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Der Menschenfeind

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Der Menschenfeind (Le Misanthrope) ist eine Komödie von Molière, die am 4. Juni 1666 uraufgeführt wurde. Der französische Originaltitel: Le Misanthrope ou l'Atrabilaire amoureux, d. h. Der Menschenfeind oder der verliebte Melancholiker, weist auf die fundamentale charakterliche Spaltung des Protagonisten hin, der, wie bei vielen Stücken von Molière, mit Ausnahme von Tartuffe, vom Autor selbst gespielt wurde.

Inhaltsangabe

Der Idealist und "Menschenfeind" Alceste erhebt für sich den Anspruch, ohne Heuchelei zu leben. Mit viel Pathos zelebriert er seine Unabhängigkeit gegenüber den Vertretern des königlichen Hofs und seine fehlende Bereitschaft, auf Kompromisse einzugehen. Auf seinen Freund Philinte, der ihn zur Mäßigung auffordert, will Alceste nicht hören. Dadurch zieht er sich bald die Feindschaft des Dichters Oronte zu, dessen schlechte Gedichte er nicht lobt, sondern verreißt. Oronte zieht beleidigt vor Gericht. Alceste fühlt sich in seinem negativen Menschenbild bestätigt und rechnet genussvoll damit, den Prozess zu verlieren, da er anders als Oronte den Richter nicht bestechen will. Seine Beziehung zu Célimène, einer jungen koketten Witwe, die seine Neigung nicht unerwidert lässt, führt zum komischen Gegensatz, der im vollständigen Originaltitel zum Ausdruck kommt. Denn Célimène genießt die Gesellschaft und liebt es, mit vielen Männern zu kokettieren. Dies führt zu einem kleinen Skandal, als ein Brief von ihr auftaucht, in dem sie mehrere ihrer Verehrer - darunter Alceste - verspottet. Während sich die anderen von Célimène abwenden, bietet Alceste ihr an, mit ihm zusammen den Rückzug aus der Gesellschaft zu vollziehen. Doch Célimène lehnt ab - sie fühlt sich zu jung für einen solchen Schritt und will nicht auf die Freuden der Welt verzichten. So muss Alceste am Ende allein gehen. Ob sein Freund Philinte ihn von diesem Plan abbringen kann, wie er im letzten Satz der Komödie verkündet, bleibt offen.

Ein Missverständnis

Es ist wichtig zu bemerken, dass Alceste zwar menschenfeindliche Seiten hat, jedoch entgegen landläufiger Meinung durchaus auf Verständnis und Freundschaft bei Männern sowie bei Frauen auch auf Liebe stößt, auch wenn letztere von ihm nicht erwidert wird. Sein Freund Philinte bezeugt ihm ehrliche Freundschaft, und zwei Freundinnen von Célimène sind dem "Mann mit Grundsätzen" aus gutem Hause durchaus zugetan - nur merkt er offenbar nichts davon. Alcestes Einstellung kommt im Gespräch mit einer dieser Verehrerinnen vielleicht am brillantesten zum Ausdruck. In der fünften Szene des dritten Aktes äußert der "Menschenfeind" gegenüber der äußerlich prüden Arsinoé:

Et qui n'a pas le don de cacher ce qu'il pense
doit faire en ce pays fort peu de résidence.

Frei übersetzt: "Wer nicht die Gabe hat, seine Gedanken zu verstecken, hat hierzulande sehr wenig zu suchen."

Alcestes Angriffspunkt: "L'honnête Homme"

Der Begriff des „honnête homme“ des 17. Jahrhunderts darf bei der Charakterisierung nicht wörtlich genommen werden. Auch wenn die bürgerlichen Autoren des 18. Jahrhunderts ihn als „rechtschaffenen Mann“ verstanden, so existieren im Misanthrope noch die von La Rochefoucauld benannten „devoirs de la politesse“, d.h. Höflichkeitsrituale, die den gesellschaftlichen Umgang regeln. Der Akzent liegt bei diesen Verhaltensregeln mehr auf Ästhetik als auf Ethik, denn es geht hauptsächlich darum, den „bon goût“, d.h. den „guten Geschmack“ nicht zu verfehlen. Eine geschmeidige Anpassungsfähigkeit entspricht eher diesem Ideal als die selbstbewusste, stolze Eigenart eines Alceste mit Anspruch auf unbedingte Wahrhaftigkeit. Innerhalb der Gesellschaft erfordern standesgemäße Konversationen höfliche Anpassung als Stilprinzip, da sonst die durch die höfische Etikette aufgebaute Harmonie gefährdet wäre. Zur Beschreibung der Gesellschaft der „honnêtes gens“, gegen die Alceste kämpft, eignet sich besonders eine Maxime von La Rochefoucauld: Le vrai honnête homme est celui qui ne se pique de rien: "Der echte Ehrenmann ist derjenige, der sich keiner Sache rühmt".

Autobiographische Aspekte

Bearbeitungen, Übersetzungen und Nachdichtungen