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Theodor W. Adorno

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Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno war ein deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist. Er wurde am 11. September 1903 in Frankfurt am Main geboren und starb am 6. August 1969 in Visp/Wallis (Schweiz).

Außer der virtuosen Vielseitigkeit zeichnete Adorno seine öffentliche Wirksamkeit als einer der führenden Köpfe der gesellschaftskritischen Frankfurter Schule im Nachkriegsdeutschland der 1950er und 1960er Jahre aus. Dabei mied er jedoch ein "handfest" politisches Engagement - etwa à la Sartre - zugunsten einer geschichtspessimistischen, allenfalls noch die soziale Sprengkraft avantgardistischer Kunst betonenden und theoretisch durchdringenden "letzten" Philosophie.

Leben und Werk

Frühe Frankfurter Jahre (1903-21)

Die Eltern des Einzelkinds Theodor ("Teddie") waren der Weingroßhändler Oskar Alexander Wiesengrund (jüdischer Abstammung, zum Protestantismus übergetreten) und die Sängerin Maria, geb. Calvelli-Adorno della Piana (daher der später gewählte Hauptname Adorno, "Wiesengrund" dann zu "W." gekürzt). Im Elternhaus wohnte ebenfalls deren Schwester Agathe, eine Konzertpianistin. Der Junge war ein exzellenter Schüler am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium: Bereits mit 17 Jahren machte er das Abitur als "bester von allen". Neben der Schule hatte er (bei Bernhard Sekles) Privatunterricht in Komposition genommen (1923 Aufführung eines eigenen Streichquartetts) und sich an vielen Samstagnachmittagen gemeinsam mit dem 14 Jahre älteren Freund Siegfried Kracauer in eine wissenssoziologische Lektüre von Kants "Kritik der reinen Vernunft" vertieft. An der ebenfalls heimischen (später nach Goethe benannten) Universität belegte er ab 1921 Philosophie, Musikwissenschaft, Psychologie und Soziologie. Das Studium absolvierte der Frühreife zügig: Ende 1924 schloss er es mit einer Dissertation über Edmund Husserl "summa cum laude" ab. Inzwischen hatte er seine wichtigsten intellektuellen Weggefährten kennengelernt: Max Horkheimer und Walter Benjamin.

Wiener Intermezzo (1925-26)

Während der Frankfurter Studienzeit hatte er sich mit zahlreichen Artikeln als Musikkritiker versucht. Hierin sah er seine künftige Profession. Dieses Ziel vor Augen, nutzte er die Beziehung zu Alban Berg, mit dessen Oper "Wozzeck" er 1924 bekannt geworden war, zu einem musikalischen "Aufbaustudium" an dessen Wirkungsstätte (ab Januar 1925). Auch zu den beiden anderen Größen der Wiener Schule nahm er Tuchfühlung auf: zu Anton von Webern und Arnold Schönberg. Vor allem Schönbergs revolutionäre Atonalität regte den 22-Jährigen zu philosophischen Betrachtungen über die "Neue Musik" an, die bei deren Repräsentanten allerdings nicht verfingen. Diese Enttäuschung brachte es mit sich, dass er nach und nach seine Ambitionen in Sachen Musikkritik zugunsten einer Laufbahn als akademischer Lehrer und Sozialforscher zurückschraubte. Bis 1931 war er immerhin noch leitender Redakteur der Avantgarde-Zeitschrift "Anbruch". - Außerdem stand die Wiener Zeit unter dem Eindruck von Karl Kraus, dessen Vorlesungen er zusammen mit Alban Berg besuchte, und von Georg Lukács, dessen "Theorie des Romans" bereits den Abiturienten begeistert hatte.

Mittlere Frankfurter Jahre (1926-33)

Zurück aus Wien, blieb ihm zunächst ein weiterer Misserfolg nicht erspart: Eine umfangreiche philosophisch-psychologische Abhandlung, gegen die der Doktorvater Hans Cornelius und auch dessen Assistent Horkheimer Bedenken hatten, zog er daraufhin Anfang 1928 als Habilitationsschrift zurück. Erst drei Jahre später sollte er die (1933 dann wieder entzogene) "Venia legendi" mit dem Manuskript "Kierkegaard - Konstruktion des Ästhetischen" erhalten, das er bei Paul Tillich einreichte. Seine Antrittsvorlesung als Privatdozent (Mai 1931) handelte von der "Aktualität der Philosophie"; sie galt ihm zeitlebens als programmatisch. Er stellte darin erstmals ausdrücklich den Begriff der Totalität in Frage, was auf seine berühmt gewordene - gegen Hegel gewendete - Formel "Das Ganze ist das Unwahre" (aus den "Minima Moralia") vorausdeutete.

Pendler zwischen Berlin und Oxford (1934-37)

Seit den späten Zwanziger Jahren schon pflegte er während mehrerer Berlin-Aufenthalte außer zu Benjamin engeren Kontakt zu Ernst Bloch, dessen erstes Hauptwerk "Geist der Utopie" er schon 1921 kennengelernt hatte, und nicht zuletzt zu der promovierten Chemikerin Margarete Karplus, seiner künftigen Ehefrau (Heirat 1935: Gretel Adorno).

[...]

USA (1938-49)

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Späte Frankfurter Jahre (1949-69)

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Unter den Philosophen Deutschlands nimmt Adorno eine gewichtige Position ein. Die von ihm mitbegründete und entscheidend beeinflusste Kritische Theorie oder Frankfurter Schule gilt noch bis ins 21. Jahrhundert als eine bedeutende soziologische Disziplin. Ausgehend vom Frankfurter Institut für Sozialforschung (IfS), auf Betreiben des jüdischen Mäzens Felix Weil 1923 begründet, entwickelte sich unter der Leitung von Max Horkheimer (Direktor seit 1929) die Kritische Theorie. Neben Horkheimer, Adorno (offiziell erst seit 1938 Mitglied des IfS) und Herbert Marcuse waren auch der Psychoanalytiker Erich Fromm, der Literaturwissenschaftler Leo Löwenthal und der Ökonom Friedrich Pollock bedeutende Mitarbeiter. Walter Benjamin wurde vom Institut finanziell unterstützt und hatte ebenfalls großen Einfluss. Diese Kritische Theorie wurde jedoch nicht ab ovo von eben diesen Leuten entwickelt, sondern bezieht sich viel mehr auf Thesen Karl Marx und anderer Denker des 19. Jahrhunderts.

Der Name Kritische Theorie leitet sich von einem Buch ab, das Max Horkheimer schrieb und das Traditionelle und kritische Theorie genannt wurde. Als Kernwerk der gemeinsamen Kritischen Theorie gilt die Dialektik der Aufklärung.

Kritische Würdigung

Einleitung

Die Frage der Aktualität einer Theorie, die massiv sich auf die Gesellschaftsverhältnisse ihrer Zeit bezieht, ist eine schwierige. Zumal wurde diese Theorie nach dem Tod ihrer Hauptakteure nur noch langsam und vor allem in andere Richtungen weiterentwickelt. Dennoch kann man die Aktualität konstatieren, obwohl sich die Gesellschaft massiv weiterentwickelt hat. Sie hat sich nämlich in die Extreme entwickelt, die Adorno in seinen Texten beschrieb. Vor allem Adornos Thesen zu Themen der Vergangenheit (Auschwitz), Moral (ein zeitloses Thema) oder zur Kulturindustrie sind Beispiele dafür. Letztere hat sich ja seit Adornos Tod viel mehr zu dem entwickelt, was Adorno schon damals im Kleinen erkannte.

Darzustellen ist auch die Frage nach einer Kritik an der Theorie Adornos. Selbstverständlich, so wie in beinahe jeder Wissenschaft, vor allem in einer so abstrakten wie der Soziologie, gibt es nicht nur Befürworter dieser Theorie. Es wäre auch nicht im Sinne Adornos, etwas in den Raum zu stellen, ohne den Gegenargumenten ebenso Raum zu lassen, denn wie in der Methode der Dialektik, ist anzunehmen, dass auch das in sich ja schon auf die Methode des dialektischen Materialismus und der Hegelschen Dialektik fundierte Werk Adornos, auch mit dieser Methode weiter zu entwickeln ist. Der nun folgenden kritischen Würdigung sei ferner vorausgeschickt, das sie als Wertung selbstverständlich keinen Anspruch auf Objektivität erhebt.

Aktualität der Theorien zur Aufarbeitung der Vergangenheit

Dass Adornos Thesen zur Aufarbeitung der Vergangenheit auch heute noch eine gewichtige Rolle spielen, und dass die Erziehung nach Auschwitz nicht lückenlos funktioniert hat, wie Adorno es sich vorstellte beziehungsweise wie er es für nötig hielt, schildert der israelische Botschafter in Deutschland, Berlin, Avi Primor in der Europäischen Rundschau 4/2002 sehr genau. Um sein Gesamtbild von der Lage wirklich gut darzustellen, soll er ausführlich zitiert werden:

Anders gesagt, die [...] Vorurteile der Deutschen gegen die Juden in der Nazizeit sind nach Kriegsende in den Köpfen der meisten Deutschen mehr oder weniger bestehen geblieben. Die Deutschen, die behaupten, dass das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs als ?Pech? bezeichnet werden sollte, haben aus der Naziideologie, die sie zu diesem Pech geführt hat, vorerst keine Konsequenzen gezogen. [...] Langfristig gesehen konnte aber nur eine Echte und tiefgreifende Erziehung der Jugend die Deutschen mit anderen Ideen als jenen, mit denen sie während der Nazizeit indoktriniert worden sind, prägen. [...] Diese Erziehung war in den ersten Jahren nicht lückenlos. [...] Die Geschichte Nazideutschlands und die Konsequenzen, die man daraus ziehen sollte, waren in den meisten Schulen und in deren Lehrplänen vollkommen abwesend. [...]
Zwei Fragen sind jedoch bis heute noch offen geblieben:
[1.] Inwiefern ist die neue Einstellung gegenüber den Juden tiefgreifend und stabil oder, zumindest zum Teil, nur politisch korrekt und infolgedessen vielleicht sogar vorübergehend? [...]
[2.] Betrachten die Deutschen die gleichberechtigten Juden [...] als Deutsche schlechthin? Gibt es für die Deutschen heute katholische Deutsche, evangelische Deutsche und jüdische Deutsche, die alle gleiche und echte Deutsche sind?
[...] Die Begründung dieser Haltung lautet immer: Muss man immer als Antisemit betrachtet werden, wenn man Meinungsverschiedenheiten mit der Politik einer israelischen Regierung äußert? Ich akzeptiere diese Argumente nicht, [...], ich sage, dass man eine Politik, auch einen Menschen, einen Juden, kritisieren darf, dass aber in dieser Kritik keinerlei Bezugnahme auf die jüdische Herkunft der kritisierten Person etwas zu suchen hat. [...] Solange wohlwollende Deutsche den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland nach der Rede des israelischen Präsidenten vor dem deutschen Bundestag sagen können: 'Ihr Präsident hat eine wundervolle Rede gehalten', wird eine Empfindlichkeit bestehen, die auf gegenseitigem Argwohn beruht.

Vor allem im ersten Teil fallen viele Argumente auf, die sich mit Thesen Adornos, etwa hinsichtlich des Verhältnisses Erziehung/Entstehung von Antisemitismus decken. Avi Primor schildert aber vor allem, dass der Jude, und das nicht nur in Deutschland, oft als Fremdkörper wahrgenommen wird. Das Beispiel mit der Rede des israelischen Präsidenten ist dabei besonders eindrucksvoll. Dieses aber zu verhindern, dass der Jude also Fremdkörper und somit auch als ausgegrenztes Subjekt in der Gesellschaft steht, das sich im Ernstfall nicht wehren kann, das war Adornos Bestreben. Zu einer entsprechenden Erziehung der Kinder gehört eben im wesentlichen eine Aufarbeitung der Vergangenheit, wie Adorno sie beschrieb.

Aktualität der Theorien zur Kulturindustrie

Adorno konstatierte in seinen Thesen zur Kulturindustrie den Warencharakter von Kulturgegenständen. Man kann also durchaus von Kulturprodukten im kommerziellen Sinn reden. Die Situation, so wie sie sich heute auf dem Kulturmarkt darstellt, entspricht in wesentlichen Zügen dem, was Adorno angemahnt hat. Wie schon beim Thema Antisemitismus soll nun dargestellt werden, welche Folgen ein Handeln ohne Beachtung Adornoscher Thesen hatte und wie sich seine Thesen auswirken können.

Die Kulturindustrie in der Form, die Adorno erlebt hat, war bei weitem nicht so ausgeprägt wie die, welche man heute erleben kann. Die Wirkung dieser ist mit ihrer verstärkten Ausprägung auch stärker geworden. So gibt es heute etwa viele "Künstler", die marktgerecht, auf oberflächliche Ansprüche der Masse hin, ausgesucht Musik machen. Dadurch, dass der Markt aber nicht dominiert wird von denen, die sich im Gebiet der Musik und der Kultur verstehen, entwickelt sich eine Verarmung dieser. Am Ende ist die Kunst "Musik" nur noch ein Rudiment des Produktes, das keine Rolle mehr spielt. Nunmehr wird von vielen behauptet, es sei freilich so, dass die Musik nicht die innovativste ist, doch ihr Erfolg gäbe ihr eine gewisse Daseinsberechtigung. Dem muss man dem entgegenhalten, dass nicht die Kunst es sein sollte, die vom Publikum gestaltet wird, sondern umgekehrt die Kunst ihrerseits in gewisser Weise das Publikum gestalten solle. Dabei bezieht man sich auf die gesellschaftliche Bedeutung des Kunstwerkes. Diese ist die eines Mediums der Kritik und eines Mediums der freien Utopie. Wenn aber dieses Medium konventionalisiert wird, bleibt auch dessen progressive Wirkung aus. Eine Stagnierung der gesamten Welt ist die Folge.

Diese Argumentationsschiene ist freilich eine elitäre. Solange es genug an freier Kunst gibt, dass diese sich erhält, und solange es genügend Menschen gibt, die diese wertschätzen und unterstützen, solange wird eine Gesellschaft auch die Kulturindustrie verkraften. Dass freie Kunst aber immer weniger wird, ist ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft über ihr Verhältnis zur Kulturindustrie nachdenken sollte.

Dies ist der Punkt, in dem Adornos Theorie aktuelle Bedeutung hat. Sie ist ein Mittel der Analyse für derartige Situationen. Obwohl Adorno selten einen besseren Weg aufzeigt, kann eine Rezeption seiner Schriften hier eindeutig etwas bewegen, denn schon das Erkennen der Gefahr dieser kulturellen Verarmung wiegt schwer.

Kritik an Adornos Arbeit

Die Kritik an Adornos Arbeit - und nicht nur an seiner, sondern auch an der der meisten anderen kritischen Theoretiker - kommt meist ebenso wie die kritische Theorie von Marxisten. Andere Kritiker sind etwa Ralf Dahrendorf oder Karl Raimund Popper und die Positivisten. Die Marxisten werfen den kritischen Theoretikern vor, den Anspruch zu stellen, "das Erbe der von Hegel über Marx verlaufenden Tradition kritischer Philosophie" zu vertreten, ohne sich dem Marxschen Praxiskonzept verpflichtet zu fühlen. Horst Müller ist in seinem Tonfall sehr auffallend, scheint es doch, als habe hier ein sehr unkritischer Marxist sich artikuliert, der mit der Kritik an Marx scheinbar nicht umzugehen weiß.

Müller beschreibt, dass Adorno in vielen Aspekten, in denen dieser über die Totalität schreibt, diese schon als automatisches System darstellt. Das scheint in der Tat die Absicht Adornos gewesen zu sein, der in der Gesellschaft ein sich selbst regulierendes System sah, aus dem es zu flüchten galt. Es war für ihn existent, aber nicht menschenwürdig, während Müller darauf entschieden bestreitet, dass ein solches System besteht; vielmehr seien nur Einzelfälle derart verblendet.
Horst Müller nimmt meist in seiner ganzen Argumentation, wie später auch Marcuse, immer wieder das Faktum heraus, dass die kritische Theorie kein praktisches Mittel biete, die Gesellschaft zu verändern. So kommt er zu dem Schluss, dass vor allem Habermas, aber auch die anderen Frankfurter Marx-Verfälschung betrieben hätten.

Diese Kritikpunkte sind nur einige unter vielen - manche mehr, manche weniger fundiert. Die wissenschaftlichen, nicht vor allem interpretativen Kritikpunkte (wie Müller sie niederschrieb), sind zumeist bei den "Positivisten" zu finden.

Siehe auch: