dessen Vertreter typischerweise Angst und Verstörung beim Zuschauer auszulösen versuchen.
Grundzüge und verwendete Techniken
Ähnlich, aber nicht gleich
Zwar kann es auch bei anderen Filmen zu Reaktionen wie Angst, Schrecken und Ekel kommen – etwa bei einem Dokumentarfilm über medizinische Operationen. Doch erst, wenn die informative Komponente gegenüber einer fiktionalen Geschichte an Gewicht verliert oder unwichtig wird, handelt es sich um einen Horrorfilm.
Ein weiteres Merkmal dieser Filmgattung ist die übernatürliche bzw. nicht immer wissenschaftlich erklärbare Bedrohung der Protagonisten. Typische Gegenspieler sind Vampire, Werwölfe, Gespenster, Zombies, Außerirdische oder außer Kontrolle geratene Erfindungen. Filme mit menschlichen Gegnern (zum Beispiel Serienkillern) gehören dagegen in die Kategorien Thriller oder Kriminalfilm.
Trotz ihrer größtenteils unrealistischen Bösewichterpalette gelten für die im Horrorfilm kreierte Welt die Gesetze und der Rationalismus unseres Alltags. So etwa sind (anders als in Märchen- und Fantasyfilmen) Dämonen kein normaler, akzeptierter Bestandteil der Handlung, kommen aber trotzdem darin vor.
Mittel der Angsterzeugung
Der Horrorfilm lebt von der paradoxen Gegenüberstellung von Ausnahme und Regel. Wenn die Regel erwartet wird, regiert die Ausnahme, und umgekehrt: Das Sicherheit verheißende Naturgesetz wird vom grauenvollen Wunder unterbrochen, oder das unbarmherzige Naturgesetz stellt sich gegen das erhoffte Wunder.
Eine Spielart des Horrorfilms ist der Psycho-Horror (auch Psychothriller). Im Gegensatz zum klassischen Horrorfilm, in dem die Schreckwirkung mit der beschriebenen Rollenpalette erzielt wird, arbeitet der Psycho-Horror mit einer allgegenwärtigen, diffusen Bedrohung. Diese äußert sich immer wieder durch unerwartete Gefahrensituationen, deren Ursache jedoch im Dunkeln bleibt (The Blair Witch Project). Das Entsetzen basiert auch hier auf der Angst vor dem Unbekannten. Zum Beispiel fühlt sich der Zuschauer ausgeliefert, wenn die meisten Einstellungen Point-of-View-Shots sind, die ihm den Überblick verweigern.
Die Erwartung des Horrors (bzw. des Unheimlichen) wird durch subtile filmische Stilmittel bedient. Nicht in jedem erfolgreichen Horrorfilm müssen Blutfontänen spritzen und Menschenfresser wüten. Viel eher fürchten sich die Filmzuschauer, wenn Drehbuch und Interpretation, Kameraführung und Filmschnitt, Klangeffekte und Musikuntermalung, Gezeigtes und Weggelassenes so im Einklang zueinander stehen, dass auch Alltäglichkeiten einen unheimlichen Touch bekommen.
Erfolgreiche Horrorfilme erfordern Talent bei allen Beteiligten, damit der Zuschauer vorübergehend an unglaubliche Geschehnisse glaubt. Das perfekte Zusammenspiel sämtlicher Faktoren entscheidet darüber, ob das Werk ein Erfolg oder nur ein Lacherfolg wird.
Geschichtliche Entwicklung
Der Horrorfilm stammt vom Bühnen-Melodrama des 19. Jahrhunderts ab (vgl. etwa Der Müller und sein Kind (1911) oder Jacob Flecks Verfilmung von Grillparzers Ahnfrau (1910), siehe auch Schicksalsdrama). Diese Gemeinsamkeit zeigt sich einerseits in traditionellen Vanitas-Symbolen, wie der Gleichsetzung von Leichen mit "toten" Bildern und Schriften, andererseits in stereotypen Rollen, wie dem Wissenschaftler, der die Übertretung physikalischer Gesetze bestätigt, wodurch das volle Ausmaß der Bedrohung erst deutlich wird. Weiterhin gibt es die „jungfräuliche Braut“, den „Helden und Bräutigam“, meist eine vaterähnliche Figur und natürlich den Bösewicht. Am Beispiel der Dracula-Verfilmungen zeigt sich dieses Muster deutlich. Minna wird von Jonathan, ihrem Verlobten, mit Hilfe von Dr. van Helsing, einem Gelehrten, aus den Klauen des Monsters Dracula befreit.
Die Kontinuität des gotischen Baustils im angelsächsischen Raum ließ ihn zum Sinnbild des Konservativismus werden, was sich in Horrorbildern und -geschichten ebenso wie im Horrorfilm niederschlägt. Das Haus gehört im Rahmen der Vanitas-Symbole zum Typus der "leeren Form". Es überdauert seine Bewohner. Zahlreiche Horrorfilme spielen in einem gotischen Haus, das mit seinen vertikalen Linien, Treppenfluchten und Fluren schaurige Attraktivität behält (siehe Sigmund Freud: Über das Unheimliche). Beispiele für Filme, in denen das Haus eine wichtige Rolle spielt, sind Das Geisterschloss, Haunted Hill, Stephen Kings Haus der Verdammnis und The Shining.
Der klassische Horrorfilm
Bereits 1910 gab es die erste Frankenstein-Verfilmung. 1921 wurde im Stummfilm Nosferatu, eine Symphonie des Grauens von Friedrich Murnau das Dracula-Motiv erstmals verwendet, obwohl der Vampir wegen Streitigkeiten über die Rechte an dem Stoff in Graf Orlok umbenannt wurde. Dieser wurde von Max Schreck angeblich so überzeugend gespielt, dass einige Zuschauer davon überzeugt waren, einen echten Vampir vor sich zu haben. Auf diesem Gerücht sowie auf den Dreharbeiten zu Nosferatu basierte der 2000 gedrehte Horrorfilm Shadow of the Vampire mit Willem Dafoe in der Rolle des Max Schreck.
Die meisten Horrorfilme der Stummfilmzeit verloren ihren Reiz, als der Tonfilm gegen 1930 aufkam. Die Verfilmungen von Bram Stokers Roman Dracula aus den Jahren 1921 und 1931, der zum erfolgreichsten Stoff der Horrorfilmgeschichte und der Filmgeschichte überhaupt wurde, und von Mary Shelleys Frankenstein stießen die Produktion zahlreicher Varianten an.
Im klassischen Horrorfilm kam die Bedrohung, das „Andere“, meist aus exotischen Ländern, zum Beispiel aus Transsilvanien (Dracula) oder Ägypten (Die Mumie), und bedrohte häufig die Braut des Helden. Es wurde brutal zerstört oder getötet, damit die Ordnung der Gesellschaft mit ihren klassischen, konservativen Rollen- und Moralvorstellungen wiederhergestellt werden konnte.
Während der 1940er-Jahre prägte der Produzent Val Lewton beginnend mit Katzenmenschen (Cat People, 1942) den so genannten „denkenden“ Horrorfilm, der den Schrecken vorrangig in der Vorstellung des Zuschauers entstehen lässt und ihn nicht in platter Form direkt auf der Leinwand zeigt. Generell ließ die Begeisterung des Publikums für Horrorfilme in diesem Jahrzehnt jedoch langsam nach, wofür die sinkende Qualität der Verfilmungen verantwortlich sein könnte, vor allem aber wohl der reale Schrecken des Zweiten Weltkriegs.
In den 1950ern war der Horrorfilm meistens eine Variante des gruseligen Sciencefiction-Films. Zielgruppe waren zumeist Kinder oder Jugendliche, zum Beispiel I was a Teenage Werewolf.
Die Sechziger: Die Genrekonventionen wandeln sich
Neben einer ganzen Reihe von Hammer-Filmen mit Variationen der klassischen Dracula- und Frankenstein-Motive, in denen zumeist Christopher Lee und Peter Cushing die Stars waren, brachte Roger Corman einen Zyklus von Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen in die Kinos, mit denen sich Vincent Price endgültig als einer der weiteren Stars des Genres etablieren konnte. Mitte der 1960er kamen mit Tanz der toten Seelen, Peeping Tom, Psycho und Die Nacht der lebenden Toten (1968) die ersten Genre-Filme für Erwachsene, in denen explizit Bezug auf das alltägliche Leben der Zuschauer genommen wurde. Die Bedrohung kam nicht mehr aus einer anderen Zeit oder einer anderen Welt, sondern war in die normale Lebenswelt eingegliedert. Die Grenzen zwischen den Bösen und den vermeintlichen Helden verschwammen und das Happy End ist nicht mehr Gewissheit. Häufig ist die Bedrohung (zum Beispiel durch Zombies) übermächtig und den Protagonisten bleibt nur die "Wahl" zwischen Flucht und Tod.
Die Siebziger: Junge Helden, explizite Gewaltdarstellung
Typisch für den Horrorfilm der Siebziger Jahre sind Filme, die sich mit dem Okkulten beschäftigen. Viele Filme dieser Zeit beschäftigen sich mit Exorzismus und der Wiedergeburt Satans. Den Anfang bereitete hier Rosemary's Baby, der allerdings noch aus den Sechziger Jahren stammt. Die bekanntesten Vertreter dieses Okkulthorrors sind Der Exorzist und Das Omen.
Mit Der weiße Hai begann 1975 auch der Tierhorror populär zu werden. Heute gibt es kaum ein Tier, das noch nicht in einem Horrorfilm zu einer gefährlichen Bestie wurde. Von Krokodilen über Hunde (Cujo) bis hin zu Nacktschnecken (Slugs) war in Horrorfilmen schon alles als Bösewicht vertreten.
1976 entstand mit dem Film Carrie eine weitere Nische im Horrorfilm. Wurden bis in die Siebziger Jahre meist Klassiker der Horrorliteratur verfilmt, so war Carrie die Verfilmung eines zeitgenössischen Schriftstellers. Stephen Kings Bücher waren seitdem immer wieder Quelle für Horrorfilme, in den nächsten Jahren wurden auch andere Horrorbücher verfilmt. Meist scheitern diese Filme jedoch an dem hohen Anspruch und der Detailfreudigkeit der Vorlage.
1978 begründete John Carpenter mit dem ersten Halloween-Film das Subgenre des modernen Slasher-Films und trat eine Welle von Serien los wie Freitag der 13. oder A Nightmare on Elm Street, in denen junge unbekannte Schauspieler eine ideale Projektionsfläche für ein jugendliches Publikum boten. Auslöser war die Erfolgswelle der Horrorliteratur.
Die Achtziger: Die letzten Tabus fallen
Der als erster postmoderner Horrorfilm bezeichnete Nekromantik stellte keine Bedrohung in regulären Sinne dar, sondern eher eine Subversion. In diesem Film geht es nicht darum, dass der Zuschauer Angst bekommt, sondern eher um ein gesellschaftliches Tabu (hier ist es Nekrophilie), das hier explizit gezeigt wird.
Die parallele Entwicklung in der Horrorliteratur heißt Splatterpunk und beginnt für viele 1984 mit Clive Barkers Büchern des Blutes.
Clive Barker revolutionierte mit Hellraiser den damaligen Splatterfilm. Zusammen mit Jörg Buttgereit entstand ein anspruchsvolleres Horrorkino, das jeglichen Konventionen trotzte.
Parallel dazu entwickelte sich der Videothekenmarkt. Viele Filme wurden erst gar nicht mehr für das Kino produziert. Eine Welle von Fortsetzungen und billig gemachten B-Filmen überschwemmten den Markt. Neben Fortsetzungen der Nightmare On Elm Street- und Freitag, der 13.-Reihe etablierten sich andere Serien, wie z.B. Chucky.
Die Neunziger: Alter Wein in neuen Schläuchen
Erst mit dem Film Scream, Mitte der 1990er erkannte man, dass es wieder ein Interesse am Subgenre Slasherfilm gab. Die Folge: Zwei Fortsetzungen von Scream sowie mehrere Teile von Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast, Düstere Legenden oder Final Destination. Diese Horror-Welle richtete sich im Wesentlichen an ein jugendliches Publikum und setzte deshalb auch auf ebenso junge Schauspieler.
Nachdem Splatter, Gore, Slasher und Mondo-Horrorfilme die Grenzen des Darstellbaren weitgehend ausgereizt hatten und ein Umschlagen in die Parodie erfolgt war (Braindead und From Dusk Till Dawn), kam es mit der asiatischen, vornehmlich japanischen Filmserie Ring zu einer neuen Wendung in dem Genre.
Heute: Remakes und schwarzhaarige Geisterkinder
Die explizite Gewalt verschwand zunächst wieder von der Leinwand, neue Sound-Art und optische Effekte bereiteten das Grauen. The Eye (2002) war ein positiver Horrorfilm mit mehreren bemerkenswerten Besonderheiten: Es gab a) fast keine Männer – und keine Vaterfiguren, b) keine explizit böse Macht, sondern nur unglückliche Tote und c) anders als im postmodernen Horrorfilm ein positives, lebens- und gesellschaftsbejahendes Ende.
Einen anderen Weg schlugen Filmemacher wie Rob Zombie, James Wan (unter anderem auch Leigh Whannell) und Eli Roth ein. Mit Filmen wie Haus der 1000 Leichen, Saw oder Hostel zeigen sie explizite Gewalt wie in den Horrorfilmen der 70er und 80er Jahre, oft auch als Hommage an die Filme dieser Zeit.
Wirkungsforschung
Horrorfilme rufen wie kaum ein anderes Filmgenre zwiespältige Reaktionen und deutliche Ablehnung hervor. Der Horrorfilm illusioniert und polarisiert die Zuschauer stärker als etwa der Kriminalfilm. – Der rituelle Nachvollzug starker Emotionen ohne didaktische Komponente hat allerdings seine Tradition. Platons Kritik an der griechischen Tragödie unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom modernen Vorwurf, dass der Horrorfilm mit Entsetzen Scherz treibe.
Viele Wirkungstheorien gehen entweder davon aus, dass der Zuschauer von Aggressionen befreit wird oder dass er sich umgekehrt an Gewalt gewöhnt.
Nahezu in jedem Land wird die Darstellung von Gewalt im Film kontrolliert und gegebenenfalls zensiert. Deshalb wird kaum ein Horrorfilm dem Publikum vollständig gezeigt, was erklärt, warum sich die Lauflängen der Filme in verschiedenen Ländern unterscheiden.
Liste bemerkenswerter Horrorfilme, Horrorthriller und horrorlastiger Sciencefiction-Filme
(Die mit * markierten Filme bedienen sich realistischer Antagonisten und Phänomene.)
Siehe auch
- Horror, Slasher-Film, Splatter, Gore
- Boris Karloff, Bela Lugosi, Glenn Strange, Christopher Lee, Vincent Price, Arturo Dominici, Barbara Steele, Peter Cushing als bekannte Schauspieler dieses Genres
Literatur (Auswahl)
- William K. Everson: Klassiker des Horrorfilms (OT: Classics of the Horror Film). Goldmann, München 1982, ISBN 3-442-10205-7
- Norbert Stresau: Der Horror-Film. Von Dracula zum Zombie-Schocker. Heyne, München 1989, ISBN 3-453-86098-5
- Rainer Dick: Die Stars des Horrorfilms. Tilsner, München 1996, ISBN 3-910079-63-6
Weblinks
- Informationen, Plakate und Aushangfotos zum Genre
- BlairWitch.de - Horror Movie Entertainment - Die #1 in Sachen Horrorfilm
- Das Dokument des Grauens – Die Geschichte des Horrorfilms
- Thrilling Movies Blog - News & Kritiken