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Effi Briest

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Effi Briest ist die Titelfigur des gleichnamigen Romans von Theodor Fontane, der in Buchform erstmals 1895 erschienen ist.

Der Gesellschaftsroman wird dem bürgerlichen Realismus zugeordnet und spielt vor dem Hintergrund des durch strenge Normen festgelegten Lebens im Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck. Der Roman beruht auf einer wahren Begebenheit, der Ehebruchgeschichte der Freifrau Elisabeth von Plotho, geboren 1853.

Inhalt

Der Roman behandelt das Leben der Effi Briest, einer jungen Frau mit eher kindlichem Verhalten, die an den gesellschaftlichen Konventionen im Preußen des späten 19. Jahrhunderts zerbricht, weil ihr Mann, Geert Innstetten, sie Jahre nach ihrer Affäre mit Major Crampas verstößt und zur Wiederherstellung seiner Ehre ihren ehemaligen Liebhaber im Duell erschießt. Zudem wird Effi auch von ihren Eltern zunächst verstoßen.

Landrat Innstetten, ein früherer Verehrer von Effis Mutter, hält zu Beginn des Romans um die Hand des damals 17-jährigen Mädchens an und zieht mit Effi nach der Heirat und anschließender Hochzeitsreise durch Italien nach Kessin in Hinterpommern (der literarische Ort ist nicht mit dem tatsächlichen Kessin identisch. Fontane orientierte sich auch an Swinemünde). Effi wird dort nie vollständig glücklich und leidet unter ihrer Angst vor einem angeblichen Spuk im geräumigen landrätlichen Haus: Effi ist überzeugt, dass in manchen Nächten ein Chinese erscheine, der einst in Kessin gelebt und ein sonderbares Ende gefunden haben soll. In dieser Angst wird Effi bestärkt von Johanna, der von Innstetten allein ausgesuchten Haushälterin.

Freundschaft schließt Effi nur mit dem Apotheker Alonzo Gieshübler, der ihr Halt gibt. Sie erhält zudem täglich sorgsam präparierte Zeitungen und nimmt mit Innstetten an kulturellen Veranstaltungen teil.

Nach einer Weile bekommt Effi eine Tochter, die auf den Namen Annie getauft wird. Während ihrer Schwangerschaft hatte Effi auf einem ihrer Spaziergänge das katholische Hausmädchen Roswitha getroffen, das sie als Kindermädchen einstellt.

Major von Crampas taucht in Kessin auf. Er hat zusammen mit Innstetten gedient und ist, im Gegensatz zu dem völlig disziplinierten Innstetten, ein sehr emotionaler Mensch, weckt in Effi ihre Natürlichkeit und ihren Hang zu Abwechslung und Leidenschaft. Nach mehreren Versuchen, den Verführungen zu widerstehen, kommt es zu einer heimlichen Affäre.

Einige Wochen später wird Innstetten nach Berlin berufen, um dort im Ministerium zu arbeiten. Effi empfindet das Leben in der Großstadt im Vergleich zum ländlichen Kessin als Befreiung und ist relativ glücklich.

Nach sieben Jahren, während Effi zur Kur in Bad Ems weilt, findet Innstetten Crampas' Briefe in Effis Nähkasten, die beider Affäre enthüllen. Aufgrund des − aus Innstettens Sicht allerdings kritisch, aber doch noch als gesellschaftlich verbindlich betrachteten – Ehrenkodexes beschließt dieser daraufhin, den Major zu einem Duell herauszufordern. Bei diesem wird Effis einstiger Liebhaber tödlich getroffen.

Effis Eltern senden ihrer Tochter einen Brief, in dem sie erfährt, dass sie aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen nicht mehr nach Hohen-Cremmen zurückkehren könne. Verstoßen von Ehemann und Eltern, zieht sie in eine kleine Wohnung in Berlin und lebt dort drei Jahre lang einsam zusammen mit ihrer ihr mittlerweile freundschaftlich verbundenen Haushälterin Roswitha, bis Effi erkrankt und ihre Eltern auf Anraten eines Arztes beschließen, ihre Tochter doch wieder zu sich zu nehmen. Effis gesundheitlicher Zustand verbessert sich zunächst zwar, aber sie stirbt dann doch, mit 26 Jahren in ihrem Elternhaus; geläutert, wie sie sich fühlt, mit sich und ihren Mitmenschen im Reinen. Zuletzt machen sich Effis Eltern, die Mutter stärker als der Vater, Vorwürfe, ihre Tochter zu früh verheiratet zu haben.

Literatur:

Berger, Norbert: Stundenblätter Fontane "Effi Briest". Stuttgart (Klett Verlag) 2004

Figurenübersicht

Hintergrund

Der Bezug zum Leben der Else von Plotho mag nahe liegen. Fontane veränderte allerdings absichtlich viele Details, um die Privatsphäre der Beteiligten zu wahren: Else von Plotho, die spätere Baronin von Ardenne, heiratete ihren Mann nicht mit 17, sondern erst mit 19, und er war auch nur fünf und nicht zwanzig Jahre älter als sie. Zudem hatte sie ihr Verhältnis nicht nach einem, sondern nach zwölf Jahren Ehe, und ihr Mann erschoss den Liebhaber nicht sehr viel später, sondern als das Verhältnis noch andauerte. Nach der Scheidung zog sich die Frau, wie Fontane auch wusste, keineswegs aus dem Leben zurück, sondern wurde berufstätig. Sie starb erst 1952, im Alter von 98 Jahren.

Verfilmungen

Von den ersten Jahren des Tonfilms bis zur heutigen Zeit ist Fontanes Erfolgsroman insgesamt viermal verfilmt worden:

1. „Der Schritt vom Wege“ Deutschland 1939, 97 Minuten

Regie: Gustaf Gründgens
Darsteller: Marianne Hoppe (Effi), Karl Ludwig Diehl (Innstetten), Paul Hartmann (Crampas), Paul Bildt (Herr Briest), Käthe Haack (Frau Briest), Elisabeth Flickenschildt (Tripelli), Max Gülstorff (Gieshübler), Hans Leibelt (Wüllersdorf)

2. „Rosen im Herbst“ BRD 1955, 103 Minuten

Regie: Rudolf Jugert
Darsteller: Ruth Leuwerik (Effi), Bernhard Wicki (Innstetten), Carl Raddatz (Crampas), Paul Hartmann (Herr Briest), Lil Dagover (Frau Briest), Günther Lüders (Gieshübler)

3. „Effi Briest“ DDR 1968, 120 Minuten

Regie: Wolfgang Luderer
Darsteller: Angelica Domröse (Effi), Horst Schulze (Innstetten), Dietrich Körner (Crampas), Gerhard Bienert (Herr Briest), Inge Keller (Frau Briest), Walter Lendrich (Gieshübler), Marianne Wünscher (Tripelli), Lissy Tempelhof (Roswitha), Adolf Peter Hoffmann (Wüllersdorf), Lisa Macheiner (Ministerin)

4. „Fontane Effi Briest“ BRD 1974, 140 Minuten

Regie: Rainer Werner Fassbinder
Darsteller: Hanna Schygulla (Effi), Wolfgang Schenk (Innstetten), Ulli Lommel (Crampas), Lilo Pempeit (Frau Briest), Herbert Steinmetz (Herr Briest), Ursula Strätz (Roswitha), Irm Hermann (Johanna), Karl-Heinz Böhm (Wüllersdorf), Hark Bohm (Gieshübler)

Literarisches Umfeld

Effi Briest gehört in die lange Reihe Fontanescher Gesellschaftsromane, die ihre literarische Besonderheit dem leichten Ton der Erzählung und dem Verzicht auf Anklage oder Schuldzuweisung bei gleichzeitig scharfem Blick auf die gesellschaftliche und historische Situation verdanken. Wenn Innstetten den Verführer Crampas in einem Duell tötet, das nur noch sinnentleertes Ritual ist, und seine Frau wegen der selbst für ihn bedeutungslosen Liaison aus Prinzipienreiterei verstößt, darf man darin keine einseitige Verurteilung des preußischen Adligen oder gar der Gesellschaft sehen. Effi verzeiht ihm, und ihre Mutter mutmaßt, sie sei bei der von ihr forcierten und protegierten Heirat „doch vielleicht zu jung“ gewesen. So entsteht ein komplexes Lebens- und Sittenbild der untergehenden altpreußischen Gesellschaft. Fontanes Werk kann auch unabhängig von preußischen Gegebenheiten als allgemeinere Betrachtung des Konfliktes zwischen Individuum und gesellschaftlichem Zwang betrachtet werden. Dies alles offenbart sich in Plaudereien der Figuren und einem fast beiläufigen Erzählton, bei dem es gilt, sozusagen zwischen den Zeilen zu lesen, denn Fontane bekannte, es komme ihm nicht auf das Was, sondern auf das Wie an.

Das heißt allerdings nicht, dass der Erzähler alles gut hieße, was seine Figuren tun. Der pervertierte Ehrbegriff der Zeit zum Beispiel, der sich im literarischen Motiv des sinnlosen und illegalen Duells äußert, wird im Werk Fontanes immer wieder in verschiedenen Spielarten (zum Beispiel der todbringenden Mesalliancen im "Schach von Wuthenow") aufgegriffen. Mit dem Duell-Motiv findet sich Fontane in Gesellschaft etwa Arthur Schnitzlers, der die Sinnlosigkeit des Ehrbegriffes in Leutnant Gustl (1900) satirisch zuspitzt, während für den jungen Offizier Zosima in Dostojewskis Die Brüder Karamasow (1879-80) das Duell geradezu zum Wendepunkt seines Lebens wird: Er verzichtet darauf zu schießen und wird zum frommen Einsiedler.

Literaturwissenschaftlich gesehen, steht Fontanes Effi Briest auch in der speziellen Tradition des Liebes- oder Verführungsromans, vergleichbar etwa mit Madame Bovary von Flaubert oder Anna Karenina von Tolstoi.