Nationalratswahlordnung
Die Nationalratswahlordnung (NRWO) ist ein aus dem Jahre 1992 in Österreich geltendes Bundesgesetz, welches die Wahl der Mitglieder des Nationalrats regelt.
Essentielle Regelungen
- Wahlsystem: Verhältniswahlrecht mit verbundenen Bundes-, Landes- und Regionallisten
- Besonderheiten:
- dreistufige Sitzverteilung in 43 Regionalwahlkreisen, neun Landeswahlkreisen (=Bundesländer) und auf Bundesebene, wobei die Sitze einer unteren Ebene auf höhere angerechnet werden.
- Überhangmandate werden Mandatskontingent der anderen Parteien abgezogen.
- kein Stimmensplitting erlaubt
- Abgeordnetenanzahl: 183 Sitze im Nationalrat
- Wahlperiode: die Legislaturperiode beträgt vier Jahre
- aktives und passives Wahlrecht
- Stimmenzahl: Jeder Wahlberechtigte hat nach § 36 nur eine Stimme (Parteistimme). Darüber hinaus kann er nach § 79 (1) jeweils eine Vorzugsstimme für einen Bewerber der Landesparteiliste und der Regionalparteiliste der von ihm gewählten Partei vergeben.
- Das gesamte Wahlgebiet ist in neun Landeswahlkreise (Bundesländer) eingeteilt, die wiederum in 43 Regionalwahlkreise eingeteilt sind. Jedem Landeswahlkreis werden vor der Wahl so viele der 183 Mandate zugeordnet, wie sich Einwohner nach der letzten Volkszählung dort ergeben und zwar nach dem Quotenverfahren nach größten Bruchteilen. Diese Mandate werden entsprechend an die Regionalwahlkreise unterverteilt (diese Verteilung an die Regionalwahlkreise vor der Wahl hat allerdings keinen Einfluss auf die Verteilung der Mandate).
Antreten zur Wahl
Unterstützungserklärungen von drei Parlamentariern berechtigen eine Partei zur Kandidatur in allen neun Bundesländern. § 42 Abs 2 der Nationalratswahlordnung ermöglicht außerdem die Kandidatur in einzelnen Bundesländern bei Vorlage einer festgesetzten Zahl von Unterstützungserklärungen. So müssen z.B. für Vorarlberg oder Burgenland jeweils 100, für Wien oder Niederösterreich jeweils 500 Unterstützungs-Unterschriften vorgelegt werden (Für alle neun Bundesländer zusammen ergibt sich die Summe von 2600 Unterstützungserklärungen). Diese müssen bis zum 37. Tag vor dem Wahltermin vorliegen.
Wahlbehörde und Reihung der Parteien am Wahlzettel
Gemäß der Nationalratswahlordnung bestimmt die Bundeswahlbehörde wie die Reihung der Parteien auf dem Stimmzettel vorgenommen wird. Die Landeswahlbehörden haben deren Entscheidung zu folgen. Die Bundeswahlbehörde setzt sich, unter dem Vorsitz des Innenministers, aus neun von den im Nationalrat vertretenen Parteien entsandten Mitgliedern und zwei Richtern zusammen [1].
Zur Reihung der wahlwerbenden Parteien legt § 49 NRWO legt fest:
- (3) [Auf dem Wahlzettel] hat sich die Reihenfolge der Parteien, die im zuletzt gewählten Nationalrat vertreten waren, nach der Zahl der Mandate, die die Parteien bei der letzten Nationalratswahl im ganzen Bundesgebiet erreicht haben, zu richten.
- (5) Den unterscheidenden Parteibezeichnungen sind die Worte „Liste 1, 2, 3 usw.“ in fortlaufender Nummerierung voranzusetzen. Beteiligt sich eine im zuletzt gewählten Nationalrat vertretene Partei nicht an der Wahlwerbung, so hat in der Veröffentlichung nur die ihr nach Abs. 3 zukommende Listennummer und daneben das Wort „leer“ aufzuscheinen.
Die Reihung der nicht im Nationalrat vertretenen zur Wahl stehenden Parteien richtet sich nach dem Datum der Einbringung des Wahlvorschlags der jeweiligen Partei.
Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise
Die Verteilung der Mandate auf die jeweiligen Landes- und Regionalwahlkreise erfolgt entsprechend dem Ergebnis der letzten Volkszählung und wird im Bundesgesetzblatt verlautbart. Die aktuelle Verteilung folgt der Volkszählung von 2001 und stellt sich wie folgt dar:[2]
Landeswahlkreise | ||
---|---|---|
Wahlkreis | Bezeichnung | Mandate |
1 | Burgenland | 7 |
2 | Kärnten | 13 |
3 | Niederösterreich | 36 |
4 | Oberösterreich | 32 |
5 | Salzburg | 11 |
6 | Steiermark | 28 |
7 | Tirol | 15 |
8 | Vorarlberg | 8 |
9 | Wien | 33 |
Regionalwahlkreise | |||
---|---|---|---|
Wahlkreis | Bezeichnung | Mandate | Bezirke |
1 A | Burgenland Nord | 4 | Eisenstadt, Rust, Eisenstadt-Umgebung, Mattersburg, Neusiedl am See |
1 B | Burgenland Süd | 3 | Güssing, Jennersdorf, Oberpullendorf, Oberwart |
2 A | Klagenfurt | 3 | Klagenfurt, Klagenfurt-Land |
2 B | Villach | 3 | Villach, Villach-Land |
2 C | Kärnten West | 3 | Feldkirchen, Hermagor, Spittal a. d. Drau |
2 D | Kärnten Ost | 4 | St. Veit a.d. Glan, Völkermarkt, Wolfsberg |
3 A | Weinviertel | 7 | Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg, Mistelbach |
3 B | Waldviertel | 5 | Gmünd, Horn, Krems, Waidhofen a. d. Thaya, Zwettl |
3 C | Mostviertel | 6 | Waidhofen a. d. Ybbs, Amstetten, Melk, Scheibbs |
3 D | Niederösterreich Mitte | 5 | Lilienfeld, St. Pölten, Tulln |
3 E | Niederösterreich Süd | 4 | Neunkirchen, Wiener Neustadt |
3 F | Wien Umgebung | 5 | Mödling, Wien-Umgebung |
3 G | Niederösterreich Süd-Ost | 4 | Baden, Bruck a. d. Leitha |
4 A | Linz und Umgebung | 7 | Linz, Linz-Land |
4 B | Innviertel | 5 | Braunau am Inn, Ried im Innkreis, Schärding |
4 C | Hausruckviertel | 8 | Eferding, Grieskirchen, Vöcklabruck, Wels, Wels-Land |
4 D | Traunviertel | 6 | Gmunden, Kirchdorf a. d. Krems, Steyr, Steyr-Land |
4 E | Mühlviertel | 6 | Freistadt, Perg, Rohrbach, Urfahr-Umgebung |
5 A | Salzburg Stadt | 3 | Salzburg |
5 B | Flachgau/Tennengau | 4 | Hallein, Salzburg-Umgebung |
5 C | Lungau/Pinzgau/Pongau | 4 | St. Johann im Pongau, Tamsweg, Zell am See |
6 A | Graz | 5 | Graz |
6 B | Steiermark Mitte | 4 | Graz-Umgebung, Voitsberg |
6 C | Steiermark Süd | 3 | Deutschlandsberg, Leibnitz |
6 D | Steiermark Süd-Ost | 3 | Feldbach, Fürstenfeld, Radkersburg |
6 E | Steiermark Ost | 4 | Hartberg, Weiz |
6 F | Steiermark Nord | 3 | Bruck a.d. Mur, Mürzzuschlag |
6 G | Steiermark Nord-West | 3 | Leoben, Liezen |
6 H | Steiermark West | 3 | Judenburg, Knittelfeld, Murau |
7 A | Innsbruck | 3 | Innsbruck |
7 B | Innsbruck-Land | 5 | Innsbruck-Land, Schwaz |
7 C | Unterland | 3 | Kitzbühel, Kufstein |
7 D | Oberland | 3 | Imst, Landeck, Reutte |
7 E | Osttirol | 1 | Lienz |
8 A | Vorarlberg Nord | 4 | Bregenz, Dornbirn |
8 B | Vorarlberg Süd | 4 | Bludenz, Feldkirch |
9 A | Wien Innen-Süd | 3 | Landstraße, Wieden, Margareten |
9 B | Wien Innen-West | 3 | Innere Stadt, Mariahilf, Neubau, Josefstadt, Alsergrund |
9 C | Wien Innen-Ost | 3 | Leopoldstadt, Brigittenau |
9 D | Wien Süd | 7 | Favoriten, Simmering, Meidling |
9 E | Wien Süd-West | 6 | Hietzing, Penzing, Rudolfsheim-Fünfhaus, Liesing |
9 F | Wien Nord-West | 5 | Ottakring, Hernals, Währing, Döbling |
9 G | Wien Nord | 6 | Floridsdorf, Donaustadt |
Ermittlungsverfahren
Die österreichische Nationalratswahlordnung sieht ein dreistufiges Ermittlungsverfahren vor (V.Hauptstück, §92-§113 NRWO).
Erstes Ermittlungsverfahren (Regionalwahlkreis)
Im Landeswahlkreis (Bundesland) wird eine Wahlzahl bestimmt: Abgegebene gültige Stimmen werden durch die Zahl der dem Landeswahlkreis zugeordneten Mandate dividiert und dann aufgerundet. (§ 96 (2) NRWO) Die Mandate, die jedem Bundesland zugeordnet sind, basieren auf der letzten Volkszählung (§ 4 NRWO)
Bundesland | Mandate | gültige Stimmen | Stimmen pro Mandat | Wahlzahl |
---|---|---|---|---|
Burgenland | 7 | 183.240 | 26.177,14 | 26.178 |
Kärnten | 13 | 338.513 | 26.039,46 | 26.040 |
Niederösterreich | 35 | 937.447 | 26.784,2 | 26.785 |
Oberösterreich | 32 | 799.959 | 24.998,72 | 24.999 |
Salzburg | 11 | 268.279 | 24.389 | 24.390 |
Steiermark | 29 | 772.694 | 26.644,62 | 26.645 |
Tirol | 15 | 359.263 | 23.950,87 | 23.951 |
Vorarlberg | 7 | 158.595 | 22.656,43 | 22.657 |
Wien | 34 | 815.124 | 23.974,24 | 23.975 |
Jede Partei erhält im ersten Ermittlungsverfahren nun so viele Mandate, wie die Wahlzahl in ihrer Parteisumme im Regionalwahlkreis enthalten ist (§ 97 NRWO). Insgesamt gibt es 43 Regionalwahlkreise.
Hier am Beispiel der vier Regionalwahlkreise in Kärnten und der zwei Regionalwahlkreise im Burgenland:
Regional-Wahlkreis | WKNr | Bl | Mand. | Stimmen | Wahlzahl | Mandate | |||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
gültig | SPÖ | ÖVP | FPÖ | GRÜNE | LIF | SPÖ | ÖVP | FPÖ | GRÜNE | LIF | |||||
Burgenland Nord | 1A | 1 | 4 | 89.066 | 40.289 | 26.276 | 15.670 | 3.716 | 3.115 | 26.178 | 1 | 1 | 0 | 0 | 0 |
Burgenland Süd | 1B | 1 | 3 | 92.817 | 40.831 | 31.443 | 14.970 | 3.156 | 2.417 | 26.178 | 1 | 1 | 0 | 0 | 0 |
Klagenfurt | 2A | 2 | 3 | 92.817 | 31.362 | 13.421 | 30.289 | 6.387 | 4.535 | 26.040 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Villach | 2B | 2 | 3 | 73.402 | 31.786 | 9.045 | 24.277 | 4.497 | 2.941 | 26.040 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Kärnten West | 2C | 2 | 3 | 79.464 | 28.989 | 15.781 | 27.471 | 3.873 | 2.716 | 26.040 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Kärnten Ost | 2D | 2 | 4 | 98.601 | 41.646 | 17.152 | 31.419 | 5.087 | 2.603 | 26.040 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Die Zuweisung der Mandate an die Regionalbewerber der Regionalparteilisten nach Maßgabe der Vorzugsstimmen: das heißt an Bewerber, die halb so viele Vorzugsstimmen, wie die Wahlzahl oder ein Sechstel so viele Vorzugsstimmen erzielt haben, wie auf diese Partei im betreffenden Regionalwahlkreis gültige Stimmen, werden die Mandate in der Reihenfolge der Vorzugsstimmen zugeteilt. Die restlichen Mandate werden in der Reihenfolge der Regionalparteiliste zugeteilt.
Sperrklausel: Nach §§ 100 (1),107(2) NRWO nehmen im zweiten und dritten Ermittlungsverfahren nur Parteien teil, die im ersten Ermittlungsverfahren zumindest in einem der Regionalwahlkreise ein Mandat [das heißt eine regionale 20-%- bis 40-%-Hürde] oder im gesamten Bundesgebiet mindestens 4 % der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben.
Zweites Ermittlungsverfahren (Landeswahlkreis)
Jede Partei, die die Sperrklausel überwunden hat, erhält so viele Mandate, wie die Wahlzahl in ihrer Parteisumme im Landeswahlkreis enthalten ist, abzüglich der im ersten Ermittlungsverfahren erzielten Mandate. Die Landeslistenmandate gehen zuerst an die Bewerber, die mindestens so viele Vorzugsstimmen wie die Wahlzahl erhalten haben, in der Reihenfolge der Vorzugsstimmen, die weiteren Mandate in der Reihenfolge, in der sie auf der Landesparteiliste angeführt sind.
Bundesland | Stimmen | gültige Stimmen | Mand. | Wahlzahl | Mandate (in Klammer abgerundet) | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
SPÖ | ÖVP | FPÖ | Grüne | LIF | SPÖ | ÖVP | FPÖ | Grüne | LIF | ||||||
Burgenland | 81.120 | 57.719 | 30.640 | 6.872 | 5.532 | 183.240 | 7 | 26.178 | 3,1 (3) | 2,2 (2) | 1,17 (1) | 0,26 (0) | 0,21 (0) | 6 | 1 |
Kärnten | 133.783 | 55.399 | 113.456 | 19.844 | 12.795 | 338.513 | 13 | 26.040 | 5,14 (5) | 2,13 (2) | 4,36 (4) | 0,76 (0) | 0,49 (0) | 11 | 2 |
Niederösterreich | 326.639 | 317.810 | 170.881 | 53.766 | 53.856 | 937.447 | 35 | 26.785 | 12,19 (12) | 11,87 (11) | 6,38 (6) | 2,01 (2) | 2,01 (2) | 33 | 2 |
Oberösterreich | 275.744 | 231.201 | 180.293 | 60.460 | 37.789 | 799.959 | 32 | 24.999 | 11,03 (11) | 9,25 (9) | 7,27 (7) | 2,42 (2) | 1,51 (1) | 30 | 2 |
Salzburg | 83.256 | 77.768 | 64.182 | 21.841 | 17.038 | 268.279 | 11 | 24.390 | 3,41 (3) | 3,19 (3) | 2,63 (2) | 0,90 (0) | 0,70 (0) | 8 | 3 |
Steiermark | 282.781 | 212.122 | 181.051 | 47.683 | 38.057 | 772.694 | 29 | 26.645 | 10,61 (10) | 7,96 (7) | 6,79 (6) | 1,79 (1) | 1,43 (1) | 25 | 4 |
Tirol | 87.728 | 130.218 | 79.269 | 34.293 | 18.998 | 359.263 | 15 | 23.951 | 3,66 (3) | 5,44 (5) | 3,31 (3) | 1,43 (1) | 0,79 (0) | 12 | 3 |
Vorarlberg | 33.075 | 59.921 | 37.354 | 14.236 | 10.371 | 158.595 | 7 | 22.657 | 1,46 (1) | 2,64 (2) | 1,65 (1) | 0,63 (0) | 0,46 (0) | 4 | 3 |
Wien | 313.678 | 139.688 | 185.206 | 79.543 | 82.144 | 815.124 | 34 | 23.975 | 13,08 (13) | 5,83 (5) | 7,72 (7) | 3,32 (3) | 3,43 (3) | 31 | 3 |
61 | 46 | 37 | 9 | 7 |
Drittes Ermittlungsverfahren
Alle 183 Mandate werden bundesweit nach dem Divisorverfahren mit Abrundung (d'Hondt) an die Parteien verteilt. Hat eine Partei dabei schon mehr Mandate im zweiten der beiden Ermittlungsverfahren erhalten (Überhangmandate), werden entsprechend weniger Sitze an andere Parteien verteilt. Die im dritten Ermittlungsverfahren berechneten Mandate werden abzüglich der in den ersten beiden Ermittlungsverfahren zugeteilten Sitze den Bewerbern der Parteien in der Reihenfolge des Bundeswahlvorschlages zugewiesen.
Regierungsbildung
Nach der österreichischen Bundesverfassung ernennt der Bundespräsident den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag weitere Minister. Der Bundespräsident ist dabei nicht an die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat gebunden; da jedoch jede amtierende Bundesregierung durch ein Misstrauensvotum des Nationalrats gestürzt werden kann, sind stabile Regierungsverhältnisse gegen den Willen der Volksvertretung schwer durchzusetzen. In der Zweiten Republik wurde traditionsgemäß immer ein Vertreter der mandatsstärksten Parlamentsfraktion mit der Regierungsbildung beauftragt.
Nach der Nationalratswahl 1999 zeigte sich, dass bei einer entsprechenden Mehrheit im Nationalrat eine Regierungsbildung realpolitisch auch gegen den ausdrücklichen politischen Willen des Bundespräsidenten möglich ist, wobei der Bundespräsident allerdings aufgrund der Verfassung sowohl das Recht hat jegliche Regierung abzulehnen als auch Neuwahlen einzuleiten.
Quellen
- ↑ Bundesministerium für Inneres: Zusammensetzung der Bundeswahlbehörde
- ↑ BGBl. II Nr. 337a/2002: [1] (pdf)