Magdeburger Börse
Die Magdeburger Börse war eine Börse in Magdeburg. Besondere Bedeutung erlangte sie für den Handel mit Zucker. Zeitweise gehörte sie in diesem Segment zu den drei großen Weltleitbörsen.
Geschichte
Erste Gründung 1824
Der Anstoß zur Gründung der Börse ging auf den Magdeburger Oberbürgermeister August Wilhelm Francke zurück, der sich 1820 an die Kaufleute der Stadt wandte und auf die Bedeutung eines solchen Marktes zum Handel mit Wertpapieren für die regionale Wirtschaft hinwies.
Am 12. März 1824 wurde im Innungshaus am Alten Markt der Beschluss zur Gründung der Magdeburger Börse gefasst. Die erste Börsenversammlung trat dann am 16. März zusammen. Weitere Versammlungen erfolgten jedoch nicht. Die Börse erwies sich als nicht wirtschaftlich.
Zweite Gründung 1843
1843 erfolgte dann durch das Engagement mehrerer Unternehmen und unter anderen auch Carl Friedrich Denekes eine Wiederbelebung der Magdeburger Börse. Die Neugründung fand am 1. August 1843 statt. Mangels gesetzlicher Börsenvorschrift gab es noch keineBörsenordnung.
Gehandelt wurde zwischen 11.30 und 12.30 Uhr. Dienstags und donnerstags wurden die Preise für Getreide, Kartoffeln, Öl und Spiritus sowie für einige Unternehmenspapiere ermittelt. Zunächst beschränkte sich der Aktienhandel auf Papiere der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn, der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn und der Vereinigten Dampfschiffahrts-Compagnie. Später kamen weitere regionale Papiere wie das der Magdeburger Privatbank hinzu. Gehandelt wurde auch mit Gold.
Am 19. Januar 1863 wurde eine Börsenordnung erlassen. Sie verbot Frauen den Zutritt zur Börse. Auch zahlungsunfähige oder wegen Bankrott verurteilte Personen hatten keinen Zutritt. Ansonsten war der Zutritt lediglich vom Erwerb einer Börsenkarte abhängig. Trotzdem wird berichtet, dass sich ein wesentlicher Teil des Börsengeschehens nicht im Gebäude Alter Markt 5-6 sondern davor auf der Straße abspielte.[1] Der Polizeipräsident sah sich 1868 zur Beseitigung des Verkehrshindernisses veranlasst, solche Versammlungen bei Strafandrohung von einem Taler zu verbieten. Endgültig erledigte sich dieses Problem aber erst 1872, als die Börse von der ersten Etage in das Erdgeschoss des Gebäudes zog. Die Aufsicht über die Börse führten die Ältesten der Kaufmannschaft der Stadt.
Einen deutlichen Aufschwung nahm die Börse nach dem Ende des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71. Durch die von Frankreich an Deutschland erbrachten Reparationszahlungen ergab sich auch im Raum Magdeburg eine wirtschaftliche Belebung. Hinzu kamen Erleichterungen bei den rechtlichen Voraussetzungen zur Bildung einer Aktiengesellschaft, es genügte die Anfertigung eines Prospekts. Die Effektenbörse in Magdeburg profitierte von diesen günstigen Rahmenbedingungen.
Bereits 1873 kam es jedoch zum sogenannten Gründerkrach, der mit Bankpleiten und einem starken Kursverfall einherging. Die Magdeburger Effektenbörse wurde weitgehend bedeutungslos.
Magdeburg und die Magdeburger Börde waren durch die Gewinnung von Zucker aus hier angebauten Runkelrüben inzwischen zu einem bedeutenden Zentrum der europäischen Zuckerindustrie geworden. Der Zuckerhandel gewann ab 1875 erheblich an Bedeutung. Ab 1876 wurde Zucker an der Magdeburger Börse notiert. Neben [[Paris] und London erreichte die Magdeburger Börse hier den Status einer Weltleitbörse. Während London und New York vor allem aus Zuckerrohr gewonnenen Zucker handelten, dominierte in Magdeburg der aus Rüben gewonnene Zucker. Mit der steigenden Bedeutung des Zuckerhandels traten die anderen Produkte immer weiter in den Hintergrund. Es gab zwar noch bis 1895 auch hierzu offizielle Notierungen, der tatsächliche Produktenhandel beschränkte sich aber praktisch auf Zucker und Getreide. Seit 1883 erfolgte die Kursfeststellung für Zucker dann bereits täglich.
Im Jahr 1885 gründeten mehrere Magdeburger Unternehmen den Deutschen Zuckerexportverein zu Magdeburg. Diese etablierte an der Magdeburger Börse eine Warenterminbörse für Zucker. Die erste amtliche Notierung für Zuckerterminpreise wurde am 2. August 1886 durchgeführt. Die Gründung der Magdeburger Zuckerterminbörse war so noch vor der Begründung der entsprechenden Terminbörsen in London oder Hamburg erfolgt.
Mit der Gründung der Terminbörse verfolgten die Zuckeranbieter das Ziel vom Weltmarkt und seinen Schwankungen unabhängiger zu werden. Der Zucker konnte so bereits vor seiner Produktion zu einem bekannten Preis veräußert werden.
Allerdings erfolgten die Termingeschäfte auch spekulativ. 1889 erfolgte der auf Spekulationsgeschäfte zurückzuführende Magdeburger Zuckerkrach.
Die wachsende Bedeutung der Magdeburger Börse, die auch als Zuckerbörse bezeichnet wurde, führte 1885 zu Plänen ein neues speziell für die Börse geplantes Gebäude zu bauen. Als Bauplatz war ein Grundstück am damaligen Kaiser-Wilhelm-Platz (dem heutigen Universitätsplatz) vorgesehen. Allerdings kam es mit der Stadt Magdeburg als Grundstückseigentümerin nicht zu einer Einigung über den Kaufpreis.
1896 gab es Bemühungen der Berliner Börse, den Magdeburger Zuckerhandel an sich zu ziehen. Einer Magdeburger Kommission unter Leitung von Friedrich August Neubauer, an der auch Otto Pilet und Wilhelm Zuckschwerdt beteiligt waren, gelang es jedoch, diesen lukrativen Handel an der Magdeburger Börse zu halten.
Niedergang
In späteren Jahren verlor die Magdeburger Börse neben den anderen großen deutschen Börsen zunehmend an Bedeutung. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs stellte sie ihre Tätigkeit ein. Bedingt duch die sozialistische Ausrichtung der DDR, zu der Magdeburg dann gehörte, kam es nach Kriegsende nicht zu einer Wiederbelebung der Börse.
Literatur
- Helmut Asmus, 1200 Jahre Magdeburg, 1848 - Gegenwart, 3. Band, Magdeburg 2005
- Jörg Eberhardt, Thomas Mayrhofer, Jahresbericht 2001 des Studentischen Börsenvereins Magdeburg e.V., Magdeburg 2002
Referenzen
- ↑ Eberhardt, Mayrhofer, Jahresbericht 2001, Seite 13 f.