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Belgisch-deutsche Beziehungen

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belgisch-deutsche Beziehungen
Lage von Belgien und Deutschland
Belgien Deutschland
Belgien Deutschland

Die beiden Nachbarländer Belgien und Deutschland sind beide Mitglieder der NATO, der Europäischen Union und der Eurozone. Die belgisch-deutsche Grenze weist eine Länge von 156 Kilometern auf.

Belgien verfügt über eine Botschaft in Berlin und Honorarkonsuln in Langerwehe (Kreis Düren), Bremen, Duisburg, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart.[1] Deutschland betreibt eine Botschaft in Brüssel. Honorarkonsuln gibt es in Lüttich, Hasselt, Antwerpen und Eupen.[2]

Einige deutsche Städte (zum Beispiel Hanau und Köln) sind beziehungsweise waren traditionelle Zentren der belgischen protestantischen Diaspora. Deutsch ist neben Niederländisch und Französisch dritte Landessprache in Belgien. Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens ist die kleinste der drei politischen Gemeinschaften in Belgien. Die Staatsoberhäupter beider Länder nehmen an den alljährlichen Treffen der deutschsprachigen Länder teil.[3]

Geschichte

Einzug deutscher Truppen in Blankenberge, 1914

Das Gebiet des heutige Belgien war flächenmäßig größtenteils über viele Jahrhunderte lang bis Ende des 18. Jahrhunderts zusammen mit Deutschland Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. dAs galt vor allem für das Herzogtum Brabant, das Fürstbistum Lüttich, das Herzogtum Limburg und die Grafschaft Hennegau. Die Grafschaft Flandern war jedoch bis auf einen kleinen Teil östlich der Schelde, Reichsflandern, niemals Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Erster König des 1830 unabhängig gewordenen Belgiens wurde 1831 Leopold I. aus dem deutschen Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha. Aus seiner Linie stammen bis heute alle Könige der Belgier.

Am 19. April 1839 wurde Luxemburg zwischen Belgien und den Niederlanden durch das erste Londoner Abkommen aufgeteilt. Preußen wurde unter anderem Garantiemacht der belgischen Unabhängigkeit. Erster Teil wurde die belgische Provinz Luxemburg, zweiter das das Großherzogtum Luxemburg, das Teil des Heiligen Römischen Reiches deutschen Nation blieb und durch das Haus Oranien-Nassau regiert wurde.[4]

Bereits im Jahr 1900 bestand in der damaligen Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs eine Botschaft: in der Roonstraße 12, im heutigen Tiergartenviertel, befand sich die Residenz. Als Botschafter sind ein Baron Jules Greindl und vier weitere Mitarbeiter eingetragen.[5]. Vor dem ersten Weltkrieg bestanden vielfältige Formen des zivilgesellschaftliches Austausches und wichtige Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Verstärkt wurde dieses Miteinander durch das Selbstbild vieler Belgier von Belgien als terre d'entre deux, als Mittler zwischen germanischer und romanischer Kultur. Das Humboldtsche Bildungsidea hatte auf belgische Universitäten einen erheblichen Einfluss.[6]

Der Überfall Deutschlands auf Belgien nach dem deutschen Ultimatum an Belgien (siehe auch: Chronologie der Julikrise 1914) war in seiner Bedeutung für die deutsch-belgische Beziehungen gewaltig. Deutschland verletzte dadurch seine Pflichten aus dem Londoner Abkommen als Garantiemacht der belgischen Neutralität. Prägend waren die in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs verübten deutschen Kriegsgreuel wie die Zerstörung Löwens im Zuge der Franc-tireurs-Hysterie (siehe: Rape of Belgium) und die Materialschlachten auf belgischen Boden, wie die Flandernschlachten. Ab Novemnber 1916 wurde 120.000,- Belgier nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt.[7] Das Gedächtnis prägten Widerstandskämpferinnen wie Gabrielle Petit und Edith Cavell. Wirkung zeigte auch die deutsche Flamenpolitik während der deutschen Besatzung Belgiens.

Als Folge des Versailler Vertrags wurden im Gebiet von Eupen-Malmedy mit mehrheitlich deutschsprachiger Bevölkerung eine umstrittene Volksbefragung durchgeführt, die zum Anschluss Eupen-Malmedys an Belgien führt.[8]

Ein weiterer Tiefpunkt deutsch-belgischer Beziehung war die Beteiligung Belgiens an der Ruhrbesetzung und der deutsche passive Widerstand.

1937 erneuterte Deutschland seine Garantieerklärung für die Unabhängigkeit Belgiens. Durch die Schlacht um Belgien verletzte Deutschland diese erneut. Während der deutschen Besatzung kam es in Belgien einer Judenverfolgung. Beispeilhaft stehen dafür Auffanglager Fort Breendonk und das SS-Sammellager Mechelen. Ab 1950 wurde im Generalprozess die deutschen Besatzungsherrschaft juristisch aufgearbeitet. Belgien verfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst weitreichende Annexionspläne. Außerdem war Belgien an der militärischen Besetzung Deutschlands durche eine belgische Zone innerhalb der britischen Besatzungszone beteiligt.

1951 nahmen Belgien und Deutschland diplomatische Beziehungen auf. Erster deutschen Botschafter wurde Anton Pfeiffer. Grundlegend für die Nachkriegsbeziehungen wurde der deutsche-belgische Ausgleichsvertrag von 1956 und die Integration beider Staaten in die Europäischen Gemeinschaften und die Nato. Nach 1945 kam es langsam zu einer tiefgreifenden Aussöhnung und Zusammenarbeit beim Aufbau europäischer Strukturen und Institutionen.

Anfang des 20. Jahrhunderts diente die Architektur Belgiens als Motiv für deutsche Zeichner und Graphiker, darunter Roland Anheißer, Luigi Kasimir und Ernst Oppler.

Diplomatischer Austausch

Die Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Parlamentariergruppe pflegt die Beziehungen zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Föderalen Parlament. Vorsitzender in der 18. Wahlperiode ist Patrick Schnieder (CDU/CSU). Stellvertretende Vorsitzende sind Daniela De Ridder (SPD), Katrin Werner (Die Linke) und Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen).[9]

Vom 05. bis 07. Dezember hatten ihre Majestäten, Königin Mathilde d’Udekem d’Acoz und König Philippe (Belgien) einen Staatsbesuch in Deutschland durchgeführt. Dabei besuchten sie Berlin und Dresden.[10]

Wirtschaftliche Beziehungen

Der Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Belgien und Deutschland betrug 2023 107,6 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland vor Frankeich (90,7 MRd. Euro) und nach den Niederlanden (130,5 Mrd. Euro) Belgiens wichtigster Handelspartner.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Brüll, Christoph: Belgien im Nachkriegsdeutschland. Besatzung, Annäherung, Ausgleich (1944-1958). Essen 2009. ISBN 978-3-8375-0252-7
  • Dolderer, Winfried: Deutscher Imperialismus und belgischer Nationalitätenkonflikt. Die Rezeption der Flamenfrage in der deutschen Öffentlichkeit und deutsch-flämische Kontakte 1890-1920. Melsungen 1989. ISBN 3-925523-04-9
  • Lejeune, Carlo: Die deutsch-belgischen Kulturbeziehungen 1925-1980. Wege zur europäischen Integration?. Köln 1992. ISBN 3-412-01092-8
  • Ernst Leonardy (Hrsg.): Deutsch-belgische Beziehungen im kulturellen und literarischen Bereich 1890-1940. Frankfurt am Main 1999. ISBN 978-3-631-34294-7
Commons: Belgisch-deutsche Beziehungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Botschaft und Konsulate von Belgien in Deutschland. Abgerufen am 10. Mai 2019.
  2. Deutsche Botschaft Brüssel (Deutsch, Niederländisch und Französisch). Deutsche Botschaft Brüssel, abgerufen am 6. November 2011.
  3. d’Lëtzebuerger Land - Beim Deutschen Bund in Eupen (02. September 2016)
  4. https://luxembourg.public.lu/de/gesellschaft-und-kultur/geschichte/top-5-abkommen-luxemburg.html
  5. Auswärtige Gesandtschaften > Belgien. In: Adreßbuch für Berlin und seine Vororte, 1900, Teil II, S. 13.
  6. https://belgien.net/belgienunddeutschland-2/
  7. https://belgien.net/belgienunddeutschland-2/
  8. https://www.geschichte.be/die-volksbefragung-1920/
  9. bundestag.de: Vorstände der Parlamentariergruppen in der 18. Wahlperiode (Memento vom 4. August 2014 im Internet Archive)
  10. Staatsbesuch in Deutschland vom 05 bis 07 Dezember. 5. Dezember 2023, abgerufen am 4. Juli 2024.
  11. https://www.tresor.economie.gouv.fr/Pays/BE/relations-bilaterales.