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Jesus von Nazaret

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Evangelien

Historische Bezüge im Neuen Testament deuten auf eine Geburt Jesu zwischen 7 und 4 v. Chr. und die Kreuzigung um 30 bis 33 n. Chr. hin. Das Lukas- und das Matthäusevangelium legen nahe, dass Jesu Geburt und frühe Kindheit in Bethlehem zu lokalisieren ist. Damit sollte offenbar Jesu Abstammung von David und seine Messiaswürde belegt werden (Mt. 2, 6/ Mi. 5, 1). Darum halten es manche Historiker für wahrscheinlicher, dass Jesus in Nazareth (Mk. 1, 9), dem Wohnort seiner Familie (Mk. 6, 1), oder in Kapharnaum, dem Ort seines ersten und wiederholten Auftretens (Mk. 1, 21) geboren wurde. In seiner Jugendzeit kam Jesus eventuell mit rabbinischen Bibellehrern in Berührung. Seine ersten Jünger nannten ihn "Rabbi" (Lehrer), und seine späteren Lehren weisen Ähnlichkeiten zur Schule des Pharisäers Hillel auf. Er lernte den Beruf des Zimmermanns (oder richtiger: Bauhandwerkers), den Beruf seines Vaters Josef (Mk. 6, 3).

Die Quellen erwähnen einige Verwandte Jesu, namentlich vier Brüder(Mk. 6, 3): Jakobus, Josef, Simon und Judas. Der dort verwendete Begriff "Brüder" kann im biblischen Umfeld aber auch - zumindest "vereinzelt bei lockerem Sprachgebrauch" - andere männliche Verwandte bezeichnen. Ähnliches gilt, wenn auch seltener belegt, bei "Schwestern"(siehe Walter Bauer: Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur). Jesus selbst soll gesagt haben: "Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!" (Mk. 3, 35) Die Muttersprache eines galiläischen Juden jener Zeit war das aramäisch oder Syrische, das die Babylonier und Perser einige Jahrhunderte früher in Israel einführten. Für die Suche nach "echten" Jesusworten ist die Möglichkeit, griechische Ausdrücke und Satzkonstruktionen ins Aramäische zu überset-zen, ein relativ sicheres Kriterium (vgl. Arbeiten von Joachim Jeremias). Die Erzählungen der Evangelien erstrecken sich, abgesehen von den weitgehend legendären Geburtsgeschichten, auf die Zeit ab Jesu 30. Lebensjahr bis zu seinem Tod mit ca. 33 Jahren. Alle Berichte sehen Jesus und seine Geschichte bereits auf das Thema der nachösterlichen Auferstehung ausgerichtet, gehen also davon aus, dass Gott ihn auferweckt habe (Mk. 16, 6). Alle Berichte setzen den Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu übereinstimmend in Beziehung zu seiner Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer. Das Verhältnis Jesu zu diesem Bußprediger, der offenbar zurückgezogen in der Wüste lebte und vielleicht der Sekte der Essener nahestand, ist historisch umstritten. Der Täufer predigte bereits die bevorstehende radikale Wende der Endzeit, die Nähe des Reiches Gottes, und rief das ganze Volk Israel zur Umkehr: Damit griff er auf die Zukunftserwartung der klassischen jüdischen Prophetie ("Eschatologie") zurück. Die Taufe im Jordan sollte die Rettung der Getauften aus dem bevorstehenden Endgericht realsymbolisch vorwegnehmen. Darauf geht die spätere christliche Taufe zurück. Jesus selbst hat laut Quellen jedoch nie getauft. Nach dem ältesten Evangelium Markus begann Jesus nach der Festnahme des Täufers durch die Dörfer Galiläas zu ziehen(Mk. 1, 14). Dabei scharte er eine immer zahlreicher werdende Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern um sich. Zentrales Thema seines Redens und Wirkens war offenbar wie für Johannes die endzeitliche Wende, der unmittelbar bevorstehende Anbruch des "Reiches Gottes". Anders als andere Wanderprediger seiner Zeit war Jesus, soweit bekannt, der einzige, der behauptete, dass dieses "Reich Gottes" schon punktuell angebrochen sei (vgl. Lk. 11,20): und zwar in seinem eigenen heilsamen Handeln (Mt. 11, 2ff/Lk. 7, 18ff). Jesus bezog sich dabei vor allem auf Heilsansagen des exilisch-nachexilischen Propheten Deuterojesaja (Jes. 40-55, um 530 v. Chr.). Er bezog diese auf das Volk der Bettelarmen (Lk. 6, 20/ Mt. 5, 1). Bettelarm war damals die große jüdische Bevölkerungsmehrheit. Insofern war die von Jesus geforderte Mittel- und Waffenlosigkeit seiner Anhänger (Mk. 10, 21/Mt. 6, 25ff/ Mt. 10, 9f/) nur Ausdruck der weit verbreiteten Lebensumstände (vgl. G. Theißen, Wanderradikalismus). Jesus versprach den Armen den Landbe-sitz (Mt. 5, 5) und das "Gnadenjahr" (Lk. 4, 19f, vgl. 3. Mose 25/5. Mose 15). So erneuerte er die jüdische Zukunftserwartung einer umfassenden revolutionären Veränderung zu Gunsten der Armen. Die Hinrichtung des Bußpredigers Johannes durch Herodes könnte Jesu Sendungsbewusstsein und seinen Entschluss, nach Jerusalem zu ziehen, beeinflusst haben (Mk. 6, 14ff). Während seine Betonung der Nächstenliebe, seine Heiltätigkeit und Erlaubnis, auch am Sabbat Leben zu retten (Mk. 3, 4) ihn mit rabbinischen Reformern und "liberalen" Pharisäern wie Hillel verband, trennte ihn seine Reich-Gottes-Verkündigung von der sadduzäischen Tradition, die den vorfindlichen Tempelbetrieb leitete und verteidigte. Jesu prophetische Kritik daran (Mk. 11, 15ff) brachte ihn schließlich in tödlichen Konflikt zu den führenden Tempelpriestern in Jerusalem.

Datei:Jesusamkreuz.jpg
Der gekreuzigte Jesus

Insbesondere der Prozess gegen Jesus, sein Tod am Kreuz und seine folgende Auferstehung nehmen dann die zentrale Stellung in den Evangelien ein. Diese sind auf diese Ereignisse hin verfasst worden und wären sonst wahrscheinlich nicht entstanden .

Aus der Kreuzigung Jesu durch die römische Besatzungsmacht, die die alleinige Justizvollmacht zum Hinrichten innehatte, ist zu ersehen, dass es sich offenbar um eine politische Verur-teilung handelte: Man warf Jesus vor, sich anmaßend als König der Juden (Rex Judaios) und als Messias zu bezeichnen, so die Macht der römischen Besatzungsmacht zu unterminieren und Aufruhr zu stiften. Das Synhedrium - das oberste Religionsgericht in Jerusalem, bestehend aus den Repräsentanten des Judentums unter Führung des sadduzäischen Hohenpriesters - war nicht für politische, aber für kultische Kapitalvergehen zuständig. Die Angst vor einem jüdischen Aufstand beim bevorstehenden Passahfest, dem unvermeidlichen römischem Eingreifen und folgendem Verlust der relativen religiösen Autonomie hat wohl die Festnahme Jesu durch die Jerusalemer Führungsschicht motiviert (Mk. 14, 1). Sein Messiasan-spruch als solcher war für die Sadduzäer noch keine Todsünde: Es gab vor und nach Jesus zahlreiche jüdische Messiasanwärter, die im Judentum später durchaus verehrt wurden (z.B. Simon Bar-Kochba). Doch Jesu Anspruch war insofern einzigartig, als er sich offenbar mit dem "Menschensohn" identifzierte (Mk. 14, 62), der in der apokalyptischen Literatur erstmals im Buch Daniel (um 170 vor Christus) auftaucht und die jüdische Endzeiterwartung um die Jahrtausendwende mitbestimmt hat. Falls der Hohepriester ein Todesurteil gegen Jesus verhängte und die Ratsmehrheit ihm folgte (Mk. 14, 63f), könnte dieses einer Anklage wegen Falschprophetie gefolgt sein (Mk. 14, 58): Jesus hatte im Zusammenhang seiner Vertreibung der Opferhändler aus dem Tempelvorhof den Ab-riss und Neubau des Tempels angekündigt (Jh. 2, 19). Eine solche Tempelreform aber stand nach jüdischem Recht nur dem Nachkommen Davids, also dem Messias zu (2. Sam. 7, 13). Das erklärt auch die Auslieferung Jesu an den römischen Statthalter (vgl. Arbeiten von Otto Betz). Dieser verurteilte Jesus mit anderen Zeloten (jüdischen Befreiungskämpfern)zum Tod durch die Kreuzigung: die übliche römische Hinrichtungsart für entlaufene Sklaven und Aufständische. Die Darstellung der Evangelien, die darin dem ältesten Passionsbericht bei Markus folgen, hat den Anteil des Pilatus sichtlich heruntergespielt, um den römischen Staat zu entlasten und die jüdischen Führer zu belasten: Darin zeigt sich bereits die Konkurrenzsituation zwischen jüdischen und christlichen Gemeinden im römi-schen Reich nach dem verlorenen jüdischen Krieg (70 n. Chr.). Die Berichte lassen dennoch erken-nen, dass Jesu Verurteilung im Zusammenwirken von religiösen jüdischen Autoritäten sowie An-hängern des Marionettenkönigs Herodes, die mit der Besatzungsmacht kollaborierten, und dem für seine rücksichtslose Brutalität bekannten Pilatus zustande kam. Falsche Propheten oder "Gottesläster" sollten nach damaligem jüdischen Recht "am Fest" (Dtn.) hingerichtet werden. Darum nehmen vor allem christliche Historiker an, dass Jesu Kreuzigung am 14. Nisan (= 7. April) des Jahres 30 stattfand, dem Hauptfesttag des damaligen Passahfestes. Eine historische Beurteilung der Auferstehungstexte soll hier nicht vorgenommen werden. Sie ist naturgemäß stark mit Glaubensüberzeugungen verbunden. Die Entstehung der Evangelien wird auf die Zeit zwischen 70 und 120 nach Christus geschätzt. Sie enthalten Stoffe, die schon früher erst mündlich, dann schriftlich überliefert wurden. Ein älterer Passionsbericht, der in den Paulusbriefen genannten ältesten Bekenntnisformeln erzählend ausführt und eventuell bis auf die Urgemeinde zurückgeht, liegt dem Markusevangelium zu Grunde (vgl. Arbeiten von U. Wickens). Aus den Paralleltexten, die Matthäus und Lukas gemeinsam haben, während sie im Markusevangelium fehlen, schließt man historisch auf eine von Markus unabhängige mündliche oder schriftliche Quelle, die nur Worte und Heiltaten Jesu überlieferte (Zwei-Quellen-Theorie).