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Überhangmandat

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In der Bundesrepublik Deutschland kann es bedingt durch das Wahlsystem zu so genannten Überhangmandaten kommen. Nachfolgend ist dies für den Bundestag erläutert, abhängig vom jeweiligen Wahlgesetz sind Überhangmandate jedoch auch bei anderen Gremien (Landtag, Kreistag, Gemeindevertretung etc.) möglich.

Überhangmandate sind diejenigen Sitze einer Partei im Bundestag, die über den Anteil der Stimmen nach dem Verhältniswahlrecht (Zweitstimme) hinausgehen. Überhangmandate entstehen, weil die Hälfte der Sitze im deutschen Bundestag durch die Direktwahl eines Kandidaten pro Wahlkreis (Erststimme) vergeben werden. Durch die Überhangmandate erhöht sich die Zahl der Abgeordneten im Bundestag.

Überhangmandate treten generell auf, wenn eine Partei im Vergleich zu den Erststimmen wenige Zweitstimmen erhält.

Ein Beispiel: Bei der Bundestagswahl 1998 gewann die SPD in Brandenburg alle zwölf Wahlkreise und somit zwölf Direktmandate. Nach der Berechnung der Sitzverteilung über die Zweitstimmen standen der SPD in Brandenburg jedoch nur neun Mandate zu: Es entstanden drei Überhangmandate. Insgesamt gab es 1998 13 Überhangmandate (alle für die SPD). Die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag erhöhte sich entsprechend.

Scheidet ein durch Überhangmandat in den Bundestag gekommener Abgeordneter während der Legislaturperiode aus, rückt für ihn kein Kandidat von der Landesliste nach (Nachrückerurteil).

Beispiel: Durch den Tod der "überhängenden" Abgeordneten Anke Hartnagel aus Hamburg - wo die SPD 6 Direktmandate errungen hatte, obwohl ihr nur 5 Listenplätze zugestanden hätten - verringerte sich die Größe der SPD-Fraktion (und damit die des ganzen Bundestags) um 1, weil Frau Hartnagels Platz nicht nachbesetzt wurde.

Überhangmandate traten bereits bei der allerersten Bundestagswahl auf, bis einschließlich 1990 spielten sie nur bei der Wahl Adenauers zum Bundeskanzler eine Rolle, da die Mehrheiten sonst klar waren. 1994 traten Überhangmandate erstmals in großem Maße auf: 12 für die CDU/CSU und 4 für die SPD. Die Union konnte damit ihren knappen Vorsprung stabilisieren. Dies rief eine Reihe von Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit hervor. Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch die proporzverzerrende Wirkung der Überhangmandate für verfassungskonform (BVerfG, 10. April 1997, 2 BvF 1/95).

Verfassungsrechtlich problematisch erscheint insbesondere die Tatsache, dass beim Bundestagswahlsystem ein sog. negatives Stimmgewicht auftreten kann, dass also eine Partei weniger Sitze erhält, weil sie mehr Stimmen hat.

Bei der Bundestagswahl 2002 bekamen CDU/CSU und die SPD annähernd gleichviele Zweitstimmen (bei 38,5 %). Da die Union jedoch nur 1 und die SPD 4 Überhangmandate erhielt, wurde die SPD stärkste Fraktion im 15. Bundestag. Davon sind bis Juli 2004 zwei Überhangmandate der SPD weggefallen.

Überhangkanzler

Überhangkanzler werden diejenigen Bundeskanzler genannt, die bei ihrer Wahl auf ihre Überhangmandate angewiesen waren. Der Ausdruck wurde von Joschka Fischer in Bezug auf Helmut Kohl nach der Bundestagswahl 1994 geprägt.

Bei folgenden Abstimmungen über den Bundeskanzler entschieden die Überhangmandate :

siehe auch: Ausgleichsmandate