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Berthold Otto

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Berthold Otto (* 6. August 1859 in Bienowitz, Schlesien; † 29. Juni 1933 in Berlin) war ein Reformpädagoge.

Leben

Berthold Otto wurde am 06.08.1859 in Bienowitz in Schlesien als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. In früher Kindheit kam es zu einem Umzug nach Rendsburg da der Vater eine aktive Offizierslaufbahn anstrebte. Das Gut wurde verkauft. In Rendsburg und später in Schleswig besuchte Otto das Gymnasium (Dom-Schule) bis zum Abiturabschluss als Jahrgangsbester. Von 1878 bis 1883 studierte Otto in Kiel und Berlin nicht nur die für einen Pädagogen typischen Fächer Philosophie, Pädagogik und Psychologie, sondern auch Volkswirtschaft, Finanzwissenschaften sowie Sprachwissenschaften. Sein Ziel, Hochschullehrer zu werden, konnte er nicht verwirklichen. Seine Doktorarbeit über den Liberalismus wurde nicht akzeptiert, da sie sich mit der Meinung des gemeinen Volkes beschäftigte. Aus diesem Grund wurde Berthold Otto 1883 Privat- und Nachhilfelehrer um „es auf diesem Wege bis zum Universitätskatheder bringen zu können“. Basierend auf den dadurch gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen entstand sein erstes Buch „Der Lehrgang der Zukunftsschule“, welches allerdings erst 1901 veröffentlicht wurde. In dieser Zeit arbeitete Otto auch als Redakteur unter anderem im Hamburger Brockhausverlag. 1887 heiratete Berthold Otto. Aus dieser Ehe gingen insgesamt vier Kinder hervor. Auch die Erfahrungen, die er durch die Erziehung seiner eigenen Kinder sammeln konnte, flossen in seine Pädagogik ein. Da das preußische Kultusministerium auf das pädagogische Handeln Berthold Ottos aufmerksam wurde, kam es im Jahre 1902 zum Umzug nach Berlin. Durch die finanzielle Unterstützung des preußischen Kultusministerium hatte Otto die Möglichkeit sich voll und ganz auf seine pädagogische Arbeit zu konzentrieren. Diese Tatsache hebt Otto von anderen Pädagogen hervor. Er musste sich nicht um die Finanzierung seines Projektes kümmern, sondern konnte sich voll auf das Austesten seine pädagogischen Konzepte konzentrieren. In Folge dessen eröffnete er 1906 seine eigene Hauslehrerschule in Berlin. 1910 erschien Berthold Ottos politisches Hauptwerk „Der Zukunftsstaat als sozialistische Monarchie“. Auch zu erwähnen ist der 1918 verfasste „Offene Brief an Lenin oder seine Nachfolger“2. Auf diesen Brief wird im politischen Teil dieser Arbeit noch genauer eingegangen. Aus gesundheitlichen Gründen gab Berthold Otto 1930 die Leitung seiner Schule an seine Tochter Irmgard ab. Trotzdem arbeitete Otto bis zu seinem Tod am 29.06.1933 als Lehrer in seiner Schule weiter. Die Berthold Otto Schule existiert noch heute, sogar zum Teil in den selben Räumlichkeiten. Nach dem Tod Ottos bleibt die Schule in familiären Händen. Auch die Nazizeit überlebte die Schule, was verwunderlich ist, da Otto als überzeugter Sozialist bekannt war.

Politische und wirtschaftliche Ansichten des Pädagogen Berthold Otto

Berthold Otto hatte eine „große Abneigung gegen das gesamte politische Parteiwesen“1. Bei der Demokratie will jeder an die Macht, um seinen Willen durchzusetzen, auch gegen das Gemeinwohl. Das heißt, Otto hatte die Ansicht, es könne keine wirkliche Demokratie geben, da das ganze System auf einem Machtbestreben jedes einzelnen, bzw. jeder einzelnen Partei besteht. Die Partei, die durch eine Wahl an die Macht gelangt kann ihre gesamten politischen Vorstellungen umsetzen, die allerdings bei einer Neuwahl mit der Mehrheit einer anderen Partei oder Koalition unter Umständen wieder rückgängig gemacht werden kann. Besonders gut ist dies am bestehenden Schulwesen sichtbar. Es wäre unvorstellbar, wenn zu erst in sämtlichen Schulen der evangelische Schulunterricht durchgesetzt würde und dann dieser Lernplan nach vier Jahren durch einen katholischen umgeworfen würde. Und das alles nur, weil eine neue Regierung durch das Volk an die Macht gewählt wurde. Die Demokratie ist ein Rechtstaat, Otto steht diesem Prinzip jedoch eher kritisch gegenüber: „Leute die ihr Recht suchen, geraten immer in Rechtsstreitigkeiten miteinander; Leute die ihre Pflicht tun werden einander Kameraden zu gemeinschaftlichen Leistungen.“ Daher schwebte ihm eine sozialistische Monarchie anstelle einer kapitalistischen Gesellschaft vor. Diese sollte, da in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg nicht mehr möglich, in Russland von „Lenin, oder seinem Nachfolger“ durchgesetzt werden. Otto wollte Lenin durch einen offnen Brief, datiert auf den 3. März 1918, auf seine Gedanken aufmerksam machen. Ob dieser Brief Lenin jemals erreicht hat, und ob es eine Reaktion Lenins auf diesen Brief gab, ist bis heute unbekannt. In diesem Brief verwies Otto auf sein Buch „Der Umsturz“ (erschienen 1896; in Russland zensiert, folglich bekannt), ging aber nicht davon aus, dass Lenin dieses gelesen hatte. Deshalb schrieb er ihm eine Zusammenfassung mit den für Lenin wichtigsten Argumenten der Staatsführung im sozialistischen Stil. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass Otto immernoch eine Form der Monarchie anstrebte. Die wie folgt aussehen sollte: In Russland kam es wärend der Revolution zu einer Ermordung der obersten Schicht. Der Adel und das Bildungsbürgertum wurden entmachtet und umgebracht. Otto hielt dies für unwirtschaftlich, da er es nicht für sinnvoll erachtete, Menschen auszuschalten, die in Wirtschaft und Staatsführung Erfahrung hatten und diese in einem neuen System einbringen könnten. Sein wichtigstes Anliegen war die Abschaffung des Geldes. Geld ist immer der größte Machtfaktor in einem Staat. Durch Geld kann man alles erreichen und es spaltet das Volk in drei Gruppen (Armut, Mittelstand, Reichtum). Um dies zu verhindern sollte für das gemeine Volk kein Geld zur Verfügung stehen. Nur für Staatsbelange mit anderen Ländern sollte es existieren. Familien sollten in Gruppen eingeteilt werden, denen Vertrauensmännern zugeordnet werden. Diese V-Männer notieren sich die Bedürfnisse der einzelnen Familien und treffen mit anderen V-Männern zusammen um die Gesamtbedürfnisse der Bevölkerung eines Stadteils, zusammenzutragen. Dieses Prinzip verläuft bis hoch an die Spitze (König).


Wie sich in den folgenden Artikel zeigen wird hatte Ottos gesamtpolitisches Konzept Einfluss auf seine pädagogischen Vorstellungen!


Berthold Otto über die Bildung

In den folgenden Abschnitten wird auf die unterschiedlichen Einrichtungen der Bildug in Ottos System eingegangen. Wobei es sich hierbei meist nicht um neue Ansichten Ottos, sondern lediglich um eine Zusammenstellung bereits vorhandener Überzeugungen, kombiniert mit eigener Erfahrungen Ottos, handelt.


Bildung des Kindes

Otto hat die Grundüberzeugung, dass „in jedem Kind der Trieb nach dem ihm möglichen geistigem Wachstum vorhanden und wirksam ist“, daher ist es wichtig, das Kind bei seinen eigenen Bedürfnissen abzuholen und entsprechend seiner Leistungen und „seinem Trieb nach geistigem Wachstum“ zu fördern. Die Voraussetzung für ein solches Handeln ist die Anerkennung der Kindheit als eigenständige Entwicklungsphase. Eine weitere Voraussetzung ist nach Otto, dass man das Kind als eigenständige Persönlichkeit ernst nimmt und den „geistigen Verkehr“ mit der jüngeren Generation fördert. Daher hat das Kind immer das Recht zu fragen, um zu neuem Wissen zu gelangen. Diese Fragen müssen von Erwachsenen ernst genommen werden, da es sonst zu ungewollten Entwicklungszuständen kommen kann. Das heißt, wenn das Kind das Gefühl hat, dass seine Frage nicht ernst genommen wird, kommt es sich dumm und gesellschaftlich untergeordnet vor. Es verliert die Motivation Fragen zu stellen und sich dadurch selbstständig weiterzubilden und dies kann im Ernstfall zu einem Entwicklungsstillstand führen. Um dieses Fragerecht zu verdeutlichen wurde es in drei Stufen eingeteilt. Die erste Stufe umfasst das einfache Fragen nach einem greifbaren Gegenstand (Gefühle und komplexe Zusammenhänge sind für das Kind noch nicht geistig erfassbar). In der zweiten Stufe befasst sich das Kind mit der Zweckmäßigkeit des Gegenstandes um in der dritten Stufe auf die „Warum-Frage“ zu stoßen. An dieser Stelle möchten wir ein selbstentworfenes Beispiel anführen: a) was ist das? Eine Lok b) was macht es? Es fährt (schnelle Fortbewegung) c) wie macht es das? Dampf (Dampfmotor)

Ein weiterer Punkt zur Bildung des Kindes ist die Feststellung von Otto, dass sich Kinder bei ihren Wissensbestrebungen an Gleichaltrigen orientieren. Als Beispiel lässt sich hierfür anführen, dass sich Kinder gerne um die selben Spielsache bemühen und es dadurch auch zu Konflikten kommen kann ( kleine Sarah: „...das will ich aber auch haben...“). Dieses Beispiel lässt sich auch auf Wissen übertragen. Wenn ein Kind beispielsweise anfängt sich für Dinosaurier zu interessieren wird sich diese Wissbegierde wahrscheinlich auch auf die anderen Kinder in seinem näheren Umfeld übertragen und die gesamte Gruppe wird sich somit selbständig weiterbilden.


Bildung des Lehrers

„Der Lehrer hat da seine Persönlichkeit einzusetzen, er darf niemals gezwungen werden, eine Überzeugung zu heucheln, die er nicht hat; aber man muss von ihm Toleranz für alle gegenteiligen Überzeugungen verlangen.“

Berthold Otto verlangt von seinen Lehrern den Schülern gegenüber uneingeschränkte Toleranz entgegenzubringen. Er erwartet, dass sich diese Toleranz auf alle Fachbereiche inner und außerschulisch bezieht. Vor allem in Punkto Religion und der politischen Einstellung velangt Otto absolute Akzeptanz der eigenen Meinung der Schüler. Durch diese Akzeptanz des Lehrer sollen die Schüler selber lernen andere Meinungen zu akzeptieren und vor allen Dingen auch zu respektieren. Der Lehrer soll die Schüler in der eigenen Meinungsfindung unterstützen. Vor allem wenn sie eine andere Meinung vertreten, aber keine ausreichenden Argumente vorweisen, soll der Lehrer ihnen eine entsprechende Hilfestellung geben können um sie in ihrem Freidenken zu unterstützen. Wenn es zu Diskussionen kommt, bei denen der Lehrer mangels eigenem Fachwissen eine Frage nicht oder nicht umfassend genug beantworten kann muss er dies zugeben und sich selbstständig weiterbilden um das Versäumte nacharbeiten zu können und dieses neue Wissen im folgenden Unterricht einbringen zu können. Auch der Lehrer ist, wie Eltern und das komplette soziale Umfeld des Kindes, angehalten, jede Frage des Schülers ernst zu nehmen und entsprechend seinen Möglichkeiten zu beantworten. Auch hier wird die permanente Weiterbildung des Lehrers betont. Otto wünscht sich Lehrer die einerseits über ein sehr großes und allumfassendes Fachwissen verfügen andererseits soll die Lehrkraft über eine Ausbildung in psychologischer Beobachtungsfähigkeit absolviert haben.


Bildung (in) der Familie

Die Bildung in der Familie betrachtete Berthold Otto als die grundlegendste Element des gesamten Bildungskomplexes. In der Familie werden die grundlegenden Erfahrungen schon vor dem Schuleintritt (5. – 6. Lebensjahr) gesammelt. Bei guter pädagogischer Anleitung der Mutter könnten schulische Einrichtungen gänzlich aufgelöst werden. Diese Forderung war nur hypothetisch zu verstehen und belegt die extreme Gewichtung Ottos auf den geistigen Verkehr mit Kindern in der Familie. Hierbei sticht besonders sein Konzept der Spracherziehung hervor, welches in drei Abschnitte geteilt ist:

zur Sprache erziehen (der Sprechende sagt nur Durchdachtes und drückt sich entsprechend verständlich aus)

Das Kind lernt in dieser ersten Phase, dass es sich in erster Linie durch Sprache verständlich machen kann, nicht nur durch Mimik und Gestik (weinen, zappeln,...) Übergang der prosodischen in die linguistische Kompetenz

durch die Sprache erziehen (Erscheinungswelt durchdenken, bis sie klar und verständlich ist)

In der zweiten Phasse erlernt das Kind die Fähigkeit zur Neuanschaffung von Ausdrucksweisen und Begriffen und weiß diese sinnvoll zu gebrauchen.

Morphologie, Synthax, Lexikon und Semantik

Erziehung der Sprache selbst

Das Kind lernt in der dritten und letzten Phase das bereits Erlernte nach und nach zu Perfektionieren, so dass es sich klar und deutlich verständlich machen kann.

Der Gesamtunterricht

„das 20. Jahrhundert wird Umgestaltung des ganzen Schulwesens bringen“ Berthold Otto

Zu Beginn möchten wir den Begriff der Hauslehrerschule nach Berthold Otto definieren. Es handelt sich im Gegensatz zu einer herkömmlichen Schule, wo Lehrer und Schüler gemeinsam von Außen kommend aufeinander treffen, um eine „Einrichtung, „welche Schüler im Haus des Lehrers unterrichtet“1, die Schule sich somit „im Haus des Lehrers institutionalisiert“2 Anfangs unterrichtete Berthold Otto tatsächlich noch in seinem eigenem Hause, als die Schule jedoch auf Grund der großen Nachfrage eine ständig wachsende Schülergemeinde verzeichnete und Otto vom preußischen Kultusministerium für seine pädagogische Arbeit bezahlt wurde, errichtete er 1906 seine eigene Schule in der Holbeinstrasse 21 in Berlin. Diese Schule war für Schüler ab dem sechsten Lebensjahr zugänglich, nach oben war sie nicht begrenzt. Die Schüler konnten jeden Schulabschluss erhalten, bzw. auf diesen vorbereitet werden. Das heißt, sie konnten selbst bestimmen, welcher Abschluss für sie der geeignetste ist und wurden entsprechend darauf vorbereitet und bekamen die Prüfung abgenommen. Nur beim Abitur mussten die Schüler das letzte Jahr auf einer öffentlichen Schule ableisten. Die Klassen waren nicht altersgeteilt, sondern orientierten sich an der Leistung jedes einzelnen Schülers. Dieses bezog sich auf das gesamte Unterrichtskonzept. So konnte ein Schüler in Mathematik einem leistungsstarken Kurs angehören wärend er im Gegensatz hierzu im fremdsprachlichen Unterricht einem leistungsschwächerem Kurs angehörte.Unterrichtet wurde nicht nur von ausgebildeten Fachkräften, auch leistungsstärkere Schüler unterrichteten leistungsschwächere. Auch wurde in der Schule das Prinzip der Wissbegierde in die Tat umgesetzt. Das heißt, wenn ein zehnjähriges Mädchen Interesse daran hatte, Faust zu lesen, musste nicht das geistige Niveau des Kindes angehoben werden, sondern der Text auf das Niveau des Kindes gebracht werden. Der Lehrplan richtete sich nicht nach einzelnen Stunden, sondern orientierte sich auf die komplette Schullaufbahn. Es gab kein Jahrespensum zu absolvieren, sondern die Leistungen wurde auf die komplette Schulzeit verteilt. Ein Freund Ottos äußerte sich hierzu wie folgt: „Und das gesunde Menschenkinde stundenplanmäßig und fächermäßig neu erkennen sollen, ist ein Unfug, der ein Analogon etwa darin hätte, dass Krankenhäuser etwa stundenplanmäßig montags bis donnerstags von 10-12 Uhr Blinddarmoperationen ausführten“3 (J. Kretschmann) Um den Übergang von „Mutters Herd“ auf die Schulbank zu erleichtern diente auch bei Berthold Otto das Spiel als Transmitter. Die Kinder sollten anfangs spielend Lernen lernen. Zur Entwicklung neuer Spiele wurden auch die älteren Schüler herangezogen. Die Spiele fanden größtenteils unter freiem Himmel statt, was sich auch bei anderen Pädagogen bereits etabliert hatte und sich auch bei kommenden Pädagogen proflieren sollte. Auch in dieser Schule wurde ungehorsam mit Strafe belegt. Allerdings wurde diese nicht wahrlos aufdiktiert, sondern musste zum Verständnis des Fehlverhaltens für alle und vor allen diskutiert werden. Der Schüler durfte zu seinem Fehlverhalten Stellung beziehen. Die Art der Strafe wurde zuvor in einem Katalog von allen Schülern gemeinsam festgelegt . Die dafür bentöigten Gesetze wurden im Gesamtunterricht von den Schülern selbst erarbeitet (Schülergestze, Schulverfassung und Verhandlungsordnung). Der Gesamtunterricht bedeutet das Zusammentreffen aller Schüler in einem großen Raum. Die Schüler bestimmten die Themen des Gesamtunterrichtes selbst. Hierbei handelte es sich um Themen, die sich aus dem Unterricht ergaben, Fragen, die die Schüler privat beschäftigten („Wissen über das Leben der Chinesen“4) und Fragen organisatorischer Natur (die das Zusammenleben in der Schulgemeinde betrafen). Der Lehrer nahm nur die Rolle des Gesprächsleiters ein und nahm sich so gut es ging zurück. Er fungierte hierbei nicht als Lehrer, sondern ergänzte das Gespräch bei Bedarf durch eigene Erfahrungen und Wissen.

Im Gesamtunterricht entstand auch das bereits oben erwähnte Schulgericht, welches als Judikative mit selbstgegebener Satzung über Fehlverhalten der Schüler entschied. Dieses System kann man als Vorreiter der heutigen SV (Schülervertretung) bezeichnen. Ein weiteres Gremium der Schule war die Schulkonferenz die sich aus Schülern, Lehrern und Eltern zusammensetzte und über organisatorische Fragen der Schule abstimmte. Auch dieses System ist in abgewandelter Form heute wieder eingeführt.


Kritik an der Hauslehrerschule und der Pädagogik Berthold Ottos

Berthold Otto erlaubte Interessenten in seinem Unterricht zu hospitieren um einen Einblick in diesen zu bekommen und um sich über seine Arbeit zu informieren. Unter den insgesamt mehreren hundert Hospitanten befand sich unter anderem auch der Oberlehrer A. Böhm aus dem Pädagogischen Universitätsseminar zu Jena. In einem Brief an Otto, datiert auf den 07.07.1913, übte dieser heftige Kritik an Ottos gesamtpädagogischem Konzept. Der erste Kritikpunkt bemängelte den nicht vorhandenen Lehr- bzw. Stundenplan. Das ist so nicht korrekt, da es sehr wohl einen Stundenplan gab, jedoch dieser durfte von den Schülern selbst gestaltet werden. Der Meinung von Böhm nach können Kinder nicht eigenständig entscheiden, was für sie gut ist. Erwachsene (Eltern und Lehrer) müssen ihnen diese Entscheidung abnehmen. Das Wahlgesetz der Fächer wurde auch kritisiert und sollte, wenn überhaupt, nur für höhere Stufen zugelassen werden. Diesem Kritikpunkt wiederspricht die Auffassung, dass Kinder nicht früh geung lernen können, eigene Entscheidungen zu treffen und dies von klein auf an gefördert werden soll. Die unterschiedlichen Altersstrukturen in den einzelnen Kursen wurden ebenso bemängelt wie die durch den Gesamtunterricht investierte Zeit, die dem Lehrplan verloren ginge. Der Gesamtunterricht wurde zusätzlich zum Unterricht eingeführt. Deshalb kam es nicht zum Verlust wertvoller Lernstunden. Vielmehr dienten diese Stunden zur Ergänzung des eigentlichen Unterrichts und zur Förderung der Kommunikation der Schüler untereinander, der Meinungsbildung im allgemeinen und dem politischen Grundverständins. Im Gesamtunterricht wurden Themen besprochen, die nicht für alle Schüler interessant waren. Dem wiedrsprach Otto in dem er auf die gemeinsame Absprache der Themen verwies. So konnte sich jeder Schüler seinen Bedürfnissen entsprechend einbringen und zum Gelingen des Gesamtunterrichts beitragen. Angäblich wäre das Schulgericht nachteilig für die Charakterbildung da es die „Dialektik und Rabulistik“ fördert!. Otto wollte allen seinen Schüler die Fähigkeit, eine Diskussion zu führen, beibringen. A. Böhm sieht keine Möglichkeit, das von Otto enwickelte Konzept, auf öffentliche Schulen zu übertragen. Jedoch wusst er nicht, das es bereits zu Übertrgaungen mit positiver Resonanz gekommen war. Vor allem der Gesamtunterricht wurde von vielen Hospitanten in ihre eigene Schule übernommen.

Die Kritik an seiner Pädagogik sah Otto unbegründet und wiederlegte den Großteil der Argumente durch oben genannte Punkte. Einige der Kritiken gingen gegen das Grundverständnis Ottos von Bildung und der Stellung des Kindes. Hierbei handelte es sich also um eine Grundsatzdiskussion.


Quellen

  • Benner / Kemper

Theorie und Geschichte der Reformpädagogik Teil 2: Die Pädagogische Bewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik Beltz, Weinheim Basel 2003, ISBN 3825282406

  • Benner / Kemper

Quellentexte zu: Theorie und Geschichte der Reformpädagogik Teil 2: Die Pädagogische Bewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik Beltz, Weinheim, Basel 2003

  • Scheibe W.

Die reformpädagogische Bewegung. Eine einführende Darstellung. 10. erweiterte Auflage Beltz, Weinheim und Basel 1999

  • Altendorf, H.

Berthold Otto – Ein Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik? Edition Erlebnispädagogik Lüneburg 2001