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Olfaktorische Wahrnehmung

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Die Hundenase ist eines der empfindlichsten Riechorgane (hier: Nase eines Samoyeden)

An der Riechwahrnehmung (griech.: ozein = riechen, auch Geruchssinn, 'BAKKA oder olfaktorische Wahrnehmung) also der Wahrnehmung von Geruch, sind zwei sensorische Systeme beteiligt: das olfaktorische und das nasal-trigeminale System. Geruch und Geschmack interagieren und beeinflussen sich gegenseitig. Der Geruchssinn ist der komplexeste chemische Sinn. Die Geruchsrezeptoren der Wirbeltiere sind in der Regel in der Nase lokalisiert.

Säugetiere

Datei:Image771.jpg
Querschnitt durch die Nasenhöhle des Menschens

Die Rezeptionszone des olfaktorischen Systems befindet sich in der inneren Nase. In jeder Nasenhöhle befinden sich 3 von den Nasenaußenwänden nach innen ragende, wulstartige Gebilde, die Nasenmuscheln (Conchae nasales), die den Luftstrom lenken. Das olfaktorische Gebiet ist auf die Riechschleimhaut (Regio olfactoria) oberhalb der oberen Nasenmuschel beschränkt. Dieses Gebiet wird auch als Geruchsorgan (Organum olfactus) bezeichnet. Dieser Bereich, der sich durch eine gelbe bis braune Farbe auszeichnet und beim Menschen nur etwa 2 x 5 cm² groß ist (beim Hund 2 x 25 cm²!), enthält die auf die Wahrnehmung von Duftmolekülen spezialisierten Sinneszellen. Die Rezeptoren der einzelnen Sinneszellen sprechen jeweils auf einen Duftstoff an, es gibt 347 unterschiedliche Rezeptoren beim Menschen (bei Hunden oder Ratten sind es über 1000 verschiedene). Während der Nervus trigeminus (5. Hirnnerv) die ganze Schleimhaut des Naseninneren sensibel innerviert, ist für die sensorische Innervation der Regio olfactoria der 1. Hirnnerv, der Riechnerv (Nervus olfactorius) zuständig.

Da normalerweise nur geringe Mengen Teilluft zur Regio olfactoria gelangen, wird der Luftstrom bei der sensorischen Analyse mittels Schnüffeln (die Luft wird in kurzen Stößen durch die Nase gesogen) intensiviert.

Über Geruchsrezeptorproteine der Zilien und darauffolgende Aktivierung der Adenylatzyklase wird ein Rezeptorpotential aufgebaut und durch das Siebbein hindurch über die Axone des Riechnerven an die im Gehirn liegenden Bulbus olfactorius geleitet, wo die zentralnervöse Verarbeitung der Duftinformation beginnt. In den beiden Bulbi werden die Reizmuster verarbeitet und analysiert. Der Bulbus olfactorius ist nervös mit dem Hypothalamus verknüpft, der unter anderem wesentlich an der Steuerung der Nahrungsaufnahme und des Sexualverhaltens beteiligt ist.

Aus dem Riechhirn der niederen Wirbeltiere soll sich der Cortex cerebri der Säugetiere entwickelt haben.

Die eigentliche Riechempfindung, die mit Emotionen, Erinnerungen und hedonischen Urteilen stark verbunden sein kann, entsteht dann in eher unspezifischen, evolutionsgeschichtlich alten kortikalen Hirnzentren (Sprachferne der Riechempfindungen?). In diesem Bereich wird sowohl die chemosensorische Analyse der Atemluft als auch die retronasale Analyse von Speisearomen durchgeführt. Daneben gibt es noch ein hämatogenes Riechen, worunter man das Wahrnehmen von Riechstoffen versteht, welche ins Blut injiziert worden sind.

Geruchsaktive Substanzen müssen flüchtig sein. Die Zusammenhänge zwischen den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Riechstoffe und den resultierenden Riechempfindungen sind noch schlecht erforscht. Die meisten riechenden Stoffe sind Kohlenstoffverbindungen, von den chemischen Elementen lösen nur Fluor, Brom, Chlor und Iod Riechempfindungen aus.

Die Duftwahrnehmung ist stark beeinflusst vom Hormonstatus und der Motivation. Beispielsweise führt Hypogonadismus häufig zu weitgehender Anosmie, ein hoher Östrogenspiegel zu erhöhter Geruchssensibilität oder Sättigung mit Nahrung zu einer Änderung der hedonischen Bewertung von Gerüchen.

Die hedonische Bewertung von Riechstoffen im Gegensatz zu den Geschmackstoffen wird beim Menschen weitgehend in den ersten 5-10 Lebensjahren erlernt. Während Neugeborene durch mimische Reaktion deutliche Lust- beziehungsweise Unlustreaktionen auf Reize durch Saccharose (süß) beziehungsweise Koffein (bitter) zeigen, sind die Reaktionen bei Gerüchen häufig indifferent. Fäkalien-, Frucht- oder Schweißgeruch werden hedonisch wenig differenziert.

Bei der olfaktorischen Wahrnehmung erfolgt wie bei der gustatorischen eine Vektorkodierung der Eindrücke. Diese Kodierung erklärt die außerordentliche Vielfalt an olfaktorischen Eindrücken und auch, wie stark sich die Wahrnehmungswelt eines Lebewesens sofort drastisch vergrößert, wenn nur eine Rezeptorart mehr (7 statt 6) und eine höhere Auflösung (30 statt 10 differenzierbare Stufen) angenommen werden. Während der Wahrnehmungsraum des Menschen einem Schuhkarton gleichkommt, ist derjenige des Hundes so groß wie eine Scheune. Auch zwischen Menschen wirken sich kleine Unterschiede in der Auflösung der Rezeptoren dermaßen stark aus.

Leistungen

Die Leistung des menschlichen Geruchssinnes wird in Schwellen angegeben; dabei wird unterschieden zwischen der: Wahrnehmungs- oder Absolutschwelle und der Erkennungsschwelle.

  • Wahrnehmungsschwelle:
    • Nur vier Milligramm des in Knoblauch enthaltenen Methylmercaptans in 108 m³ Luft (das sind 100 Hallen zu jeweils 500x10x20 Meter) genügen, um die Empfindung "Es riecht nach etwas" hervorzurufen.
    • Ein Milligramm Vanille pro 1000 m3 Luft genügt, um einen Riecheindruck hervorzurufen.
    • Im Rahmen der "Unterschwelligen Werbung" (die die Aufmerksamkeitsschwelle nicht überschreitet) sind gelegentlich Versuche mit olfaktorischen Reizen erfolgreich gewesen.
  • Erkennungsschwelle:
    • Um den Geruch zu erkennen, muss die Konzentration etwa 50-fach höher sein.

Eine erheblich – bei einem Schäferhund beispielsweise um den Faktor 1000 – feinere olfaktorische Wahrnehmung haben viele andere Säugetiere.

Geruchsempfindungen

Nach der stereochemischen Geruchstheorie von Amoore kann der Mensch nur sieben Einzelgerüche wahrnehmen:

  1. stechend, beißend (beispielsweise Essig, Ameisensäure)
  2. faulig (beispielsweise faulende Eier, H2S)
  3. ätherisch (beispielsweise Fleckputzmittel)
  4. kampferartig (beispielsweise Mottenkugeln)
  5. moschusartig (beispielsweise Engelswurz)
  6. minzig (beispielsweise Pfefferminze)
  7. blumig (beispielsweise Rosen)

Nach Zwaardemaker können folgende Formen der Geruchsempfindungen unterschieden werden:

  1. ätherische Gerüche (beispielsweise Apfel)
  2. aromatische Gerüche (beispielsweise Anis)
  3. balsamische Gerüche (beispielsweise Jasmin)
  4. moschusartige Gerüche (beispielsweise Patchouli)
  5. lauchartige Gerüche (beispielsweise Zwiebel)
  6. brenzlige Gerüche (beispielsweise Tabak)
  7. Kaprylgerüche (beispielsweise Käse)
  8. betäubende Gerüche (beispielsweise Opium)
  9. gestankähnliche Gerüche (beispielsweise Fäulnis)

Henning unterscheidet dagegen nur sechs Grundqualitäten:

  1. würzig,
  2. blumig,
  3. fruchtig,
  4. harzig,
  5. brenzlig und
  6. faulig.

Nur sieben der chemischen Elemente besitzen einen Geruch, der vom Menschen wahrgenommen werden kann: Arsen, Brom, Chlor, Fluor, Iod, Phosphor und Sauerstoff als Ozon.

Störungen der Geruchsempfindung: die Riechstörungen

Unterschieden werden quantitative und qualitative Geruchsstörungen.

Zu den quantitativen Störungen zählen das völlige Fehlen des Geruchssinnes als Anosmie, die zu geringe Riechleistung als Hyposmie und die übermäßige Riechleistung als Hyperosmie.

Das qualitativ gestörte Riechen ist im neurologischen Bereich die Kakosmie bzw. Parosmie und im psychiatrischen Bereich die Phantosmie als eine olfaktorische Halluzination.

Nobelpreis für Medizin

Für die Erforschung der Riechrezeptoren und der Organisation des olfaktorischen Systems erhielten die Wissenschaftler Richard Axel (US) und Linda B. Buck (US) im Jahre 2004 den Nobelpreis für Medizin.

Siehe auch

Literatur

  • Karl Isak: Duftstoffe als moderne Manipulatoren. Die psychologischen Aspekte des Einsatzes von Duftstoffen im (wirtschaftlichen) Alltag mit Schwerpunkt auf die schriftliche Kommunikation und die Auswirkungen auf Wahrnehmung und Responseverhalten. Universitaet Klagenfurt; Fakultät für Kulturwissenschaften; Institut für Psychologie. Dissertation 2001

Belletristik: