Zum Inhalt springen

Ludwig Tieck

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Juli 2003 um 14:58 Uhr durch Stefan Kühn (Diskussion | Beiträge) (typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

(Johann) Ludwig Tieck (* 31. Mai 1773 in Berlin, † 28. April 1853 in Berlin) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer der Romantik. Er publizierte auch unter den Pseudonymen Peter Lebrecht und Gottlieb Färber.

Leben

Jugend, Studium und erste Erfolge

Tieck wuchs in Berlin als der Sohn eines Sellermeisters zusammen mit seinen jüngeren Geschwistern Friedrich und Sophie auf. Er besuchte seit 1782 das unter Gedikes Leitung stehende Friedrich-Werdersche Gymnasium, wo er sich eng an Wilhelm Heinrich Wackenroder anschloss, und studierte Geschichte, Philologie, alte und neue Litteratur in Halle (1792), Göttingen (1792, 1793-1794) und Erlangen (1793, dort zusammen mit Wackenroder). Das eigentliche Ziel des Studiums war ihm wohl die Ausbildung zum freien Schriftsteller; schon damals beschäftigte er sich eingehend mit Shakespeare. Während der Studienzeit in Erlangen unternahm er zusammen mit Wackenroder Reisen nach Nürnberg sowie durch die Fränkische Schweiz bis ins Fichtelgebirge und verfasste darüber eine berühmte Reisebeschreibung.

Erste dichterische Arbeiten verfasste er bereits in Berlin, bevor er das Studium begann.

1794 brach Tieck das Studium ab und kehrte nach Berlin zurück (bis 1799). Unterhaltungsliteratur und literarische Experimente aus dem Geiste der späten Aufklärung veröffentlichte er in den »Straußfedern« (seit 1795); z.T. entstanden die Prosastücke als Gemeinschaftsarbeiten mit seiner Schwester Sophie.

Es erschienen seine ersten Erzählungen und Romane: "Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten" (Berlin 1795, 2 Bde.), "William Lovell" (Berin 1795-96, 3 Bde.) und "Abdallah" (das. 1796), worauf er, seinen Übergang zur eigentlichen Romantik vollziehend, die bald dramatisch-satirische, bald schlicht erzählende Bearbeitung alter Volkssagen und Märchen unternahm und unter dem Titel "Volksmärchen von Peter Lebrecht" (Berlin 1797, 3 Bde.) veröffentlichte. Mit Franz Sternbald's Wanderungen (1797 fertiggestellt, 1798 veröffentlicht), einem Künstlerroman, gab Tieck die Richtung für die romantischen Romane an (Novalis, Eichendorff).

Ende des Jahren 1797 traf Tieck erstmal mit Friedrich Schlegel zusammen. Nachdem er sich 1798 in Hamburg mit einer Tochter des Predigers Alberti verheiratet hatte, verweilte er 1799-1800 in Jena, wo er zu den beiden Schlegel, Hardenberg (Novalis), Brentano, Fichte und Schelling in freundschaftliche Beziehungen trat, Über August Wilhelm Schlegel hatte er 1799 Novalis kennengelernt.

Der sog. Jenaer Frühromantik gehörten auch August und Friedrich Schlegel an. Für die von den Schlegels entwickelten Theorien lieferte Tieck die literarischen Beispiele (und umgekehrt).

Auch Goethe und Schiller lernte er kennen. 1801 nahm er mit Fr. v. Schlegel seinen Wohnsitz in Dresden.

Er beteiligte sich an Wackenroders Schriften.


In Ziebingen

1801 endlich zog Tieck mit der Familie nach Ziebingen (poln. Cybinka, östl.von Frankfurt a.d. Oder) auf das Landgut seines alten Bekannten Burgsdorff um; Burgsdorff hatte den Dichter eingeladen und wohnte dann dort bis 1819, wenn auch mit Unterbrechungen.

Er lebte seit 1803 teils in Berlin, teils auf dem gräflich Finkensteinschen Gut Ziebingen bei Frankfurt a. O., wohin er auch nach der Rückkehr von einer Reise nach Italien, die er 1805 zum Behuf des Studiums der im Vatikan aufbewahrten altdeutschen Handschriften unternommen hatte, zurückkehrte. Während dieses Zeitraums waren erschienen: "Prinz Zerbino, oder die Reise nach dem guten Geschmack^ (Jena 1799), "Franz Sternbalds Wanderungen" (Berlin 1798), ein die altdeutsche Kunst verherrlichender Roman, an welchem auch sein Freund Wackenroder Anteil hatte, und "Romantische Dichtungen" (Jena 1799-1800, 2 Bde.) mit dem Trauerspiel "Leben und Tod der heil. Genoveva" (separat, Berlin 1820) sowie das nach einem alten Volksbuch gearbeitete Lustspiel "Kaiser Octavianus" (Iena 1804), Werke, worin sich der Autor rückhaltlos der romantischen Richtung hingegeben hatte. Daneben veröffentlichte er eine übertragung des "Don Quichotte" von Cervantes (Berlin 1799-1804, 4 Bde.), die Übersetzung einer Anzahl dem Shakespeare zugeschriebener, aber zweifelhafter Stücke unter dem Titel: "Altenglisches Theater" (das. 1811, 2 Bde.), eine Bearbeitung des "Frauendienstes" von Ulrich von Lichtenstein (Tübing. 1812) sowie eine Auswahl dramatischer Stücke von Rosenplüt, Hans Sachs, Ayrer, Gryphius und Lohenstein ("Deutsches Theater", Berlin 1817, 2 Bde.) und gab unter dem Titel: "Phantasus" (das. 1812-17, 3 Bde.; 2. Ausg., das. 1844-45, 3 Bde.) eine Sammlung früherer Märchen und Schauspiele, vermehrt mit neuen Erzählungen und dem Märchenschauspiel "Fortunat", heraus, welche die deutsche Lesewelt wieder lebhafter für T. interessierte. In der That werden Märchen und Erzählungen wie "Der getreue Eckart", "Die Elfen", "Der Pokal", "Der blonde Eckbert" etc. schon ihrer formellen Vorzüge wegen ihren dichterischen Wert lange Zeit behaupten. Das Kriegsjahr 1813 sah den Dichter in Prag; nach dem Frieden unternahm er größere Reisen nach London und Paris, hauptsächlich im Interesse eines großen Hauptwerks Über Shakespeare, das er leider nie vollendete.

In Dresden

1819-1841 lebte er in Dresden. Trotz des Gegensatzes, in welchem sich Tiecks geistige Vornehmheit zur Trivialität der Dresdener Belletristik befand, gelang es ihm, hauptsächlich durch seine fast allabendlich stattfindenden dramatischen Vorlesungen, die deutschlandweit bekannt waren, einen Kreis um sich zu sammeln, der seine Anschauungen von der Kunst als maßgebend anerkannte.

Als Dramaturg des Hoftheaters gewann er namentlich in den 20er Jahren eine bedeutende Wirksamkeit, die ihm freilich durch Kabalen und Lügen der trivialen Gegenpartei mannigfach verleidet wurde. Als Dichter bediente er sich seit der Niederlassung in Dresden beinahe ausschließlich der Form der Novelle. Die Gesamtheit seiner "Novellen" (vollständige Sammlung, Berlin 1852-54, 12 Bde.) erwies sein großes Erzählertalent. In den vollendetsten gab er wahrhafte Kunstwerke, in denen eine wirklich dichterische Aufgabe mit rein poetischen Mitteln gelöst ward; mit zahlreichen andern bahnte er hingegen jener bedenklichen Gesprächsnovellistik den Weg, in welcher das epische Element ganz zurücktritt und die Erzählung nur das Vehikel für die Darlegung gewisser Meinungen und Bildungsresultate wird. Zu den bedeutendsten der erstern Gattung zählen: "Die Gemälde", "Die Reisenden", "Der Alte vom Berge", "Die Gesellschaft auf dem Lande", "Die Verlobung", "Musikalische Leiden und Freuden", "Des Lebens Überfluß" u. a. Unter den historischen haben "Der griechische Kaiser", "Der Tod des Dichters" und vor allen der großartig angelegte, leider unvollendete "Aufruhr in den Cevennen" Anspruch auf bleibende Bedeutung. In allen diesen Novellen entzückt nicht nur die einfache Anmut der Darstellungsweise, sondern auch die Mannigfaltigkeit lebendiger und typischer Charaktere und der Tiefsinn der poetischen Idee. Auch in den prosaischern Novellen zeigte T. seine Meisterschaft des Vortrags. Sein letztes größeres Werk: "Vittoria Accorombona" (Breslau 1840), entstand unter den Einwirkungen der neufranzösischen Romantik und hinterließ trotz der aufgewendeten Farbenpracht einen überwiegend peinlichen Eindruck.

Auch Tiecks sonstige litterarische Thätigkeit war während der Dresdener Periode eine sehr ausgebreitete. 1826 übernahm er die Herausgabe und Vollendung der von A. W. v. Schlegel begonnenen Shakespeare-Übertragung und gab die hinterlassenen Schriften Heinrichs v. Kleist (Berlin 1821) heraus, denen die "Gesammelten Werke" desselben Dichters (das. 1826, 3 Bde.) folgten. "Die Insel Felsenburg" (Breslau 1827), "Lenz' gesammelte Schriften" (Berlin 1828) sowie "Shakespeares Vorschule" (Leipz. 1823-29, 2 Bde.) etc. wurden mit Vorreden und Abhandlungen von bleibendem Wert begleitet. Aus seiner dramaturgisch-kritischen Thätigkeit erwuchsen die "Dramaturgischen Blätter (Breslau 1826, 2 Bde.; Bd. 3, Leipz. 1852; vollständige Ausg., Leipz. 1852, 2 Tle.).

In Berlin

1841 rief König Friedrich Wilhelm IV. den Dichter nach Berlin, wo er, durch Kränklichkeit zumeist an das Haus gefesselt und durch den Tod fast aller nähern Angehörigen sehr vereinsamt, ein zwar ehrenvolles und sorgenfreies, aber im ganzen sehr resigniertes Alter verlebte und 28. April 1853 starb. Seine "Kritischen Schriften" erschienen gesammelt in 2 Bänden (Leipz. 1848).

Tiecks vielfach widerspruchsvolle Natur kann nicht bloß aus der Zwiespältigkeit seiner Bildung, in welcher sich der Rationalismus des 18. Jahrhunderts und die mystische Romantik fortwährend bekämpften, erklärt werden, sondern ist zumeist auch noch auf das Improvisatorische, vom zufälligen Augenblick Abhängende seiner Begabung zurückzuführen, das ihn selten zu reiner Ausgestaltung seiner geist- und lebensvollen Entwürfe gelangen ließ.

[Dieser Artikel basiert in Teilen auf dem Artikel aus Meyers Konversationslexikon von 1888.]

Werk

Werke (Auswahl)

  • Die beiden merkwürdigsten Tage aus Siegmunds Leben (1796)
  • William Lovell, 3 Bände (1795-96); neue verbesserte Auflage in 2 Bänden (1813-14)
  • Einige Aufsätze in: Wilhelm Heinrich Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (Berlin 1797, bereits Ende 1796 erschienen).
  • Franz Sternbald's[sic!] Wanderungen (1798)
  • Die Vogelscheuche (1835)

Übersetzungen (Auswahl)

Editionen (Auswahl)

Briefausgaben (Auswahl)

Briefe von und an Tieck sind mittlerweile sehr zahlreich, jedoch oft nur schwer zugänglich publiziert worden.

  • Edgar Lohner (Hg.): Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe, München 1972

Gesamtausgaben

Eine umfassende Werkausgabe, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen könnte, gibt es nicht.

  • Schriften, 28 Bde., 1828-1854.
  • "Nachgelassene Schriften" in 2 Bänden (Berlin 1855).


Literatur

  • Tieck, 1) Johann Ludwig, in: Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 15, S. 693
  • ADB Bd. 38, S. 251-276 (Bernhardi, Wilhelm)
  • Roger Paulin: Ludwig Tieck. Eine literarische Biographie (1988, engl. Ausgabe 1985)
  • Roger Paulin: Ludwig Tieck (1987), Slg. Metzler M 185.