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Vorupør

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Bootslandeplatz und Strand von Vorupør, Blick nordwärts. Im Hintergrund typische Küstenboote; im Vordergrund kleine, nebenerwerblich betriebene Boote.

Vorupør ist ein Ort in der dänischen Kommune Thisted. Vorupør befindet sich im Nordwesten Jütlands am Nordsee und teilt sich in Nørre bzw. Sønder Vorupør auf, dem nördlichen und dem viel kleineren südlichen Ortsteil. Das Dorf hat 721 Einwohner (1.1.2006). [1]


Name

Die korrekte Aussprache des Ortsnamen lautet "wo-rupp-ör" mit Betonung auf der letzten Silbe; schnelle Aussprache auch "wo-u-bör". Im örtlichen Dialekt gilt ein bilabiales w wie im Englischen, am Ende wird das -r wie im Amerikanischen gesprochen.

Der Name ist von dem ein wenig landeinwärts gelegenen Vorup, identisch mit Førby, abgeleitet. (Auf Landkarten ist eher der See Vorup Sø/Førby Sø erkennbar.) Vorup ist vom altdänischen wara (entlegenes Feld) + thorp (Dorf, Einzelgehöft) gebildet. Die Endung ør bezeichnet ein Kiesgelände. Also der kiesige Strand vor dem Dorf/Gehöft des entlegenen Feldes.

Tourismus

Besonders bei deutschen und dänischen Urlaubern ist Vorupør beliebt. Die 310 m lange Mole, die zugunsten der Bootslandung gebaut ist, verhindert auch das Wegspülen des Sandes, und der Ort verfügt über einen sehr großen und feinsandigen Strand. Landeinwärts sind Dünen, kleine Wälder und Seen, und mit Erika, Flechten, Krähen-, Rausch- und Moosbeeren bewachsene Moore; eine Natur die viel an die Insel Sylt erinnern kann, jedoch weniger intensiven Touristenstromen ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen zum Surfen sind ebenfalls ideal, hierfür sind Vorupør und vor allem das wenige Kilometer weiter nördlich gelegene Klitmøller auch im Ausland bekannt. Auch zum Sportfischen sind die Bedingungen ganzjährig gegeben.

In Vorupør befinden sich ein Heimatmuseum, ein Aquarium sowie einige Restaurants, zwei Supermärkte, Bäckerei, Metzger, Sparkasse, Kirche, Grundschule und ein Campingplatz. Im Sommer sind zusätzlich Cafés, Kunstgalerien, Kiosks, Kleider- und Anglerläden geöffnet. Allerdings hat Vorupør nicht so sehr sein ursprüngliches Gepräge eingebüßt, wie in anderen Urlaubsorten an der jütischen Westküste der Fall sein kann.

Die Kommune Thisted entwarf 2005 einen Plan, der den Bau eines Ferienzentrums in der Dünenreihe direkt am Landeplatz genehmigen sollte. Das Komplex sollte aus 39 Einzelhäusern von bis zu 11 m Höhe sowie einige Geschäfte bestehen. Nach kräftigen Protesten, u.a. eine Bürgerversammlung mit 250 Teilnehmern, wurde das Projekt aufgegeben.

Ein Natur- und Touristenzentrum soll 2007 im östlichen Teil des Ortes geöffnet werden. Neben Info- und Erlebnisort für den künftigen Nationalpark Thy werden auch Sportfazilitäten, Wellnesszentrum und das von den einheimischen lange ersehnte Schwimmbad vorhanden sein.

Fischerei heute

Ein gewisser Fischfang hat sich gehalten, wenn er auch eine viel kleinere Rolle als früher spielt. Vom Landeplatz laufen ganzjährig einige größere Küstenboote und viele kleine Jollen aus. Letztere werden nebenerwerblich betrieben und lokal "Pram" (Kahn, Prahm) genannt. Der Fang wird auch lokal in zwei ortsansässigen Räuchereien verarbeitet oder frisch verkauft. Fischerei vom offenem Strand her wird heute nur noch von drei Orten an der Nordwestküste Jütlands betrieben; neben Vorupør sind das Lild Strand und Thorup Strand. Die unten erwähnte Motorwinde zieht die größeren Boote herein und heraus, während die Kleinen meist mit einem Traktor gezogen werden. Die Drahtseile laufen um ein mit einem Rad versehenes Ankerblock etwa 100 m draußen im Meer, und so können die Boote auf wenigen Minuten hinaus- oder hineingezogen werden.

Geschichte

1800 bis 1940

1801 wurde das Fischerdorf von damals 120 Einwohnern (davon 21 Fischer) erstmals urkundlich erwähnt. Im 19. Jahrhundert lebten die Einwohner in den isolierten Dörfern entlang der Küste von Thy neben Fischerei von Kleinlandbau (noch bis in die 1950er liefen Schafe im Ort frei umher). Die Küstenbewohner mussten ihre (oft viele) Kinder als Dienstleute bei den Bauern weiter im Inland arbeiten lassen. Der Fisch wurde in Rückenkörber umgeladen und zum Verkauf auf den Bauernhöfern herumgetragen. Trinksucht und Armut waren weitverbreitet. Die Inlandbewohner sahen sich als sozial gehoben über die "wilden" Vorupører, eine Einstellung, die bis heute noch Spuren hinterlassen hat, wenn es um das Verhältnis zu staatlichen und kommunalen Behörden geht.

1878 wurde eine Kirche auf einem Sandhügel östlich des Dorfes gebaut, wo heute der idyllische alte Friedhof sehr sehenswert ist. Bis dahin mussten die Einwohner über die Heide nach Hundborg wandern, um die nächstgelegene Kirche zu besuchen. 1902 wurde die alte Kirche teilweise abgerissen und die jetzige in der Mitte des Dorfes gebaut.

Ertrinkungskatastrofen brachten in den 1880ern viele Fischer ums Leben. Ein Grab aus dem Jahr 1885 mit acht Fischern kann heute noch auf dem alten Friedhof östlich des Dorfes besichtigt werden. Nach dem Unglück erfasste eine Welle von christlicher Erweckung Vorupør, wie viele andere Küstendörfer auch. 1887 wurde das Fiskercompagniet gegründet, ein seltsamer Beispiel christlichen Kollektivismus, das den ganzjährigen Fischfang sowie das Weiterverkaufen ohne Zwischenhändler ermöglichte. Die teilnehmenden Fischer waren eines christlichen Wandels verpflichtet, und der Verdienst wurde ursprünglich nach Bedürfnis (Anzahl der Kinder) verteilt.

Um 1900 wurden die bis dahin offenen Boote mit Decksbooten ersetzt. 1908 wurde die Mole gebaut, um den Bootslandeplatz vor der Brandung zu schützen, und so konnte die Anzahl der Tage mit Fischereigelegenheit um 50% verbessert werden. Während des ersten Weltkrieges wurde der Fisch für gute Preise nach Deutschland exportiert. In den Jahren 1910-1930 herrschte relativer Wohlstand, und statt der bis dahin ärmlichen, reetgedeckten Häuser wurden die soliden, weißgetünchten Häuser gebaut, die heute noch typisch sind.

Eine Nebenbahn von der Struer-Thisted-Eisenbahn bei Sjørring nach Vorupør wurde 1918 vorgesehen, jedoch nie verwirklicht. [2] Der Fisch wurde nach wie vor mit Pferdewagen nach Sjørring transportiert und von dort per Bahn weiter. Der gedeihende Fischfang brachte Pläne nach einem Hafen in Vorupør mit sich; jedoch sollte dieser Hafen erst 1967 bei Hanstholm verwirklicht werden.

1940 erfand ein Sohn des Ortes, Claus Sørensen, ein Motorwindensystem, das größere Boote ermöglichte. Bis dahin wurden die Boote mit einer Handwinde auf Land gezogen, aber hinaus mussten sie von 8-12 Männern getragen werden.

Zweiter Weltkrieg

Die deutsche Besetzung Dänemarks im zweiten Weltkrieg brachte den Bau vieler Festungsanlagen mit sich. In Sønder Vorupør gab es einen 42 m hohen Radarturm. Die Schule wurde für Militärquartier in Beschlag genommen. Halbwegs an der langen Dorfstraße war ein Kontrollpunkt, wo Passanten sich ausweisen mussten. Dort fiel ein Todesopfer, eine junge Einheimische, die mit einem deutschen Soldaten befreundet war und normalerweise ohne weiter auf dem Fahrrad durchfahren konnte. Eines Tages war jedoch der Posten mit einem direkt aus dem Ostfront kommenden Soldaten besetzt, der das Mädchen erschoss, als sie nicht seinen Halteruf wahrnahm. Die schwer entfernbaren Betonbunker in den Dünen und am Strand sind noch von den älteren Einheimischen wenig beliebt, gelten aber allmählich laut offizieller Politik als Kulturdenkmäler.

Am 2. Mai 1942 kam ein mystischer deutsch- und englischsprechender Herr zu Fuss in Vorupør an und mietete sich unter dem Namen Beaverbrook auf das Badehotel ein. Als die Polizei erschien und seine Identität nachzuweisen fragte, erschoss sich der Mann im Zimmer. Laut Untersuchungen eines Historikers handelte es sich wahrscheinlich um einen Agenten des polnischen Geheimdienstes, Peter Rudyard Aitken, Sohn des britischen Zeitungsmoguls und Versorgungsministers Lord Beaverbrook, der als deutscher Offizier unter den Namen Günther Reimere, Wolf Weltner bzw. Adolph Mewes auftrat und von seinem Quartier in Aalborg ausriss. Über eine Verbinding zur Spionage von der später gebombten Vemork-Schwerwasseranlage bei Rjukan in Norwegen wird spekuliert. [3] [1][2]

Am 29. August 1944 wurde ein Lancaster-Bomber auf dem Weg nach einem Bombenabwurf über Stettin von deutscher Artillerie bei Vorupør getroffen. Der Flugzeug stürzte beim Moorteich Ålvand östlich des Dorfes ab. Die sieben umgekommenen Flieger aus England, Nordirland, Australien und Canada wurden in einem Grab direkt auf dem Moor begraben, jedoch 1947 in ein offizielles Kriegergrab auf dem Friedhof des Dorfes überführt.

Nachkriegszeit

In den 1960er Jahren begannen Touristen in größerem Umfang, das Dorf aufzusuchen. Darunter waren auch einige Deutsche, die als junge Männer ihre Wehrpflicht im besetzten Dänemark leisteten und nach dem Wirtschaftswunder das Land wiedersehen möchten. Aus dieser Periode stammen die ersten, sehr schlicht aus Holz gebauten Ferienhäuser. Viele Ortsbewohner vermieteten auch Zimmer im eigenen Haus. Ende der 1960er Jahren wurde die Küstenstraße gebaut, u.a. mit dem Zweck, dass die Fischer aus dem Hafen von Hanstholm aus fischen konnten. Im Gegensatz zu den Nachbarorten Stenbjerg und Klitmøller behielten die Fischer von Vorupør aber ihre Boote im Ort.

Nach Dänemarks Beitritt zur EG 1972 wurde die Lage für küstennahe Fischerei immer ungünstiger, da die Erteilung von Fangquoten keine Rücksicht auf die umweltfreundlichen Fangmetoden der kleinen Küstenboote nehmen. Große Trawler konnten so meistens die Quoten vor den kleinen Booten erschöpfen. Im Vergleich zu den 27 Booten, die um 1920 hinausfuhren, waren um 1980 noch 10 da; um 2000 waren es vier. Viele pendeln zur Arbeit nach Thisted und Hanstholm, auch der Tourismus stellt eine Haupteinnahmequelle dar. In den 1980er und 1990er Jahren wurden viele Luxusferienhäuser gebaut, die allerdings den Einheimischen nur wenige feste Arbeitsplätze bringen.

Die ehemalige starke christliche Prägung des Dorfes ist in der letzten Generation wieder zurückgegangen. Allerdings wurde bis 1980 die Motorwinde an Sonntagen nicht betrieben, und kein Fisch wurde also gelandet. Bezeichnenderweise wurde das gelbgetünchte, als Baudenkmal eingestufte Missionshaus "Filadelfia" neben der Kirche 1999 vom Bistum Aalborg renoviert und in Gemeindehaus umbenannt. Die wenigen Mitglieder des Missionsvereins in Vorupør konnten sich die Erhaltung des Hauses nicht mehr leisten. Das ehemalige Missionshaus von Sønder Vorupør ist, wie fast alle andere dieser Häuser an der Westküste, längst verkauft und zum Wohnhaus umgebaut.

Söhne und Tochter des Ortes

  • Jens Munk Poulsen (1863-1920). Initiator der Fischerkompanie. Seine Lehrerausbildung wurde von im Ort eingesammelten Mitteln bezahlt. Später war er in dänischen Fischereiorganisationen tätig und veranlässte den Bau der Mole. Er galt als Erster von dem "gläubigen" Teil der Ortsbewohner und hatte über sie und die Fischerkompanie grosse Macht. Ab 1901 hatte er sich erfolglos als Folketingskandidat der konservativen Partei beworben; 1913-1920 Abgeordneter der Liberalen Partei. Ritter des Dannebrogordens. Liegt auf dem alten Friedhof bei Vorupør begraben.
  • N. P. Madsen (1860)-(1916). Pastor. Geboren in Tune auf Seeland. Lebte und lehrte 1899-1915 in Vorupør und war von den Einwohnern sehr beliebt. Schrieb mehrere spirituelle Bücher. Anhänger der Revival and Holiness, eine aus England stammende Splitterbewegung, die sich der Pfingsttheologie annäherte. Oft Strittigkeiten mit der Indre Misson, die offizielle streng-christliche Bewegung in Dänemark.
  • Claus Sørensen (18881976). Erfinder eines Motorwindensystems, das an mehreren Küstenorten für das hinein- und hinausziehen der Boote noch benutzt wird. Vorsitzender des westjütischen Fischereivereins. Zog wie viele andere Vorupører nach Esbjerg, wo er eine Schiffbergungsfirma und ein Tiefkühlhaus gründete, das sich zum heutigen Kühl- und Tiefkühlanlagenkonzern Claus Sørensen entwickelte. Kleines Denkmal unweit vom Bootlandeplatz.

Kuriosa

  • Steht man am Ende der Mole, ist man so weit von Kopenhagen entfernt, wie es in Dänemark geht, nämlich 301 km. Färöer und Grönland ausgenommen.
  • Beim Bau der Mole wurde der damals zweitgrößte Kran der Welt benutzt. Bei der Einweihung am 8. August 1908 gab es königlichen Besuch. Der Sage nach tranken drei Frauen aus dem Nachbarort Lyngby das Wasser, in dem der König (Frederik VIII.) seine Hände gewaschen hatte.
  • Im September 1985 spielte sich eine Mordgeschichte um Vorupør und andere Orte in Thy ab, nachdem zerlegte Teile einer Frauenleiche in einem See gefunden wurde. Der 49jährige Wolfsburger Kaufmann Hans Günther Hermann Stumpe hatte die 36jährige Friseurin und Prostituierte Helga Casu aus Braunschweig mit nach Vorupør auf Urlaub eingeladen unter dem Vorwand, Geschäfte über das Eröffnen eines Restaurants zu besprechen. Nach intensiver Nachforschung konnte dänische und deutsche Polizei das gut geplante Verbrechen aufklären. 1986 wurde Stumpe bei einem Gericht in Braunschweig zu lebenslangem Gefängnis verurteilt. Der Fall wurde 2002 in der dänischen TV-Krimiserie Rejseholdet dramatisiert.[4] [5]

Vorlage:Koordinate Artikel

  1. http://www.sogn.dk/vorupoer/index.php?mod=sognside&func=sogneInfo&p1=9129
  2. http://www.geocities.com/baja/trails/1530/rly/never.html
  3. http://www.thistedmuseum.dk/Historisk%20%C3%85rbog/%C3%85rgang%201992/Weber,%20Frank%20%20Krigsdrama%20i%20Thy%201942.pdf Frank Weber: Krigsdrama i Thy 1942, Historisk Årbog for Thy og Vester Han Herred, 1992.
  4. Berlingske Tidende, 7. April 1997
  5. Thisted Dagblad, 19. Januar 2002