Geschichte Somalias

Die Geschichte Somalias ist eng verknüpft mit der Geschichte des Somali-Volkes und damit auch mit der Geschichte der Nachbarländer Äthiopien, Kenia und Dschibuti. Sie reicht von dem Land Punt über die Einwanderung der Somali, die Einführung des Islam, die Entstehung verschiedener Sultanate und die Kolonialzeit bis hin zum gegenwärtigen Bürgerkrieg.
Frühe Geschichte
Man vermutet, dass das Land Punt zu altägyptischer Zeit im heutigen Somalia (oder aber in Eritrea) lag. Die Hafenstadt Opone, wohl dem heutigen Xaafuun/Hafun entsprechend, wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. von einem alexandrinischen Handelsreisenden in dessen Periplus Maris Erythreai beschrieben. Hier wurde mit dem Jemen, Phönizien, Nabatäa, Griechenland, dem alten Rom und Azania Handel getrieben, und selbst indonesische und malaiische Händler sollen den Ort frequentiert haben, der strategisch günstig an den Handelsrouten durch das Rote Meer lag.
Die heutigen Bewohner Somalias, die Somali, führen ihre Herkunft auf Einwanderer von der Arabischen Halbinsel zurück, wohingegen die Sprachwissenschaft ihre Ursprünge eher im südlichen äthiopischen Hochland sieht, wo andere Ethnien leben, die wie sie kuschitische Sprachen sprechen. Nach diesen Theorien spalteten sich die Vorfahren der Somali um 500 v. Chr. von den verwandten Gruppen zwischen den Flüssen Omo und Tana ab und hatten um 100 n. Chr. das ganze Horn von Afrika besiedelt.[1]
Vorkoloniale Zeit
Die Somali entwickelten ihre bis heute bestehende Wirtschaft und Lebensweise, die hauptsächlich in nomadischer Viehwirtschaft sowie im Süden des heutigen Somalia in Ackerbau an den Ufern der Flüsse Jubba und Shabeelle besteht. Auch in vorkolonialer Zeit kam es immer wieder zu Konflikten im Rahmen des Clansystems der Somali, insbesondere um knappes Land und Wasser.
Seehandel und Einführung des Islam
Durch den Seehandel über Küstenstädte wie Saylac (Zeila) und Hobyo kamen die Somali mit arabischen und persischen Einflüssen in Berührung, so auch mit dem Islam ab dem 7. Jahrhundert.
Der Reisende Ibn Battuta besuchte die Region 1327–1330 und beschrieb Saylac sowie Mogadischu (Maqdash).
Sultanate in Nord-Somalia
In dieser Zeit begannen sich auch Staatswesen zu bilden, insbesondere ab dem 12. Jahrhundert das Sultanat Ifat in nord-Somalia, Vorläufer des von muslimischen Somali und Afar geführten Sultanats Adal. Dieses reichte von seiner Hauptstadt Saylac bis Jijiga und Harar im heute äthiopischen Ogaden und blieb lange friedlich gegenüber dem benachbarten christlichen Kaiserreich Äthiopien. Die Beziehungen der beiden Staatswesen verschlechterten sich jedoch, als der äthiopische Negus Isaak (Yeshaq) muslimische Ansiedlungen im Tal östlich von Harar angriff und 1415 Ifat eroberte. Nach seinem Sieg erlegte Isaak den Muslimen Tribut auf und ließ eine Hymne zur Besingung dieses Sieges schreiben. In dieser Hymne erscheint das Wort Somali erstmals in geschriebener Form.
Im 16. Jahrhundert waren es wiederum die Muslime, die Äthiopien angriffen. Unterstützt vom Osmanischen Reich und unter Anwendung der Taktik der verbrannten Erde drangen sie, geführt von Ahmed Gurey, weit in das Land vor und dezimierten dabei die Bevölkerung. Mit Hilfe einer portugiesischen Expedition unter Pedro da Gama – einem Sohn des Vasco da Gama – gelang es Äthiopien, den Ansturm schließlich abzuwenden.
Saylac stieg im 16. Jahrhundert zum Handelszentrum für Kaffee, Gold, Zibet, Straußenfedern sowie Sklaven aus Äthiopien (siehe auch: Ostafrikanischer Sklavenhandel) und zum Zentrum des Islam in Somalia auf.
Ab dem 16. Jahrhundert kam es zu Überfällen portugiesischer Seefahrer auf somalische Städte. Saylac verlor infolge portugiesischer Angriffe 1517 und 1528 sowie Überfällen somalischer Nomaden aus dem Umland an Bedeutung und wurde zur Besitzung der jemenitische Stadt Mokka. Berbera nahm seine Rolle ein. Der Norden des heutigen Somalia kam zeitweise unter jemenitische, ägyptische und osmanische Kontrolle.
Städte im Süden Somalias
Auch die weiter südlich gelegenen, bereits seit dem Mittelalter existierenden Städte Baraawe, Merka und vor allem Mogadischu wurden immer bedeutender und strahlten auch auf dessen Hinterland, Benadir genannt, aus. Etwa 1550–1650 bestand in dieser Region ein Staat der Ajuran, eines Subclans der Hawiye. Der Seehandel mit Sansibar brachte auch schwarzafrikanische Sklaven aus Ostafrika ins Land, die in der Landwirtschaft im Shabeelle-Tal eingesetzt wurden und die Vorfahren der somalischen Bantu sind.
Im 19. Jahrhundert kamen Mogadischu, Merka, Baraawe, Kismaayo und Warsheikh unter die Kontrolle des Sultanats Sansibar.
Majerteen-Sultanate
In der Bari-Region im Nordosten entstanden ab Mitte des 18. Jahrhunderts zwei Sultanate der Majerteen-Darod, die Mitte des 19. Jahrhunderts aufstiegen und einen blühenden Handel mit Vieh, Straußenfedern und Gummi Arabicum trieben. Das eine der beiden wurde von Boqor Ismaan Mahamuud, das andere von dessen Verwandten Sultan Yuusuf Ali Keenadiid von Hobyo geführt. Ersteres profitierte von Unterstützung durch Großbritannien im Gegenzug zum Schutz für britische Schiffe, die an seiner Küste strandeten. Zeitweise wurde es durch einen Bürgerkrieg infolge des Machtkampfes zwischen Boqor Ismaan Mahamuud und dessen Cousin Keenadiid beinahe zerstört.
Kolonialzeit
Ab dem Ende des 19. Jahrhundert erfuhr das von Somali bewohnte Gebiet die Aufteilung, die bis heute aktuell ist. Harar und damit ganz Ogaden geriet durch die Eroberungen Meneliks II. unter die Herrschaft Äthiopiens. Süden und Osten des heutigen Somalia wurden von Italien als Italienisch-Somaliland, der Norden (Britisch-Somaliland) sowie Kenia von Großbritannien und Dschibuti (Französisch-Somaliland) im Nordwesten von Frankreich kolonisiert.
Kolonialisierung und der Widerstand dagegen
Die Kolonialmächte hatten verschiedene Motive. So wollte Großbritannien die Nordküste als Quelle für Schaffleisch und andere Tierprodukte für seinen Hafen Aden kontrollieren. Frankreich strebte, erst recht nachdem es von Großbritannien aus Ägypten verdrängt worden war, nach Dschibuti als Zwischenstation für Schiffe, um die Seehandelsbeziehungen zu seinen Kolonien in Indochina zu stärken.
Italien wiederum hatte bis dahin noch keiner Kolonien habhaft werden können und wollte deshalb dieses bis anhin nicht kolonialisierte Gebiet in Besitz nehmen. 1888 stimmte der Sultan Keenadiid von Hobyo einem italienischen Protektorat zu, desgleichen 1889 Ismaan Mahamuud. Später kam die Benadirküste und 1925 schließlich die Region von Kismaayo, die zuvor als Bestandteil des Sansibar-Protektorats britisch gewesen war, zu Italienisch-Somaliland hinzu.
Muhammad ibn ʿAbd Allāh Hassān, von den Briten „Mad Mullah“ genannt, versuchte 1899–1920 ohne Erfolg, der Kolonialisierung Widerstand zu leisten.
Kolonialherrschaft
Die Briten sahen in ihrem Somaliland zunächst wenig mehr als eine Fleischversorgungsstation. Die Italiener bauten u. a. Bananen-, Zuckerrohr- und Baumwollplantagen im Süden Somalias auf und gründeten einige Siedlungen. Die Sklaverei wurde unter der Kolonialherrschaft abgeschafft, doch wurden insbesondere die Bantu zur Zwangsarbeit auf den Plantagen herangezogen, da nur wenige Somalier zur freiwilligen Lohnarbeit bereit waren. Nach dem Italienisch-Äthiopischen Krieg, den das mittlerweile faschistische Italien 1935–1936 geführt hatte, besetzte Großbritannien Italienisch-Somaliland im Zweiten Weltkrieg und verwaltete daraufhin das Gebiet von 1941–1950 zusätzlich zur eigenen Kolonie Britisch-Somaliland. In dieser Zeit wurde 1943 die Somali Youth League (SYL) als erste politische Partei Somalias gegründet, die bei der Erlangung der Unabhängigkeit eine bedeutende Rolle spielen sollte.
Obwohl Italienisch-Somaliland rechtlich weiterhin eine italienische Kolonie war, wurde an der Potsdamer Konferenz 1945 entschieden, es nicht an Italien zurückzugeben. Stattdessen wurde es 1949 von der UN-Generalversammlung zum Treuhandgebiet unter italienischer Verwaltung von 1950–1960 gemacht und danach in die Unabhängigkeit entlassen.
Unabhängigkeit
Es gab innerhalb der Somali-Bevölkerung Bestrebungen, den Teilungszustand ihres Gebietes aufzuheben und sämtliche Somali in einem Staat (Groß-Somalia) zu einen. Auch die SYL unterstützte dieses Ziel. So wurden Italienisch-Somaliland und Britisch-Somaliland 1960 gemeinsam als Somalia unabhängig. Kenia wurde hingegen 1963 mitsamt seinem somalisch besiedelten Landesteil unabhängig, und das mehrheitlich von somalischen Issa bewohnte Dschibuti blieb nach seiner Unabhängigkeit 1977 ein eigenes Land.
Erster Präsident des unabhängigen Somalia wurde Aden Abdullah Osman Daar, Mitglied der SYL. Unter dem Einfluss nationalistischer Kräfte hielt er an den somalischen Gebietsansprüchen gegenüber den Nachbarländern fest, wodurch das Land in der Region isoliert wurde, und setzte auf gute Beziehungen zur Sowjetunion. Dies brachte ihn in Konflikt mit Abdirashid Ali Shermarke, der die Blockfreiheit Somalias vorzog und ihn nach den Wahlen 1967 ablöste. Shermarke wurde wiederum 1969 von prosowjetischen Militärs unter Siad Barré gestürzt.
Unter Siad Barré führte Somalia 1976–1978 einen Krieg um Ogaden gegen Äthiopien, den es verlor. Da Barré diktatorisch regierte und insbesondere den traditionellen Einfluss der Clans zurückzudrängen versuchte, formierte sich Widerstand. Namentlich die Majerteen-Darod, die Hawiye und die Isaaq waren von Repressionen von Seiten des Regimes betroffen und begannen zunehmend einen bewaffneten Kampf gegen Barrés Herrschaft. Am 26. Januar 1991 wurde dieser abgesetzt und floh schließlich aus Somalia.
Bürgerkrieg
Hauptartikel: Somalischer Bürgerkrieg
Der von Mohammed Farah Aidid (Habre Gedir-Hawiye) und Ali Mahdi Mohammed geführte United Somali Congress (USC), der wesentlich am Sturz Barrés beteiligt war, bildete eine provisorische Regierung, die sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Bald darauf erklärte der hauptsächlich von Isaaq bewohnte Norden des Landes als Somaliland einseitig seine – international nicht anerkannte – Unabhängigkeit. Somalia zerfiel in umkämpfte Machtbereiche von Clans und Kriegsherren und deren Milizen.
Für die Bevölkerung hatte dies eine Verschlechterung der Versorgungs- und Sicherheitslage bis hin zu einer Hungersnot im Süden Somalias zur Folge. 1992–1995 versuchten die Vereinten Nationen im Rahmen der UNOSOM-Mission unter US-amerikanischer Führung, den Frieden wieder herzustellen, hatten hierbei jedoch keinen Erfolg. Seither gilt Somalia als typisches Beispiel eines „gescheiterten Staates“.
Die Kampfhandlungen gingen weiter. Puntland im Nordosten und die Republik Jubaland (Südwestsomalia) erklärten zwischenzeitlich ihre Unabhängigkeit, beide ohne internationale Anerkennung zu erlangen und letzteres ohne sie effektiv durchzusetzen. Einzig in Somaliland im Norden blieb es relativ friedlich.
2000 wurde nach Friedensverhandlungen eine Übergangsregierung, das Transitional National Government, aus Vertretern verschiedener Clans gebildet, die seit 2004 in Baidoa ihren Sitz hat. Sie konnte sich jedoch nie effektiv durchsetzen, da sie nicht die Unterstützung aller Kriegsparteien fand.
Aufstieg der Union islamischer Gerichte

Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 verdächtigten die USA das destabilisierte Land als Zufluchtsort für Terroristen bzw. gar für Osama bin Laden. Vor diesem Hintergrund beobachteten sie den Machtgewinn der Union islamischer Gerichte, einer Vereinigung von Scharia-Gerichten, die lokal das Scharia-Recht durchsetzten, mit Besorgnis und unterstützten zeitweise die „Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen den Terrorismus“, einen losen Zusammenschluss von Kriegsherren gegen die Union.
Dennoch nahm die Union 2006 Mogadischu und weitere, große Teile des Landes ein. Seither herrscht in diesen Landesteilen Frieden, doch ist fraglich, wie lange dieser anhalten wird. An den Grenzen zwischen den Machtbereichen von Übergangsregierung und Union islamischer Gerichte kommt es weiterhin zu Kämpfen. Die Union rief zum Dschihad zur Eroberung Ogadens auf, weswegen manche Beobachter eine Eskalation des Konflikts mit Äthiopien fürchten.
Siehe auch
Quellen
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