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Rudolf de la Vigne

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Rudolf de la Vigne (* 23. Dezember 1920 in Böhmisch-Leipa, heute Česká Lípa) ist ein ehemaliger deutscher Fußballspieler. Er ist der Spieler, der für den VfR Mannheim die meisten Spiele in der Oberliga Süd bestritten hat. 1949 wurde er mit den Mannemer Rasensportlern Deutscher Meister.

Krieg und Gefangenschaft statt Fußballkarriere

Der Linksaußen mit hugenottischen Vorfahren wuchs im Sudetenland auf und spielte als Kind und Jugendlicher zunächst beim Deutschen Sportverein Böhmisch-Leipa, anschließend beim Deutschen Sportclub Haida. Mit 18 Jahren wurde er zur Wehrmacht eingezogen, zum Fallschirmjäger ausgebildet und schon 1940 in Rotterdam gefangen genommen. Über Großbritannien wurde er in ein Internierungslager, das Camp 133, nach Kanada verbracht. Dort lernte er in den folgenden Jahren mehrere Mannheimer Fußballer kennen, mit denen er häufig zusammen kickte. Im Februar 1946 wurde de la Vigne zunächst nach Munsterlager entlassen; eine Rückkehr in das wieder tschechische Sudetenland war problematisch und erschien ihm wohl auch wenig attraktiv. Deswegen machte er sich auf den Weg ins kriegszerstörte Mannheim, wo er einzelne Mitgefangene wiedertraf und neben einer kaufmännischen Lehre mit ihnen zusammen beim VfR die Fußballschuhe schnürte.

Die erfolgreichsten Jahre als Spieler

Der VfR Mannheim gehörte ab der Saison 1945/46 zur neugeschaffenen Oberliga Süd, bis zur Einführung der Bundesliga die höchste deutsche Spielklasse, und darin machte Rudolf de la Vigne sich bald einen Namen. Er spielte zwar meist auf Linksaußen, war aber eher ein Spielmacher als ein an der Seitenlinie klebender Außenstürmer. Dabei kam ihm, wie es in einem Zeitungsbericht von 1949 heißt, "seine subtile Technik" zugute; seine Spielweise wurde als "ästhetisch" beschrieben, woher wohl auch sein Spitzname "Bella" rührte.

Sportlich riss der VfR bis 1948 zwar keine Bäume aus – er landete auf den Plätzen 14, 12 und 8 –, aber in der Saison 1947/48 stand de la Vigne mit 21 Treffern auf Platz 5 der Torjägerliste. Im Jahr darauf allerdings wurde Mannheim, wenn auch deutlich von den Offenbacher Kickers distanziert, Oberliga-Zweiter, was zur Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft berechtigte. Im Viertelfinale bezwang der möglicherweise unterschätzte VfR den Hamburger SV sensationell hoch mit 5:0; de la Vigne hatte den Torreigen eröffnet. Im Halbfinale bekam sein Team es mit den Offenbachern zu tun, gegen die man in der Oberliga zweimal remisiert hatte. Diesmal schoss der Linksaußen den letzten Treffer der Begegnung – sein 2:1 bedeutete gleichzeitig den Endstand und damit den überraschenden Finaleinzug der von Hans "Bumbes" Schmidt trainierten Elf.
Auch gegen den Endspielgegner Borussia Dortmund galten die Nordbadener als klarer Außenseiter, obwohl Fußballinteressierte in ganz Deutschland inzwischen insbesondere auf die fünf Angreifer (neben de la Vigne stürmten Fritz Bolleyer, Ernst Langlotz, Ernst Löttke und Kurt Stiefvater), aber auch auf den Mittelläufer Kurt Keuerleber aufmerksam geworden waren. An einem brütend heißen Julisonntag – das Spiel ging als "Stuttgarter Hitzeschlacht" in die Annalen ein – konnte der VfR zweimal die Dortmunder Führung egalisieren, so dass die 92.000 Zuschauer im Neckarstadion für ihr Eintrittsgeld noch eine 30-minütige Zugabe erhielten. De la Vigne führte in dieser enorm kräftezehrenden Partie auch dann noch vorbildlich Regie, als sich hüben wie drüben mancher Spieler immer häufiger bei den Wassereimern neben der Seitenlinie aufhielt; er selbst schoss zwar in diesen 120 Minuten kein Tor, aber Löttke erzielte in der 108. Minute den entscheidenden Treffer zum 3:2, so dass die Mannheimer anschließend auch noch den überdimensionierten Siegerkranz auf einer Ehrenrunde durch die Sonnenglut tragen mussten.

In der Spielzeit 1949/50 qualifizierte sich der VfR Mannheim als Süd-Vierter erneut für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, und daran hatte de la Vigne mit 16 Treffern (Platz 4 der Torjägerliste) erneut großen Anteil, obwohl er vom Süddeutschen Fußballausschuss für vier Wochen gesperrt worden war – wegen "Wildspielens": als Vertragsspieler durfte er zwar offiziell maximal 320 D-Mark brutto verdienen, aber als ihm der Ex-Frankreich-Profi Oskar Rohr anbot, für einen namhaften Betrag als Gastkicker bei Racing Strasbourg anzutreten, machte er sich auf die damals noch beschwerliche Reise und spielte in einer Freundschaftsbegegnung Anfang November 1949 im Stade de la Meinau als "tschechischer Gastspieler Adamowski" für die Elsässer gegen Lokomotive Zagreb. Die Geschichte flog auf – dazu war Rudolf de la Vigne wohl schon zu bekannt –, und außer der Spielsperre bezahlte er den Ausflug auch noch mit 20 Mark Geldstrafe. Außerdem hat ihn diese Eskapade, obwohl Bundestrainer Herberger ihn bereits zu einem A-Sichtungslehrgang geholt hatte, möglicherweise auch später Berufungen in die westdeutsche Nationalelf gekostet.
Sein Verein vermittelte ihm daraufhin einen kleinen Kredit, mit dem er einen Tabakladen mit Lotto- und Wäschereiannahme in der Mannheimer Innenstadt erwerben und in dem man ihn die nächsten dreieinhalb Jahrzehnte auch persönlich antreffen konnte, wenn er nicht gerade "in Sachen Fußball" unterwegs war.

In der Deutschen Endrunde im Sommer 1950 traf der VfR zunächst auf den Endspielgegner des Vorjahres; dank zweier Tore von de la Vigne fiel diesmal der Sieg über die Dortmunder Borussen (3:1) etwas leichter. In der Zwischenrunde brachte der Torwart der gegnerischen Preußen Dellbrück, der spätere Nationalkeeper Fritz Herkenrath, die Stürmer des Titelverteidigers wiederholt zur Verzweiflung, ließ nur den Anschlusstreffer zum 1:2 zu und verhinderte damit, dass im Halbfinale vier süddeutsche Oberligisten den Kuchen alleine unter sich verteilten.

In den 1950ern konnten die Mannheimer diese Erfolge nicht mehr wiederholen – mehr als ein dritter Oberliga-Platz in der Saison 1955/56 sprang nicht mehr heraus –, und auch Rudolf de la Vigne schoss nicht mehr so viele Tore wie in seinen ersten Jahren; dafür waren neue Sturmkollegen wie Werner Basler und Ernst-Otto Meyer zuständig. Im Sommer 1959, mit fast 39 Jahren, beendete de la Vigne seine Karriere. Er hat insgesamt 317 Oberligaspiele für den VfR Mannheim absolviert und dabei 121 Tore erzielt. Diese Zahlen machen ihn zum Rekordspieler und zum zweitbesten Schützen seiner Mannheimer in deren Oberligazeit; er steht außerdem nach Einsätzen auf Platz 16 und nach Treffern auf Platz 9 aller Fußballer, die je in der Oberliga Süd gespielt haben.

Leben nach der aktiven Zeit

De la Vigne, der zu der Generation gehört, der durch Nazismus und Krieg ein Teil ihrer Jugend gestohlen wurde, führte bis 1985 seinen Tabakladen und setzte sich dann mit seiner Frau in Dossenheim an der Bergstraße zur Ruhe. Den Weg seines VfR, der ab 1963 nie wieder erstklassig spielte, hat er dennoch über all die Jahre engagiert verfolgt.

Literatur

  • Werner Skrentny: Kanadier in der "Hitzeschlacht". In: Werner Skrentny (Hg.): Als Morlock noch den Mondschein traf. Die Geschichte der Oberliga Süd 1945-1963. Klartext, Essen 1993 ISBN 3-88474-055-5