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Kollektivschuld

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Kollektivschuld bedeutet, dass die Schuld für eine Tat nicht dem einzelnen Täter (oder Tätern) zugeordnet wird, sondern einem Kollektiv, allen Angehörigen seiner Gruppe, z.B. seiner Familie, seines Volkes oder seiner Organisation, zugeordnet wird.

Die Annahme der Kollektivschuld wird mit einer moralischen Verantwortung durch die Zugehörigkeit zu der Gruppe begründet. Also nicht durch die individuelle Schuldzurechnung. Dies ist heutzutage in den meisten Gesellschaften nicht mit der Moral zu vereinbaren. So beruht z.B das moderne deutsche Strafrecht auf dem Grundsatz einer individuellen Verantwortlichkeit. In früheren Epochen z.B. altgermanischem Recht gab es Kollektivschuld.

Kollektivhaftung

Im Unterschied zur Kollektivschuld gibt es den juristischen Begriff Kollektivhaftung die dem Mitglied einer Gruppe die Haftung für die Schäden auferlegt, welche Organe der Gesamtheit durch ihr Handeln verursacht haben. Mit Kollektivhaftung wird z.B. im Völkerrecht die Haftung eines Staates für Schäden völkerrechtswidrigen Handelns seiner Organe begründet.

Hierher gehört auch die Verpflichtung zu Reparationszahlungen eines im Krieg unterlegenen Gegners, der den älteren völkerrechtlichen Anspruch auf Tributzahlungen abgelöst hat.


Frage einer deutschen Kollektivschuld an den Verbrechen des Naziregimes

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die These von der kollektiven Schuld oder Kollektivschuld der Deutschen an den Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus diskutiert.

Diese These besagt, dass nicht nur Hitler und die nationalsozialistischen Machthaber, die nationalsozialistischen Offiziere und Soldaten, Förderer und Geldgeber der NSDAP verantwortlich sind für den Krieg, den Judenmord, die KZs und andere Verbrechen des 3. Reiches, sondern das gesamte deutsche Volk, und zwar samt seiner damals überhaupt noch nicht geborenen Angehörigen.

Diese Kollektivschuld-These wurde von einigen Tätern des 3. Reichs zur Entlastung und Rechtfertigung aufgegriffen und diente später in Neonazikreisen erfolglos dazu, durch diese Unterstellung die Bevölkerung gegen die Alliierten aufzuwiegeln.

Die andere extreme Gegenthese ist die Theorie von der alleinigen Verantwortlichkeit des Einzeltäters Hitler bzw. der NSDAP-Führung und der SS. Das habe angeblich einen Befehlsnotstand begründet. Hierauf beriefen sich später viele Täter zur Rechtfertigung ihrer Untaten.. Auch die Mitschuld der Wehrmacht wurde in Westdeutschland überwiegend abgeleugnet. Obwohl die meisten Fakten in dier historischen Spezialliteratur bekannt waren, war es erst die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944, die diese Tatsachen ins allgemeine Bewußtsein rückte.

Gegenüber diesen beiden Extrempositionen ist heute ganz überwiegend anerkannt, dass es auf die jeweilige individuelle Verantwortlichkeit des Täters ankommt.

Von der Kollektivschuldthese ist abzugrenzen die besondere Verantwortlichkeit, die Deutschland als Ausfluss des verbrecherischen Geschehens trifft. An der Wahrnehmung dieser Verantwortlichkeit beteiligen sich Staat, Gesellschaft, Verbände und Parteien in verschiedener Form, z.B. durch Teilnahme an dem Holocaust-Gedenktag, der am 27. Januar eines jeden Jahres stattfindet oder durch die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", die die Bundesregierung und Unternehmen im Jahre 2000 errichtet haben.

Die Alliierten haben eine kollektive Schuld aller Deutschen abgelehnt.

Beispiele aus der Geschichte

Theologie

Aus dem Alten Testament ist die Vorstellung bekannt, dass eine Gruppe vom Unglück heimgesucht wird, weil einzelne ein Vergehen oder Verbrechen begangen haben.

Im Neuen Testament wird den Juden eine Kollektivschuld an der Kreuzigung Jesu nicht eindeutig zugesprochen. Doch war dieser Vorwurf ein Grund für Judenverfolgungen im Mittelalter.

Verbreitet ist im christlichen Gedankengut auch die Vorstellung einer Erbschuld aufgrund einer so genannten Erbsünde der Menschheit, die mit der Geburt jedem Menschen neu anhaftet.

In der Endphase des Nationalsozialismus

In der Endphase des Nationalsozialismus wurde mit dem Begriff "Sippenhaft" eine willkürliche Form der 'Kollektivschuld' eingeführt, mit dessen Hilfe man durch Inhaftierung von Familienangehörigen und Zwangseinweisung und Umbenennung von Kindern Generale oder Kommandanten zu erpressen suchte, nicht zu kapitulieren.

Zitate:

"Es ist undenkbar, dass die Mehrheit aller Deutschen verdammt werden soll mit der Begründung, dass sie Verbrechen gegen den Frieden begangen hätten. Das würde der Billigung des Begriffes der Kollektivschuld gleichkommen, und daraus würde logischerweise Massenbestrafung folgen, für die es keinen Präzedenzfall im Völkerrecht und keine Rechtfertigung in den Beziehungen zwischen den Menschen gibt."
(aus dem Urteil der Alliierten in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen gegen die IG Farben ).

siehe auch

Tätervolk