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Entwicklungspolitik

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Unter Entwicklungspolitik versteht man politische, wirtschaftliche und soziale Aktivitäten verschiedener Akteure, insbesondere Staaten, internationalen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen abzielen. Im Fokus sind dabei vor allem die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Defizite in Entwicklungsländern.

In der Entwicklungspolitik werden auf drei Ebenen Veränderungen angestrebt, die sich wechselseitig beeinflussen:

Der Grund für Entwicklungspolitik liegt sowohl in den ethisch-moralischen Vorstellungen westlicher Staaten als auch im Eigeninteresse der Industriestaaten an Sicherheit und Wohlstand. Hinsichtlich des Volumens staatlicher Entwicklungsaufwendungen gilt seit der UN-Resolution zur Entwicklungsfinanzierung von 1970 das Ziel, 0,7% des BNE zu erreichen. Die Quote Deutschlands liegt bei 0,28% (2004), soll aber bis zum Jahr 2006 auf 0,33% (wie 1997) erhöht werden. Das Land mit der weltweit höchsten Quote ist Norwegen mit 1% des BNE (2006).

Sprachgebrauch

Die früher geläufige Bezeichnung "Entwicklungshilfe" wird offiziell nicht mehr verwendet. Dieser Begriff suggeriert, dass es sich bei der Hilfe um Almosen der Industrieländer an die Entwicklungsländer handle. Eine moderne Entwicklungspolitik beschränkt sich nicht auf eine einseitige Hilfeleistung, sondern strebt die Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern und Menschen an. Deshalb wird in der heutigen Zeit auch von "Entwicklungszusammenarbeit" oder "Entwicklungspartnerschaft" gesprochen.

Ein weiterer verwendeter Begriff ist derjenige der "Nord-Süd-Politik", der allerdings weiterhin irritierend suggeriert, dass der Norden den Süden "entwickelt".

Geschichte der Entwicklungspolitik

Die Entwicklungspolitik ist im Kontext des Kalten Krieges entstanden. Seine Antrittsrede, in der Harry S. Truman am 20. Januar 1949 die Gründung der NATO ankündigte, gilt auch als Gründungsdokument der Entwicklungspolitik:

„In addition, we will provide military advice and equipment to free nations which will cooperate with us in the maintenance of peace and security. Fourth, we must embark on a bold new program for making the benefits of our scientific advances and industrial progress available for the improvement and growth of underdeveloped areas. More than half the people of the world are living in conditions approaching misery. Their food is inadequate. They are victims of disease. Their economic life is primitive and stagnant. Their poverty is a handicap and a threat both to them and to more prosperous areas. For the first time in history, humanity possesses the knowledge and skill to relieve the suffering of these people.“

Im Laufe der Zeit wechselten die Schwerpunkte der Entwicklungspolitik, die in Entwicklungsleitbilder zusammengefasst werden. Ein Entwicklungsleitbild folgte dabei globalen Trends, die sich zumeist aus der Kräftekonstellation der international politisch und wirtschaftlich führenden Länder ergibt.

vor 1960 - ein außenpolitisches Instrument

Vor 1960 gab es keine Entwicklungspolitik, die diesen Namen verdient hätte. Die USA und Europa waren mit dem Aufbau des nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörten Europas ausgelastet. Die Außenpolitik unterstützte Staaten, um die durch die Dekolonialisierung schnell wachsende Zahl von unabhängigen Entwicklungsländern für die eigene Politik und im Kalten Krieg als Bündnispartner zu gewinnen. Beispielsweise unterstützte die Bundesrepublik Deutschland einige Staaten, um deren Anerkennung der DDR zu verhindern. Diejenigen Staaten, die sich dem Ost-West-Konflikt entziehen wollten, bildeten auf eine Initiative des jugoslawischen Präsidenten Tito, des ägyptischen Staatschefs Nasser und des indischen Premiers Nehru 1956 die Bewegung der blockfreien Staaten. Die Organisation konstituierte sich 1961 auf ihrer ersten Sitzung in Belgrad. Ihr traten viele afrikanische und asiatische Staaten bei. Ihr Ziel ist die Gleichberechtigung zwischen den Staaten und eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer.

1960er - Entwicklung durch Wachstum

Mitgliedsländer der Gruppe 77

Anfang der 1960er starteten die USA mit der Entwicklungspolitik als einem Instrument der Sicherheitspolitik. Schnell erhielt die Entwicklungspolitik ein größeres Eigengewicht, was in den USA zur Gründung der Agency for International Development (AID) und in der Bundesrepublik Deutschland zur Schaffung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) führte.

Das bis Ende der 1960er vorherrschende Konzept "Entwicklung durch Wachstum" beruhte auf:

  • der Annahme, die Unterentwicklung beruhe auf Kapitalmangel und genügend Kapital allein würde zu Wachstum und Entwicklung führen;
  • der Annahme, genügend Wachstum würde ein "Durchsickern" des Wohlstands (Trickle-Down-Effekt) in rückständige Regionen und Sektoren, in tiefere soziale Schichten bewirken;
  • der Erwartung, dass eine stärkere Einbindung der Entwicklungsländer in den Weltmarkt als Wachstumsmotor wirken und eine größere Nachfrage der Industrieländer auslösen würde;
  • der Philosophie, dass den Entwicklungsländern gar nichts anderes übrig bleibe, als durch nachholende Industrialisierung die Industrieländer einzuholen.

1964 wurde im Verlauf der ersten Welthandelskonferenz (UNCTAD) die Gruppe der 77 gegründet mit dem Ziel, die Position der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt zu verbessern.

1969 stellte der vom damaligen Weltbank-Präsidenten Robert McNamara und vom ehemaligen kanadischen Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Lester Pearson vorgelegte "Pearson-Bericht" das Scheitern des Konzeptes "Entwicklung durch Wachstum" fest. Das Wachstum, wenn es wirklich eintrat, erfolgte regional sehr uneinheitlich. Lokal weitete sich die Armut eher aus, die wachstumsfördernden Maßnahmen kamen vor allem der Oberschicht in den Entwicklungsländern zugute.

1970er - Grundbedürfnisstrategie

Unter der Annahme dass, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, Wachstum folgt, wurden Grundbedürfnisse in zwei Kategorien unterteilt:

materielle Grundbedürfnisse
Zu den materiellen Grundbedürfnissen zählen Nahrung, Wasser, Gesundheit, Kleidung, Wohnung, Infrastruktur.
immaterielle Grundbedürfnisse
Zu den immateriellen Grundbedürfnissen zählen die Freiheit von Zwang und Folter, Selbstbestimmung, kulturelle Identität, Bildung, Arbeit und Geborgenheit.

Aus der Analyse des Pearson-Berichts heraus formulierte Robert McNamara die Grundbedürfnisstrategie. Grundbedürfnisorientierte Aktionsprogramme wurden gestartet: "Nahrung für alle" (FAO), "Gesundheit für alle" (WHO), "Bildung für alle" (UNESCO), "Arbeit für alle" (ILO). Inhaltlich änderte sich bei diesen Aktionsprogrammen jedoch wenig gegenüber "Entwicklung durch Wachstum".

Im März 1980 beauftragte Robert McNamara Willy Brandt, die "Nord-Süd-Kommission" zu leiten, auf der der Brandt-Bericht vorgelegt wurde.

1980er - Das verlorene Jahrzehnt

Während der Ölkrise anfangs der 70er Jahre wurden durch den steigenden Ölpreis große Geldmengen von den Ölscheichs über die Banken in Entwicklungsländer investiert, da ein Land als sicherer Schuldner galt. Hohe Zinsen und Fehlinvestitionen führten zu einer bedrohlich zunehmenden Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer. Als diese in den 80er Jahren schließlich mehr Schulden und Schuldzinsen zurückzahlen mussten, als sie aufbringen konnten, kam es zu den ersten Zahlungsunfähigkeitserklärungen von Ländern (Mexiko, 13. August 1982).

Zusätzlich war der Anfang der 80er Jahre durch eine schwere Wirtschaftskrise gekennzeichnet, nach einer Stagnation in den 1970ern fielen in vielen Länder die Wachstumsraten steil ab. Fallende Rohstoffpreise ließen die Exporterlöse der Entwicklungsländer sinken und die Schuldenberge weiter wachsen. Ehemalige Schwellenländer (Brasilien, Elfenbeinküste) und Ölländer (Mexiko, Venezuela, Nigeria, Algerien) gerieten in schwere Wirtschafts-, Sozial- und Politikkrisen.

Die 80er waren deshalb für viele Entwicklungsländer ein verlorenes Jahrzehnt. Ausnahmen bildeten die Tigerstaaten im Fernen Osten (Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur) und die Volksrepublik China.

ab den 1990ern - Nachhaltige Entwicklung

Die Idee der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) hatte ihren Durchbruch an der "Rio-Konferenz über Umwelt und Entwicklung" (1992), die die Erkenntnisse des Brundtland-Berichtes (1987) aufgriff und eine sogenannte "Agenda 21" aufstellte. Nachhaltige Entwicklung soll die arme Bevölkerung in die Lage versetzen, eigenständig die eigenen Lebensbedingungen zu verbessern, ohne sich an Standards in anderen Ländern zu messen. Das Prinzip der "Hilfe zur Selbsthilfe" steht im Vordergrund, und es werden Projekte gefördert, die

  • arbeitsintensiv im Sinne der Arbeitsbeschaffung sind und den Effekt haben, dass Beschäftigung und eigenständiges Wirtschaften generiert wird;
  • angepasst an die kulturellen, räumlichen und wirtschaftlichen Strukturen sind und
  • durch die Beachtung von Ressourcenverbrauch und Umweltverträglichkeit dauerhaft und zukunftsträchtig sind.

An der 55. UN-Generalversammlung („Millennium-Gipfel“) zogen die Vereinten Nationen eine verheerende Bilanz: Zu diesem Zeitpunkt lebten über eine Milliarde Menschen in absoluter Armut. Damit muss jeder fünfte Mensch auf der Welt mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen; mehr als 700 Millionen Menschen hungern und sind unterernährt. Deshalb verabschiedeten am 8. September 2000 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen mit der Millenniumserklärung einen Katalog grundsätzlicher, verpflichtender Zielsetzungen für alle UN-Mitgliedsstaaten. (Siehe Hauptartikel Millennium-Gipfel)

Die "vier Dekaden der Entwicklungspolitik"

Da die Entwicklungspolitik sich vor allem in den obig aufgeführten vier Jahrzehnten (60er, 70er, 80er und 90er Jahre) abspielte, spricht man von den "vier Dekaden der Entwicklungspolitik".

Ziele der Entwicklungspolitik

Die Ziele der Entwicklungspolitik sind vom jeweiligen Land abhängig. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) definiert folgende Ziele:

Armutsbekämpfung

Etwa 1,2 Milliarden Menschen, ein Fünftel der Menschheit, leben in absoluter Armut, d.h. sie müssen mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen. Armut ist eines der größten Probleme der Gegenwart, ihre Bekämpfung ist die wichtigste Aufgabe der Entwicklungspolitik.

Der einfachste und herkömmliche Weg ist, die Armut über Wachstum bekämpfen zu wollen. Wenn die Wirtschaft als Ganzes wachse, so wachse auch das Einkommen der Ärmsten. Diese Strategie ist jedoch nicht nachhaltig und zeigt bislang wenig Erfolg.

Die Strategie einer modernen Entwicklungspolitik versucht deshalb die Armut mittels "Hilfe zur Selbsthilfe" zu bekämpfen.

Auch strukturelle Reformen sind ein wichtiger Ansatz, da hierdurch die Ursachen und nicht nur Erscheinungsformen der Armut beseitigt werden. Auf nationaler Ebene betrifft dies etwa Demokratisierung, Landreformen und Dezentralisierung. Auf internationaler Ebene geht es um die Lösung der Verschuldungskrise (Entschuldung) und die Schaffung eines fairen Welthandelssystems, das auch ökologisch und sozial nachhaltig ist.

Da für den armen Bevölkerungsteil einer Gesellschaft die Arbeitskraft oftmals die einzige Möglichkeit ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ist die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung von großer Bedeutung. Darüber hinaus muss dafür gesorgt werden, dass Arbeitende von ihrem Einkommen auch ihren Lebensunterhalt sichern können ("working poor", Mindestlöhne).

Ernährung

Die Bekämpfung des Hungers hängt eng mit der Bekämpfung der Armut zusammen, denn oft verhindert fehlende Kaufkraft, dass vorhandene Nahrungsmittel zu denjenigen gelangen, die sie dringend nötig hätten.

Nahrungsmittellieferungen können -besonders in Krisensituationen- ein kurzfristiges Mittel zur Hungerbekämpfung sein, langfristig müssen die betroffenen Menschen aber in die Lage versetzt werden, sich selbst zu ernähren. Da über 50% der Hungernden Kleinbauern sind, ist die Förderung der (kleinbäuerlichen) Landwirtschaft hierbei zentral.

Oft wird der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft als Mittel zur Produktionssteigerung und damit Hungerbekämpfung propagiert. Kritiker wenden ein, dass Hunger heute weniger eine Frage von "zu wenig Nahrung" sei als vielmehr ein Problem der Verteilung, dass die Gentechnik unabsehbare ökologische Risiken berge und die Bauern in die Abhängigkeit von internationalen Saatgutkonzernen treibe.

Andere Möglichkeiten zur Produktionssteigerung sind umweltschonende Anbaumethoden, die Weiterentwicklung von traditionellem Saatgut, Maßnahmen gegen die Bodenerosion, Verbesserung der Lagermöglichkeiten etc.

Viele Kleinbauern leiden auch deshalb Hunger, weil sie auf wenig und schlechtem Boden wirtschaften. 20% der Hungernden sind landlose Landarbeiter. Derweil liegen große Landflächen brach oder werden für den Anbau von Exportprodukten statt Grundnahrungsmitteln genutzt. Auch Landreformen wären daher in vielen Ländern eine wichtige Maßnahme gegen den Hunger.

(Siehe auch Landwirtschaft in Entwicklungsländern)

Gesundheit

Datei:Aids in Afrika Infektionsraten Karte.png
Verbreitung von AIDS in Afrika

Jedes Jahr sterben in den ärmsten Ländern der Welt 10 Millionen Kleinkinder an Krankheiten, die vermeidbar wären. 500.000 Frauen sterben bei Schwangerschaft und Geburt, weil es für sie keine ausreichende medizinische Betreuung gibt. 2003 starben drei Millionen Menschen an AIDS und das südliche Afrika ist mit 25,4 Millionen AIDS-Infizierten (UNAIDS, 2004), das sind ca. 64,5 Prozent aller AIDS-Infizierten, an der Spitzenposition. Dadurch hat sich die Lebenserwartung im südlichen Afrika im Schnitt um zehn Jahre verkürzt. Auch an Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder Lepra leiden Millionen Menschen. In Regionen wo nicht einmal die Basisgesundheitsversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist, werden Krankenhäuser gebaut, Ärzte und Medikamente zur Verfügung gestellt. Eine der wichtigsten Tätigkeiten ist die Aufklärung über AIDS und wie man sich davor schützen kann. Gleichzeitig wird der Zugang zu Verhütungsmitteln (vor allem Kondome) vereinfacht um ungewollte Schwangerschaften und unsichere Abtreibungsmethoden zu verhindern. Ebenfalls wird die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen bekämpft. Betreuung bei der Geburt reduziert die Mutter- und Säuglingssterblichkeit. Ein weiteres wichtiges Ziel der Entwicklungspolitik ist der Kampf gegen Infektionskrankheiten, doch trotz großer Bemühungen der internationalen Gemeinschaft verbreiten sich die Krankheiten weiter. Zur Erreichung des Millenniumsentwicklungsziel müssten die Anstrengungen zur Krankheitsbekämpfung drastisch verstärkt werden.

Siehe auch: AIDS in Afrika

Bildung

Bildung spielt eine enorm wichtige Rolle in der Armutsbekämpfung; nur wer lesen, schreiben und rechnen kann, kann seine Rechte kennen und einfordern und hat die Chance, eine besser bezahlte Arbeitsstelle zu finden. Ohne Bildung ist menschliche Entwicklung nicht möglich. Dennoch können weltweit 862 Millionen Jugendliche und Erwachsene, nicht lesen und schreiben. Ungefähr ein Fünftel aller Kinder im schulpflichtigen Alter haben keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen.

Die Entwicklungspolitik fördert deshalb die Bildung, beispielsweise durch den Bau von Schulen, die Ausbildung von Lehrpersonal, die Beschaffung von Lehr- und Lernmaterial. Gleichzeitig versucht man die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter zu überwinden. Um die Eltern zu motivieren ihre Kinder in die Schule zu schicken und den Anreiz für längeren Verbleib in der Schule zu erhöhen, werden Leistungen wie die ärztliche Betreuung der SchülerInnen oder Schulspeisungen angeboten.

Umweltschutz

Seit der Konferenz von Rio 1992 floss der Umweltschutz (Schutz der Wälder, Klimaschutz, Bewahrung der Artenvielfalt) als Komponente in die Entwicklungspolitik mit ein. Ohne den Schutz und die Bewahrung der Umwelt ist keine nachhaltige Entwicklung möglich.

Bei der Untersuchung des Reichtums von Staaten hat die Weltbank 2005 eine neue Bemessung angewendet, die Umweltressourcen eines Landes miteinbezogen und z.B. den Wert von Fischbeständen, Wäldern, Bodenschätzen und Energievorkommen miteinberechnet. Dabei kommt sie zum Schluss, dass die armen Länder durch Raubbau an der Natur weiter an Reichtum verlieren.

Weltweit und vor allem in den Industrieländern muss der Ressourcenverbrauch eingedämmt werden. Den ärmeren Ländern darf aber dadurch nicht die Basis für ihre weitere Entwicklung entzogen werden. Die Entwicklungspolitik kümmert sich um die richtige Handhabung dieser Ressourcen durch Beratung der Regierung. Dadurch wird zum Beispiel versucht den Boden zu schützen, eine weitere Ausbreitung der Wüstengebiete (Desertifikation) zu verhindern, durch bessere Technik in der Wasserverteilung Wasser besser zu nutzen, die Versalzung und Kontamination der Böden zu verhindern.

Friedenssicherung

Durch Kriege und ihre Folgen sterben bis zu einer Million Menschen pro Jahr. Mehr als neunzig Prozent der fast 200 Kriege, die seit 1945 stattgefunden haben, wurden in Entwicklungs- und Transformationsländern ausgetragen. Die Friedenssicherung versucht präventiv zu wirken. Dies kann durch Stärkung der demokratischen Prinzipien, gerechte Verteilung der Ressourcen, Schutz von Minderheiten oder durch Vermittlung geschehen. In Deutschland wurde 1999 mit dem Zivilen Friedensdienst (ZFD) auf Initiative zivilgesellschaftlicher Organisationen ein besonderes Instrument zur Friedensförderung im Rahmen der EZ geschaffen. Friedenserzwingende militärische Maßnahmen gehören in der Regel nicht zur Entwicklungspolitik - diese baut darauf, dass die involvierten Parteien den Frieden erhalten und daran mitarbeiten wollen.

Menschenrechte und Demokratie

Die Wahrung der Menschenrechte ist eine genauso wichtige Voraussetzung für eine positive Entwicklung wie gerechte Handelsbedingungen und Schuldenerlass. Eine spezielle Rolle bei den Menschenrechten spielen die Gleichberechtigung der Frau und die Rechte der Kinder. In diesem Bereich sind der Entwicklungspolitik jedoch Grenzen gesetzt: Sie baut auf den Willen der betroffenen Regierung, ein demokratisches Regierungssystem einzuführen und die Menschenrechte einzuhalten - die Erzwingung dieser Maßnahmen gehört in der Regel nicht zum Bereich der Entwicklungspolitik, auch wenn die Entwicklungspolitik durch finanzielle Maßnahmen (Bedingungen bei Schuldenerlassen) Druck auf die betroffenen Regierungen ausübt.

Gefestigte Demokratien sind seltener in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt, und die demokratische Kontrolle der Macht durch die Bevölkerung erschwert Menschenrechtsverletzungen und Amtsmissbrauch. Wesentliche Merkmale von Demokratien sind Rechtsstaatlichkeit, Good Governance, freie Wahlen, Mehrparteiensysteme, ein unabhängiges Justizsystem und Pressefreiheit. Die Entwicklungspolitik versucht außerdem die Korruption in den betroffenen Ländern zu bekämpfen.

Entschuldung

Eine hohe Verschuldung verhindert eine nachhaltige Entwicklung. 1996 beschlossen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Initiative zur Reduzierung der Schuldenlast der am höchsten verschuldeten Länder. 1999 wurde diese Initiative zur Entschuldung von der G8-Gruppe weiter ausgeweitet (HIPC-Initiative). 36 HIPC-Ländern (heavily indepted poor countries, hoch verschuldete arme Länder) soll ein Schuldendiensterlass von insgesamt 71 Milliarden US-Dollar gewährt werden. Den Ländern werden im Schnitt zwei Drittel ihrer Schulden erlassen. (Darin sind auch individuelle bilaterale Schuldenerlasse einzelner Gläubigerländer enthalten.) Die Entschuldung ist an verschiedene Auflagen gebunden: wirtschafts- und sozialpolitische Reformen und die Verwendung der Mittel zur Armutsbekämpfung. Im Juni 2005 beschlossen die Finanzminister der G8-Staaten einen weitergehenden Schuldenerlass, der den für die HIPC-Initiative qualifizierten Ländern zusätzlich bis zu 55 Milliarden US-Dollar Verbindlichkeiten streicht. Ihnen können alle Schulden bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Afrikanischen Entwicklungsbank erlassen werden. Voraussetzung dafür sind die Erfüllung strenger Kriterien im Bereich der Good Governance. 18 Länder, vor allem in Afrika südlich der Sahara, profitieren sofort davon - ihnen wurden 40 Milliarden US-Dollar an Verbindlichkeiten erlassen. Neun weitere können sich in den nächsten Monaten noch qualifizieren. Die übrigen zehn HIPC könnten später noch dazukommen.

Globalisierung

Die Globalisierung übt heute einen erheblichen Einfluss auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf der ganzen Welt aus, auch in den Entwicklungsländern. Daher spielen die Globalisierung, ihre Chancen und Risiken und Möglichkeiten zu ihrer Gestaltung eine wesentliche Rolle in der Entwicklungspolitik.

Globalisierung gerecht zu gestalten bedeutet, die Bedingungen sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Industrieländern und auf internationaler Ebene zu verbessern. Damit die Menschen in den Entwicklungsländern von den Vorteilen der Globalisierung profitieren können, müssen ihre Interessen im Welthandelssystem besser berücksichtigt werden. Insgesamt muss ein gerechter Welthandel aufgebaut werden, der auch sozialen und ökologischen Gesichtspunkten Rechnung trägt. Exportsubventionen, mit denen die Industrieländer eigene Überschussprodukte (v.a. aus der Landwirtschaft) zu Billigstpreisen auf die Märkte der Entwicklungsländer werfen und so das einheimische Gewerbe ruinieren, müssen aus Sicht der Entwicklungspolitik abgeschafft werden.

Traditionell ist die Zusammenarbeit im Handelsbereich mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP-Staaten) ein Schwerpunkt der europäischen Entwicklungspolitik (Cotonou-Abkommen).

Siehe auch: Entwicklungsländer und Weltwirtschaft

Weitere Aspekte der Entwicklungshilfe

Frauen und Entwicklung

Die Erfahrungen von Frauen, ihre Kreativität und ihre Schaffenskraft sind wesentlich für die Entwicklung ihrer Länder und für lebendige Demokratien. Die Weltbank hat nachgewiesen, dass Länder, in denen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei Erziehung, Beschäftigung und Eigentumsrechten gering sind, weniger Unterernährung und Kindersterblichkeit kennen. Die Wirtschaft dieser Länder wächst schneller, mit weniger Umweltschäden, und sie werden zunehmend verantwortungsvoller regiert. Verbesserte Bildungs- und Lebenschancen für Frauen tragen außerdem zu einer bewussten Familienplanung und einem moderaten Bevölkerungswachstum bei.

Eine Studie der Weltbank stellt fest: "Investitionen in Bildung für Mädchen sind die wirksamsten Einzelinvestitionen, die ein Entwicklungsland vornehmen kann. Die Ausbildung von Mädchen wirkt auf alle Dimensionen der Entwicklung: geringere Kinder- und Müttersterblichkeit, eine geringere Fruchtbarkeitsrate, höherer Bildungsstand bei Töchtern und Söhnen, höhere Produktivität und besserer Umgang mit der Umwelt"

Wenn Frauen diskriminiert oder unterdrückt werden, bilden sie in den entsprechenden Gesellschaften ein "blockiertes Entwicklungspotential". Die Gesellschaft ist somit nicht in der Lage eine vorhandene und bedeutende Entwicklungsressource zu nutzen. Abgesehen davon ist die Diskriminierung von Frauen ein Menschenrechtsproblem.

Kultur & Entwicklung

Die Kultur fristet in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ein Schattendasein. Dies betrifft einerseits Kultur im weiteren Sinne, als Lebensweise, Tradition und Brauchtum (sogenannte soziokulturelle Schlüsselfaktoren), im Besonderen aber Kultur im engeren Sinne, als Kunst und Kreativität in den Bereichen Bildende Kunst, Darstellende Kunst,Literatur, Musik und Medien sowie deren Einfluss auf die Entwicklung eines Individuums, einer Gesellschaft oder eines Staates. Für die deutsche Außenpolitik ist festzustellen, dass sich die beiden jeweils zuständigen Ministerien für Entwicklungspolitik und Auswärtige Kulturpolitik, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA) nur in wenigen Teilbereichen zuständig fühlen. Es gibt im BMZ derzeit kein Referat für Kultur und in der Kulturabteilung des AA kein Referat für Entwicklungspolitik. Auf internationaler Ebene gewinnt das Thema in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Zentrales und zugleich jüngstes Moment ist das UNESCO Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005: „Die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Kultur und Entwicklung für alle Länder, insbesondere für die Entwicklungsländer, zu bekräftigen und die Maßnahmen zu unterstützen, die auf nationaler und internationaler Ebene ergriffen werden, um die Anerkennung des wahren Wertes dieses Zusammenhangs sicherzustellen“...„Die internationale Zusammenarbeit und Solidarität in einem Geist der Partnerschaft zu stärken, um insbesondere die Fähigkeiten der Entwicklungsländer zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu erhöhen.“ Staaten wie Schweden (SIDA), Dänemark (Danida), die Niederlande, Österreich (OEZA) und die Schweiz (DEZA) widmen sich bereits intensiv dem Thema. In den letzten Jahren widmen sich zunehmend auch deutsche Akteure dem Gegenstandbereich, etwa an den Konferenzen zu "Fortschritt" 2004 und "Kultur, Entwicklung und Fortschritt" 2006 des Goethe-Instituts und der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH. Die Szene der NROs auf diesem Gebiet ist weiter dünn bestellt. Deutsche Beispiele sind der seit 1992 in Münster ansässige und in Nicaragua agierende gemeinnützige Verein Pan y Arte und der in Tansania aktive Freundeskreis Bagamoyo. Ein internationales Beispiel ist das von Jeunesse Musical International initiierte Projekt im südlichen Afrika Musik Crossroads. Im Oktober 2006 wurde nun das von verschiedenen deutschen NROs und Experten formulierte - Manifest für eine enge Zusammenarbeit zwischen Auswärtiger Kulturpolitik und Entwicklungspolitik. Kultur und Kunst für nachhaltige Entwicklung - veröffentlicht. Es beinhaltet einen Katalog an Leitsätzen zur Implementierung von "Kultur & Entwicklung" in Politik und Praxis.


Wichtige Betrachtungspunkte sind: Kulturelle Entwicklung, soziokulturelle Schlüsselfaktoren, Kulturelle Identität, Kulturerhalt, Kulturhilfe, Kultur als Wirtschaftsfaktor, Kultur und Politik, Kulturelle Begegnung, interkultureller Dialog, Kulturpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, Identitätsstiftung durch Kunst, Kunst als Wirtschaftsfaktor, politisches Theater, pädagogisches Theater, pädagogischer Film, Kreatives Schreiben.

Akteure der Entwicklungszusammenarbeit

Kritik

Es lassen sich fünf Formen der Kritik an der Entwicklungspolitik unterscheiden:

  • Kritik an einzelnen Projekten
  • Allgemeine Kritik an der praktischen Umsetzung der Entwicklungspolitik, zum Beispiel betreffend der Wirksamkeit der Maßnahmen: zu geringe Nachhaltigkeit, Versanden der Aktivitäten nach Ablauf der Maßnahme
  • Kritik an den Zielen der Entwicklungspolitik und am Begriff "Entwicklung" selbst: Die evolutionäre Perspektive der Entwicklung wird kritisiert, Ziele wie Fortschritt und Industrialisierung. In den Augen der Kritiker werden durch die Entwicklungspolitik "nichtindustrielle Lebensformen" abgewertet und deren Existenzberechtigung in Frage gestellt.
  • Kritiker, die in der Entwicklungspolitik den Neokolonialismus sehen und die Meinung vertreten, die Entwicklungspolitik trage dazu bei, die Abhängigkeit der ehemaligen Kolonien von den reichen westlichen Staaten zu festigen.
  • Kritik aus dem nationalen Lager zufolge verfährt die Entwicklungspolitik allzu großzügig - das Geld sei besser im eigenen Land zu verwenden. Die Entwicklungsländer seien für ihre Situation selbst verantwortlich.

Zu den Hauptkritikern der Entwicklungshilfe gehört der kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati. Sachhilfen wie Lebensmittel und Kleiderspenden würden die örtlichen Märkte zerstören, und Hilfsgelder würden persönlicher Bereicherung zum Opfer fallen. Er plädiert dafür, die Entwicklungshilfe komplett einzustellen.

Siehe auch

Literatur

  • Kuhn, Berthold: " Entwicklungspolitik zwischen Markt und Staat, Frankfurt a.m. 2005, ISBN 3-593-37742-x
  • Lachmann, Werner: Entwicklungspolitik Band 1. Oldenbourg Verlag, München 2004, ISBN 3-486-25139-2
  • Lachmann, Werner: Entwicklungspolitik Band 2. Oldenbourg Verlag, München 1997, ISBN 3-486-22944-3
  • Lachmann, Werner: Entwicklungspolitik Band 3. Oldenbourg Verlag, München 1994, ISBN 3-486-21033-5
  • Lachmann, Werner: Entwicklungspolitik Band 4: Entwicklungshilfe. Oldenbourg Verlag, München 1999, ISBN 3-486-22956-7
  • Nuscheler, Franz: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. Dietz, Bonn 2004, ISBN 3-8012-0350-6
  • Aram Ziai: Entwicklung als Ideologie? Das klassische Entwicklungsparadigma und die Post-Development-Kritik: Ein Beitrag zur Analyse des Entwicklungsdiskurses. Deutsches Übersee-Institut 2003, ISBN 3-926953-61-6
  • Hemmer, Hans-Rimbert 2002: Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer. 3. Auflage. Verlag Vahlen, ISBN 3-8006-2836-8
  • Wolff, Jürgen H.: Entwicklungspolitik - Entwicklungsländer : Fakten-Erfahrungen-Lehren. 2. Auflage, München 1998, ISBN 3-7892-8761-X
  • Holtz, Uwe (Hrsg.): Probleme der Entwicklungspolitik. Bonn 1997, ISBN 3-416-02727-2